Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Aelia Gattin d. Kaisers Arcadius
Band VI,1 (1907) S. 917925
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Eudoxia. 1) Aelia Eudoxia (CIL III 736. Eckhel VIII 184, Sabatier Monnaies byzantines I 108), Gattin des Kaisers Arcadius 395—404. Sie war eine Tochter des Franken Bauto, Consuls 385 (Philost. XI 6, Migne G. 65, 600), und wurde nach dessen Tode bei einem Sohne des Promotus erzogen (Zosim. V 3. 2). Der Eunuch Eutropius benutzte sie, um eine Vermählung des Kaisers mit der Tochter des Rufinus zu hintertreiben. Er zeigte ihm ihr Bild (Zosim. V 3, 3; vgl. Claud. nupt. Hon. 23—25) und wußte ihn so für ihre Schönheit zu entflammen, daß er mit ihr schon am 27. April 395, nur drei Monate nach dem Tode seines Vaters und noch ehe dessen Leiche in Konstantinopel bestattet war, Hochzeit machte (Mommsen Chron. min. II 64). Sie gebar ihm am 17. Juni 397 die Flaccilla, am 19. Januar 399 die Pulcheria, am 3. April 400 die Arcadia (Mommsen II 65. 66. Philost. XI 6). am 10. April 401 den späteren Kaiser Theodosios II. (Mommsen II 67. Marc. diac. vit. S. Porphyr. 44 = Abh. Akad. Berl. 1874, 192. Socr. VI 6, 40. Sozom. VIII 4, 21), am 10. Februar 403 die Marina (Mommsen II 67. Philost. a. O.). Den ersten Beweis ihres beherrschenden Einflusses auf den Kaiser gab sie im J. 399, wo die Beleidigung, welche ihr Eutropius angeblich zugefügt hatte, dessen Sturz entschied (Philost. a. O. Sozom. VIII 7, 3). Am 9. Januar 400 wurde sie dann zur Augusta erhoben (Mommsen II 66; vgl. Dessau 818, 6. Marc. diac. vit. S. Porphyr. 38ff.). Seit dieser Zeit war sie die eigentliche Beherrscherin des Reiches. Selbst der Bestechung zugänglich (Zon. XIII 20 p. 38 B. Marc. diac. vit. S. Porphyr. 37), erwirkte sie aus Habsucht die Freisprechung Schuldiger (Zosim. V 25, 4; vgl. Seeck Philol. LII 473) und die Verurteilung Unschuldiger. Dabei stand sie ihrerseits unter dem Einfluß des Eunuchen und der Damen ihres Hofes (Zosim. V 24, 2), unter denen namentlich der Castrensis sacri Palatii Amantius (Marc, diac. 36ff.), Marsa, die Witwe des Promotus, Castricia, die Frau des Saturninus, und Eugraphia als übermächtig genannt werden (Pallad. dial. 4, Migne G. 47, 16). Auch ihre eheliche Treue wurde angezweifelt, ja man beschuldigte einen gewissen Johannes, Vater ihres Sohnes zu sein [918] (Zosim. V 18, 8). Dieser erscheint im J. 404 als Comes sacrarum largitionum (Pallad. dial. 3, Migne G. 47, 14) und bewahrte auch nach dem Tode der E. noch eine Zeit lang seine Macht über den schwachen Kaiser (Synes. ep. 110. Seeck Philol. LII 474). Namentlich scheint sie bemüht gewesen zu sein, ihre germanische Herkunft vergessen zu machen, indem sie diejenige Partei, welche die Stellung der Barbaren im Reiche zu untergraben suchte, und ihren Führer Aurelianus (s. Bd. II S. 2428) nach Kräften unterstützte (Seeck Philol. LII 456).

