RE:Citrone
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Pflanze, Zitrone | |||
Band III,2 (1899) S. 2612–2621 | |||
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Citrone. Den Alten war nur eine Citrusart bekannt, und zwar war diese, wie heute fast ausschliesslich angenommen wird, Citrus medica Riss., die C. (nicht etwa die in Deutschland meist C. genannte Limone). Nur K. Koch (D. Bäume u. Sträucher d. alt. Griechenl., 1879, 242) glaubt, dass es eine bittere Orange, Citrus aurantium fructu amaro, gewesen sei, weil damals überhaupt nur zwei Citrusarten existiert hätten, nämlich ausser der genannten noch die Limone. Doch aus der Beschreibung, welche die Alten namentlich von der Frucht geben, und aus linguistischen Gründen muss man an der ersteren Annahme festhalten (vgl. V. Hehn Kulturpfl. u. Haustiere⁶ 1894, 428f. Willkomm Über Südfrüchte, 1877, 39f. 70f. A. de Candolle D. Ursprung der Kulturpfl., übers. v. Goeze. 1884, 220f. V. Loret Le cédratier dans l’antiquité, Ann. de la société de Lyon XVII 1891, 225–271, auch in Separatabdr., Par. 1891).
An den Zweigen der C. finden sich Dornen oder auch nicht; in der persischen, zum alten Medien gehörigen Provinz Gilân findet sich der Baum, angebaut und verwildert, mit langen grünen Dornen bewaffnet, wie sie keiner der anderen Citrusarten zukommen (Willkomm 40f. Hehn [2613] 434). Wie bei den übrigen Arten trägt der freie Fruchtknoten der zwittrigen Blüte einen säulenartigen Griffel mit halbkugeliger Narbe; nur der Wildling Ostindiens hat oft eingeschlechtige Blüten (Willkomm 70, 5). Die Frucht, welche im Mittel 1–1½ kg. schwer ist und über 15 cm. lang werden kann, ist länglich und so warzig oder runzelig wie kaum eine andere Frucht; die Schale wird bis zwei Zoll dick, da ihre innere weisse Schicht, das eigentliche Fleisch, ausserordentlich entwickelt ist (Loret 245) und allein geniessbar; der Fruchtbrei, in welchem die Samen eingebettet sind, ist spärlich entwickelt, lederartig, wenig saftreich und ungeniessbar, da der Saft eher bitter als sauer ist. Die Heimat des Baumes ist Ostindien und Birma, was zum Teil schon im späteren Altertum bekannt gewesen zu sein scheint, da Hesychios sagt: κιτρίον · τὸ Ἰνδικὸν μῆλον. Nur dieser Baum heisst heute in Griechenland ἡ κιτρῃά, die Frucht τὸ κίτρον, albanes. kitre, bezw. -a (v. Heldreich Die Nutzpflanzen Griechenl., 1862, 54), auf Kephalonia κιτριά (v. Heldreich Flore de l’ΐle de Céphalonie, 1882, 29); auch heisst dieser Baum und seine Frucht in Italien (ausser der Ceder) cedro, in Spanien und Portugal cidra, in Frankreich cédrat (bezw. cédratier), in England citron (citron-tree).
Von den Griechen erwähnt den Baum zunächst Theophrast (h. pl. IV 4, 2. 3; bei Athen. III 83 d–f). Er sagt: ,Medien und Persien ist eigentümlich der sog. medische oder persische Apfel. Das Blatt des Baumes ist ähnlich oder fast gleich dem der ἀνδράχλη (Arbutus andrachne L., wofür Plinius XII 15 und Solinus 46, 4 wohl mit Rücksicht auf Theophr. h. pl. III 16, 5 unedo = Arbutus unedo L. setzen; bei Athenaios dagegen steht fälschlich ἀνδράχνη = Portulaca oleracea L., ausserdem auch noch der Wallnussbaum und wie bei Verg. g. II 131 der Lorbeerbaum); er hat Dornen wie der edle Birnbaum und der ὀξυάκανθος (Mespilus pyracantha L. ?), aber glatte und sehr spitze und mächtige; die Frucht wird zwar nicht gegessen, aber ist ebenso wie das Blatt sehr wohlriechend; wenn sie zwischen die Kleider gelegt wird, so bewahrt sie diese vor Würmern (ebenso Oppius bei Macrob. sat. III 19, 4. Diosk. I 166. Plin. a. a. O. Athen, a. a. O. 83 f–84 a); sie ist auch nützlich, wenn jemand Gift getrunken hat (vgl. u.), und um den Atem zu verbessern (Verg. a. a. O. 135); wenn man sie nämlich in Brühe oder dergleichen kocht und das Innere in den Mund ausdrückt und hinunterschlürft, macht es den Atem angenehm (ebenso Diosk. Plin. aa. OO.). Der herausgenommene Same wird im Frühjahr in wohl gepflegte Beete gesät und dann jeden vierten oder fünften Tag mit Wasser besprengt; sobald der Pflänzling erstarkt ist (d. h. nach drei Jahren nach Pall. IV 10, 12), wird er, wiederum im Frühjahr, in ein etwas weiches, feuchtes, nicht zu mageres Erdreich (reihenweise nach Theophr. h. pl. I 11, 4) umgepflanzt. Der Baum trägt zu jeder Jahreszeit Früchte (ebenso c. pl. I 11, 1. 