Eumathios (diese Namensform ist von einer besseren Hs. im Titel seines Werkes bezeugt und, falls der Adressat des von E. Miller Annuaire de l'assoc. pour l'encour. des ét. Grecques XVIII 18 herausgegebenen Briefes des Balsamon mit dem Verfasser des Romans identisch ist, der sonst hsl. überlieferten Form Eustathios vorzuziehen; s. auch Rohde Griech. Roman.2 556, 5; die Vermutung von A. Heisenberg Rh. Mus. LVIII 427ff., E. sei mit dem Bischof Eustathios von Thessalonike, der vor seinem Eintritt in das Kloster E. geheißen habe, identisch, ist ganz unsicher) ὁ Μακρεμβολίτης (d. h. ,am langen Bazar[1]
wohnend‘ Krumbacher, wohl in einem dort liegenden Kloster), mit den Titeln Πρωτονωβελίσιμος und (in schlechteren Hss.) μέγας χαρτοφύλαξ, auch als φιλόσοφος (d. i. Mönch, Diels Doxogr. Gr. 259) bezeichnet, ist der zur Zeit des Wiederaufblühens der erotischen Prosaschriftstellerei unter den Komnenen in der zweiten Hälfte des 12. Jhdts. lebende Verfasser eines Liebesromans τὸ καθ' Ὑσμίνην καὶ Ὑσμινίαν δρᾶμα in elf Büchern (der volle Titel XI 23, 3). Nach Heisenberg wäre er selbst der erste Wiedererwecker des Romans in byzantinischer Zeit. Zu diesem Zeitansatz stimmen die starken Anklänge zwischen Stellen des Romans und der fälschlich unter die Werke des Chorikios geratenen Μονῳδία des Nikephoros Basilakis etwa aus dem J. 1155 (vgl. zu Niceph. in Boissonades Choricius 182 Eumath. 259, 10 Hercher; zu Niceph. 183. 185 Eumath. 220, 18f. 267, 18. 22f.; zu Niceph. 190 Eumath. 164, 21; der Entlehner ist offenbar Eumathios). Der Roman ist das unnatürliche Produkt eines innerlich kalten und rohen, mit widerwärtiger Prätention griechische Kultur (s. besonders X 14, 2) und attischen Geschmack (XI 19, 2. 20, 1. 22, 4; E. schreibt regelmäßig χαίροις statt χαῖρε) heuchelnden Stümpers. Sachlich und formal ist Vorbild des ganz in die heidnische Vergangenheit verlegten Romans Achilleus Tatios. Man findet die abgenutzten Motive: Annäherung an die Geliebte aus Anlaß eines Götterfestes; Auftreten eines von den Eltern begünstigten Konkurrenten; Flucht der Liebenden über Meer nebst dem obligaten Seesturm und scheinbaren Tod der Jungfrau in den Wellen, während der Jüngling von Räubern aufgegriffen und in die Sklaverei verkauft wird; zufälliges Zusammenkommen mit der
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einstweilen geretteten und ebenfalls in Knechtschaft geratenen Geliebten, worauf von ungefähr plötzlich auch die Eltern des Paares erscheinen, die Freilassung der Liebenden durch geistliche Vermittelung (eines Apollonpriesters) bewirkt und schließlich durch eine Probe die Erhaltung von Hysminias Keuschheit festgestellt wird. Die übliche Staffage mit eingelegten Ekphrasen (I 4. 5. II 2. IV 5), Briefen (IX 8. X 1), Monodieen (X 10, 4ff. 11, 1ff. 12. 13), mit klassischen Zitaten, besonders aus Homer und Euripides (v. Wilamowitz Euripides Herakles I 212, 182) fehlt nicht; im Gebrauch von klingenden Figuren ist sogar Achilleus Tatios noch erheblich überboten. Dabei zeigt der Verfasser in stilistischer Beziehung ein geradezu seniles Unvermögen. Dieses bekundet sich in der ungeschickten Verteilung des Stoffes (mit der langweiligen Schilderung lüsterner, aber nicht zum Ziel führender Liebesszenen werden die ersten fünf Bücher gefüllt), in der Unfähigkeit, Spannung zu erzeugen (als endlich ein Konflikt eingeführt ist, wird sogleich in unzweideutiger Weise durch das Mißlingen des Hochzeitopfers VI 15 und die Traumerscheinung des Eros VI 18 dessen Lösung angezeigt, so daß das Interesse für die folgenden Abenteuer gelähmt ist), in