Dem orthodoxen Christentum war sie mit Eifer ergeben (Marc. diac. 41), erwies allen Bischöfen die höchste Ehrfurcht (Marc. diac. 39) und hatte für kirchliche Bedürfnisse stets eine offene Hand (Socrat. VI 8, 6. Sozom. VIII 8, 4. Marc. diac. 40. 51. 53). So ließ sie in Gaza auf ihre Kosten eine prächtige Kirche erbauen (Marc. diac. 43. 53. 75. 84), die nach ihrem Namen Eudoxiana genannt wurde (Marc. diac. 92). Ihren Sohn ließ sie gegen die Sitte der Zeit schon wenige Tage nach seiner Geburt taufen (Marc. diac. 46), veranlaßte ihren Gemahl, gegen die Heiden vorzugehen (Marc. diac. 36ff.), und bekämpfte die Arianer (Socrat. VI 8, 6. 8. Sozom. VIII 8, 4) und die Vornehmen, welche nur zum Schein das Christentum angenommen hatten (Marc. diac. 51). Auch mit dem Bischof von Konstantinopel, Johannes Chrysostomos, stand sie anfangs im besten Einvernehmen (Socrat. VI 8, 6. 8. Sozom. VIII 8, 4. 5), ja er sah sich sogar veranlaßt, den Pansophios, der sie als Kind gewartet hatte, der Stadt Nicomedia gegen den Willen der Bevölkerung als Bischof aufzudrängen (Sozom. VIII 6, 6). Zwar hatte er sie schon im J. 401 erzürnt, indem er ihr wegen ihrer Raubgier Vorstellungen gemacht hatte (Marc. diac. 36. 37); doch scheint das gute Verhältnis sich wiederhergestellt zu haben. Bald darauf erschien ein syrischer Bischof, Severianus von Gabala, in Konstantinopel, dessen glänzende Predigten allgemeine Bewunderung erregten und auch den kaiserlichen Hof für ihn gewannen. Johannes hatte ihn anfangs freundlich aufgenommen. wurde aber im Laufe der Zeit eifersüchtig auf den Nebenbuhler und wies ihn auf nichtige Vorwände hin aus der Stadt. Doch E. rief den Severianus aus Chalkedon, wohin er sich zunächst begeben hatte, nach Konstantinopel zurück. Als Johannes noch immer jeden Verkehr mit ihm ablehnte, suchte ihn die Kaiserin in der Apostelkirche auf, legte ihren kleinen Sohn auf den Schoß des Bischofs und beschwor ihn bei dem Heile des Kindes, sich mit Severianus zu versöhnen, was natürlich nur einen Scheinfrieden herbeiführen konnte (Socrat. VI 11. Sozom. VIII 10). Bei der Rede, mit der Johannes den Friedensschluß vor seiner Gemeinde begründete, berief er sich ausdrücklich darauf, daß er dem Kaiser, das bedeutet in diesem Falle der Kaiserin, Gehorsam schuldig sei (Migne G. 52, 426).

Unterdessen war in Ägypten ein Streit ausgebrochen, der, von persönlichen Gegensätzen ausgehend, durch Bischof Theophilos von Alexandria auf das dogmatische Gebiet hinübergespielt worden war. Einige Mönche, die er als Anhänger des Origenes aus seiner Diözese ausgewiesen hatte, kamen nach Konstantinopel, um über ihn Klage zu führen, [919] und wurden von Johannes freundlich aufgenommen. Als sie auch die Kaiserin auf der Straße ansprachen, beugte sie sich grüßend aus ihrem Wagen, bat die ägyptischen Mönche um ihren Segen und ihre Fürbitte bei Gott und versprach ihnen die Berufung einer Synode (Sozom. VIII 13, 4. 5). Dann übergaben sie ihr in der Kirche des heiligen Johannes eine Bittschrift, in der gefordert wurde, daß Theophilos gezwungen werde, sich in Konstantinopel einer Synode zu stellen, die unter Vorsitz des Johannes Chrysostomos tagen solle, und dieses wurde ihnen zugesagt und sogleich die nötigen Befehle gegeben (Pallad. dial. 7 , Migne G. 47, 26). Schon vorher hatte sich Theophilos mit Epiphanios, Bischof des kyprischen Salamis, in Verbindung gesetzt, weil dieser eine große Gelehrsamkeit besaß und zugleich im Geruche der Heiligkeit stand, also der Sache, die er ergriff, eine hohe Autorität zu leihen versprach. Seit langer Zeit hatte Epiphanios die Lehren des Origenes bekämpft und war daher leicht zu bewegen gewesen, sie durch eine Synode der kyprischen Bischöfe, die er zusammenberufen hatte, in aller Form als ketzerisch verurteilen zu lassen. Diesen Beschluß hatte er an Johannes geschickt und ihn zugleich brieflich aufgefordert, auch