Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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ital. Gebirge
Band II,1 (1895) S. 210214
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Appenninus. 1) Appenninus (bei den Lateinern stets im Singular; die Schreibung mit doppeltem p und n herrschend in den guten Hss., ebenso hat die Alimentartafel von Veleia CIL XI 1147, 4, 5. 5, 20 und die Inschrift CIL VIII 7961 = Orelli 5613 aus dem 2. Jhdt. n. Chr.; archaisch APENINO in der sententia Minuciorum de agro Genuate 117 v. Chr., CIL V 7749, sowie in der späten Weihinschrift CIL XI 5803 = Orelli 1220; in der Bauinschrift der Via Salaria aus gracchischer Zeit Eph. ep. II p. 199 = CIL VI 3824[WS 1] ist nur ...p[e]nninum erhalten; ὁ Ἀπέννινος, τὸ Ἀπέννινον ὄρος, daneben auch τὰ Ἀπέννινα ὄρη die [211] Griechen, vereinzelt Ἀπέννιoν, Steph. Byz.; vgl. Nissen Ital. L.-K. 217, 3), das Hauptgebirge der italienischen Halbinsel. Der Name scheint keltisch zu sein und mit dem Appellativ pen = Bergspitze zusammenzuhängen; er hat seine ursprüngliche Lokalisierung in der Nordhälfte der Halbinsel, von den Seealpen bis zum Adriatischen Meere (Vibius Sequester p. 14 Burs.: Appenninus Italiae usque ad Anconem porrectus). Die älteren römischen Annalen bringen den Namen nie in der Kriegsgeschichte des mittleren oder südlichen Italiens: die Griechen (vielleicht zuerst Polybios) haben ihn über die gesamte Halbinsel ausgedehnt (danach dann die Geographen der Kaiserzeit: Strabon, der II 128 die Gesamtlänge des Gebirges auf 7000 Stadien angiebt und V 211. Ptol. III 1, 44. 45. Mela II 58; vgl. Nissen Ital. L.-K. 218). Zuerst soll der Name vorkommen bei Pisander (Steph.-Byz.), der nächstälteste Gewährsmann ist Polybios, welcher zwischen Seealpen und Appennin keinen Unterschied macht, und letzteren westlich bis Massalia ausdehnt (II 116). Strabon IV 201. 202f. setzt das Ende der Alpen bei Vada Sabatia (Vado), dem Anfang des Appennin bei Genua an, die augustische Provinzeinteilung zieht die Küste bis Lumone (Mentone) zur Provincia Alpium Maritimarum. Die neueren Geographen haben die Einsenkung an den Quellen der Bormida oberhalb Savo (Savona), welche von der Via Iulia Augusta überstiegen wird, als Anfang des Appennins festgehalten, obwohl weder die Richtung des Gebirgszuges noch seine geologische Beschaffenheit an dieser Stelle wechselt. Ebenso gehört der neueren Systematik die Unterscheidung der verschiedenen Gebirgsstrecken und ihre Benennung nach Landschaften an; bei den Alten ist A. stets allgemeiner Name des ganzen Gebirgszuges und nie mit einem determinierenden Adjectiv verbunden. Auch die Einteilung bei Ptolemaios a. a. O. (nach der Richtung des Hauptzuges von den Alpen bis Ancona – bis zum Garganus – bis zum Vorgebirge Leucopetra, Capo dell’ Armi) giebt keine Teilnamen. Die Länge des Gebirgszuges in dieser Begrenzung beträgt ungefähr 1600 km.

