Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Bewohner der heissen Zone
Band II,2 (1896) S. 16151622
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Askioi (ἄσκιοι, schattenlose, unschattig) heissen die Bewohner der heissen Zone, insofern die Mittagsonne zu gewissen Zeiten in ihrem Zenith steht, während ihnen für die übrige Zeit des Jahres die Bezeichnung ἀμφίσκιοι zukommt. Die Einteilung der Erdkugel in Zonen nach dem Unterschiede ihrer Erwärmung nahm nicht blos Rücksicht auf den Sonnenstand, sondern auch auf die thatsächlichen oder vermuteten klimatischen Verhältnisse der einzelnen Teile der Erdoberfläche. Dagegen ergab sich eine rein astronomische Bezeichnungsweise, wenn man die Temperaturverhältnisse bei Seite liess und nur auf den durch den Sonnenstand bedingten Unterschied in der Beleuchtung achtete, d. h. auf die Richtung des Schattens, insbesondere des Mittagschattens. Wie wichtig den Alten auch sonst die Beobachtung des Schattens in seiner Länge und Richtung für die Zeitmessung und -Einteilung, sowie für astronomische Ortsbestimmung gewesen ist, daran kann hierbei nur erinnert werden; vgl. Gnomon.

Diese Einteilung nach den Schattenverhältnissen liegt uns durchgeführt und mit vollständiger Terminologie erst bei Poseidonios vor, der [1616] auch (Strab. II 95) ihren astronomischen Charakter im Gegensatz zu seiner geographischen Zonenteilung hervorhebt. Er unterscheidet a. a. O. fünf Zonen: zwei ,umschattige‘ περίσκιοι unter den Polen bis zu den Polarkreisen (μέχρι τῶν ἐχόντων τροπικοὺς ἀρκτικούς ,bis zu denen, die den Wendekreis als arktischen haben‘ – über diese Art der Bezeichnung des festen arktischen Kreises, des Polarkreises, s. d. Art Himmelskreise); zwei ,einschattige‘ ἑτερόσκιοι, von da bis zu den Wendekreisen; eine ,zweischattige‘ ἀμφίσκιος zwischen den Wendekreisen. Es sind die uns noch geläufigen fünf Zonen, nur dass wir die Benennungen nach den Haupttemperaturunterschieden beibehalten haben, nicht diese auch im Altertume nicht eingebürgerten Namen. Eine Erklärung dieser Bezeichnungen giebt, wieder mit ausdrücklicher Berufung auf Poseidonios, Strabon II 135 (vgl. 133). Dasselbe bieten im wesentlichen zwei auch sonst von Poseidonios abhängige Autoren: Cleomed. de motu circul. corp. cael. I 7 p. 62 Ziegler und Achilles isagog. c. 31 p. 156f. Petav. Uranol., dieser mit mancher Verderbnis, aber reichhaltiger. Ptolemaios endlich wendet Almagest. II 6 (Bd. I p. 77—89 Halma) bei der Aufzählung der Parallelkreise durchweg dieselben Ausdrücke an und erklärt sie auch.

a) ἀμφίσκιοι (s. d.), zweischattig, sind die Bewohner der heissen Zone oder ist diese selbst. Das Verhältnis war am deutlichsten am Äquator darzustellen, daher haben auch Cleomedes und Achilles, dem populären Charakter ihrer Schriften gemäss, nur vom Äquator als der Gegend der Zweischattigkeit gesprochen. Hier fällt der Mittagschatten nach Süden, wenn die Sonne die nördliche Hälfte ihrer Bahn durchmisst (,vom Widder zum Stier und zu den folgenden Zeichen geht‘ Achill.), also in nördlicher Abweichung kulminiert, und umgekehrt in der anderen Jahreshälfte nach Norden. Geschieden sind diese Zeiten entgegengesetzten Schattenfalles von einander durch die in den Nachtgleichen, in Widder und Wage, eintretenden Zenithstellungen der Sonne. Da sind die Bewohner zu Mittag unschattig, ἄσκιοι (vgl. Ptol. p. 77ff. Achill. 