in seiner Diözese eine Synode der gleichen Tendenz abzuhalten; doch war der Brief unbeantwortet geblieben (Socrat. VI 10. Sozom. VIII 14). Als nun auf Befehl des Kaisers eine Bischofsversammlung nach Konstantinopel berufen wurde, die den Streit zwischen den ägyptischen Mönchen und ihrem geistlichen Oberhaupte entscheiden sollte, eilte Epiphanios sogleich auf dem Seewege dorthin und kam lange vor Theophilos an. Denn dieser reiste möglichst langsam zu Fuße (Sozom. VIII 14, 5. Pallad. dial. 7, Migne G. 47, 26), damit sich die erregte Stimmung, die gegen ihn bei Hofe herrschte, unterdessen etwas abkühle. In Konstantinopel lehnte Epiphanios, der in Johannes einen origenistischen Ketzer erblickte, jeden Verkehr mit ihm ostensibel ab und trat ihm auch sonst in wenig taktvoller Weise entgegen. Trotzdem meinte die Kaiserin, als ihr kleiner Sohn schwer erkrankte, die Anwesenheit des kyprischen Heiligen fruktifizieren zu sollen, und sandte zu ihm mit der Bitte, er möge für die Genesung des Kindes beten. Die Antwort lautete, Theodosius werde gesund werden, wenn E. die Ketzer von sich weise. Da aber kurz vorher der Archidiakon des Epiphanios gestorben war, wurde die Kaiserin denn doch zweifelhaft an der Kraft seines Gebetes und erklärte, wenn Gott ihr Kind zu sich nehmen wolle, so möge sein Wille geschehen; daß Epiphanios keine Toten erwecken könne, beweise ja das Schicksal jenes Diakonen (Sozom. VIII 15, 1). Sie hielt also noch an Johannes und seinen Schützlingen, den ägyptischen Mönchen, fest (vgl. Ioh. Chrys. bei Migne G. 52. 437: ἑσπέρας ἐκάλει με τρισκαιδέκατον ἀπόστολον, καὶ σήμερον Ἰούδα προσεῖπε • χθὲς μετ’ ἐλευθερίας συνεκάθητό μοι, καὶ σήμερον ῶς θηρίον μοι ἐπεπήδησε). Diesen vermittelte sie eine persönliche Zusammenkunft mit Epiphanios, bei der sie ihn zu überzeugen wußten, daß ihre Ketzerei doch nicht ganz so schlimm war, wie er angenommen hatte. Jetzt wollte der heftige und eindrucksfähige Greis von der ganzen Synode [920] nichts mehr wissen. Er verließ Konstantinopel noch vor der Ankunft des Theophilos und starb während der Überfahrt nach Cypern am 12. Mai 403 (Sozom. VIII 15. Socrat. VI 14; das Datum in griechischen Menologium, Migne G. 41, 21).

Johannes war schon wegen der Begünstigung des Severianus der Kaiserin böse; als sie auch eine Annäherung an seinen offenkundigen Gegner Epiphanios suchte, betrachtete er dies als Feindseligkeit (Socrat. VI 15, 1. Sozom. VIII 16, 2) und machte bald seinem Grolle Luft. Er hielt nach der Abreise des Epiphanios eine Predigt, welche sich im allgemeinen gegen die Laster der Weiber richtete, aber so gefaßt war, daß alle Zuhörer sie auf E. beziehen mußten. Auch die Damen ihres Hofes wurden hart darin mitgenommen (Pallad. dial. 6, Migne G. 47, 21), namentlich Eugraphia fühlte sich getroffen (Pallad. dial. 8, Migne G. 47, 27). Nachschriften der Predigt wurden von Böswilligen der Kaiserin überbracht, und diese geriet in heftigen Zorn (Socrat. VI 15, 2. Sozom. VIII 16, 1. Zosim. V 23,2). Auch ihr Günstling, der Comes sacrarum largitionum Johannes (Pallad. dial. 3, Migne G. 47, 14), der den gleichnamigen Bischof im Verdacht hatte, die germanischen Krieger gegen ihn aufgereizt (Phot. cod. 59 p. 18 A 19) und seine Verbannung durch Gainas verschuldet zu haben (s. Bd. II S. 2429, 16), stachelte sie auf (Zosim. V 23, 2). Sie stellte dem Kaiser vor, daß auch er in ihr beleidigt sei, und unter Mitwirkung des Severianus von Gabala wurde beschlossen, die Synode, die gegen Theophilos berufen war, jetzt gegen Johannes Chrysostomos zu benutzen. Man schrieb daher an jenen, er möge seine Reise beschleunigen, um als Bischof der Stadt, die im orientalischen Reichsteil nächst Konstantinopel die bedeutendste war, die Anklage durch seine Autorität zu stützen und die Leitungen der Verhandlungen zu übernehmen (Socrat. VI 15, 4. Sozom. VIII 16, 1. Zosim. V 23, 3).

