Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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keltisches Weihewort
Band S III (1918) S. 11981201
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IEVRV (ieuru, ievru) ist ein keltisches Wort, welches in einer Anzahl von keltischen Inschriften aus den ersten Zeiten der Römerherrschaft über die von Caesar eroberten gallischen Landschaften sich findet, Inschriften, welche übrigens teilweise unter römischem Einfluß sichtlich lateinisch gefärbt sind. Die Inschriften, soweit sie damals bekannt waren, hat Holder Altcelt. Sprachsch. II 28f. zusammengestellt, doch ist unter den von ihm aufgeführten (9) Inschriften nr. 6 = 7 (CIL XIII 1452). Zuverlässige Veröffentlichungen derselben Inschriften mit ausführlicheren Angaben und Verweisungen liegen vor im CIL XIII 1171: Inschrift eines ,Menhir‘ im Gebiet der Pictones (Poitou), 1326: ,Stela‘ im Gebiet der Bituriges Cubi (um Bourges), 1452: dicker Stein mit roher Schrift im Gebiet der Lemovices (Limousin), 2638. 2733 und 2821: Gebiet der Haedui (2638: Tafel mit guter Schrift gefunden bei Auxey, 2733: viereckige Basis gefunden zu Autun - Augustodunum, 2821 zu Nevers - Noviodunum oder Nevimum, nicht mehr vorhanden), 2880: Inschrift einer Steintafel aus Alesia im Gebiet der Mandubii, 5468: Inschrift auf dem Stiel eines Bronzetopfes, gefunden im Gebiet der Lingones (um Langres-Dijon). Das nämliche Wort in etwas abweichender Schreibung liegt zweifellos auch vor in ειωρου einer mit griechischen Schriftzeichen nachlässig geschriebenen keltischen Inschrift einer Steintafel von Vaison - Vasio in der Narbonensis, CIL XII [1199] p. 162 (Holder I 1411). Die aufgezählten Inschriften enthalten meist unzweifelhaft Weihungen, was durch die in einer Inschrift (CIL XIII 1452) am Schluß angehängte lateinische Weiheformel v. s. l. m. bestätigt wird. Der Sinn des keltischen Wortes scheint also verwandt zu sein mit der lateinischen Formel votum solvit. Gewöhnlich wird es für sprachlich gleichbedeutend mit fecit erklärt, so auch von Stokes, eine Deutung, für welche das in einer zum Teil in griechischen, größerenteils aber in lateinischen Schriftzeichen geschriebenen Inschrift (CIL XIII 1326) gebrauchte griechische Zeitwort ἐπο(ι)ει als Stütze angeführt werden kann. Dagegen hat Arbois de Jubainville ieuru als 1. Person Sing. Präs. = do, dedico oder facio erklärt. Jedenfalls scheint der Gebrauch des Wortes auf Weihungen beschränkt, während [1200] das gleichfalls, aber mit mehr Sicherheit als fecit gedeutete keltische Wort avotis, avoti, avot (s. o. in diesen Nachträgen) sich auf Handarbeit bezieht.

Die Wortfolge der hier in Frage kommenden Weihinschriften (mit Ausnahme von nr. 3 alle auf Stein, doch in verschiedener Gestaltung) ist fast durchweg folgende:

Dem Weihewort ieuru vorangestellt sind die Namen der Stifter, ihr Rufname im Nominativ nebst Patronymikon (d. h. der Vatersname mit angehängtem keltischem Adjektiv-Suffix -icnos, -ios, -εος oder aber im lateinischen Genetiv auf -i). In der Mehrzahl der Weihungen folgt dahinter noch der Name der Gottheit im Dativ, meist mit der dahinter zugefügten Bezeichnung der Weihegabe:

1. CIL XIII 2821: Andecamulos Toutissicnos ieuru.
2. CIL XIII 1171 mit Add. 4 p. 12: Frontu (= Fronto) Tarbeisonios ieuru.
3. CIL XIII 5468 mit Add. 4 p. 72: Doiros Segomari ieuru Alisanu.
4. CIL XIII 2638 mit Add. 4 p. 29: Iccavos Oppianicnos ieuru Brigindoni cantalon.
5. CIL XIII 2733 mit Add. 4 p. 30: Licnos Contextos ieuru Anualonnacu canecosedlon.
6. CIL XIII 2880 mit Add. 4 p. 32: Martialis Dannotali ieuru Ucuete sosin (= hoc) celicnon ....Ucuetin in . . Alisiia.
7. CIL XII p. 162: Σεγομαρος Ουιλλονεος τοαυτιους Ναμαυσατις ειωρου Βηλησαμι σισιν
[d. h. in lateinischer Übertragung: Segomarus Villonis filius civis (oder magistratus?)
Nemausensis dedit (dicavit) Belisamae hoc templum].