157 A. B; dagegen ist bei Strabon und Cleomedes a. a. O. von der Unschattigkeit nicht die Rede). Dasselbe gilt natürlich nicht blos vom Äquator, sondern von der ganzen Zone zwischen den Wendekreisen (vgl. Marinos bei Ptol. geogr. I 7, 4 ἐν αὐτῇ μεταβάλλουσιν αἱ σκιαί), nur dass, je näher diesen, die beiden Zeiten der Schattenlosigkeit immer mehr zusammenrücken (s. u. über Meroe u. a.) und die beiden Jahresabschnitte der Zweischattigkeit immer ungleicher werden. Endlich in den Wendekreisen tritt die Sonne nur einmal im Jahre, in der Sommer- oder Winderwende, ins Zenith und weicht daher in der übrigen Zeit auch nur nach einer Seite ab. Sonach sind die Bewohner des Wendekreises (Syene s. u.) zwar ἄσκιοι, aber nicht mehr zweischattig, sondern einschattig (Ptol. Almag. p. 81f.). Über den gewöhnlichen Spielraum von 300 Stadien, innerhalb dessen kein für den Beobachter merkbarer Unterschied in den Himmelserscheinungen vorausgesetzt wurde, vgl. z. B. Cleom. p. 140, 7 u. a. St. bei H. Berger D. geogr. Fragm. d. Eratosth. 137, 4; Wissensch. Erdk. d. Gr. III 82. Müllenhoff Deutsche Altertumsk. I 287f. [1617]

b) ἑτερόσκιοι, einschattig, sind die Erdbewohner ausserhalb der Wendekreise. Denn hier kulminiert die Sonne gar nicht mehr im Zenith (es tritt also keine Unschattigkeit mehr ein), sondern auf der nördlichen Halbkugel stets in südlicher Abweichung, umgekehrt auf der südlichen. Und so neigen sich (Cleom.) in der nördlich gemässigten Zone die Schatten zu Mittag immer nach Norden, in der ἀντεύκρατος nach Süden (Achilles setzt statt der nördlichen gemässigten Zone nach alter und der gewöhnlichen Vorstellung wohl geläufigerer Weise die Oikumene und im Gegensatz zu ihr die ἀντοίκοι).

c) Hinsichtlich des Mittagschattens erstreckt sich die Einschattigkeit auch auf die kalte Zone. Unter den Polen selbst aber, ,wo das Jahr nur in Tag und Nacht zerfällt‘, beschreibt der Schatten an diesem einzigen Tage einen Kreis, und so ist hier das Gebiet der Umschattigen περίσκιοι. So Cleomedes. Ähnliches mag Achilles vorgelegen haben. Was er aber (157 B) vorbringt, zeigt Zweifel und Unklarheit. So mag auch das Fehlen des Wortes in der Aufzählung der termini am Anfang des Kapitels kein Zufall sein. Poseidonios selbst — das geht deutlich aus beiden Strabonstellen hervor — lässt die Umschattigkeit schon mit dem Polarkreise beginnen; ebenso Ptol. p. 87, der als ersten Parallel der περίσκιοι den bezeichnet, wo der längste Tag 24 Stunden hat. ,Denn da die Sonne hier im Sommersolstitium nicht untergeht, richtet sich der Schatten des Gnomons nach einander nach allen Seiten des Horizontes.‘ Man könnte, fügt er hinzu, θεωρίας ἕνεκεν weiter unterscheiden die Parallelen, wo der längste Tag und die Dauer der Umschattigkeit (ἡ τῶν σκιῶν περιαγωγή) etwa 1, 2 u. s. w. bis 5 Monate beträgt, bis unter dem Pole selbst das Jahr nur den einen 6 Monate langen Tag hat, τοὺς δὲ γνώμονας πάντοτε περισκίους τυγχάνειν.