Nach seiner Ankunft fand im September 403 (Stilting Acta Sanctorum. Sept. IV 591) in Drys, einer Vorstadt von Chalkedon, die Synode statt (Socrat. VI 15, 14. Sozom. VIII 17, 2. Theodor, h. e. V 34, 4), weil man in Konstantinopel selbst die Wut des Volkes gegen sich zu erregen fürchtete (Joh. Chrys. ἐπανελθόντος ὁμιλία 2 = Migne G. 52, 443: οὐδὲν τολμῶμεν, φησίν, ἐν τῇ πόλει • δότε ἡμῖν αὐτὸν ἔξω). Von den 36 Bischöfen, die sie bildeten (Mommsen Chron. min. II 67), waren 29 Ägypter, die Theophilos nach Konstantinopel beordert hatte (Pallad. dial. 2. 3. 8, Migne G. 47, 8. 12. 29. Sozom. VIII 14, 5); doch wurden durch Überläufer aus dem Lager des Johannes (Sozom. VIII 17, 9) die Zahl derjenigen, welche später das Urteil unterschrieben, auf 45 vermehrt (Phot. cod. 59 p. 19 b 5). Über den origenistischen Streit, den die Synode hatte entscheiden sollen, verhandelte man gar nicht; Theophilos nahm die verbannten Mönche, nachdem sie ihn um Entschuldigung gebeten hatten, ohne weiteres zu Gnaden an (Sozom. VIII 17, 4. Socrat. VI 15, 13). Man beschäftigte sich so gut wie ausschließlich mit den Klagen, die zwei Mitglieder des konstantinopolitanischen Klerus gegen ihren Bischof eingereicht hatten. Sie betrafen, der Eigenschaft des Gerichts entsprechend, [921] nur geistliche Vergehen (Phot. cod. 59). Die Beleidigung der Kaiserin wurde nicht erwähnt; doch meinte man, daß, wenn die Synode die Absetzung des Johannes ausgesprochen habe, man ihn noch vor ein weltliches Gericht stellen und dieses wegen Majestätsverbrechen auf Enthauptung erkennen werde (Pallad. dial. 8. Joh. Chrys. ὁμιλία πρὸ τῆς ἐξορίας 1. 3 = Migne G. 47, 27. 30. 52, 427. 430). Auch er hatte 40 Bischöfe um sich versammelt (Pallad. dial. 8, Migne G. 47, 27. 29), durch deren Beitritt zur Synode er eine Majorität hätte gewinnen können. Er erklärte sich daher bereit, sich jedem geistlichen Gerichte zu stellen; nur müßten diejenigen, welche sich offen als seine persönlichen Feinde bekannt hätten, Theophilos, Severianus und noch zwei andere Bischöfe, von der Abstimmung über ihn ausgeschlossen werden (Pallad. dial. 2. 8, Migne G. 47, 9. 29. Socrat. VI 15, 16. Sozom. VIII 17, 8). Nach einem Beschlusse, über den seine Hauptgegner vorher mit Eugraphia, der Hofdame der E., beraten hatten, wurde jetzt eine Petition an den Kaiser eingereicht, er möge den Johannes zwingen, vor der Synode zu erscheinen (Pallad. dial. 8, Migne G. 47, 27), und wirklich sandte Arcadius zu diesem Zwecke einen Notar und einen Agens in rebus zu ihm; doch, wie es scheint, wagten sie nicht, Hand an ihn zu legen (Sozom. VIII 17, 9). Nachdem Johannes der viermal wiederholten Vorladung nicht gefolgt war, wurde er in contumaciam zur Amtsentsetzung verurteilt (Socrat. VI 15, 17. Sozom. VIII 17, 10). In dem Schreiben, das dem Kaiser dies mitteilte, wurde ihm zugleich anheimgegeben, seinerseits ein Gericht wegen des Majestätsverbrechens einzusetzen, weil die Synode hiefür nicht kompetent sei (Pallad. dial. 8. Migne G. 47, 30). Doch begnügte sich Arcadius damit, Verbannung aus Konstantinopel über ihn zu verhängen (Theodor, h. e. V 34, 4).

