RE:Hellas 1
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Griechische Nation | |||
Band VIII,1 (1912) S. 157 (IA)–159 | |||
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Hellas (Hellenes). 1)
Etymologie. Wenig Wahrscheinlichkeit hat die Beziehung auf σέλας, Curtius Gr. Etym. z. d. W. Unger Philol. Suppl. II 719; ebenso wenig leuchtet ein der von v. Wilamowitz Euripides Herakles² I 1 angenommene Zusammenhang mit ψελλίζω σελλίζω ἐλλός ἔλλοψ, wonach H. mit βαρβαρόφωνοι gleichbedeutend wäre (für die Ἑλλοί in Dodona könnte man sich die Deutung = die Stummen gefallen lassen, Gruppe Gr. Mythol. 355; da die Ἑλλοί in Dodona aber kein Volk, sondern eine Priesterschaft sind, so ist ein Zusammenhang mit H. nicht sehr wahrscheinlich). Möglich ist ein Zusammenhang mit Ἑλλόπιον Ἑλλοπία, ein Zusammenhang, der aber ethnographisch kaum verwertbar ist, da der Name auch im Norden von[158] Euboia, Herod. VIII 23. Strab. X 445f., bei Dodona (s. u.), bei den Dolopern (Steph. Byz.), bei Thespiai (Steph. Byz.), in Aitolien (Steph. Byz. = Polyb. XI 7, 4) vorkommt, und offenbar appellative Bedeutung hat; er kann mit ἕλλα lakonisch = καθέδρα (Hesych,; zu der Wortbildung vgl. Unger a. a. O. 716) oder mit ἕλος zusammengehören; für das letztere A. Fick Bezz. Beitr. XXVI 239; Vorgriech. Ortsnamen 156. 159, der Hes. frg. 80 (149) Göttling beizieht (bei Dodona ἔστι τις Ἐλλοπίη πολυλήϊος ἠδ’ εὐλείμων). Ἕλλα deutet Prellwitz Gr. Etym.² 139; Bezz. Beitr. XXLV 105 als Kurzform für Ἑλλοπία, Ἕλλανες wie Ἰάονες zu Ἰάς. Überzeugend ist keine der angeführten Ableitungen.
Anwendung des Namens. 1. Angebliche Landschaft um Dodona. Schol. Il. XXI 194 ἡ ἀρχαιοτάτη Ἑλλὰς περὶ Δωδώνην καὶ Σελλοὺς ἔκειτο. Arist. met. I 14, 352 a ὁ καλούμενος ἐπὶ Δευκαλίωνος κατακλυσμὸς ... ἐγένετο .. περὶ Ἑλλάδα τὴν ἀρχαίαν· αὕτη δ’ ἐστὶν ἡ περὶ Δωδώνην ...ᾤκουν γὰρ οἱ Σελλοὶ ἐνταῦθα καὶ οἱ καλούμενοι τότε μὲν Γραικοὶ, νῦν δὲ Ἕλληνες. Daß hier ein innerer Widerspruch und eine Verderbnis der Überlieferung vorliegt, hat schon Unger a. a. O. 691 erkannt; den Ursprung der falschen Nachricht hat Köhler aufgedeckt, Sat. philol. Sauppio obtul. 79ff., vgl. auch Busolt Griech. Gesch.² I 199.2. Ἑλλὰς εὐρύχορος, Landschaft neben dem Reich des Peleus, einem Teil der Phthiotis, Gebiet des Amyntor, des Vaters des Phoinix, Il. IX 395. 447. 478; vgl. Strab. IX 431. Ohne genügenden Grund hält Unger a. a. O. 641 dieses Reich für identisch mit dem des Eurypylos, offenbar im Anschluß an die Annahme des Eustath. zu Il. IX 448, daß Euaimon Bruder des Phoinix, Eurypylos, Sohn des Euaimon, Erbe des Reichs des Amyntor sei. Nach Strab. a. a. O. haben wir an die Landschaft zwischen Palaipharsalos und dem phthiotischen Theben zu denken. Busolt Griech. Gesch.² I 197 entscheidet sich wegen des Beiworts εὐρύχορος für die Thessaliotis (sein Grund gegen die Pelasgiotis ist freilich nicht durchschlagend, da auch das dem Achilleus nach Il. II 682 gehörende Ἅλος jenseits von Phylake lag).