18, 5). Diejenigen von den Blüten, welche, wie ich gesagt habe (h. pl. I 13, 4), gleichsam eine hervorragende Spindel (d. h. einen Griffel) in der Mitte haben, sind fruchtbar, die andern nicht. Er wird aber auch wie die Dattelpalme in durchlöcherten Töpfen herangezogen (dieser Passus fehlt [2614] bei Athenaios und scheint verdächtig). ,Dieser Baum also wächst in Medien und Persien.‘ ,Die Kerne liegen getrennt von einander in Reihen (h. pl. I 11, 4).‘ Dass alles, was Theophrast sagt, sich auf Asien bezieht, geht nicht nur aus seinen eigenen Worten, sondern auch aus dem, was Vergil (a. a. O.) ihm entnimmt, hervor. Ja man könnte, obwohl die Schilderung Theophrasts im übrigen sehr detailliert ist, zweifeln, ob er selbst schon die Frucht gesehen hat, da er gerade diese nicht beschreibt. Doch kamen nach einem Zeitgenossen desselben, dem Komiker Antiphanes (bei Athen. III 84 b), damals schon C. nach Griechenland, wenn auch als etwas sehr Seltenes. In seiner Komödie Boiotia schenkt jemand einem Mädchen drei schöne Äpfel mit den Worten, dass der Same neulich von dem Könige (Alexander) nach Athen geschickt sei. Da sowohl von ihm als seinem Nachahmer Eriphos (ebd.) diese Äpfel für identisch mit den Hesperiden- oder goldenen Äpfeln erklärt werden, so können es schon deshalb C. gewesen sein, weil diese auch später öfters mit jenen identificiert werden (Iuba bei Athen. III 83 b. Mart. XIII 37. Anonym, de citro bei Bährens Poet. lat. min. IV 349 = Riese I 169. Corp. gloss. lat. II 315, 24. III 26, 22. 358, 75. 442, 9. 562, 69; vgl. auch über die Abbildung eines Baumes in der Gestalt einer Aurantiacee mit Quittenäpfeln in den Fresken der Villa der Livia Möller Röm. Mitt. V 1890, 79), und weil andrerseits der Pfirsich, an welchen man als persischen Apfel denken könnte, ums J. 300 v. Chr. noch nicht in Europa bekannt war. Doch dass der C.-Baum damals in Griechenland kultiviert sei und vortreffliche Früchte getragen habe, wie Loret (a. a. O. 228) meint, geht wohl aus den genannten Stellen nicht hervor; denn die Mitteilung von dorthin geschickten Kernen kann doch nur als der Scherz eines Komikers aufgefasst werden, wie etwa der Römer Trimalchio auch seine C. und seinen Pfeffer auf seinen eigenen Ländereien gewonnen haben sollte (Petron. 38). Was aber die Abfassungszeit der die Kultur der C. behandelnden Kapitel in den Geoponica (X 7–10. 76, 7. 9) betrifft, so befindet sich Loret in einem verhängnisvollen Irrtum. So glaubt er, dass z. B. das ganze Kapitel X 76, ohne überarbeitet zu sein, den Diophanes von Nikaia, welchen er zu Anfang statt Mitte oder Ende des 1. Jhdts. v. Chr. ansetzt, zum Verfasser habe, und kommt, weil in diesem Kapitel (§ 9 u. 10) Didymos von Alexandreia und Florentinus erwähnt werden, zu dem Schluss, dass diese spätestens am Ende des 2. Jhdts. v. Chr. gelebt hätten (S. 250), während Didymos nach 316 n. Chr. (Niklas zu I 5, 5. Gemoll Untersuchungen über die Quellen der Geoponica, 1883, 170) und Florentinus um 218 n. Chr. (Gemoll 170f.) anzusetzen ist. Nicht nur Vergil (a. a. O.; vgl. Serv.) kennt die Frucht nur als medische, sondern Plinius sagt noch, dass trotz vielfacher bei andern Völkern gemachten Versuche der Baum (malus Assyria, quam alii Medicam vocant) nur bei den Medern und Persern