Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
die Versammlung, Streit, Wettkampf, die beste Lösung einer bestimmten Aufgabe
Band I,1 (1893) S. 836 (IA)–867 (IA)
Agon (Wettstreit) in der Wikipedia
Agon in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register I,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|I,1|836|867|Agones 2|[[REAutor]]|RE:Agones 2}}        

Agones (ἀγῶνες).

Griechen

Das Wort ἀγών, das in der Ilias und Odyssee die Versammlung (insbesondere die Festversammlung) und den Kampfplatz (so wohl auch Od. VIII 260) bezeichnet, hat später (Hymn. Hom. I 150. VI 19 ist diese Bedeutung noch zweifelhaft) fast durchaus die Bedeutung Streit, Wettkampf. Ob hier ein ähnlicher Bedeutungswandel, wie bei χορός vorliegt, oder das Wort seit alters auch zur Bezeichnung des Kampfes verwandt wurde – auch skr. âji bezeichnet Wettlauf, Wettkampf (Curtius Grdz.⁵ 170) – mag dahingestellt bleiben; vgl E. Curtius Attische Studien 39. Man spricht von ἀγῶνες δικαστήριοι, πολιτικοί, πολεμικοί (vgl. Isokr. IV 45: ἔτι δὲ ἀγῶνας ἰδεῖν μὴ μόνον τάχους καὶ ῥώμης ἀλλὰ καὶ λόγων καὶ γνώμης καὶ τῶν ἄλλων ἔργων ἁπάντων); in erster Linie aber ist ἀγών der friedliche Streit, der Wettbewerb um einen der besten Leistung bestimmten Preis.

Arten der ἀγῶνες. Ἀγών ist sowohl der Wettstreit jener, welche die beste Lösung einer festbestimmten Aufgabe versuchen, als auch der Wettbewerb jener, welche auf dem gleichen Gebiete menschlicher Bethätigung ihre Leistungen mit denen anderer zu messen wünschen. Ein Agon entspinnt sich um den Preis, der für die beste Leichenrede, das passendste Grabepigramm (vgl. Vita Aesch. p. 380 Kirchh. Benndorf Cultbild der Athena Nike 35), den würdigsten Götterhymnus (Macrob. V 22), das beste Gelegenheitsgedicht (Athen. XV 697 a) ausgesetzt ist. Ein Agon ist auch die Concurrenz, die für die beste Lösung einer Aufgabe der bildenden Kunst ausgeschrieben wird; τἀκροτήρια ποιῶν ἐνίκα heisst es auf der Basis des Paionios (Loewy Inschr. gr. Bildh. 49), und dass ein ähnlicher Vorgang öfters beobachtet worden, bezeugt eine Reihe bekannter Künstleranekdoten, wie die von [837] der ephesischen Concurrenz für Amazonenstatuen (Plin. XXXIV 53) und die vom Wettstreit des Parrhasios und Timanthes (Plin. XXXV 72. Overbeck Schriftquellen 1699f). A. anderer Art sind die Kunstausstellungen, bei denen nach uns geläufiger Sitte das beste Werk ausgezeichnet wird (Plin. XXXV 58. Klein Arch. epigr. Mitt. XII 99f). Wie dem schönsten Kunstwerk, kann auch dem schönsten Menschen ein Preis ausgesetzt werden; καλλιστεῖα der Frauen sind für Lesbos und Tenedos, der Männer in Elis und Arkadien bezeugt (Krause Gymnastik 35f. Engel Kypros II 178f. Tümpel Philol. L 566f.); verwandt sind die weitverbreiteten A. der εὐανδρία (s. d.).