der Nullität der Charakteristik (Hysminias sieht dem scheinbaren Tod der Hysmine teilnahmlos zu und klagt sich nachträglich VII 17, 10 seiner Eidbrüchigkeit selbst an; Hysmine drängt dem Hysminias ihre Liebe auf I 9ff., bes. 12; ungeschickter Versuch zu humoristischer Behandlung der Figur des Steuermanns VII 12–14), in der unmotivierten Einführung von Wendungen im Gang der Ereignisse (Erscheinen der Eltern X 10ff.; Orakel X 13, 3; urplötzlich wird man von Artykomis nach Aulikomis versetzt XI 18, 2), in lästiger Wiederholung von Motiven (das Traummotiv III 1. V 1. VI 18. VII 18; die ganze von Hysminias in Aulikomis erlebte Geschichte vom Festherold, der sich verliebt, erlebt später sein Herr in Aulikomis noch einmal; die erotischen Verlegenheiten III 7. IV 3. 23. V 16ff. VII 4; auf Wiederholung kleinerer Züge macht Verfasser selbst durch das häufige καὶ πάλιν aufmerksam), in Rekapitulationen für Gedächtnisschwache (VIII 13. IX 12. XI 3–10, sogar Ekphrasen werden rekapituliert I 5, 8. 7, 2), in der trostlosen Einförmigkeit des Ausdrucks (das öde, Lebhaftigkeit simulierende ὅλος kommt 401 mal vor, vgl. Alciphr. I 13, 2. III 11, 1. 12, 2), in ekelerregenden Geschmacklosigkeiten (IV 21, 4 ἤθελον ὅλην καταφαγεῖν καὶ ὅλην αὐτὴν κατερεύγεσθαι; vgl. auch VII 16, 1). Der byzantinische Geschmack zeigt sich in der allegorisierenden Deutung von Bildern II 2ff. 6 (Kunstprinzipien des Verfassers II 7, 5. 10, 4. IV 5ff. 17, 1), in den drastischen Usancen beim Liebesverkehr (I 10, 3. III 4, 3. IV 1, 1f.), in der Schilderung des Eros als eines brutalen Pascha (βασιλεύς III 1). Stilistisch bemerkenswert ist die Kurzatmigkeit der Darstellung, besonders auffällig in der titelartigen Voranstellung eines allgemein beschreibenden, gewissermaßen das Thema angebenden Satzes, dem dann in kurzen Gliedchen hervorpurzelnd die einzelnen Ausführungen nachgeführt werden, auch die häufige Weglassung des Verbum finitum. Eine Fülle wertvoller Beobachtungen über die bis zum äußersten
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verkünstelte Prosa des Verfassers gibt Hercher in den kritischen Bemerkungen (Erotici II praef. XVI–XL); auffallend ist der Gebrauch von περὶ = εἰς, ἐν, πρός, die Nachstellung von καὶ πάλιν (p. 172, 2. 187, 20. 201, 14. 253, 20. 27. 254, 3. 258, 18 Hercher). Der Roman hat als eine Erscheinung des Kunstzerfalls nur pathologisches Interesse. Heisenbergs Hinweis darauf, daß E. einige Geschmacklosigkeiten des Achilleus Tatios weggelassen habe, vermag das ästhetische Urteil von Rohde nicht zu erschüttern. Wahrscheinlich ist, daß man demselben Verfasser mit J. Hilberg eine unter dem Titel τοῦ Μακρεμβολίτον αἰνίγματα erhaltene Sammlung von Rätseln (mit den Lösungen von dem in der zweiten Hälfte des 13. Jhdts. lebenden Maximos Holobolos) in byzantinischen Trimetern (nur V 1 in daktylischen Hexametern) zuzuschreiben hat (s. auch Rohde Griech. Roman2 558, 2).
Der Roman, der früher und öfter als der des Achilleus Tatios in moderne Sprachen übertragen worden und für die byzantinischen Romane in Vulgärsprache vorbildlich geworden ist (Heisenberg a. O. 432, 1), ist mit lateinischer Übersetzung zuerst von G. Goulminus Paris 1617 herausgegeben, dann in den Scriptores erotici von Le Bas (Paris 1856) und von Hercher (Bd. II S. 1859); nebst den Rätseln von I. Hilberg, Wien 1876 mit krit. Apparat; die Rätsel nach neuen Collationen von M. Treu in dem Progr. des Breslauer Friedrichsgymn. 1893. S. im allgemeinen E. Rohde Griech. Roman.2 556ff. und Krumbacher Byzant. Lit.-Gesch.2 764ff., wo alle Literatur verzeichnet ist.