Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Das Verfahren bei Ausbleiben einer Partei nach d. Litiskontestation
Band VI,1 (1907) S. 417419
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Eremodicium, ἔρημος δίκη (Ulp. Dig. IV 4, 7. 12. XLVI 7, 13 pr. Iust. Cod. III 1, 13, 3. 4. Nov. 69 c. 3 pr.), bezeichnet das Verfahren bei Ausbleiben einer Partei nach der Litiskontestation (deserere litem Pap. Dig. III 5, 30 [31], 2). Nach den XII Tafeln (Gell. XVII 2, 10) soll der Richter, wenn eine Partei bis Mittag nicht erschienen ist, für den Anwesenden erkennen (praesenti litem addicito). Dies bezog sich auf das Legisaktionenverfahren, ist aber auf den Formularprozeß übertragen worden (richtig sagt Pernice [418] Sav.-Ztschr. XIV 160, 3, daß Paul. Dig. V 2, 17, noch auf Legisaktion gehen kann). Die Stunde ist später durch die Edikte hinausgeschoben worden (Cic. Verr. II 41 die zehnte Stunde). Die früher herrschende Annahme, daß, wenn der Beklagte der ausbleibende Teil war, im späteren Formularprozeß nicht ohne weiteres Verurteilung eintrat, sondern zuvörderst der Kläger Beweise seines Rechtes beizubringen hatte (Keller 354 zu 825. Bethmann-Hollweg II 603), hat keine ausreichenden Beweise für sich. Ant. Pius Cod. Iust. VII 43, 1 ist nicht an einen Geschworenen, sondern an einen Magistrat gerichtet und bezieht sich nicht auf das Formularverfahren (Pernice a. a. O. 161, 2). Cod. Iust. III 1, 13, 3 (v. J. 530) nennt veteres leges, die keineswegs solche über den Formularprozeß sein müssen. Ulp. Dig. V 1, 73 spricht vom Kontumazialverfahren vor dem Magistrat. Ulp. Dig. XVII 2, 52, 18 (ebenso wie Ulp. Dig. XLVI 7, 13 pr.) spricht zwar vom Formularprozeß, zeigt aber auch nicht die behauptete Milderung (cum ad iudicium non adesset, damnatus). Daß die Formel die Verurteilung von dem si paret abhängig macht (hierauf beruft sich Bethmann-Hollweg II 603), steht nicht der Existenz eines Rechtssatzes im Wege, nach welchem im Falle der Versäumnis das paret als gegeben anzusehen ist. Daß der ausbleibende Kläger immer abgewiesen wird (Ulp. Dig. XLII 2, 6, 3, vgl. Ulp. Dig. XLII 8, 3, 1), ist unbezweifelt. Wenn dem iudex, triftige Entschuldigungsgründe für die Abwesenheit der Partei vorliegen (die XII Tafeln nannten morbus sonticus, status dies cum hoste), so erfolgt Vertagung der Sache (dies diffissus esto. Fest. s. reus. Ulp. Dig. II 11, 2, 3. Iul. Dig. XLII 1, 60). Werden nach Erlaß des Urteils triftige Entschuldigungsgründe geltend gemacht, so wird in integrum restitutio (restauratio eremodicii) erteilt (Ulp. Dig. IV 4, 7, 12), aber (wie immer) nicht von dem iudex, der das Urteil erlassen hat, sondern von dem Magistrat. Das Versäumnisurteil wirkt nur zwischen den Parteien, d. h. die bei dem kontradiktorischen Urteil vorkommenden Wirkungen im Verhältnis zu Dritten treten nicht ein (Ulp. Dig. V 2, 17, 1. XXX 50. 1. XLIX 1, 14, 1); Appellation gegen ein Versäunmisurteil ist unzulässig (vgl. Art. Appellatio Bd. II S. 197. Art. Contumacia Bd. IV S. 1167f..). Ob dieser Satz das in eremodicio erlassene Urteil des Geschworenen mitbetrifft, hängt davon ab, ob man den Geschworenenspruch überhaupt für appellabel hält (Art. Appellatio Bd. II S. 198).

Das Kontumazialverfahren (s. Art. Contumacia) des Kognitionenprozesses ist auch zulässig gewesen, wenn eine Partei ausblieb, nachdem bereits in einem Termin verhandelt worden war. Das Iustinianische Recht, welches den Moment der Litiskontestation, wohl in Anlehnung an die schon früher bei dem Kognitionenverfahren obwaltende Anschauung (vgl. Sev. et Ant. Cod. Iust. III 9, 1 v. J. 202) auf den Moment fixiert, in dem Kläger und Beklagter widerstreitende Erklärungen in der Verhandlung ausgetauscht haben (Iust. Cod. III 1, 14, 4), hat unter dem Namen des E. das Versäumnisverfahren nach der Litiskontestation neugeordnet (Cod. Iust. III 1, 13): der Prozeß soll nicht länger als drei Jahre von [419] der Litiskontestation an dauern. Ist der Kläger säumig, und sind von den drei Jahren nur noch sechs Monate übrig, so soll der Kläger auf drei Termine mit Zwischenräumen von zehn Tagen geladen werden, in diesen Terminen der Beklagte den Ungehorsam des Klägers anschuldigen, und wenn der Kläger im letzten Termin nicht erscheint, einseitig verfahren werden. Kann der Richter aus den Akten kein klares Urteil über die Sache gewinnen, so soll er den Beklagten von der Instanz entbinden (ab observatione iudicii relaxare); findet er aber ein klares Ergebnis, so soll er in der Sache selbst, für Kläger oder Beklagten, erkennen; die Kosten aber soll Kläger tragen, auch wenn er siegt. Ist der Beklagte säumig und in entsprechender Weise geladen, wie der Kläger, so soll, wenn er nun noch ausbleibt, immer in der Sache selbst je nach Ausfall der Untersuchung erkannt werden; aber die Kosten trägt auch der siegreiche Beklagte. In Nov. 112 hat Iustinian das Verfahren gegen den Kläger geändert: er soll, wenn er die Sache nicht verfolgt (vor oder nach der Litiskontestation), geladen werden, hierauf dreimal durch Edikte geladen werden mit dreißigtägigen Fristen. Dann soll noch ein ganzes Jahr gewartet und nun erst in Abwesenheit des Klägers einseitig verhandelt und nach Ergebnis der Untersuchung entschieden werden. Erscheint der Kläger innerhalb des Jahres, läßt dann aber die Sache wiederum liegen, so wird er aufs neue dreimal durch Edikte geladen, und ein Jahr gewartet. Erscheint Kläger innerhalb dieses Jahres nicht, so wird er ohne weiteres sachfällig. Keller Zivilprozeß § 69. Bethmann-Hollweg Zivilproz. I 187. II 603ff. III 307ff. Girard Organisation judiciaire I 87ff.; Cours élémentaire de droit Romain 1022, 2. 1061. Pernice Sav.-Ztschr. XIV (1893) 160ff. XIX (1898) 143, 2. Wlassak Savigny-Ztschr. XXV (1905) 94ff.

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