fortkomme (XII 16). Zwar erleiden diese Worte durch eine andere Stelle (XIII 103), wo er sagt, dass der Baum eine Frucht trage, welche den einen durch seinen Geruch und seine Bitterkeit widerlich sei, von andern aber begehrt werde, [2615] und dass er auch die Häuser ziere, eine Einschränkung, aber doch nur in dem Sinne, dass der Baum ausserhalb Mediens zwar als Zierbaum diene, aber keine Früchte trage, wenn diese auch schon in Europa wohl bekannt waren. Denn wieder an einer andern Stelle (XVI 135) heisst es bei ihm, dass der in Assyrien einheimische Baum wie die Palme (welche zwar in Italien vielfach vorkam, aber keine Früchte trug, Varro II 1, 27. Plin. XIII 26), nur in der Heimat Früchte trage. In diesem Sinne behauptet noch Solinus (46, 6), dass man vergeblich versucht habe, den Baum, welcher nur in Medien gedeihe, auch in andern Gegenden anzupflanzen; ja selbst noch Gargilius Martialis (bei Pall. IV 10, 16, wo durch Änderung des non in nunquam der Sinn wenig alteriert wird, da der Baum, wenn überhaupt, auch das ganze Jahr hindurch Früchte entwickelt, falls dies nicht durch den Schnitt verhindert wird) hob hervor, dass der Baum in Assyrien der Früchte nicht entbehre. Selbst die Annahme Hehns (a. a. O. 433), dass der Baum zur Zeit des Florentinus ein Schmuck der Villen und Gärten begünstigter Landschaften gewesen sein müsse (Geop. X 7, 11), da er eine Treibhauskultur mit Erziehung von Früchten schildere, wie sie heute am Ufer des Gardasees üblich sei, ist höchst unsicher, da der Sammler der Geoponica jenen nicht direct, sondern aus Anatolios benutzt hat, vieles jenem auch untergeschoben zu sein scheint (Gemoll a. a. O. 171), Anatolios aber nicht vor dem 4. Jhdt. gelebt hat (über die Entstehung der Geoponica vgl. auch E. Oder im Rh. Mus. XLV 1890, 58f. 212f.). Mit Recht schliesst daher H. Blümner aus dem verhältnismässig recht beträchtlichen Preise, welcher für die C., das Stück zu 16–24 Denaren = 29,2–43,8 Pfennig, gegenüber z. B. dem Preise der Melone von 1–2 Denaren in dem Maximaltarif des Diocletian vom J. 301 (VI 75. 76; vgl. 30ff.) angesetzt ist, dass man damals erst angefangen habe, die Frucht in Europa zu ziehen. Mag also die Kultur in Italien auch schon vor Plinius (vgl. Oppius bei Macrob. sat. III 19, 4) begonnen haben, so finden wir sie doch im Gegensatz zu der Kultur der von Lucullus eingeführten Süsskirschenart, welche binnen nur 120 Jahren sich bis nach Britannien verbreitete (Plin. XV 102), erst bei Palladius (IV 10, 11f.), welcher in der zweiten Hälfte des 4. Jhdts. schrieb, die Kultur als schon von andern, und zwar auf verschiedene Weise ausgeübt geschildert. Er selbst hatte auf Sardinien und bei Neapel zu jeder Jahreszeit Früchte gewonnen, und ihm war es auch mit Bäumen, welche gegen den Nordwind geschützt waren und im Winter mit Stroh bedeckt wurden, selbst an sehr kalten Stellen gelungen (also durch dieselben Vorsichtsmassregeln, wie sie Geop. X 7, 3. 4 für jeden Standort verlangt werden), sie zu starker Entwicklung und Fruchtbildung zu bringen. Zu seiner Zeit war der C.-Melisse schon der Name citrago neben dem früheren apiastrum beigelegt (I 37. 2. V 8, 6). Was übrigens Assyrien betrifft, woher die Früchte bis lange nach Beginn unserer Zeitrechnung nach Europa gelangt sein müssen, so sucht E. Bonavia (The Flora of the Assyrian Monuments, 1894, 65f. 72 mit Fig. 29 a u. b u. 31) zu erweisen, dass die auf assyrischen Denkmälern dargestellte ananasartige [2616] Frucht eine gefingerte C. (fingered citron) gewesen sei, d. h. diejenige Form der C., welche sich an einem Ende in fingerartige Fortsätze teile und welcher noch jetzt in China eine abergläubische Verehrung gezollt werde; diese möge durch arabische und persische Händler den Assyriern, welche aus andern Gründen jedenfalls die