Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Halbkugel, halbe Weltkugel
Band VIII,1 (1912) S. 253254
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Hemisphaerium. 1. Seinen Bildungselementen gemäß wird das Wort h. zunächst für den rein mathematischen Begriff der Halbkugel verwendet, d. h. zur Bezeichnung desjenigen Körpers, der durch den Schnitt der Kugel in einem Maximalkreise entsteht; s. Euclid. opt. rec. Theon c. 23–27.

2. Unter den griechischen Naturphilosophen, welche die ursprüngliche naiv-sinnliche Auffassung von einer flachgewölbten Himmelskuppel, die auf dem äußersten vom Okeanos gebildeten Bande des Horizontes aufsetze, überwanden und das Weltganze als Kugel ansprachen, ja wie Thales (s. Cic. de rep. I 22) den Fixsternhimmel angeblich bereits unter dieser Form nachbildeten und veranschaulichten, scheint Empedocles zuerst die beiden Teile dieser Weltkugel, in welche der Horizont dieselbe zerlegt, als obere und untere, als lichte und dunkle h., als Götter- und Totenreich bezeichnet zu haben (s. Stob. Ecl. Phys. I 25, 3 [530], Ps.-Plut. bei Euseb. praep. ev. I 8, 10. Plac. II 11, 2 und überhaupt Zeller I 25, 788, 1. Von Empedokles übernahm Platon (Ax. 371 A) Wort und Bild, bei Aristoteles ist es durchaus geläufig (s. Bonitz Index Arist. p. 318), und auch bei Theophrast (frg. V 47 und bei Macrob. Somn. Scip. 1, 15) finden wir es wieder, und nach ihm ist es natürlich in dieser Bedeutung Gemeingut der griechischen Philosophen, Geographen und Astronomen.

3. Als mit fortschreitender Erforschung der bewohnten Erde die Lehre von der Kugelgestalt der Erde immer sicherer und fester begründet wurde, übertrug man zunächst jene Zweiteilung der Himmelskugel durch den Horizont auch auf die Erdkugel, ohne sich darüber Rechenschaft zu geben, daß der Horizontkreis nur ein sehr geringes Stück der Erdkugeloberfläche umspannte, und diese Auffassung erhielt sich das ganze Altertum hindurch, obwohl die mathematisch richtige [254] Teilung des Himmels- wie der Erdkugel durch den Äquator schon in vorchristlicher Zeit (Posidonius) bekannt war und neben die erstere trat. Stellen für h. caeli: Hygin. astr. 6. Scholia Basil. ad Germ. Arat. 187, 13, Macrob. Somn. Scip. I 15, 4. 18, 11. 20, 18. 22, 12. Mart. Cap. 8. 873. Cassiod. de artibus (Migne) 590; h. terrae: Pomp. Mela 1. Agenn. Urbicus (Röm. Feldm. I 62, 2). Mart. Cap. 6. 602. Macrob. Somn. Scip. II 5. 29.

In die lateinische Sprache versuchte zuerst Naevius das Wort h. als Lehnwort einzuführen (Varro de l. l. VII 7), während Ennius, der ja als Purist schon von Cicero gelobt wird, mit caeli ingentes fornices augenscheinlich eine Übersetzung desselben versuchte, die freilich von Cicero (de orat. III 162) abgelehnt wird. Das Wort bürgert sich anscheinand zunächst nicht ein, denn noch Cicero, Seneca und Plinius vermeiden den Ausdruck h. gänzlich und nehmen zu mehr oder minder umständlichen Umschreibungen des Begriffes ihre Zuflucht. Selbst Varro und Vitruv, die unser Wort auf einem anderen Gebiete als Terminus technicus verwenden, umgehen es in ihren astronomischen Kapiteln. Auch die Dichter astronomischer Stoffe wie Lucrez, Cicero, Manilius und Germanicus behelfen sich mit Umschreibungen.

4. Varro (r. r. III 5. 17) und Vitruv (V 10. 5) bezeichnen mit h. ein halbkugelförmiges Kuppelgewölbe. Bei Vitruv tritt der Gegensatz zur concameratio, dem Walzen- oder Tonnengewölbe, und zum fornix, dem Tragebogen, scharf hervor. Die spätere lateinische Sprache setzt dafür das Wort cupula ein, das dann in die romanischen Sprachen übergeht.

5. Als h. bezeichnet Vitruv (IX 8, 1), ferner eine auch scaphe benannte Sonnenuhr, deren Erfindung er dem Aristarch von Samos zuschreibt. Dieselbe Sonnenuhr erwähnt Macrobius (Somn. Scip. II 7. 15) und gibt (ebd. I 20. 26) eine Anweisung, mittelst dieses Instrumentes den Durchmesser der Sonnenkugel zu ermitteln.

6. Die latinisierte Form semisphaerium verwendet Boethius inst. math. 4. 18 als Benennung halbkugelförmiger Spannstege des Monochords.