[1199] In der Inschrift des ,Menhir‘ d. h. eines rohen, aufrecht gestellten, 39 m hohen Steinblocks, nr. 2, geht eine Zeile vorauf mit Wörtern oder Namen, deren Sinn noch nicht verstanden wird; in nr. 6 (einer Steintafel, die einstmals in dem Tempelbau eingelassen war) ist der auf die Angabe des Weihgeschenkes noch folgende Schlußteil der Inschrift unverständlich, nur sind am Ende hinter drei Wörtern mit ganz unsicherer Bedeutung zweifellos die Wiederholung des Namens der (weiblichen) Gottheit in einem anderen Kasus (Accus.) nebst der Ortsangabe ,Alesia‘; auf der Steintafel nr. 7 ist den Namen des Weihenden noch eine Angabe seiner Herkunft beigefügt. In nr. 6 trägt der Stifter bereits einen lateinischen Rufnamen (Martialis), auch in nr. 2 Frontu = Fronto (vgl. dazu die Belege CIL XIII 3, 1 p. 119f.).

8–9. Eine Sonderstellung scheinen die beiden restlichen Inschriften CIL XIII 1326 mit Add. 4 p. 17 und 1452 mit Add. 4 p. 19 zu beanspruchen.

8. In CIL XIII 1326 stand an der Spitze wohl der nämliche keltische Name zweimal, einmal in lateinischer und einmal in griechischer Schrift: [… t]os Virilios | […] τος Ουιριλλιο(ς). Nach einem Zwischenraum folgt Ανεουνος und nach einem weiteren Zwischenraum: Eluontiu | ieuru Aneuno \ Oclieno Luguri | Aneunicno. Hier wird Eluontiu als Nominativ eines Mannesnamens erklärt von Holder I 1432, doch ist es vielmehr wohl Name eines Gottes im Dativ (-u, vgl. auch Holder III 622. 715), und dem Weihe- oder Schenkungswort ieuru nachgesetzt sind die Namen der Stifter, nämlich des Aneuno(s) Oclieno(s) und seines Sohnes Luguri(s) Aneunicno(s), von welchen der Vater mit seinem Rufnamen Aneounos (= Aneunos) vorher als Veranlasser bereits genannt war.

9. CIL XIII 1452: Sacer Peroco ieuru DVORICO v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito). Die Inschrift hebt an mit den Namen des Stifters, die einer [1200] unrömischen Namengebung entsprechen, wie wir sie in lateinischen Inschriften der gallischen und anderer Provinzen öfters antreffen (vgl. Lothr. Jahrb. IX 183, 7. CIL II 455. 2419f. 2990. 5202 usw.). Das auf das Weihewort ieuru folgende Wort wird für gleichbedeutend mit porticum oder porticus erklärt unter Verweisung auf die sehr kurze, etwa dem 5. nachchristl. Jhdt. angehörige Zusammenstellung ,de nominibus Gallicis‘ (Mon. Germ. Chron. min. ed. Mommsen I p. 613), wo es heißt (15): doro osteo (d. h. gallisches doron = latein. ostium); vgl. Holder I 1390. Doch scheint mir die bereits von Vallentin und Espérandieu geäußerte Ansicht, daß Dvorico Name einer örtlich-gallischen Gottheit im Dativ (mit lateinischer Endung) sei, richtig zu sein; durch diese Lösung läßt sich auch die Inschrift ordnungsmäßig in die oben aufgeführten Inschriften einreihen.

Wenn somit in den Inschriften nr. 8 und 9 örtliche, sonst nicht beglaubigte Gottheiten angenommen werden, so ist dies nicht etwa gewagt, denn die Zahl der nur einmal in den uns erhaltenen Denkmälern genannten keltischen Gottheiten ist sehr groß. Auch von den durch die Inschriften nr. 3–7 bezeugten Gottheiten sind nur zwei außerdem durch je eine lateinische Weihinschrift sicher belegt: Alisanos (Dativ -u) = deus Alisanus (Dativ -o: CIL XIII 2843) und Belesama (Dativ -i) = Minerva Belisama (CIL XIII 8), während die drei anderen Gottheiten, Anvalonnacos, Brigindona und Ucuetis, eben nur durch die angeführten Inschriften bis heute bekannt sind; vgl. Holder III 565–566. I 386 mit III 834. I 164 mit III 639. I 542 mit III 941 und III 16, auch o. Bd. I S. 1494f. (wo in der lat. Inschr. zu ändern: Alisano), Bd. III S. 209, Bd. I S. 2645, Bd. III S. 851.

Mit ieuru ist zusammengestellt worden das keltische Wort iorebe in der bei Bad Néris (Aquae Neri) gefundenen Inschrift Holder II 65 = [1201] CIL XIII 1388: Bratronos Nantonicn(os) Epadatextorigi (oder epad Atextorigi = eques alae Atectorigianae?) Leucullosu iorebe locitoii, falls nicht vielmehr Leucullo suiorebe (mit Holder III 926) zu lesen ist.

Auch mit eurises der Inschrift des berühmten Steindenkmals der Pariser Schifferinnung aus der Zeit des Kaisers Tiberius (o. Bd. VI S. 1285. CIL XIII 3026. Espérandieu Recueil nr. 3132, IV p. 209–210) ist es zusammengebracht worden, doch ist die Deutung eurises = posierunt (Holder I 1484) sehr zweifelhaft und überhaupt der Sinn der drei zusammengehörigen Worte eurises senani useilo.. (?) völlig dunkel, vgl. Zimmer bei Hirschfeld CIL XIII 1, 1 p. 467.

[Keune. ]

Nachträge und Berichtigungen

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IEVRV

Kelt. Weihewort. S III.