C. gekannt haben müssten, bekannt geworden sein. Die von Theophrast gebrauchten Benennungen ἡ Μηδικὴ μηλέα und ἡ Περσικὴ μηλέα erhielten sich, obwohl für die Zwischenzeit nicht nachweisbar, bis auf Dioskorides (I 166; vgl. Plin. XII 15). Dieser allein hat auch dafür den Namen κεδρόλημον, wofür sich später κιτρόμηλον findet (Geop. X 76, 7). Nach Dioskorides a. a. O. ist dieser Apfel, welcher lateinisch citrium heisst, allgemein bekannt; der Baum trägt zu allen Jahreszeiten Früchte; der Apfel selbst ist länglich, runzelig, goldfarben und von bedrückendem Wohlgeruch, εὐῶδες μετὰ βάρους, sein Same dem der Birne ähnlich. Selbst Plutarch spricht noch vom μῆλον Μηδικόν (symp. VIII 9, 3). Obwohl aber dann Apuleius (bei Serv. georg. II 126) dagegen eifert, dass dafür citrus gesagt werde, da dieses Wort einen ganz andern Baum (nämlich Callitris quadrivalvis Vent.) bezeichne, so erklärt Galenos (XII 77), dass er nicht mehr μῆλον μηδικόν, sondern allgemein κίτριον genannt werde. Ja Athenaios (III 83 f) scheint jenen Namen gar nicht mehr gekannt zu haben; jedenfalls findet sich bei ihm und später nur κίτριον (so meist auch bei Alex. Trall., doch κίτρον II 175. 251 Puschm. und Anon. de alim. bei Ideler Physici et med. gr. min. II 260, 13. 24. 266, 12 und Sim. Seth p. 52, 16f. Langk.). Ein höchst verworrenes und jedenfalls sehr spätes Scholion (Nic. al. 533) identificiert μῆδον (Convolvolus althaeoides L.) mit μηδικὸν μῆλον und νεράνζιον; das letztere (im Sanskrit nâgaranga, nâgaranka, nâranga, ind. naroundji, pers. nareng, arab. nâring, neugr. νεράντζιον, ital. narancia, franz. orange u. s. w.; vgl. Hehn 436f. und Loret 242), bezeichnet aber die wohl erst im 9. Jhdt. durch die Araber verbreitete bittere Orange.
Bei den Römern spricht, wie erwähnt, zuerst von der C., ohne ihr aber einen bestimmten Namen zu geben, Vergilius (georg. II 126f.; vgl. Serv. Solin. 46, 4 und Macrob. sat. III 19, 4); bei ihm findet sich auch die charakteristische Bemerkung, dass der Saft stechend und der Geschmack lange haftend sei. Doch schon seit der Zeit des Augustus findet sich citreum (Cloatius bei Macrob. sat. III 19, 2. 3. Oppius ebd. 4. 5. Scrib. Larg. 158. Plin. XV 110. XVII 64. XXIII 105. Garg. Mart. 45. Auct. de virt. herb. 71. Pall. IV 10, 15, vgl. insit. 109. Macrob. a. a. O. Corp. gloss. lat. III 26, 22), citrium (Diosk. I 166. Ed. Diocl. VI 75. Orib. vers. VI 21 Molinier. Apic. 21. 75. 175. Corp. gloss. lat. II 315, 24. III 428, 53. 588, 31), citrum (Pamphil. bei Athen. III 85 c. Corp. gloss. lat. III 264, 47. 442, 9. 477, 41), cetreum (Corp. gloss. lat. III 358, 75) und cedrium (ebd. 609, 19) für die Frucht und cǐtrus (Plin. XIII 103. XV 28. Mart. XIII 37. Apic. 4. Pall. IV 10, 11. XI 15; de insit. 109. Anon. de citro bei Bährens PLM IV 311. Corp. gloss. lat. III 544, 59), cedrus in Hss. des 10. und 11. Jhdts. (Corp. gloss. lat. III 562, 69. 609, 19) und cetros in einer Hs. [2617] des 9. Jhdts. (ebd. 537, 36) für den Baum. Für den letzteren hat eine nur in einer jüngeren und unzuverlässigen Hs. erhaltene Stelle des Petronius (c. 38) credrae (im Plural), eine Lesart, welche L. Friedländer (Cena Trim. p. 221f.) verteidigt mit dem Bemerken, dass der Baum nicht nur citrus, sondern auch cedrus genannt worden sein müsse, da er jetzt cedro heisse und die Umwandlung von tr in dr gegen die italienische Sprachregel sei. Doch ist diese nicht ohne Ausnahme (G. Körting Latein.-romanisches Wörterb., 1891, über latro, mater, pater, patronus). Die Einschaltung des r hinter c im Volksmunde kann allerdings nicht befremden, und Petronius gestattet sich nach Friedländer (p. 9) manche in der strengen Schriftsprache nicht zulässige Freiheiten. Immerhin aber scheint es doch fraglich, ob Petronius selbst credrae statt citrea geschrieben hat.
