Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Haemon, Bach östlich von Chaironeia
Band VII,2 (1912) S. 22182219
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13) Haimon (Αἵμων), ein Bach östlich von Chaironeia. Um die genauere topographische Festlegung haben sich bemüht Kromayer Antike Schlachtfelder I 161, 1, Sotiriadis Athen. Mitt. XXX 1905, 113ff., Kromayer Ant. Schlachtf. II 372, 1 und Karte 10. Drei Bäche fließen östlich von Chaironeia vom Thuriongebirge nach Nordosten hinab, der erste unmittelbar am Dorfe Káprena, der zweite 400 m weiter östlich aus dem Tal der Panagía Lykúressi, der dritte wieder 1100 m weiter östlich aus dem Tale Karamét am Kératapaß. Ihnen entsprechen drei antike Namen, die nur bei Plutarch erhalten sind: Μώριος Sull. 17, Μόλος Sull. 19, Αἵμων Demosth. 19 und Thes. 27. Sotiriadis 115 hält Morios und Molos für identisch; beide Namen sind aber hsl. überliefert (Kromayer 372, 1). Er schaltet weiter (113f.) den Bach von Káprena als Trockenbach aus, indem er den Ausdruck ποτάμιον bei Plut. Demosth. preßt; eine Vergleichung der sämtlichen Stellen zeigt aber, daß Plutarch mit den Ausdrücken ποτάμιον, ῥεῦμα, ῥευμάτιον, ῥεῖθρον lediglich aus stilistischen Gründen wechselt. So gleicht er den Bach im Tal der Panagía Lykúressi mit dem H., den Bach im Tale Karamét mit dem Molos. Kromayer hält den Bach von Kaprena für den Morios, den zweiten für den [2219] Molos, den dritten für den H. Prüfen wir die Gründe! Der Morios fließt nach Plutarch am Fuß des Orthopagos; in diesem erkennt Kromayer II 368 den Bergzug, der in dem Petrachosfelsen endet, während Sotiriadis’ Gleichsetzung mit ,der steilen Bergwand der heutigen Kerata‘ weder dem Wortlaut Plutarchs gerecht wird, noch zu den erzählten Vorgängen paßt (Kromayer 368, 1. 372, 1). Der Morios ist also der Bach von Kaprena. Nach der Schlacht errichtet Sulla ein Tropaion in der Ebene ἡ πρῶτον ἐνέκλιναν οἱ περὶ Ἀρχέλαον μέχρι [del. Emper] παρὰ τὸ Μόλου ῥεῖθρον. Aus der sprachlich und sachlich unklaren Stelle läßt sich nicht entscheiden, ob der Name Molos dem zweiten oder dem dritten Bache zukommt. Über den H. endlich haben wir nur die Angabe (Demosth. 19) παραρρεῖ παρὰ τὸ Ἠράκλειον, ὅπου κατεστρατοπέδευον οἱ Ἕλληνες. Denn in dem weiter vorausgehenden Satz τὸν δὲ Θερμώδοντά φασιν εἶναι παρ' ἡμῖν ἐν Χαιρωνεῖα ποτάμιον μικρὸν εἰς τὸν Κηφισὸν ἐμβάλλον haben wir nicht eine topographische Angabe Plutarchs, sondern den ganz unbestimmt gehaltenen Versuch anderer, den Thermodon zu lokalisieren, der in einem Orakelspruch vorkam. Dieser Name scheint in Orakelsprüchen geradezu eine feste Stelle gehabt zu haben (vgl. z. B. Herod. IX 43), und für die Erklärung sonst unbekannter geographischer Namen hatte sich durch die Behandlung der Homerischen Geographie eine ebenso feste Routine entwickelt. Wo das Herakleion lag, wissen wir nicht. Denn die beträchtlichen Reste einer Tempelanlage, die Sotiriadis bei der Kapelle Hagia Paraskeví im Tal der Panagía Lykúressi ausgegraben hat (117ff.), haben keinen direkten Hinweis auf Herakles erbracht, während Weihungen an andere Götter gefunden sind, und alle andern Argumente versagen gegenüber dem Nachweis, den Frickenhaus Athen. Mitt. XXXVI 1911, 113ff. geliefert hat, daß Herakles, soviel wir bis jetzt wissen, überhaupt keine Tempel gehabt hat. Die Schlacht von 338 hat am Kératapaß stattgefunden (Sotiriadis Athen. Mitt. XXVIII 1903, 327. Kromayer Wien. Studien XXVII 1905, 16ff.). Aber daß die Griechen deshalb vor der Schlacht im Tale Karamét am Ausgang des Kératapasses gelagert haben müßten, wäre doch ein sehr unsicherer Schluß. Die reichliche Wasserversorgung im Tal der Panagia Lykúressi, wie sie Sotiriadis geschildert hat, könnte sehr wohl zugunsten dieser Örtlichkeit geltend gemacht werden. Es bleibt also vorderhand unentschieden, wie die Namen Molos und H. auf die Bäche von Panagia Lykúressi und Karamét zu verteilen sind.

[Bölte. ]