Aber Johannes weigerte sich, seine Gemeinde zu verlassen (Ioh. Chrys. ὁμιλία πρὸ τῆς ἐξορίας 2 = Migne G. 52, 430: εἰ μὴ διὰ τὴν ὑμετέραν ἀγάπην οὐδὲ σήμερον ἂν παρῃτησάμην ἀπελθεῖν. 3: ἢ ὅπου ἐγώ, καὶ ὑμεῖς ἐκεῖ • ὅπου ὑμεῖς, ἐκεῖ κἀγώ • ἓν σῶμά ἐσμεν • οὐ σῶμα κεφαλῆς, οὐ κεφαλὴ σώματος χωρίζεται). Er hielt eine höchst aufreizende Predigt, in der mit biblischen Vergleichen von sehr durchsichtiger Art die ganze Kaiserfamilie an den Pranger gestellt wurde (die Rede ist griechisch in zwei Redaktionen erhalten. Migne 52, 427 und 435, die beide nicht von Johannes selbst, sondern von seinen Zuhörern aus dem Gedächtnis niedergeschrieben sind; sie stimmen daher im Wortlaut selten genau überein, bringen aber beide die wichtigsten Stichworte und ergänzen sich gegenseitig in vielen Einzelheiten). König David habe nicht die Kirche angegriffen, nicht durch Raub an den Untertanen seinen Schatz gefüllt, sondern für die Stärke seines Heeres gesorgt; er habe sich nicht von einem Weibe leiten lassen (a. O. 5). Noch sei der Same der Jesabel übrig geblieben, aber wieder kämpfe die Gnade Gottes gegen sie für Elias; wieder fordere Herodias das Haupt des Johannes (a. O. 4). Aber unverständige Weiber, die ihr Ohr seiner Ermahnung verschlössen, könnten keinen guten Samen, sondern nur Dornen zur Welt bringen (a. O. 5). Natürlich bezog man dies auf Arcadius, [922] E. und ihre Kinder (Pallad. dial. 8, Migne G. 47, 30, wo aber der Vergleich mit Jesabel fälschlich in eine frühere Zeit verlegt wird). Das Volk hatte schon vorher mehrere Tage und Nächte in der Kirche gewacht (Joh. Chrys. a. O. 3. Socrat. VI 15, 19); jetzt geriet es in wildesten Aufruhr (Socrat. a. O. Sozom. VIII 18, 1). Das Militär mußte, wenn auch nur mit Knütteln bewaffnet (Joh. Chrys. ἐπανελθόντος ὁμιλία 2 = Migne 52, 444), dagegen aufgeboten werden (Pallad. dial. 9, Migne G. 47, 30) und hieb namentlich alle Mönche nieder, die sich auch diesmal als die schlimmsten Aufwiegler erwiesen hatten, so daß selbst die Kirchen mit Leichen gefüllt waren (Zosim. V 23, 4. 5; vgl. Joh. Chrys. ἐπανελθόντος ὁμιλία 1: τί τὰ μοναστήρια διέφθειρας; 2: τὸ φωτιστήριον αἱμάτων ἐμπέπλησται). Auf diese Weise bot Johannes bis zum dritten Tage den Befehlen des Kaisers Trotz; dann gab er, um weiteres Blutvergießen zu vermeiden, den Widerstand auf und lieferte sich um die Mittagszeit, wo die Kirchen sich etwas geleert hatten, den Soldaten aus (Socrat. VI 15, 20. Sozom. VIII 18, 2). In später Nacht wurde er von dem Curiosus urbis an den Hafen geführt und über den Bosporus gesetzt (Pallad. dial. 2, Migne G. 47, 9). Am anderen Tage suchte Severianus das Volk umzustimmen, indem er eine Predigt gegen Johannes hielt, erregte es aber nur zu noch größerem Zorne. Nach argen Tumulten in der Kirche und auf dem Markt zog es vor den Palast, um die Rückberufung seines Bischofs vom Kaiser zu erbitten, und merkwürdigerweise hatte dies Erfolg (Sozom. VIII 18, 3—5. Socrat. VI 16, 4. 5). Den Grund dafür findet Theodoret (h. e. V 34, 6) in einem Erdbeben, das die Kaiserin erschreckt habe; doch wissen die anderen, sonst viel besser unterrichteten Quellen nichts davon. Wahrscheinlich hat er die Rede des Johannes benutzt und mißverstanden; denn hier wird allerdings von einem Erdbeben gesprochen (1. 