3. Eine Landschaft, die noch zum Reiche des Peleus gehört (die Bewohner Ἕλληνες Hom. Il. II 684), von Myrmidonen bewohnt, Il. IX 395. XVI 595; Od. XI 495f.; vgl. Marm. Par. 6. Strab. VIII 383 (hier mit der Phthiotis gleichgesetzt). Unger a. a. O. 656 nimmt an, daß ein südlicher Teil der Landschaft H., das Gebiet am Enipeus und obern Apidanos von den Myrmidonen erobert worden sei.
4. Offenbar, wie die vorher genannten Plätze, als Stadt aufgefaßt Il. II 683. Man suchte die Stadt später in dem zu 2. genannten Gebiet, in der Gegend von Pharsalos und Melitea, Dikaiarch. III 2. Geogr. Gr. min. 1 108f. Müller. Strab. IX 431. Daß es wirklich eine Stadt H. gegeben hat, ist sehr unwahrscheinlich.
5. (?) Landschaft im Norden des Peloponnes, in oder gleich Achaia, der Name von den ausgewanderten Achäern aus Thessalien herübergenommen; so nimmt Bury Journ. hell. Stud. XV 217ff. an, um Od. XV 80 zu erklären (Od. I [159] 344. IV 726. 816 sind entbehrliche Verse, athetiert von Aristarch. schol. Ven. Il. IX 395 mit Rücksicht auf den sonstigen Gebrauch von Ἑλλάς. Lehrs De Arist. stud. Hom. 234. Niese Homer. Poesie 215). Es ist zuzugeben, daß eine andere befriedigende Erklärung der genannten Stelle nicht gegeben ist und daß Burys Annahme zugleich am einfachsten den Namen Μεγάλη Ἑλλάς (ausgehend von den achäischen Kolonien in Großgriechenland) erklären würde.
6. Gewöhnlich werden die unter 5. angeführten Stellen zusammengenommen mit Il. II 530 Πανέλληνας καὶ Ἀχαιούς; ob unter Panhellenen (der Name kann trotz E. Meyer Gesch. des Altert. II 534f. nicht älter sein als der Name Hellenen), die hier mit den Achäern zusammen offenbar die Gesamtheit der Griechen bezeichnen, die Bewohner eines bestimmten Teils von Griechenland (Thessalien? so Unger a. a. O. 664ff.) gemeint sind, läßt sich nicht entscheiden.
7. Noch in späterer Zeit bezeichnet H. zuweilen Mittelgriechenland und Thessalien mit Ausschluß des Peloponnes, Demosth. XIX 303. Ptolem. III 14, 1.
8. Als Gesamtname der Nation wird Πανέλληνες nachweislich zuerst von Hesiod gebraucht, op. 528 (vgl. frg. 32 (8) Göttl. Hellen Vater des Doros, Xuthos, Aiolos), und es ist nicht unwahrscheinlich, daß Hesiod diesen Sprachgebrauch in die Literatur eingeführt hat (Unger a. a. O. 691). Dann erscheint der Name Πανέλληνες in dieser Bedeutung bei Archil. frg. 52 (87), und zu Anfang des 6. Jhdts. wird ein Ἑλλανοδίκας zu Olympia genannt, IGA 112. Collitz-Bechtel I 1152.
Die Ursache der Ausbreitung gerade dieses Namens war den Alten nicht bekannt, Thuc. I 3, 2, und ist ebensowenig von den Neueren aufgedeckt worden. Die Annahme, daß sie mit der pyläischen Amphiktyonie zusammenhänge (Unger a. a. O. 678ff. Grote Hist. of Gr. 1884 I 99. Beloch Gr. Gesch. I 272), hat wenig Wahrscheinlichkeit. Burys Ansicht (s. zu 5.), daß die Kolonien bei der Verbreitung dieses Sprachgebrauchs beteiligt gewesen seien, hat manches für sich.
Anmerkungen (Wikisource)
- Siehe auch Hellas 1a von Wiedersich († 1948) im Supplementband IV, Sp. 728-729.