Der A. besteht durchweg aus hartem weissgrauem Kalkstein. Die granitische Silagruppe im äussersten Süden ist vom eigentlichen A. zu scheiden, trotzdem der Name fast allgemein auch auf sie ausgedehnt wird. Metallschätze und Marmor finden sich in den westlichen Vorbergen (s. u.), Kohlen fehlen durchaus. Zahlreiche unterirdische Höhlen speichern gewaltige Wassermassen auf, welche die Appeninnenflüsse in der regenlosen Zeit vor dem Versiegen schützen. Für die Vegetation dagegen ist dieses Versinken der Niederschläge weniger günstig (Zusammenstellungen bei Nissen Ital. L.-K. 224. 225). Der Waldbestand ist freilich erst in neuester Zeit arg zerstört worden, bei Plinius wird das Nutzholz vom A., besonders Fichten, Eichen und Steineichen (ilex), als laudatissima genannt (n. h. XVI 197). Der südliche Appennin bot vortreffliche Weiden, besonders für Schafe (Varro r. r. II 1, 16, s. u. Apulia; den caseus Appenninus lobt Plinius n. h. XI 240). In den Wäldern des A. waren Wölfe zahlreich (Horaz Od. I 17, 9. 22, 9. Plin. VIII 80; vgl. die von Nissen Ital. L.-K. 227 angeführten [212] Stellen), sie sind auch heute noch nicht gänzlich ausgerottet, wogegen der Bär (genannt u. a. Hor. O. III 4, 18. Varro l. l. VII 40. Symmach. Ep. X 13. 15) aus dem A. verschwunden ist. Die von Varro r. r. II 1, 5 erwähnten caprae ferae quas latine rotas appellant (zweifelhaft ob Gemsen oder Steinböcke) finden sich gleichfalls nicht mehr. Die abgelegeneren Teile des A. waren, wie bis zu unseren Tagen, so auch in der Kaiserzeit Zufluchtsstätten des Brigantaggio; eine im umbrischen A., bei Furlo-Pass gefundene Inschrift vom J. 246 n. Chr. ist gesetzt von einem evocatus ex coh(orte) VI pr(a)etoria … agens at latrunculum cum militibus n. XX classis pr(aetoriae) Ravennatis; s. Henzen Röm. Mitt. 1887, 14–20.

Im folgenden beschreiben wir kurz den A. nach seinen drei Hauptzügen:

