Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Mitglieder d. Senats in den röm. Municipien
Band IV,2 (1901) S. 22542256
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Decemprimi 1) In den römischen Municipien sind die D. Mitglieder des Senates (curia), und zwar sind es jedesmal diejenigen zehn, welche im Album des Senates an den zehn ersten Stellen eingetragen waren. Im Codex Theodosianus heissen sie daher decemprimi curiales (XVI 2, 39 a. 408. IX 35, 2 a. 376) und werden deutlich von den übrigen Senatoren unterschieden (XVI 5, 54 § 4 a. 414: decemprimi curiales ... addicantur, reliqui decuriones . . . solvant). Wie sie bei der Abstimmung im Senat zuerst stimmten, so kam ihnen auch gegenüber den übrigen Mitgliedern desselben eine höhere Würde, ein höherer Rang zu; sie sind befreit von Körperstrafen, denen die anderen Decurionen sich unterwerfen mussten, bezahlten aber auch höhere Geldstrafen (Cod. Theod. IX 35, 2. XVI 5, 54 § 4). Die D. sind also keine stehende Senatscommission, der bestimmte Geschäfte zugewiesen waren, sondern lediglich Repraesentanten der Curie, welche, wie sie gewisse Privilegien genossen, so andererseits auch für Unregelmässigkeiten oder Ungesetzlichkeiten, deren ihre Körperschaft sich schuldig machte, verantwortlich gemacht und dafür mit Strafen belegt wurden, wofür im Cod. Theod. XVI 2, 39 ein Beispiel sich findet. Es war von altersher Sitte, bei besonderen Gelegenheiten, wenn die Curie nicht in corpore auftreten konnte, die Vertretung derselben den zehn ersten Mitgliedern zu übertragen; so schickt Ameria an Sulla in Sachen des Sextus Roscius eine Gesandtschaft von zehn Männern: itaque decurionum decretum statim fit, ut decemprimi profisciscantur ad L. Sullam (Cic. pro S. Roscio 25), so entbieten Rom und römische Machthaber aus den ihnen untergebenen Städten neben den ordentlichen Magistraten dieser Städte auch eine Commission von zehn Decurionen zu sich, wie Antonius evocavit litteris e municipiis decem primos et IIIIviros (Cic. ad Att. X 13, 1). Hier ist D. die legitime Beziehung für die jeweilige aus den zehn ersten Mitgliedern des municipalen Senates gebildete Commission; Livius erwähnt gleichfalls derartige aus zehn Decurionen bestehende Abordnungen, nennt sie aber nicht D., sondern [2255] decem principes (VIII 3, 8: ceterum Romani . . . decem principes Latinorum Romam evocaverunt und XXIX 15, 5: itaque ... decreverunt – die Senatoren Roms –, ut consules magistratus denosque principes – aus zwölf Colonien – Romain excirent). Das ist dem Wesen und der Sache nach dasselbe; an der zuletzt angeführten Stelle fährt Livius so fort (§ 8): si qui ex iis (nämlich den Magistraten und den deni principes der erwähnten zwölf Colonien) recusarent, retinere eius coloniae magistratus legatosque placere, und nennt die, welche er eben vorher denos principes genannt hatte, jetzt legatos, womit er ihren Charakter und ihre von den municipalen Magistraten verschiedene Stellung treffend bezeichnet. D. finden sich in Pisa (CIL XI 1420 = Orelli 642), in Centuripae (Cic. Verr. II 162), in Lilybaeum (CIL X 7236) und vielleicht in Misenum (CIL X 8132), wenn die von de Rossi vorgeschlagene Auflösung principali . col. Mis. ex . X . p. in: principali col. Mis. ex (decem) p(rimis) das Richtige trifft.

Auch in Rom selbst war es Sitte, bei besonderen Anlässen Senatscommissionen von zehn Mann zu bilden; Liv. I 17 und Dion. Hal. II 57 erwähnen eine solche schon beim Tode des Romulus, und bei der Debatte über die Lex des Sp. Cassius beschliesst der Senat ἄνδρας ἐκ τῶν ὑπατικῶν ἀποδειχθῆναι δέκα τοὺς πρεσβυτάτους (Dionys. VIII 76). Bekannt und stehend ist die Zehnzahl der senatorischen Commissare, wenn es sich um Feststellung der Friedensverträge mit einem anderen Staat und um die Regulierung neu gewonnener Gebiete handelte (s. Mommsen St.-R. II 665. 673). Aber nirgendwo begegnet hier der Ausdruck D., ausser einmal scheinbar bei Dionysius (XI 15: πάντες ἑξῆς οἱ πρωτεύοντες δέκα τοῦ συνεδρίου τῇ Κλαυδίου γνώμῃ προσετίθεντο), wo wohl mit dem οἱ πρωτεύοντες δέκα τοῦ συνεδρίου eine ähnlich gebildete Commission wie die oben erwähnten gemeint sein und die πρωτεύοντες δέκα sich nicht wesentlich von den bei ähnlichen Anlässen von Dionys genannten δέκα τοὺς πρεσβυτάτους (s. o.) oder δέκα τοὺς ἐπιφανεστάτους τῶν πρεσβυτέρων, wie die zur Behandlung auf den Mons sacer geschickte Abordnung genannt wird (VI 69), unterscheiden werden. Seeck in C. F. Lehmanns Beitr. z. alten Gesch. I 154 begründet eine andere Auffassung dieser Stelle, wonach Dionys die Gruppe von 10 Männern von den municipalen Einrichtungen, wie er sie an vielen Orten beobachtet haben mochte, auf den Senat der Hauptstadt übertrug. Es leuchtet wohl ein, dass diese hie und da genannten Zehnmänner-Commissionen in Rom nichts mit den municipalen D. gemein haben ausser der Zehnzahl. In den Municipien ist der Name D. heimisch, in Rom selbst begegnet er nicht, jedenfalls nicht beim stadtrömischen Senat. Die früher oft ausgesprochene, jüngst von Bloch Les origines du Sénat Romain 205 (Bibliothèque des écoles Françaises d’Athènes et de Rome fasc. 29) wiederholte Ansicht, dass auch in Rom selbst die D. ein festumgrenzter Begriff gewesen und damit die zehn Vorsteher der zehn Decurien, in die der römische Senat geteilt sei, bezeichnet waren, ist nicht haltbar. Über die decuriae des römischen Senates s. jetzt Mommsen St.-R. III 851.

[2256] Dagegen begegnet der Ausdruck D. in Rom sowohl in sacralen als auch in anderen Collegien. Erhalten ist uns eine tabula ordinis sacerdotum domus Augustae; hier folgt auf die D. die Mitgliederliste mit der Überschrift: item ordo (CIL VI 2010). Die D. sind auch Mitglieder des in Rede stehenden ordo, aber wie in den municipalen Senaten an Rang und Würden höherstehende, weil ihre Namen zuerst im Album an erster Stelle eingetragen standen. D. begegnen auch bei den Collegien der apparitores, lictores und praecones, s. Mommsen St.-R. I 328. 340. 348.