Auf diesen engen Kreis beschränkt sich die Überlieferung dieser Terminologie. Es fragt sich, wie sich die sonstigen Äusserungen der Alten über die Schattenunterschiede dazu verhalten, und wie weit etwa das Princip dieser Bezeichnung der Zonen über Poseidonios hinaufreicht. Die eine Grundlage des Systems, der Unterschied, den der Wendekreis in den Schattenverhältnissen bedingt, wird schon von Aristoteles meteor. II 5, 11 als bekannt vorausgesetzt (Berger Eratosth. 71; Wissensch. Erdk. d. Griech. II 43). Hier ist deutlich die Vorstellung, dass entgegen der gewöhnlichen nördlichen Richtung des (Mittag-)Schattens dieser unter dem Wendekreise (im Sommersolstitium nämlich) fehlt, ὑπολείπει und dass er südlich davon (zu gleicher Zeit) nach Süden fällt, μεταβάλλει εἰς μεσημβρίαν. Und diese theoretische Unterscheidung gewann alsbald praktische Bedeutung durch die Ausdehnung der Länderkunde. Zunächst war von Wichtigkeit die Bestimmung der Lage Syenes auf dem Wendekreise (s. Müllenhoff D. A. I 271), die dem Aristoteles, wenigstens als er jene Stelle schrieb, noch nicht bekannt war (Berger Erdk. II 128), d. h. die Beobachtung, dass hier im Sommersolstitium der Gnomon zu Mittag keinen Schatten warf. S. darüber und über den gelegentlich miterwähnten Brunnen, ausser Ptol. a. a. O. p. 81 und Achilles 156 E: Strab. II 114. XVII 817 (dazu Eutath. a. Dion. perieg. 223). Cleomed. I 10. II 1 [1618] (p. 96. 98. 140. 144. 146 Ziegler). Arrian. Ind. 25, 7 Plut. def. orac. 4. Plin. n. h. II 183. Ammian. Marc. XXII 15, 31. Lucan. II 587, wozu Macrob. Somn. II 7, 15 u. a. Hierzu kam, was von Indien und den Küstenfahrten an Beobachtungen (und an Fabeleien) über fehlenden oder gar entgegengesetzt fallenden Schatten (sowie über Sichtbarkeit von Sternbildern) mitgeteilt wurde. Eratosthenes suchte auch solche allgemeine Angaben wenigstens zur ungefähren Bestimmung der Lage einer Örtlichkeit zum Wendekreise zu verwerten. Die Rücksicht, die er darauf nahm, hat manche dieser Notizen gerettet (Berger Eratosth. 124. 177ff.). Dass er selbst die Unterscheidung nach dem Schatten auch weiter durchgeführt hätte, dafür liegt wenigstens kein unmittelbares Zeugnis vor. Und auch was etwa ausserdem aus älterer oder späterer Zeit von Nachrichten und Ansichten über diese Dinge in der Litteratur begegnet, ist fast durchweg beschränkt auf diese beiden Vorstellungen von ,Unschattigkeit‘ und ,Gegenschattigkeit‘, denn neben ἄσκιος ist auch dieses Wort ,gegenschattig‘, ἀντίσκιος gebildet worden (s. u.). Es ist also der allgemeine Unterschied zwischen diesseits und jenseits des Wendekreises, wie er seit Aristoteles formuliert war, der hierbei zum Ausdruck kommt, ganz entsprechend der Ausdehnung der Oikumene und so den Bedürfnissen der praktischen Länderkunde genügend. Für die Art dieser Nachrichten und auch für das Verständnis der Schriftsteller, die derlei Beobachtungen mitteilen oder Überliefertes wiederholen, mögen einige Beispiele folgen (vgl. auch Salmasius Plin. exerc., Paris 1629, 422ff. [zu Plin. V 56]). Sachverständige Angaben konnte Eratosthenes aus Philons Aithiopika entnehmen. So hatte dieser für Meroe (nach Hipparch bei Strab. II 77 ausser Schattenmessungen) auch mitgeteilt, dass die Schattenlosigkeit dort 45 Tage vor dem Solstiz eintrete. Dass sich dies ebenso lange nachher wiederholt, ist hier als selbstverständlich nicht bemerkt. Beide Zeiten der Schattenlosigkeit sind dagegen bei Plin. n. h. II 184 bezeichnet (Müllenhoff 279). Und nur die weitere Thatsache, dass in der Zwischenzeit ,90 Tage lang‘ der Mittagschatten nach Süden fällt, weil da die Sonne nördlich vom Zenith des Ortes kulminiert, ist hervorgehoben bei Ammian. Marc. XXII 15, 31. Auf denselben Parallel wurde nach Philon Ptolemais Θηρῶν an der südlichen Troglodytenküste gesetzt (Hipparch bei Strab. II 133. Ptol. geogr. VIII 16, 9. 10; vgl. Berger Erdk. III 85). Aber was Plinius II 183 und besonders VI 171 darüber sagt, lässt nur erkennen, dass er den Sinn seiner guten Quelle nicht genügend verstand (für Berenike im Norden der Troglodytenküste, daher an beiden Stellen mit Ptolemais zusammen genannt, spricht Plinius wenigstens an der zweiten Stelle seine Unschattigkeit im Solstiz, d. h. seine Lage unter dem Wendekreise, deutlich aus, vgl. Strab. a. a. O. Ptol. geogr. VIII 15, 15. 