Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Wind von Sonnenaufgang
Band I,2 (1894) S. 2682 (IA)–2685 (IA)
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2) Ἀπηλιώτης, der Wind von Sonnenaufgang, mit subsolanus von den Römern übersetzt, nur bei Vitruv und in zwei inschriftlichen Windrosen (Kaibel Herm. XX 623) solanus (desolinus inschriftlich ebd. 624). Wo das griechische Wort bei den Römern beibehalten wird, hat es, wie scheint, gewöhnlich die correct attische Form ἀφηλιώτης (so auch in der ersten angeführten griechisch-lateinischen Windrose), während die Griechen selbst wohl durchweg die ionische Form gebraucht haben, s. Sillig z. Plin. II 119. Ideler in Arist. meteor. I 574. G. Meyer Gr. Gramm. § 343. A. bezeichnet zunächst nur einen östlichen Wind, ist aber fast stets auf den eigentlichen Ostwind bezogen worden und hat den alten Euros (wie Aparktias den Boreas) zum Teil auf die Seite, nach Südost gedrängt. So wohl schon bei Herodot IV 99, wo beide Winde zur Bezeichnung von Himmelsrichtungen gebraucht werden (A. sonst IV 22. 152. VII 188). Deutlich ist die Scheidung in der Windrose des Aristoteles meteor. II 6, 6 (363 b 13). Hier ist A. der Diametralwind des Zephyros und kommt vom Aequinoctialaufgange, also dem Ostpunkt, dagegen Euros von der Wintersonnenwende, vgl. 364 a 16. In dieser Stellung sind beide Winde in die meisten Systeme der alexandrinisch-römischen Zeit übergegangen, s. u. Windrose. So durchweg in die zwölfteiligen (bei Ampel. 4 steht fälschlich africus statt A.; vgl. auch die Tafel im Almagest. I 450 Halma). Denn hier, wo zwischen Ost und Süd zwei Winde ihren Platz haben, war A. für den centralen [2683] Ostwind nötig. In einer vierstrichigen Rose konnte natürlich der Euros seine alte Stellung behalten. Aber auch hier wird statt dessen A. genannt in der als stoisch bezeichneten Ordnung, Diels Doxogr. 375, 2; vgl. Achill. isag. 158 C. Vitruv. I 6, 4 (solanus). Schon Catull 26 nennt unter den vier Winden den A. Von achtteiligen Rosen hat nur die von Favorin-Gellius (II 22) und Galen XVI 406 (Kaibel a. a. O. 588ff.), vielleicht auch von Ampelius 5 überlieferte statt des A. den Euros (zwischen ihm und dem Notos liegt dann als einziger Zwischenwind der Euronotos). Gellius allerdings will durch seinen Zusatz (§ 8) diese Angabe mit der sonstigen Ansicht vereinigen und Euros mit ,A., den die römischen Seeleute subsolanus nennen‘ identificieren. Sonst s. Euros. Hier erscheint das lateinische Wort also als technischer Ausdruck des italischen Seemannes. Aber im gewöhnlichen Leben wird besonders in Griechenland Euros neben A. sehr im Gebrauch geblieben sein. Auf solches Schwanken weist Aristoteles 364 b 18 εὖρος δν ἀπηλιώτην. Und in dem ps.-aristotelischen Fragment ἀνέμων θέσεις (973 a) wird zu Euros bemerkt, dass manche ihn καὶ ἀπηλιώτην νομίζουσιν εἶναι. Für Griechenland erklärt sich dies wohl zum Teil aus der Seltenheit des reinen Ostwindes, Neumann-Partsch Phys. Geogr. v. Griechenl. 118 (auch in den Kalendarien begegnet A. selten). So konnten ,einige‘ bei Strabon I 29 die reinen Ost- und Westwinde ganz weglassen und, der verbreiteten Teilung aller Winde in Nord- und Südwinde entsprechend, Euros und A. als Seitenwinde dieser beiden fassen, aber befremdlicher Weise Euros als Nordost, A. als Südost. Und so beziehen sich die mancherlei Localnamen für A. (in ἀνέμων θέσεις), soweit sich dies feststellen lässt, nur allgemein auf östliche Winde, s. u. Die ausführlichste Schilderung des A. ist seine Darstellung auf dem Turm der Winde, Baumeister Denkm. III 2115. Da ist er ein geflügelter bartloser Jüngling mit wehenden Locken, entblösster rechter Brust und blossen Armen, der in dem tief herabhängenden Bausch seines Gewandes Kornähren, Weintrauben und andere Früchte in reicher Fülle fliegend heranbringt. Wenn er dadurch als ein für die Entwicklung der Pflanzenwelt segensreicher Wind bezeichnet werden soll (allerdings gerade für Athen wenig passend, s. u.), so lässt sich das mit dem wenigen, was litterarisch über seinen Charakter überliefert wird, vereinigen. Nach Aristoteles a. a. O. sind die ἀπηλιωτικὰ πνεύματα wärmer als die westlichen, weil sie länger unter der Sonne (daher subsolanus) sind. Und als Regenwind, und zwar ein Bringer milden Regens, wird A. von den Griechen und auch den Römern bezeichnet, Aristot. meteor. 364 b 18 ; probl. 26, 27. [Theophr.] sign. temp. 35 (57). Plin. II 126. XVIII 337. Suet.