1. Der nördliche A. umfasst die Strecke, auf den der alte keltische Name ursprünglich beschränkt gewesen zu sein scheint. Nissen Ital. L.-K. 219 möchte annehmen, dass in ältester Zeit der Name der Alpen sich bis auf diesen ganzen Abschnitt erstreckt habe, er verweist auf das häufige Vorkommen der Bezeichnung Alpe in den modernen Bergnamen der Hauptkette südlich von Parma, auf die Angabe des Lucan, dass der Rubicon auf den Alpen entspringe (I 219), endlich darauf, dass der Name Alpes Appenninae im früheren Mittelalter, wo Zurückführung auf deutsche Einflüsse noch ausgeschlossen sei, für den ,toskanischen A.‘ vorkomme. Aber von den drei angeführten Stellen hat nur Paul. Diac. hist. Long. II 18 Alpes Appenninae, seine Quelle ist Isidor. etym. XIV 8: Appenninus mons appellatur quasi Alpis Poeninae, welcher wieder Serv. Aen. X 13 ausschreibt. Die Anekdote vom Durchzug des Hannibal und der gewaltsamen Durchbrechung einer Felswand (welche Paulus weglässt, während sie Isidor und Servius haben) zeigt, dass die Notiz sich ursprünglich auf die Alpes Poeninae bezieht, wie auch Thilo bei Servius nach der besseren hsl. Oberlieferung hergestellt hat. – Der nördliche A. wird eingeteilt in den ligurischen, toskanischen und umbrischen A. Der erstere, ca. 160 km. vom Colle dell’ Altare bei Savona bis zum Passe von la Cisa am oberen Ende des Macrathales, umzieht den Meerbusen von Genua in flachem Bogen. Die mittlere Erhebung beträgt 900 m., die höchsten Gipfel erheben sich bis 1800 m., von den Pässen wird der Mons Ioventius (Colle dei Giovi, 469 m.) über den die Via Postumia von Genua nach Dertona führte, genannt. Zum Po fliessen vom ligurischen A.: Olubria (Scrivia), Trebia (Trebbia), Tarus (Taro); die Küstenflüsse Porcobera (Polcevera) und Fertor (Bisagno) bei Genua, Macra (Magra) mit Boactes (Vara) an der etrurischen Grenze sind unbedeutend. – Der toskanische A., 180 km., bis zu den Quellen des Tiber, hat eine mittlere Erhebung von 1000–1600 m. Südwestlich der Hauptkette vorgelagert sind die metallreichen Züge des toskanischen Erzgebirges (bis zum Mons Argentarius) mit den unerschöpflichen Marmorlagern bei Luna (Carrara). Auf der Nordseite dieses Abschnittes entspringen zahlreiche Zuflüsse des Po, deren bedeutendsten Secia (Secchia), Scultenna (Panaro) und Renus (Reno) mit Iden (Idice), Silarus (Sillaro), Vatrenus (Santerno), [213] Sinnius (Senio) sind. Auch die jetzt direct in die Hadria mündenden Anemo (Lamone), Utis (Montones, Bedesis (Ronco), fielen im Altertum in den Po, dagegen waren Sapis (Savio) und Rubico stets selbständig. Durch Etrurien fliesst von der Hauptkette des A. der Arnus (Arno) mit Auser (Serchio): die Wasser aus den Vorbergen führen u. a. Caecina (Cecina), Umbro (Ombrone) und Albinia (Albegna) ins tyrrhenische Meer. Der umbrische A. reicht in einer Länge von ca. 70 km. und mit Gipfelhöhen bis zu 1500 m. bis zum Passe von Scheggia bei Cales (Cagli), welchen die Via Flaminia überschreitet. Am Passe lag ein hoch verehrtes Heiligtum des Iuppiter A. (s. Nr. 2) mit Orakel (sortes Appenninae: Hist. Aug. Claud. 10; Firm. 3). Dem umbrischen A. vorgelagert ist der promontorium Cunerum (Monte Conero) bei Ancona, eine landfest gewordene Insel des pliocaenen Meeres. Von Flüssen gehen der Tiberis mit Clasius (Chiascio) zum tyrrhenischen, der Ariminus (Marechia), Pisaurus (Foglia), Metaurus (Metauro), Aesis (Esino) zum adriatischen Meere.

2. Der Central-A. hat, wie die höchste Erhebung (Fiscellus, Gran Sasso d’Italia 2920 m.) so auch die breiteste Ausdehnung. Drei grosse Hauptketten schliessen bedeutende Hochthäler, das Bassin des Lacus Fucinus, das Thal von Amiternum (Aquila) und das Thal von Sulmo (Solmona) ein. Zahlreiche kleine Flüsse gehen vom Ostabhang nach dem adriatischen Meere: Fluor (Fiastra), Tinna (Tenna), Truentus (Tronto), Helvinus (Tordino), Vomanus (Vomano), Matrinus (Piomba), Salinus (Fina); bedeutender ist nur der Aternus (Pescara). Die nach der Westseite hin strömenden Flüsse Clitumnus (Clitunno), Nar (Nera), Anio (Teverone) gehören dem Stromgebiet der Tiber an. Die Hauptketten des A. vereinigen sich wieder südlich vom Fuciner See beim Piano di Cinque Miglia. Auch die westliche Kette steigt in der Rupes Tetrica (Montagna della Sybilla) bis nahezu 2500 m. auf. Vorgelagert sind nach Westen die Sabiner-, Herniker- und Volskerberge (Monti Lepini).