2 = Migne G. 52, 429), das aber schon im Jahre vorher stattgefunden hatte (Mommsen Chron. min. II 67). Dagegen berichtet Palladios (dial. 9, Migne G. 47, 30), nachdem Johannes nach Bithynien übergesetzt sei, habe schon um die Mitte des folgenden Tages irgend ein Unglück die kaiserliche Familie betroffen (συνέβη θραῦσίν τινα γενέσθαι ἐν τῷ κοιτῶνι), und die Furcht habe zur Rückberufung des Bischofs geführt. Nun steht es fest, daß Flaccilla, die älteste Tochter der E., ihren Vater († 408) nicht überlebte (Sozom. IX 1, 1. Chron. Pasch. 396), und im J. 399 scheint sie noch am Leben gewesen zu sein (Sievers Studien 421); sie könnte also um diese Zeit gestorben sein. Wenn sie unmittelbar nach der Verbannung des Johannes schwer erkrankte, so müßte dies bei der abergläubischen Kaiserin die Furcht hervorgerufen haben, daß der Zorn Gottes sie bedrohe. Andererseits kann später der Beginn neuer Feindseligkeiten gegen den Bischof vielleicht dadurch mitbedingt sein, daß sein Gebet das Kind nicht gerettet hatte. Doch wie dem immer sein mag, jedenfalls änderte E. ganz plötzlich ihre Stellung. Sie flehte Arcadius an, den Johannes zurückzurufen, und schrieb diesem einen Brief, in dem sie behauptete, von der Intrigue gegen ihn nichts gewußt zu haben, denn es lebe ihr in treuer Erinnerung, daß durch seine Hand ihre [923] Kinder getauft seien (Joh. Chrys. ἐπανελθόντος ὁμιλία 4 = Migne G. 52, 445. Sozom. VIII 18, 5).

Da Johannes für sein Leben fürchtete, hatte er in der Umgegend von Prainetos in Bithynien ein Versteck aufgesucht. Unter Führung des Hofeunuchen der Kaiserin, Brison, wurden daher nach allen Seiten Soldaten ausgeschickt, um ihn zu suchen (Joh. Chrys. a. O. Pallad. a. O. Socrat. VI 16, 6. Sozom. VIII 18, 5). Als man ihn gefunden hatte und er abends nach Konstantinopel übersetzte, empfingen ihn unzählige Boote auf dem Bosporos, deren Insassen Wachskerzen trugen (Theodor. h. e. V 34, 7. Joh. Chrys. a. O. 3), und am anderen Ufer trat ihm E. selbst entgegen und umarmte ihn (Joh. Chrys. a. O. 3. 4). Seine Verbannung hatte nur einen Tag gedauert (Joh. Chrys. a. O. 1. 3). Das Volk wollte seine Gegner ins Meer werfen (Pallad. a. O.), und nach heftigen Straßenkämpfen flohen sie, wobei Theophilos sogleich nach Alexandreia zurückkehrte (Socrat. VI 17, 6. Sozom. VIII 19, 3. Pallad. dial. 2. 9, Migne G. 47, 10. 30. Joh. Chrys. post red. 2; ἐπανελθόντος ὁμιλία 3 = Migne G. 52, 440. 442. 445). Johannes nahm anfangs Wohnung in Marianae, einem Landsitze der Kaiserin, und weigerte sich, die Stadt selbst zu betreten, ehe nicht eine neue Synode seine Absetzung für ungültig erklärt habe. Doch das Volk forderte seine Rückkehr mit so wilder Leidenschaft, daß es sich sogar zu Schimpfworten gegen Arcadius und E. hinreißen ließ, und um es zu beruhigen, mußte er seinen Widerstand aufgeben (Socrat. VI 16, 7. 8. Sozom. VIII 18, 6). Von 30 Bischöfen und einem Notar als Vertreter des Kaisers eingeholt, zog er zur Kirche (Pallad. dial. 2. 9, Migne G. 47, 10. 