Man nimmt auch heute allgemein an, dass citrus in der Bedeutung C. infolge des aromatisch duftenden Holzes der κέδρος (= Ceder oder Wachholder) direct (O. Schrader bei Hehn a. a. O. XVI) oder indirect, nachdem die Römer bereits aus diesem Grunde Callitris quadrivalvis Vent. citrus genannt hatten, als Frucht des Citrusbaumes (Hehn a. a. O. 432. Willkomm a. a. O. 71) aus κέδρος umgewandelt sei, nämlich durch Volksetymologie mit Anlehnung an citra, gleichsam citra mare natus (O. Keller Lat. Volksetymologie 59). Es scheint aber schwer denkbar, dass die Römer ohne zwingenden Grund ein zweitesmal dasselbe gethan haben sollten. Daher ist der Versuch Lorets, obwohl er auf diesen Punkt nicht näher eingeht, den Namen citrus aus dem Altägyptischen herzuleiten, höchst beachtenswert. Zunächst hält er es für sehr wahrscheinlich, dass die Juden schon zu Moses Zeiten die C. gekannt hätten (S. 254f.). Dieser hat nämlich bei Einsetzung des Laubhüttenfestes bestimmt, dass bei seiner Feier die Festteilnehmer sich mit der Frucht eines Baumes הדר, versehen sollten (Levit. 23, 40). Seitdem nun die ältesten rabbinischen Commentare der Bibel erschienen sind, wurde diese Frucht erklärt durch das hebraeisch-chaldaeische Atroug (Mischna Sukka III etc.), ein Wort, welches dem persischen atroug (nach einigen mit der Wurzel tarang = ,schön, gut sein‘ zusammenhängend) entlehnt, im arabischen atroug erhalten ist und die C. bezeichnet; und noch heute ist es bei den orthodoxen Juden Brauch, am Tage dieses Festes mit einer C. in der Hand die Synagoge zu betreten. Auf Münzen, welche in Palaestina bekanntlich erst seit 141 v. Chr. geprägt wurden, will Eckhel (I 3, 470) mala citrea erkannt haben. Alsdann berichtet Josephus (ant. XIII 372), dass ums J. 90 v. Chr. die Juden bei der Feier des Laubhüttenfestes ihren König mit κίτρια beworfen hätten; es sei nämlich Sitte bei den Juden, an diesem Feste Stäbe von Palmen und C. (θύρσους ἐκ φοινίκων καὶ κιτρίων) zu halten. An einer andern Stelle aber (ebd. III 245), wo er genauer die für dieses Fest von Moses vorgeschriebenen Ceremonien beschreibt, übersetzt er עצ הדר mit περσέα = Mimusops Schimperi Hochst., deren Früchte den Hagebutten in Form und Farbe ähneln, und עבת mit Myrte. Nun ist zwar die περσέα nicht, wie Loret meint (nach Diod. I 34 [2618] und Schol. Nic. ther. 764), erst zur Zeit des Kambyses, sondern schon etwa vor 3100 v. Chr. in Ägypten aus Südarabien eingeführt (G. Schweinfurth Verhandlungen d. Berl. Gesellsch. f. Anthropol. 1891, 669) und kann auch in Palaestina, wovon wir freilich nichts wissen, angebaut worden sein, da sie heute auch in Ägypten verschwunden ist (Fr. Wönig D. Pfl. im alten Ägypten 321), aber die Übersetzung des Josephus scheint unzuverlässig. Zunächst lässt sich hierauf aus seiner Übersetzung des עבת schliessen; denn für die Myrte findet sich sonst im Alten Testament הדס. Die Septuaginta übersetzen der Etymologie entsprechend עצ הדר mit ξύλον ὡραῖον (schöner Baum) und ענף עצ עבת mit κλάδοι ξύλου δασεῖς (dicht belaubte Zweige), die Vulgata jenes mit arbor pulcherrima. Da die Festordnung seit Moses bis Josephus manche Ausbildung erfahren hat (vgl. Riehm Handwörterb. d. bibl. Altert., 1884, 893), so ist nicht zu verwundern, dass der ,schöne Baum‘ bis zum J. 90, bezw. 141 v. Chr. zum C.-Baum specialisiert war. Alsdann nimmt Loret im Gegensatz zu andern Ägyptologen an, dass der Baum schon im 15. Jhdt. v. Chr. oder noch früher aus dem Tigrisgebiet nach Ägypten gebracht sei (S. 256. 