3. Der Süd.-A. Südlich vom Sangrus (Sangro) verändert sich der Charakter des Gebirges. An Stelle der parallelen Nordwest — Südost streichend Ketten treten niedrige Querzüge, die dem Samniterlande sein Gepräge geben. Von Gipfeln werden der Tifernus mons (M. Matese 2057 m.), der M. Taburnus bei Benevent (M. Taburno 1393 m.) mit Namen genannt, ferner seines Dianenheiligtums wegen der unbedeutende M. Tifata bei Capua (202 m.). Unter den Flüssen sind nach Westen Liris (Garigiano) mit Trerus (Sacco) Volturnus (Volturno), Sabatus (Sebeto), Sarnus (Sarno), nach Osten Trinius (Trigno), Tifernus (Biferno), Frento (Fortore) zu nennen. — Südlich vom 41. Breitegrad beginnt sodann der lucanische A., dessen in westöstlicher Richtung gelagertem Hauptzuge beiderseitig isolierte Vulkane vorgelagert sind, in Campanien der Vesuv, auf der Grenze von Apulien der Vultur. Daran schliesst sich ein zweiter fast nordsüdlicher Hauptzug, der im Monte Pollino (2270 m.) seinen Abschluss findet. Die auf älteren und sogar modernen Karten noch manchmal gezeichnete Gabelung, welche etwa vom Vultur an die apulisch-calabrische Halbinsel [214] durchziehen soll, existiert in Wahrheit ebenso wenig wie eine verbindende Kette zwischen Central-A. und Garganus. Vom lucanischen A. gehen östlich die Küstenflüsse Cerbalus (Cervaro), Aufidus (Ofanto); in den tarentinischen Meerbusen Bradanus (Bradano), Casuentus (Basiento), Acalander (Salandrella), Aciris (Agri), Siris (Sinno); nach Westen Silarus (Sele) mit Tanager (Negro) und Calor (Calore), Hales (Alento), Pyxus (Busento), Laus (Lao). Südlich vom Monte Pollino erstreckt sich die Ebene von Sybaris, fast von Meer zu Meer, vom Busen von Tarent zum mare inferum. Sie scheidet das appenninische Kalkgebirge von den Granitbildungen des Bruttierlandes. Letztere zerfallen in einen nördlichen Zug bis etwa zum 39° n. Br. (Gipfelhöhen bis 1550 m.) und die bedeutendere, bis 1974 m. ansteigende Gruppe des Sila (Aspromonte, s. d.), welche im promuntoritun Leucopetra (Capo dell’ Armi) die südlichste Spitze der italischen Halbinsel bildet. Die bruttischen Flüsse, nach Osten Crathis (Crati) mit Sybaris (Coscile), Trais (Trionto), Neaethus (Neto), Tagines (Tacina), Arogas (Crocchio), Semirus (Simeri), Crotalus (Alli), Carcines (Corace); nach Westen Sabatus (Savuto), Lametus (Lamato), Medma (Mesima), Metaurus (Marro) sind durchweg unbedeutend.

Aus der antiken Litteratur sind Hauptstellen über den A.: Polyb. II 16. III 110. Strab. II 128. V 211. Lucan. II 396–438. Von Neueren vgl. Kiepert Alte Geogr. § 329f. Nissen Ital. L.-K. 215–247.

Nachträge und Berichtigungen

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Band S III (1918) S. 135 (EL)
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S. 210, 4 zum Art, Appenninus:

Ist deswegen mit doppel-p zu schreiben, weil es wohl aus ad + penn – inus entstanden ist. Über kelt. ad vgl. Holder s. v. Das Wort ist wohl nicht unmittelbar aus pennos ,Kopf‘ gebildet, sondern von einem Ort Penna aus. Vielleicht ist damit das Penna della Verna gemeint, am jungen Arnus (nach Stokes ein keltisches Wort), das das Volk kurzweg l’Apennino nennt und Dante (Parad. 11, 106: Nel cendo saso utra Tevere ed Arno) besingt.

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Band R (1980) S. 36
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Appenninus

[1]) Ital. Gebirge. S III (135,15 lies: ›S. 211‹).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 03824