Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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ein Götterbeiwort, meist euphemistisch verwendet
Band VI,1 (1907) S. 861863
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Eubuleus (Εὐβουλεύς). Soweit es sich um mythische Gestalten handelt, werden die Formen Eubuleus (Εὐβουλεύς) und Eubulos (Εὔβουλος) ohne Unterschied nebeneinander gebraucht. Als Götterbeiwort stellt z. B. Kornut. 35 beide Formen unmittelbar zusammen, und der Name des eleusinischen E. heißt in den Inschriften bald Εὔβουλος (IG I Suppl. 27 b), bald Εὐβουλεύς (IG II 3 add. 1620 c. d).

Als Götterbeiwort in dem einfachen Sinn von ,guter Berater’ paßte E. für jede dem Menschen hilfreiche Gottheit. So spricht z. B. Pindar Ol. [862] XIII 11; Isthm. VIII 68; frg. 30, 1 Bergk⁴ von Themis εὔβουλος (wie ὀρθόβουλος bei Aischyl. Prom. 18) und Pind. Pyth. III 162 von Nereus εὔβουλος, und auch Zeus und Dionysos führen gelegentlich das Beiwort E. in diesem einfachen Sinn.

Religionsgeschichtlich wichtiger ist die euphemistische Verwendung des Namens E. geworden. Den chthonischen Gottheiten, die nach der schönen Charakteristik bei Rohde Psyche 191, unter dem Erdboden wohnend, den Lebenden den Anbau des Ackers segnen und die Seelen der Toten in ihre Tiefe aufnehmen, gab man in begreiflicher Scheu wohlklingende Namen, von denen sich im Kulte der eine hier, der andere dort festsetzte, wie z. B. der Name Klymenos in Hermione. Ein solcher euphemistischer Name ist E. Ob man dort, wo zuerst dieser Name geprägt wurde, mehr daran dachte, daß der chthonische Gott dem Landmann ein ,guter Berater’ in dem einfachen Sinne war, oder ob dort, wie in manchen ähnlichen Kulten, ein Orakeldienst bestand, der diesen Namen nahe legte (vgl. Rohde a. a. O. 192. 4), oder ob man nur den wohlwollenden Freund der Toten mit jener Bezeichnung ehren wollte, läßt sich nicht entscheiden. Jedenfalls aber umfaßte E. dort alle Seiten der chthonischen Gottheit. Im Wesen war er identisch mit dem Zeus Chthonios, den der Landmann zugleich mit Demeter anruft (Hesiod erg. 465), identisch mit Pluton, Klymenos und all den sonstigen Umschreibungen des unterirdischen Gottes. Wo zuerst dieser E. im Kult Geltung fand, wissen wir nicht; Gruppe Griech. Myth. 19 verweist auf Kreta.

Schwierigkeiten ergaben sich dort, wo im Laufe der Zeiten mehrere an getrennten Orten entstandene Kulte Aufnahme fanden, die das gleiche Wesen mit verschiedenen euphemistischen Hauptnamen bezeichneten. Man konnte sie entweder kultlich gesondert lassen, wie z. B. in Eleusis der Θεός, Pluton und E. ihre gesonderte Verehrung erhielten, obgleich sie im Grunde dasselbe Wesen waren (vgl. von Prott Athen. Mitt. XXIV 256ff.): oder wie auf Goldblechstücken aus Gräbern bei Thurioi Eukles und E., beides euphemistische Namen desselben Unterweltsgottes, als zwei selbständige Gottheiten nebeneinander genannt sind, IG XIV 641, 1–3. Oder aber es mußten die einst getrennt entstandenen Gottheiten unter einem gemeinsamen Namen wieder vereint werden; so entstand aus den wesensgleichen Gestalten E. und Zeus Chthonios jener Zeus E., dessen Kult aus Amorgos, Delos, Paros und Mykonos bezeugt ist. Vgl. Usener Götternamen 220. Furtwängler Samml. Sabouroff 1 Einl. 22 und Meisterwerke der griech. Plastik 562. Rubensohn Mysterienheiligtümer 37. 197; anders urteilt Kern Athen. Mitt. XVI 1 ff.

Noch größere Schwierigkeiten als dem Kulte, der das Nebeneinander so oft ertragen mußte, erwuchsen der Sage. Die den Kult begründende Legende konnte an einem Orte, wo dasselbe Wesen in getrennten Kulten unter verschiedenen Namen verehrt wurde, unmöglich von jeder Gottheit dieselbe Geschichte erzählen. Sie mußte den einen Gott zum Diener des andern, zum Heros usw. machen. So ward auch E. zum Heros, auf Kreta zum Sohne der Demeter, in Eleusis zum hilfreichen Freund oder Diener der Demeter, im Zusammenhang [863] mit einem attischen Kultbrauche zum mythischen Schweinehirten. Allgemeine Anerkennung fanden diese Ortssagen nicht. Das Volk hielt vielfach die richtige Anschauung fest, daß E. ein echter Hauptname des Unterweltsgottes sei, und brauchte den Namen E. schlechtweg für Hades oder Pluton. Und die gelehrtere religiöse Dichtung und Forschung verwendete, gleichfalls von der richtigen Grundansicht ausgehend, den Namen E. als Begriff für die Macht über alles Unterirdische; jeder Gott, der als einheitlicher Gebieter von Oberwelt und Unterwelt geschildert werden soll, wird daher z. B. in den Orphischen Hymnen usw. selbst E. oder Sohn des E. genannt, so Dionysos, Helios, Adonis, die Dioskuren.

Alle mythischen Gestalten, die den Namen E. führen, stehen im Zusammenbang unter sich. Nur der Übersichtlichkeit zulieb, nicht wegen innerer Wesensverschiedenheit sind im Nachstehenden die Nr. 1–8 getrennt worden. Dabei bezeichnet E. die Form Εὐβουλεύς, Eubulos die Form Εὔβουλος.

[Jessen. ]