261f.). Er beruft sich dabei zunächst auf eine im Musée de Louvre befindliche Frucht aus einem ägyptischen Grabe, von welcher er aber zugiebt, dass ihre Bestimmung als die einer Citrusart nicht ganz zuverlässig sei; auch das Alter des Grabes kann er nur vermutungsweise auf das 12. Jhdt. v. Chr. datieren. Alsdann enthält ein Teil des Tempels von Karnak, welcher im 15. Jhdt. erbaut ist, ein Zimmer, an dessen Wänden eine grosse Zahl von Abbildungen solcher Bäume sich befindet, welche damals von Thutmosis III. aus Asien nach Ägypten gebracht sind. Unter diesen Bäumen ist es aber doch nur ein einziger (abgeb. bei Loret 264), dessen Früchte zum Teil allerdings Limonen auffallend ähnlich sehen. Auch andere Früchte will Loret in den Gräbern jener Zeit gefunden haben, welche denen von Karnak vollkommen ähnlich seien. Damit ist aber schwer die Thatsache vereinbar, dass der Limonenbaum erst im Mittelalter nach Europa gekommen ist, und für unsere Frage handelt es sich eigentlich auch gar nicht um die Limone, sondern die C. Freilich will Bonavia (a. a. O. 70f.) auf einem Wandgemälde von ,El Kab‘ eine Frucht gesehen haben, welche einer gefingerten C. ungewöhnlich gleiche; doch bleibt abzuwarten, wie es sich damit verhält.
Nun glaubt aber Loret (257f.) weiter, seine Behauptung durch linguistische Gründe rechtfertigen zu können. Nämlich die sog. Scalae, koptisch-arabische Lexika, welche nach dem 9. Jhdt., und koptisch-griechisch-arabische Lexika, welche im 7.–9. Jhdt. verfasst sind, haben die Gleichungen Kortimos = el-lîmoûn, Ou-Djedjré = hommâd, Ou-Kétri = âtroug und Ghitré = κίτρον = âtroug. Davon bezeichnet unzweifelhaft lîmoûn die Limone, hommâd Citrus medica L. fructu apice conico medulla valde acida (eine Varietät der C.) und atroug die C. Auch eine koptische Hs. des Vatican vom J. 979 hat Kithri in der Bedeutung von C., und aus dem auf den Anfang des 4. Jhdts. n. Chr. bezüglichen Inhalt geht anscheinend hervor, dass der Baum in Ägypten damals allgemein, [2619] auch in Oberägypten, kultiviert wurde. Die vier letztgenannten koptischen Worte setzen nun nach Loret ein altägyptisches, aber noch nicht gefundenes Wort Djatr-it voraus, das hervorgegangen sein kann aus dem älteren Djar-it mit der Wurzel DJeR (GHeR, KeR) = spitz sein, sauer sein. Es ist nun auch in medicinischen Papyri der Name Djar-it für die Frucht eines Baumes erhalten, aber Loret glaubt selbst (269), dass dieses wohl auch das Johannisbrot, welches im Koptischen neben andern auch den Namen Djîrî hat, bezeichnen könne. Man sieht, dass die Herleitung der genannten koptischen Wörter von der altägyptischen Wurzel Djar doch nicht ohne Schwierigkeiten möglich ist. Auch der arabische Name qari, als synonym mit atroug von le Vizir, einem um 1600 zu Fez lebenden Mediciner, erklärt (Loret 253. 270), dürfte diese Herleitung kaum plausibler machen, ebensowenig wie das hebraeische הדר, welches, wie Loret meint, einige Beziehung zur Wurzel Djar gehabt haben kann, aber wegen des nur einmaligen Vorkommens nach ihm thatsächlich kaum gehabt hat. Mit Recht erklärt er sich aber wohl gegen die Herleitung der koptischen Wörter aus dem Griechischen, besonders weil die dem Griechischen entlehnten koptischen Wörter der Scalae immer eine griechische Endung haben. Aber wie das lateinische citrium ins Griechische, so könnte es ja vielleicht auch direct ins Koptische übergegangen sein und, wie manches lateinische Wort bei dem Übergange ins Romanische, die Endung eingebüsst haben. Man vergleiche z. B. die Städtenamen Bari, Chiusi, Sassari, Girgenti etc. Finden sich doch im Spätlateinischen wenigstens die Formen citriu (Corp. gloss. lat. III 191, 66), citru (ebd. 556, 36. 621, 13) und cetru (ebd. 537, 36). Daher dürfte sich die Frage, wie die Römer dazu gekommen seien, die C. citrium zu nennen, wohl am besten durch die Annahme erledigen, dass schon die Griechen ein von κέδρος abgeleitetes Wort dafür gehabt haben. So erklärt sich, wie Phanias, ein Zeitgenosse Theophrasts (bei Athen. III 84 d), zweifeln konnte, ob κεδρίον nach κέδρος benannt sei, und Athenaios (ebd.; vgl. Etym. M. 515, 49) ohne weiteres κιτρίον für gleichbedeutend mit κεδρίον auffassen konnte. Dafür spricht auch der von Dioskorides (I 166) angegebene Name κεδρόμηλον.