30) und hielt hier eine Rede, in der er seinem Triumph unverhohlen Ausdruck gab, zugleich aber auch die Kaiserin in vollen Tönen pries (4 = Migne G. 52, 446: ἀπεδέξασθε τὴν μητέρα τῶν ἐκκλησιῶν, τὴν τροφὸν τῶν μοναζόντων καὶ προστάτιν τῶν ἁγίων, τῶν πτωχῶν τὴν βακτηρίαν. ὁ ἔπαινος ἐκείνης δόξα εἰς θεὸν γίνεται, στέφανος τῶν ἐκκλησιῶν) und das Versprechen gab, künftig immer in voller Übereinstimmung mit ihr zu handeln (5 = Migne G. 52, 447: χωρὶς ὑμῶν οὐδὲν ἐργάσομαι, εἶτα καὶ τῆς θεοφιλεστάτης Αὐγούστης • καὶ γὰρ κἀκείνη φροντίζει καὶ μεριμνᾷ καὶ πάμπολλα ποιεῖ, ὥστε τὸ φυτευθὲν μεῖναι βέβαιον, ὥστε τὴν ἐκκλησίαν ἀκλυδώνιστον μεῖναι). Dies wurde mit solchem Jubel aufgenommen und rief so andauernde Akklamationen zum Lobe des Kaiserpaares hervor, daß der Bischof die Rede nicht zu Ende bringen konnte (Sozom. VIII 18, 8).

Er bestand darauf, sich vor einer zweiten größeren Synode zu rechtfertigen und der Kaiser schickte Briefe aus, welche die Bischöfe nach Konstantinopel zusammenberiefen (Pallad. dial. 2, Migne G. 47, 10). Aber noch ehe sie begann, schon zwei Monate nach seiner Rückkehr, war sein Verhältnis zum Hofe wieder ein sehr gespanntes geworden (Pallad. dial. 9). Ob ihm E. zürnte, weil er nicht im stande gewesen war, ihr Töchterchen gesund zu beten, oder aus welchem anderen Grunde, wissen wir nicht. Jedenfalls fühlte er sich nach seinem ersten Siege so sicher, daß er seinerseits zum Angriff überging. Gegen Ende 403 errichtete der Stadtpraefect Simplicius der Kaiserin eine silberne Statue auf einer Porphyrsäule, deren [924] Inschrift sich noch erhalten hat (CIL III 736; vgl. Mommsen Chron. min. I 499. II 67. Theophan. 5898). Da das Denkmal in nächster Nähe seiner Kirche stand, erblickte Johannes in den Volksfesten, mit denen die Einweihung begangen wurde, eine Störung des Gottesdienstes und sah sich veranlaßt, von der Kanzel dagegen zu wettern. Darüber ärgerte sich E. und gab zu erkennen, daß sie zum zweitenmal die Synode, die auf den eigenen Wunsch des Johannes berufen war, gegen ihn benutzen wolle. Hierauf hielt er eine Predigt, die mit den Worten begann: Πάλιν Ἡρωδιὰς μαίνεται, πάλιν ταράττεται, πάλιν ὀρχεῖται, πάλιν ἐπιζητεῖ τὴν κεφαλὴν Ἰωάννου τοῦ βαπτιστοῦ ἀνόμως ὑπὸ Ἡρώδου ἀποτμηθῆναι. πάλιν Ἰεζάβελ περιέρχεται ζητοῦσα τοῦ Ναβουθαὶ τὸν ἀμπελῶνα ἁρπάσαι καὶ τὸν ἅγιον Ἠλίαν καταδιῶξαι ἐπὶ τὰ ὄρη (Socrat. VI 18, 1ff. Sozom. VIII 20, 1ff.). Sie ist noch erhalten (Migne G. 59, 485); denn die Zweifel gegen ihre Echtheit scheinen unbegründet zu sein. Im übrigen enthält sie keine Anspielung auf die Kaiserin, sondern handelt nur ganz allgemein von guten und bösen Weibern, ja zum Teil ist sie nichts weiter als Übersetzung einer syrischen Predigt des Ephrem, die Johannes als Antiochener kennen mußte. Auch jene Anfangsworte konnte man bei gutem Willen so deuten, als wenn sie nur besagen wollten, daß die schlimmen Weiber, wie die Bibel sie schilderte, noch immer nicht ausgestorben wären. Eine Anklage auf Majestätsbeleidigung war also klug vermieden und wurde auch wirklich nicht erhoben; doch konnte der Angriff auf E. um so weniger mißverstanden werden, als er sie schon früher