-Isid. n. rer. 37, 2. Dass das nicht für jede Gegend galt, ist selbstverständlich. Aber für die westlichen Gestade, etwa des aegaeischen Meeres, des adriatischen (Nissen It. Landesk. I 388), und hier besonders für das Poland, auf das Plinius Bemerkungen sich beziehen werden (Nissen 381), mag es im allgemeinen zutreffen, s. u. Nur dürfen wir nicht blos an einen genau östlichen Wind denken. Aristot. probl. 26, 56 nennt als Regenwind für Attika den offenbar nordöstlichen [2684] Hellespontias (s. d.), und der reine Ostwind ist in Athen äusserst selten, er wird wegen des vorliegenden Hymettos nur an etwa fünf Tagen jährlich beobachtet, Partsch a. a. O. Über die Zeit des hauptsächlichen Auftretens des A. können wir bei den verwickelten Verhältnissen der Luftströmungen im Mittelmeer auch nur mangelhafte Auskunft erwarten. Aber die Alten haben zunächst eine tägliche Periode des Windes, abhängig vom Laufe der Sonne, hervorgehoben (s. Winde), so dass der A. geradezu als Morgenwind aufgefasst wird (τὸ δ` ἀπὸ τοῦ ἡλίου πνεῦμα ἀνατέλλοντος ἐντεῦθεν ἀ. καλεῖται Arist. probl. 26, 33, s. ebd. 32. Ideler Meteor. vet. 57), der Zephyr als Abendwind, eine Annahme, über die auch die heutige Wissenschaft noch nicht zur Klarheit gekommen zu sein scheint. Besonders musste sich dieser Gegensatz zwischen Ost- und Westwind an den östlichen Ufern des Meeres in dem Wechsel zwischen dem noch früh wehenden Landwinde und der nachmittags (τῆς δείλης) am stärksten wehenden Seebrise zeigen. Hier auch ein jährlicher Gegensatz (s. Apogei), so dass im Winter östliche Winde vorwiegen mussten. So ist es in Smyrna (Partsch 103), ähnlich am adriatischen Meere (Supan Statist. d. unt. Luftström. [Lpg. 1881] 107f.) an der tyrrhenischen Küste (Nissen 382). Auch weist Aristoteles met. 364 b 3 (für welche Gegend?) den Ostwind (den Gegenwind des Zephyr, Euros nennt er ihn hier) der Zeit um die Wintersonnenwende zu. Aber an der Ostküste Griechenlands, an der adriatischen Küste Italiens muss das Verhältnis etwa umgekehrt sein. Und so stimmt es ziemlich mit den modernen Beobachtungen überein (s. die Tabellen bei Nissen und Supan), wenn Plinius n. h. II 122 für seine Heimat, das Poland, als Gegenwind des den Frühling bringenden Westwindes den subsolanus nennt, der selbst wieder durch den Südwind abgelöst wird, ihn also etwa in den Anfang des Sommers setzt. Sicher passt diese Ansetzung nicht für Rom, so wenig wie die Bezeichnung des A. als leniter pluvius (XVIII 337, s. o.). Schliesslich ist noch hinzuweisen auf einen in der Jahreszeit der Schiffahrt länger anhaltenden A. in dem grossen südlichen Becken des Mittelmeeres, der nach Herodot IV 152 samische Schiffer auf dem Wege nach Ägypten westwärts verschlägt, sogar bis zu den Säulen des Herakles, vgl. Eur. Cycl. 19 (Plut. Dio 25?).

Die in dem Fragment ἀνέμων θέσεις aufgezählten Localnamen des A. sind ausser Ἑλλησποντίας: Βερεκυντίας, Μαρσεύς, Συριάνδος (?), Ποταμεύς, Καταπορθμίας, Καικίας, s. unter den Worten, ausserdem vgl. Euros, Windrose, Winde.

In besonderer Anwendung bezeichnet A. bei Ptolemaios Almag. VIII 4 Bd. II p. 100ff. Halma die Stellung eines Fixsternes am östlichen Horizont (sowie Λίψ die am westlichen) gleichzeitig mit dem Aufgange, der oberen oder unteren Culmination, und dem Untergange der Sonne, also seine ἐπιτολή, und zwar den Frühaufgang (πρωινὸς ἀ.), Mittag- oder Mitternachtaufgang μεσημβρινὸς ἀ. ἡμερινὸς και μὴ φαινόμενος und μεσημβρινὸς ἀ. νυκτερινὸς καὶ φαινόμενος), Spätaufgang (ὀψινὸς ἀ.). Von dem Früh- und Spätaufgange werden hier entgegen der sonstiges Zweiteilung drei Arten unterschieden, wie scheint [2685] ohne eine praktische Bedeutung. Ausser dem wahren (kosmischen) gleichzeitig mit der Sonne erfolgenden und dem scheinbaren, d. h. in der Morgendämmerung eben sichtbaren, also vor Sonnenaufgang eintretenden (helischen) Frühaufgange (ἑώα συνανατολὴ ἀληθινή und ἑώα προανατολὴ φαινομένη) und dem wahren und eben sichtbaren Spät- (akronychischen) Aufgange (ἑστερία συνανατολὴ ἀληθινή und ἑστερία ἐπανατολὴ φαινομένη) wird noch ein nicht sichtbarer (auch die wahre συνανατολὴ ist nicht sichtbar) Früh- und Spätaufgang (ἑώα ἐπανατολὴ μὴ φαινομένη und ἑσπερία προανατολὴ μὴ φαινομένη) angesetzt, wenn der Stern in der Morgen- oder Abenddämmerung gerade noch nicht sichtbar ist; s. noch Delambre Hist. de l’astr. anc. II 303. Sonst s. Fixsterne.