Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Ein der Zypresse ähnlicher, hoher Strauch
Band III,2 (1899) S. 26212624
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Citrus = Callitris quadrivalvis Vent. (Thuia articulata Vahl), ein der Cypresse ähnlicher, 5–6, aber auch bis 12 m. hoher Strauch oder Baum in den Gebirgen des nordwestlichen Africa, besonders im Atlas, dessen Holz einen citronenartigen Geruch hat und sich durch schöne Maserung auszeichnet; besonders wenn die Stämme niedergebrannt werden, so entwickeln sich die Wurzelstümpfe zwar sehr langsam, aber zu ganz bedeutendem Umfange und geben ein dichtes, prächtig geädertes Holz (Flückiger Pharmakognosie d. Pflanzenreichs II [1883] 95, 2).

Der griechische Name dafür war θύον oder θύα und ist auf eine indogermanische Wurzel dhēu = ,heftig bewegen, anzünden‘ zurückzuführen (vgl. W. Prellwitz Etym. Wörterb. d. gr. Spr. s. v.). Das θύον freilich, welches von Kalypso auf ihrem Herde verbrannt wurde und seinen Geruch weithin verbreitete (Hom. Od. V 60; vgl. Plin. XIII 100), kann kaum schon unser Baum gewesen sein, sondern wohl eine der einheimischen Wacholderarten, entweder der Cypressenwacholder, Iuniperus phoenicea L., oder der Stechwacholder, Iuniperus oxycedrus L. So erwähnt auch Theophrast eine immergrüne θυία (h. pl. I 9, 3. IV 1, 3 Iuniperus phoenicea L.?) und eine nicht immergrüne θύεια (ebd. [2622] III 4, 2. 6) neben Callitris quadrivalvis, welche teils θύα, teils θύον genannt werde (ebd. V 3, 7; vgl. Plin. a. a. O.). Zwar sagt er von der letzteren, dass sie beim Tempel des Ammon und im Gebiet von Kyrene wachse, was für die Gegenwart nicht zutrifft, doch beseitigen jeden Zweifel an der Identität mit Callitris quadrivalvis die Worte, dass ihr Holz der Fäulnis für immer widerstehe (vgl. V 4, 2. Plin. XIII 101f.), die Wurzel stark gemasert sei, und aus dieser die kostbarsten Kunstwerke gemacht würden. Wenn aber θύον zu den Thüren des Tempels auf der sagenhaften Insel Panchaia verwandt gewesen (Euhemeros bei Diod. V 46), Babylon damit Handel getrieben (Joh. apoc. 18, 12) oder hier zur Zeit Alexanders d. Gr. ein indischer Philosoph sich daraus und aus andern wohlriechenden Hölzern einen Scheiterhaufen errichtet haben soll (Ael. var. h. V 6), so ist dieses entweder ein Phantasieproduct der Schriftsteller oder das ἀγάλλοχον ξύλον Indiens und Arabiens, welches dem θύινον ξύλον ähnelt (Diosk. I 21), d. h. das Aloeholz von Aquilaria agallocha Boxb. oder Aquilaria malaccensis Lam. Dagegen war das θύον, aus welchem die Thüren auf dem Schiffe des Königs Hieron (Moschos bei Athen. V 207 e) und des Ptolemaios Philopator (Kallixenos ebd. 205 b) und ein altes Bildnis des Hermes in Arkadien (Paus. VIII 17, 2) hergestellt waren und wovon Masinissa den Rhodiern zur Errichtung von Bildsäulen 50 Talente schickte (Suid. s. θύον), wieder das Holz unseres Baumes.

Der lateinische Name citrus (citreum = θυϊνον Corp. gloss. lat. II 101, 20) für den Baum und citrum für das Holz ist durch populäre Entstellung aus κέδρος (Ceder oder Wacholder) entstanden, indem das duftende, unzerstörbare Holz dieser Coniferen zu dieser Identificierung Veranlassung gab (V. Hehn Kulturpfl.⁶ 431). Eine Rückübertragung der Bedeutung ist es, wenn das Holz einmal (Cass. Dio LXI 10, 3) κέδρινον genannt wird. Das Holz kam von Mauretanien (Strab. XVII 826. Lucan. IX 426. Plin. V 12. XIII 91. Stat. silv. III 3, 94), wo zur Zeit des Plinius schon die besten Stämme ausgehauen waren (XIII 95). Der Baum glich an Blättern, Geruch und in Bezug auf den Stamm der pyramidenförmigen und wilden Cypresse (ebd.). Der knollige Auswuchs der Wurzel und der Teil, welcher sich am untersten Ende befindet, wurde am meisten geschätzt (ebd.). Das Holz war das teuerste von allen Hölzern (ebd. XXXVII 204).