19). Das zeigt sich auch darin, dass er II 185 dieselbe eratosthenische, nur für den Süden der Küste passende Angabe umbram bis XXXXV diebus in anno in contrarium cadere nun fälschlich auf die ganze Troglodytenküste bezieht (vgl. Diodor. III 41). Während hier erst spätere Entstellung besserer Überlieferung vorliegt, war Eratosthenes für Indien auf schlechteres Material angewiesen. Gegenüber [1619] all den Behauptungen vom Fehlen und Wechseln des Schattens, die mit den anderen Wunderberichten über Indien umlaufen mochten, leugnete wohl jemand südlichen Schattenfall für Indien schlechtweg (Deimachos, den Eratosthenes deshalb zurechtweisen muss, Strab. II 76), wie einst dem Herodot an der Geschichte von der angeblichen Umseglung Africas nichts unglaublicher erschienen war, als die entgegengesetzte Schattenrichtung (Herod. IV 42). Auf der andern Seite aber wurden Nachrichten und Beobachtungen über diese örtlich und zeitlich beschränkten Erscheinungen kritiklos verallgemeinert oder auf Gegenden bezogen, auf die sie gar nicht passen (vgl. Lewis Hist. survey of the astron. of the ancients 512f.). So wurde für Pattala südlicher Schattenfall behauptet (Plin. II 184, ohne zeitliche Einschränkung), und noch bei Ptolemaios geogr. VIII 26, 10 wird dementsprechend zweimaliger Zenithstand der Sonne für diesen Ort angesetzt; vgl. was nach Onesikritos bei Plin. II 183 über die Unschattigkeit der Gegend supra Hypasim gesagt wird, und auch die vielbesprochene Nearchstelle Arrian. Ind. 25 (s. Berger Eratosthenes 182. Tomaschek Wiener Sitz.-Ber. CXXI 1890 VIII 6). Oder es wird die den Tropen zwar eigentümliche, aber immer nur in den Zeiten des höchsten Sonnenstandes eintretende Unschattigkeit als dauernde Eigenschaft aufgefasst; so in den Nachrichten des Onesikritos über die loca ascia in Indien bei Plinius II 185. VII 28. Freilich mag Plinius hier die ursprünglich wohl schon übertriebene Angabe noch weiter entstellt haben. Denn wie gering seine Sachkenntnis in diesen Dingen ist, zeigt sich an den meisten der in Betracht kommenden Stellen. Und er steht damit auch unter den Späteren nicht allein. Melas Worte (III 61) sind vorsichtig unbestimmt. Aber Diodor z. B. denkt sich am Aequator zu Mittag stete Unschattigkeit (II 56), ebenso Lucan, den Macrobius deshalb berichtigt (a. a. O.), am Wendekreise; er spricht hier (II 587) von dem umbras nunquam flectente Syene. Bezeichnend für solche die Gegensätze ohne weiteres verallgemeinernde Anschauung ist auch das Geschichtchen bei Plinius VI 87, Gesandte aus Taprobane bei Kaiser Claudius hätten sich gewundert, dass der Schatten in Rom nach Norden fiele und nicht nach Süden, wie in ihrer Heimat (und dass die Sonne links aufginge und nicht rechts, nämlich für den vom Pole ab-, der Sonne zugewandten Beschauer, vgl. die entsprechende Notiz über Pattala II 184). Hier erscheint die Gegenschattigkeit als dauernde Eigenschaft, was sie im Bereiche der antiken Welt, überhaupt zwischen den Wendekreisen, nirgends ist, sondern nur ausserhalb der Tropen (vgl. die Definition von ἀντίσκιοι bei Achilles p. 157 A). So werden also Eigentümlichkeiten der von den Alten nicht erreichten südlichen gemässigten Zone localisiert in dem äussersten ihnen bekannten Südlande Tabrobane. Ganz dieselbe Vorstellung begegnet bei Lucan. III 246f., wo die Araber, die zum Heere des Pompeius kommen, sich über denselben Unterschied wundern (hier ist links = südlich, rechts = nördlich, wie bei Achill 156 E f., vgl. dens. 161 B und Th. H. Martin Mém. de l’Inst. de Fr., Ac. des Inscr. et b. l. XXX 1 [1881] p. 143ff.). Dagegen kennzeichnet Lucan. IX 538f. diesen stets [1620] südlichen Schattenfall — in noton umbra cadit, quae nobis exit in arcton — richtiger als Eigenheit des von der Oikumene durch eine verbrannte Zone getrennten Südens (also der ἀντίχθονες, ἄντοικοι — freilich können sich die folgenden Verse nur auf den Aequator beziehen). Dass gegenüber der einseitigen, aber in der Ausdehnung der Oikumene begründeten Berücksichtigung des nördlichen Wendekreises der südliche als Zonenteiler keine praktische Bedeutung hatte, zeigt sich auch darin, dass neben der allgemeinen Vorstellung der Gegenschattigkeit das eigentlich Wesentliche der Zone zwischen den Wendekreisen, der Wechsel zwischen entgegengesetztem und nördlichem Schattenfall, d. i. die Zweischattigkeit, ganz zurücktrat. Doch fehlt diese Vorstellung auch der Länderkunde nicht ganz, wie aus den Notizen aus alexandrinischer Zeit über den Berg Maleus bei Plinius (II 184. VI 69) hervorgeht.