Über die Anpflanzung des Baumes spricht Palladius (IV 10, 11ff.) am verständigsten: ,Im März wird er durch Samen angepflanzt, wofür Beete mit Wasserrinnen angelegt werden, durch Stecklinge (welche auch umgekehrt eingesetzt werden konnten, Geop. X 8, 2), durch Stecklinge, welche von beiden Seiten abgeschnitten waren (ebenso Geop. X 8, 1), oder durch gebogene Zweige, wobei der ganze Zweig in die Erde gesteckt wurde (oder nur beide Enden, Geop. ebd.). Bei den beiden letzteren Methoden kann die Anpflanzung in sehr warmen Gegenden auch im Herbst geschehen (vgl. Geop. X 7, 1), in sehr kalten im Juli und August. Er liebt einen warmen und feuchten Standort (vgl. Geop. ebd.). Gepfropft (nicht oculiert, Geop. X 7, 7) wird er (wenn aus Samen gezogen) in warmen Gegenden im April, in kalten im Mai, nicht in die Rinde (weil diese zu schwach ist, Geop. X 76, 7), sondern in den Spalt (ebenso Geop. X 7, 7). Auch nimmt man [2620] zur Unterlage den Birnbaum oder schwarzen Maulbeerbaum (in letzterem Falle zur Erzielung roter Früchte, Geop. X 12. 76, 7; solche können auch durch Pfropfen auf den Apfelbaum gewonnen werden, falls der Baum nicht eingeht, ebd. 7, 8. 76, 7). Die Frucht lässt sich fast ein ganzes Jahr am Baum erhalten; besser jedoch wird sie in Gefässe eingeschlossen: manche brauchen für jede einzelne Frucht ein Gefäss (vgl. Apic. 21, wie es auch nach Plin. XV 65 mit Äpfeln und Birnen geschehen konnte) oder umschmieren die Früchte mit Gips (welcher in Wasser erweicht ist, Geop. X 7, 9. X 10); die meisten conservieren sie in Sägemehl der Ceder, in zerhacktem Stroh oder in Spreu (nach Geop. X 10 in Gerste). Von den Geoponikern wird auch das Pfropfen auf den Granatbaum empfohlen (ebd. 7, 12. 76, 9); auch geben sie Vorschriften, wie man der Frucht eine beliebige Gestalt, z. B. die eines Menschen- oder Tiergesichtes, geben könne, indem man sie während des Wachsens mit einer Form von Glas oder gebranntem Lehm oder Gips umgab, in welcher sie sich auswachsen konnte (X 7, 6. X 9). Ebendaselbe sollte aber auch mit Äpfeln, Birnen und Granatäpfeln möglich sein (X 9, 3).