mit Herodias und Jesabel verglichen hatte (S. 921). Die Folge war, daß Arcadius schon bei dem Weihnachtsfeste 403 nicht in die Kirche kam, sondern dem Bischof sagen ließ, er könne keine Gemeinschaft mit ihm haben, ehe er sich von den gegen ihn erhobenen Anklagen vor der bevorstehenden Synode gereinigt habe (Socrat. VI 18, 7. Sozom. VIII 20, 3). Bald darauf trat diese zusammen, und teils mit Drohungen, teils mit Versprechungen gewann das Kaiserpaar eine Majorität für die Absetzung des Johannes (Pallad. dial. 9, Migne G. 47, 31). Auch diesmal wurden seine Vergehen gegen die Kaiserin nicht in die Debatte gezogen, was freilich nicht hinderte, daß man ihr in der ganzen römischen Welt, bis nach Spanien hinüber, die Verantwortung zuschob (Mommsen Chron. min. II 16). Das Urteil gegen Johannes erfolgte auf Grund eines Kanons der Synode von Antiochia, nach dem kein abgesetzter Bischof seinen Stuhl eigenmächtig wieder einnehmen durfte, sondern sich vorher vor einer zweiten, größeren Synode, als diejenige, welche ihn verurteilt hatte, rechtfertigen mußte (Pallad. a. O. Socrat. VI 18, 8. Sozom. VIII 20, 4). Doch auf die erregten Volksmassen gestützt, behauptete er sich noch Monate lang in Konstantinopel. Als man endlich in der Osternacht beschlossen hatte, seine Anhänger mit Waffengewalt aus der Hauptkirche zu vertreiben, suchten noch vierzig Bischöfe seiner Partei das Kaiserpaar in einer andern Kirche auf und legten Fürbitte für ihn ein. Nachdem sie abweisend beschieden waren, rief Paulus von Krateia aus: ,Eudoxia, fürchte Gott und erbarme dich deiner Kinder! Schände nicht die Feier [925] Christi durch Blutvergießen!‘ (Pallad. dial. 9, Migne G. 47, 33). Es kam denn auch zu erbitterten Kämpfen, und als es erst am 20. Juni 404 gelang (Socrat. VI 18, 18), den Bischof aus der Stadt zu schaffen, wurde die Kirche in Brand gesteckt (Pallad. dial. 10, Migne G. 47, 35. Socrat. VI 18, 17. Sozom. VIII 22, 4. Mommsen Chron, min. II 68). Während die harte Verfolgung gegen die sogenannten Johanniten, die dadurch hervorgerufen wurde, noch andauerte, fiel am 30. September 404 ein ungewöhnlich starker Hagel, den man allgemein als Zeichen des göttlichen Zornes betrachtete. Der Schrecken darüber und die Angst vor größerem Unheil veranlaßten bei der schwangeren Kaiserin wahrscheinlich die Fehlgeburt (Phot. cod. 77 p. 54 a 2 = FHG IV 9), an der sie schon am vierten Tage darauf starb (Socrat. VI 19, 5. 6. Sozom. VIII 27, 1. Mommsen Chron. min. I 499. II 68). Am 12. Oktober 404 wurde sie in der Apostelkirche zu Konstantinopel beigesetzt (Mommsen II 68). J. Stilting Acta Sanctorum. Sept. IV 550ff. Neander Der heilige Johannes Chrysostomos,³ Berlin 1848. Martin St. Jean Chrysostome, ses Oeuvres et son siècle, Montpellier 1860. Rochet Histoire de Chrystostome, Paris 1866. Sievers Studien zur Geschichte der römischen Kaiser, Berlin 1870, 339. 421. Thierry St. Jean Chrysostome et l’impératrice Eudoxie, Paris 1872. F. Ludwig Der beilige Johannes Chrysostomus in seinem Verhältnis zum byzantinischen Hof, Braunsberg 1883. A. Puech St. Jean Chrysostome et les moeurs de son temps, Paris 1891.

[Seeck. ]