Das Wort ἀμφίσκιος dagegen scheint auf die oben angeführten Stellen beschränkt. Über die anderen den beiden geläufigsten Vorstellungen auf diesem Gebiete entsprechenden Worte ἄσκιος und ἀντίσκιος ist noch folgendes zu bemerken. Jenes, auch ohne den technischen Sinn der Sprache nicht fremd, mag in dieser besonderen Bedeutung bald, als die Sache bekannt wurde, verwendet worden sein; vgl. Plinius II 185, der mit Berufung auf Onesikritos loca ascia nennt. Stellen, an denen es ausserdem vorkommt, sind oben bei ἀμφίσκιοι und bei Syene angeführt (Strab. [Eustath.]. Ptol. Cleom. Achill. Plutarch. Arrian.); s. auch Olympiodor z. Aristot. a. a. O. (Aristot. meteorol. ed. Ideler I 305f.). Ἀντίσκιος findet sich, auch in anderer Bedeutung, erst später: vereinzelt dichterisch (Nonn.), sowie als astronomischer (s. o. Bd. I S. 2054, 51) und astrologischer Terminus. In dem hier behandelten Sinne, wo es den Süden, jenseits des (nördlichen) Wendekreises, im allgemeinen bezeichnet, steht es bei Iulian und Ammian (s. d. W.). Ohne Rücksicht auf das den Alten bekannte Gebiet, rein theoretisch, ist die Definition des Wortes bei Achilles a. a. O.

Auch in dieser verschiedenen Bedeutung von ἀντίσκιος zeigt sich der Gegensatz der hier vorgeführten Vorstellungen der praktischen Erdkunde zu dem am Anfange dargelegten System von Bezeichnungen. Der von Aristoteles ausgesprochene Grundsatz genügte der Länderkunde, bei Eratosthenes und nach ihm. Seine Erweiterung führte zu dem die ganze Erdkugel umfassenden System des Poseidonios. Aber schon vor Aristoteles mochte nicht nur der Gegensatz zwischen diesseits und jenseits des Wendekreises ausgesprochen worden sein, auf den allein er an jener Stelle hinzuweisen Grund hatte. Sondern vom Standpunkte der Erdkugellehre lag die Vorstellung der durch beide Wendekreise bedingten Schattenverhältnisse, also der Zweischattigkeit, gleich nahe. Und auch dass am Pole der Schatten im Laufe des einzigen halbjährigen Tages einen Kreis beschreiben muss, mochte, wie dieser Tag selbst, die Phantasie schon beschäftigen. Um diese Vorstellungen für eine Einteilung der ganzen Erdkugel zu verwenden, fehlte also nur noch der Polarkreis als die untere Grenze der Umschattigkeit. Aber gerade deshalb werden wir die Durchführung des Princips späterer [1621] Zeit zuweisen müssen. Denn zum Begriffe des Polarkreises gelangten die Griechen erst von ihrem arktischen, vom Horizont abhängigen Himmelskreise aus. Und die Eigenschaft, auf der seine Verwertung bei dieser Einteilung beruht, ist keine wesentliche, sondern aus der Thatsache abgeleitet, dass hier der längste Tag 24 h zählt. Nicht deshalb wurde dieser Kreis als Zonengrenze angenommen, weil auf ihm in einer ganz kurzen Zeit des Jahres der Schatten im Laufe eines solchen 24stündigen Tages einen Kreis beschreiben muss, sondern diese Eigentümlichkeit wurde an ihm erst hervorgehoben, als er schon als wichtige Grenzlinie erkannt war. Das ist — bei der steten Rücksicht auf die physische Geographie, in der sich die Erdzonenlehre entwickelt hat — erst seit Eratosthenes. Ihn veranlasste die Nachricht des Pytheas von der Lage von Thule auf dem ,Polarkreise‘, diesen Kreis als Nordgrenze der Bewohnbarkeit anzusehen, der für ihn (durch die Schiefe der Ekliptik) zugleich astronomisch bestimmt war (vgl. Berger Erdk. III 78. 