Anfänglich diente die C. nur als Drogue und Heilmittel (Theophr. a. a. O.); erst seit Plinius fingen einige an, dieselbe mit Wohlgefallen zu geniessen (XIII 103; vgl. Plut. symp. VIII 9, 3. Athen. III 85 c). Über ihre diätetischen Eigenschaften äussert sich besonders Galenos (VI 618f.; vgl. Orib. coll. med. I 64): ,Die Frucht hat drei Teile: den sauren Teil, welcher in der Mitte ist; den Teil, welcher ihn umgiebt und gleichsam das Fleisch der Frucht ist, und einen dritten, welcher die äussere Hülle bildet. Diese Hülle ist wohlriechend und auch für den Geschmack aromatisch; sie ist natürlich schwer verdaulich, weil fest und schwielig; als Medicament jedoch nützt sie für die Verdauung, wie alles Herbe; in geringer Menge genommen, stärkt sie den Magen (vgl. Plin. XXIII 105. Auct. de virt. herb. bei Garg. Mart. med. ed. Rose 191. Sim. Seth p. 52, 2 Langk.); daher drückt man auch den Saft in gewisse Heilmittel, welche abführen oder den Körper reinigen (vgl. Diosk. I 166. Garg. Mart. med. 45. Alex. Trall. I 133. II 255 Puschm.). Der saure und ungeniessbare Teil, in welchem auch die Samen eingebettet sind, wird zu verschiedenen anderen Zwecken gebraucht, besonders um schwachen Essig herber zu machen. Der Teil, welcher zwischen den genannten in der Mitte liegt und auch Nahrungsstoff enthält, ist weder sauer noch herbe, aber wegen seiner Zähigkeit schwer zu verdauen; daher geniessen ihn alle, welche die Schwäche seines Geschmacks erhöhen wollen, mit Essig und Brühe von gesalzenen Fischen, vielleicht weil er so leichter verdaut wird.‘ An einer andern Stelle, wo er die Teile mehr von rein medicinischem Standpunkt beschreibt (XII 77), sagt er von dem Fleisch, welches ebenso wie die Rinde gegessen werde, dass es einen dicken Saft habe, Schleim mache und erkälte (vgl. Aët. I s. μηλέα Μηδική. Paul. Aeg. VII 3). In der Schrift de virt. herb. (a. a. O. p. 191) heisst es, das weisse Fleisch, welches man als Speise gebrauche, erzeuge Schleim, verschliesse die inneren Öffnungen, belästige den Magen, werde schwer verdaut und bereite durch [2621] seine Schärfe Verdauungsstörungen. Apicius (75) empfahl, die C. mit Laserkraut (?), Silphium, trockener Bachminze, Essig und Fischsauce zu essen. Alsdann giebt er (175) das Recept für ein aus kleingehacktem Fleisch und zerriebenen Pflanzenteilen bestehendes, in Essig, Öl u. s. w. mit Zusatz von Gewürzen bereitetes und mit den würfelförmigen Stückchen einer C. gemischtes Gericht; Rosenwein ohne Rosen stellte er (4; vgl. Pall. XI 15) dadurch her, dass er grüne C.-Blätter 40 Tage lang in gärendem Most hielt.
Was die Anwendung in der Medicin betrifft, so wurde die C. zuerst bei Vergiftungen angewandt (Theophr. h. pl. IV 4, 2. Verg. g. II 128ff. Oppius bei Macrob. sat. III 19, 4. Diosk. I 166. Plin. XXIII 105. Solin. 46, 4. Athen. III 84 d), auch gegen den Biss giftiger Tiere (Athen. III 84 e. Auct. de virt. herb. a. a. O. p. 191), oder nur der Kern (Sim. Seth p. 53, 8f. Langk.). Ferner wurde sie, abgesehen von einigen andern schon erwähnten Eigenschaften, schwer atmenden Greisen empfohlen (Verg. g. II 135. Anon. de citro bei Bährens PLM IV 350); ebenso schwangeren Frauen bei Appetitlosigkeit (Diosk. I 166. Plin. XXIII 105) oder als Riechmittel vor der Entbindung (Soran. I 67). Gegen das Podagra wurden C., welche recht weich in Essig gekocht, zerrieben und mit etwas schwefelsaurer Thonerde (?) und Myrrhensaft vermischt waren, aufgelegt (Scrib. Larg. 158) oder abgeschälte C. gegessen (Alex. Trall. II 511) oder andere Substanzen in C.-Saft gebraucht (ebd. 523). Gegen Husten bereitete man ein berühmtes Mittel aus C. und anderen Pflanzen (Garg. Mart. med. 45). Dieselbe Wirkung wie der Saft sollte in manchen Fällen auch der Same haben (Plin. a. a. O.). Wegen seiner Säure sollte der letztere astringieren; den schwangeren Frauen gegen Appetitlosigkeit helfen; zerrieben in Wein bei Milz- und Leberleiden; zerrieben auf Wunden gestreut werden (Garg. a. a. O.). Einen sehr mannigfaltigen Gebrauch machte Alexander Trallianus von der C.