Zuerst erwähnt der Dichter Naevius in seinem Bellum Punicum (bei Macrob. sat. III 19, 5 und Isid. or. XIX 22, 20; vgl. Fest. ep. p. 42, 14) eine citrosa vestis, welche Hehn (a. a. O. 432) als citrusduftendes Kleid erklärt. Cassius Hemina (bei Plin. XIII 86) berichtet nämlich, dass im J. 181 v. Chr. eine Kiste mit der Leiche des Numa und mit dessen Büchern gefunden sei, und dass letztere von Motten verschont geblieben seien, wohl weil sie citrati gewesen seien, d. h. nach Hehn mit dem Duft des C.-Holzes impraegniert gewesen sind und dieser die Motten ferngehalten hat. Doch kann wohl auch citrosus bei Naevius dem griechischen ποικίλος (bei Strab. IV 202. XVII 826) entsprechen und ,bunt‘ bezeichnen (vgl. concrispa bei Isid. or. XIX 22, 20). Cato (bei Fest. ep. p. 242, 21; vgl. Varro de r. r. III 2, 4) tadelte [2623] es, dass einige ihre Häuser mit C.-Holz und Elfenbein schmückten, wobei wohl, wie Hor. c. IV 1, 20 und Apul. met. V 1, an die Construction der lacunaria zu denken ist. Seit der Zeit Ciceros (Plin. XIII 102) werden kostbare Tische von C.-Holz erwähnt (Cic. Verr. IV 37. Strab. a. a. O. Petron. 119, 28. Plin. XIII 91. XVI 68. Mart. X 80, 2. 98, 6. Plut. de cupid. divitiar. 10. Paul. Dig. XIX 1, 21, 2). Öfters sind sie als C.-Tische nur durch eine Bezeichnung, welche die Herkunft des Holzes angiebt, charakterisiert, sofern sie libysche (Mart. II 43, 9), mauretanische (Mart. IX 22, 5. XII 66, 6) oder Tische vom Atlas (Lucan. X 144. Mart. XIV 89) genannt sind. Gemeint ist eigentlich nur die durch orbis bezeichnete runde Platte (Plin. XIII 95), weshalb auch orbis allein aus dem Zusammenhange, in welchem das Wort steht, als C.-Platte erkennbar ist (Ovid. heroid. XVI [XVII] 87. Lucan. X 145. Mart. II 43, 9. Iuv. I 137). Je stärker die Maserung, desto wertvoller war das Holz (Sen. de benef. VII 9, 2). Besonderen Wert hatten die Tischplatten, wenn die Maserung getigert (mit langen Streifen) oder pantherartig (mit kleinen Rosetten) war, nächstdem, wenn sie krause Wellenlinien, besonders solche, welche den Augen des Pfauenschweifes ähnelten, oder zerstreute Flecken, welche den Birnen ähnelten, zeigten; am meisten kam es jedoch auf die Farbe an, wobei die des Mostes, also wohl ungeklärten Weissweins, am meisten geschätzt war, nächstdem auf den Umfang (Plin. XIII 96f.). Der Wert des Holzes wurde von den Eingeborenen noch dadurch erhöht, dass sie es in frischem Zustande in die Erde vergruben und mit Wachs bestrichen, von den Kunsttischlern dadurch, dass es je sieben Tage mit ebenso langen Unterbrechungen in Weizen lag, wodurch das Gewicht desselben bedeutend gemindert werden sollte; mit Meerwasser durchtränkt und dann getrocknet, sollte es noch dichter werden; von Wein erhielt es keine Flecken u. s. w. (Plin. XIII 99). Wo von Luxustischen die Rede ist, waren es C.-Tische (Sen. de benef. VII 9, 2. Iuv. I 75). Ein solcher Tisch hatte Goldes Wert (Petron. 119, 28. Mart. XIV 89), reizte die Männer zu unsinnigem Aufwand, wie Perlen die Weiber (Plin. XIII 91), und kam dem Senatorencensus gleich (Sen. a. a. O.), d. h. einer Million Sesterzen (ca. 218 000 Mark) oder mehr. Selbst Cicero zahlte schon für einen solchen Tisch 500 000 Sesterzen, Asinius Gallus eine Million Sesterzen (Plin. XIII 92. Tert. de pall. 5), andere noch mehr (Plin. a. a. O.). Den grössten Tisch besass der König Ptolemaios von Mauretanien, ein Sohn Iubas; die Platte war aus zwei halbkreisförmigen Stücken zusammengesetzt, hatte 4½ Fuss im Durchmesser und 1/4 Fuss Dicke (Plin. XIII 93). Der Fuss des Tisches war wohl meist von Elfenbein (Lucan. X 144. Stat. silv. III 3, 94. Mart. II 43, 9. IX 22, 5; vgl. XIV 3. Lucian. gall. 14). Der Philosoph Seneca besass 500 Stück solcher C.-Tische mit elfenbeinernen Füssen (Cass. Dio LXI 10, 3). Auch Sophas von libyschem (Verg. Cir. 440) oder C.-Holz (Pers. I 52) werden erwähnt; doch den lectus pavoninus bei Martialis (XIV 85) hält Blümner (Technologie II 246, 4) für ein Sopha aus Ahornholz, da Plinius (XVI 66) von einer Ahornart (Bergahorn) sagt, dass sie sich durch den krausen Verlauf der Masern auszeichne [2624] und nach der Ähnlichkeit mit dem Pfauenschweife benannt sei (vgl. Plin. XVI 68. 185). Seit der Zeit des Augustus kamen auch quadratische repositoria, Tafelaufsätze, in Mode, die mit Ahorn- oder C.-Holz fourniert waren (ebd. XXXIII 146). Da ausdrücklich bezeugt wird, dass das citrum zu Fournieren geschnitten wurde (ebd. XVI 231), so mag dies wohl auch in andern Fällen als bei den repositoria geschehen sein, so besonders auch bei den mauri postes einer Prachtvilla (Stat. silv. I 3, 35).

Die Kunsttischler für die Arbeit in C.-Holz hiessen citrarii (CIL VI 9258) oder citriarii (Röm. Mitt. 1890, 287f.). Auch in Gallien scheint es solche gegeben zu haben, da Caesar bei seinem gallischen Triumphe apparatus ex citro aufführte (Vell. Pat. II 56, 2).

[Olck. ]