88). Seit Eratosthenes also war der Polarkreis neben dem Wendekreise als Zonenteiler gegeben, und so hat ihn — nach Hipparch — auch Poseidonios beibehalten. Und auch die Namen für die so begrenzten Zonen bei Poseidonios zeigen, dass diese Art der Bezeichnung erst nach der anderweitigen Festlegung dieses festen arktischen Kreises durchgeführt worden ist. Denn die Namen ἀμφίσκιοι und ἑτερόσκιοι sind hergenommen von der das ganze Jahr hindurch herrschenden Richtung des Mittagschattens. Die Bezeichnung περίσκιοι für die Polarzonen dagegen bezieht sich weder auf den Mittagschatten (sondern auf den im Laufe des nachtlosen Tages einen vollen Kreis beschreibenden Schatten), noch ist sie (ausser für den halbjährigen Poltag) für das ganze Jahr giltig. Es ist also keine einheitliche Teilung nach den Schattenverhältnissen, aber eine gleichmässige und bequeme, auf den besondere seit Eratosthenes vorhandenen Grundlagen und nach dem Vorbilde von ἄσκιος leicht sich ergebende Benennung für die schon festgestellten Zonen der Erde. Es sollten dadurch wohl die alten Namen verdrängt werden, weil die Anschauungen, die den Bezeichnungen verbrannte und erfrorene Zone zu Grunde liegen, zum Teil unhaltbar geworden waren; zugleich sollte diese Benennung der Zonen auf den astronomischen Charakter der Teilung hinweisen. Und diese Namen werden wir — wie vielleicht eine analoge Schematische Durchführung von Bezeichnungen für die Bewohner der Erdviertel — dem Poseidonios zuschreiben dürfen. Darauf deuten die Worte Strabons an beiden Stellen, besonders II 135 die Gegenüberstellung des Poseidonios gegen Hipparch. Und auch das spricht wohl dafür, dass diese Terminologie auf den Kreis der Stoa beschränkt geblieben ist. Auch ihre Berücksichtigung durch Ptolemaios dürfte sich aus seinen Beziehungen zur Schule erklären. Vgl. noch Tannery Recherch. sur l’hist. de l’astron. anc. (Paris 1893) 136.

Zum Schluss sind einige auch vom Unterschiede des Schattens hergenommene Bezeichnungen der Erdbewohner zu erwähnen, die sich nur bei Achilles a. a. O. finden. Dieser nennt an erster Stelle die ἄσκιοι, οἱ κατὰ κορυφὴν ὥρᾳ ἕκτῃ τὸν ἥλιον ἔχοντες, dann βραχύσκιοι, οἱ τὸν [1622] ἥλιον ὀλίγον ἀφεστῶντα ἔχοντες, und μακρόσκιοι οἱ πόρρω αὐτὸν ἔχοντες. Dann erst geht er, entsprechend seiner Aufzählung am Anfange des Kapitels, zur Besprechung der oben behandelten Termini über. Diese Unterscheidung von Schattenlosen, Kurz- und Langschattigen, also nach der Länge, nicht nach der Richtung des Mittagschattens, kann einen Sinn nur haben unter der Voraussetzung eines für alle gleichzeitigen Sonnenstandes, am einfachsten der Zeit der Aequinoktien, wo die Sonne über der Mitte der Erde steht. Daher sind die ἄσκιοι, wie Achilles zusetzt, die Äquatorbewohner, denn sie haben die Sonne im Scheitel, wenn sie im Widder oder in der Wage steht. So wird die Schattenlosigkeit als ihre Eigentümlichkeit angesehen (über ähnliche Verallgemeinerung s. o.), und dem entsprechend die geringere oder grössere Entfernung von ihnen als Kurz- oder Langschattigkeit aufgefasst (die Erwähnung der Unschattigkeit von Syene und Elephantine zu Mittag im Solstitium, die bei Achilles hinter den angeführten Worten folgt, stört also hier den Sinn). So bedeuten diese Namen nichts mehr, als wenn wir von Bewohnern der Linie, niederer oder höherer Breiten reden.