In erster Linie bezieht sich der Agon auf menschliche Fertigkeiten; jeder Art von Thätigkeit dient er zum Ansporn. Den Schulknaben werden Preise für die besten Lernerfolge in den verschiedenartigsten Schulgegenständen, wie ἀνάγνωσις, καλλιγραφία, μελογραφία, ῥυθμογραφία, ζωγραφία, πολυμαθία ausgesetzt, ebenso für εὐεξία und εὐταξία (CIG 3088, vgl. 3059f. 2214, vgl. 2221). In den höchsten wie den banalsten Dingen hat die Agonistik gleicherweise ihren Platz. Wie der Soldat, der im Kampfe den ersten Erfolg erringt oder die tapferste That vollbringt, wie der Bürgerausschuss, der während seiner Amtswochen am besten seiner Aufgabe gerecht geworden ist (Köhler Ath. Mitt. IV 102. X 111), so erhält auch unter den Gauklern (κυβιστῆρες, θαυματοστοιοί, ὀρχησταί) derjenige, der die Zuschauer am besten zu vergnügen versteht, einen Preis (CIA IV 2 273. Bull. hell. V 109f. IX 149; vgl. II. XVIII 605. Plat. Leg. II 658 C); ja auch die kampflustigen Hähne lässt man in regelrechtem A. ihre Kräfte messen (s. Hahnenkampf; über Wachtelkämpfe vgl. Boeckh Explic. Pindari S. 210). A. in Weisheitssprüchen sind ein beliebtes Thema späterer Moralisten, selbst von einem A. der Propheten Kalchas und Mopsos berichtet die Sage. Rätsel- und Redewettkämpfe in Schimpf und Ernst sind seit alters in Griechenland volkstümlich (Zielinski Philol. XLVII 25ff.). Bei gesellschaftlichen Zusammenkünften wetteifert man in Tischgesängen (Philoch. FHG I 393), im Rätsellösen, im Bekämpfen des Schlafes (ἀγρυπνία; Schol. Pind. Ol. IX 1. Athen. XIV 647c); der ἀ. πολυφαγίας bleibt dem Herakles (Paus. V 5, 4. Aelian V. H. II 41) und den Barbaren (Plut. Qu. conv. I 6, 12) überlassen; um so beliebter sind an den Symposien die ἀγῶνες οἰνοποσίας (πολυ-, ἀκρατοποσίας), die einen stehenden Brauch des Choenfestes bilden (Fröhner Philol. Supplem. V 3. Deneken de theoxeniis 40). Und wenn in Megara sogar ein A. im Küssen stattgefunden haben soll (Theokr. XII 72ff. und Schol.), so wetteifern die spartanischen Knaben im lautlosen Ertragen körperlicher Schmerzen (s. Βωμονίκης). Ist es so fast unmöglich alle Arten von gelegentlich geübten A. aufzuzählen, so verdienen darunter jene eine besondere Betrachtung, welche mit der gymnastischen, militärischen und musischen Volkserziehung in Zusammenhang stehen, also auch für das politische und nationale Leben von unmittelbarer Wichtigkeit sind. Die alten Autoren pflegen diese A. in ἀ. γυμνικοί, ἱππικοί, μουσικοί zu scheiden, eine [838] Dreiteilung, die zwar nicht logisch scharf ist, indem nicht alle einbezogenen Kampfarten darin eine vollkommen geeignete Stelle finden, die es sich aber empfiehlt zu übersichtlicher Anordnung auch heute beizubehalten (anders, aber dem Wesen nach gleichbedeutend, werden [Lys.] Epitaph. 80 unterschieden ἀ. ῥώμης καὶ σοφίας καὶ πλούτου).

Die ἀγῶνες γυμνικοί, die ihren Namen von der Nacktheit der Kämpfer entlehnen, umfassen in weiterem Sinne alle Wettkämpfe, bei denen körperliche Tüchtigkeit zur Schau gestellt wird; man pflegt A., in denen die Kraft, und solche, in denen die Gewandtheit des Körpers den Ausschlag giebt (Plat. Leg. VIII 832 e) oder ἀγωνίσματα βαρέα und κοῦφα (Krause Gymnastik 257) zu unterscheiden. Die wichtigsten Arten der γυμνικοί ἀ. im engeren Sinn sind a) der Lauf (δρόμος), der als Schnell- oder als Dauerlauf (στάδιον, δίαυλος, ἵππιος, δόλιχος) entweder in völliger Nacktheit oder mit Schutzwaffen (ὁπλίτης δρόμος, vgl. προσδρομὴ πεζῶν, Miller Mém. de l’acad. d. inscr. XXVII 2, 47) ausgeführt wird; eine besondere Abart ist der Lauf mit brennenden Fackeln in Händen (λαμπάς, μακρὸς δρόμος); b) der Sprung (ἅλμα), der aber ebenso wie c) und d) an den grossen A. nicht als Einzelkampf ausgeführt wird; c) das Speerschleudern (ἀκόντιον); d) das Werfen der Wurfscheibe (δίσκος); e) das Ringen (πάλη); f) der Faustkampf (πυγμή); g) der Fünfkampf. (πένταθλον), eine systematische Verbindung der Übungen a–e; h) der Gesamtkampf (παγκράτιον), eine Verknüpfung von Faustkampf und Ringen. Zu den Wettkämpfen körperlicher Gewandtheit gehören auch noch die A. der Ruderer (νεῶν ἅμιλλα); ferner die Wettkämpfe in Waffenkünsten, insbesondere der Zweikampf mit schweren Waffen, ὁπλομαχία (Il. XXIII 811; vgl. Krause 612. P. J. Meier Rh. Mus. XXXVII 349) und der A. im Bogenschiessen, τόξον (Il. XXIII 850ff.); beide Kampfarten finden in historischer Zeit nur ausnahmsweise (z. B. in Larisa, Miller a. a. O.) bei den öffentlichen A. der Männer eine Stelle (über Gladiatoren s. d.), sie werden aber in den Ephebenschulen fleissig geübt, wo sie ebenso wie die Schaustellungen im Gebrauch von Schwert, Schild, Lanze und Wurfmaschinen (θυρεαμαχία, καταπαλτάφεσις) agonistisch geordnet sind; vgl. CIA II 444ff. (Athen). Dittenberger Syll. 246, 80 (Sestos). 348 (Keos). 396f. (Samos, daselbst auch ein ἀ. λιθοβολίας). Zu den körperlichen A. können auch noch die agonistischen Stierkämpfe der Spätzeit (CIA III 114. Bull. hell. X 443. Liermann 30; s. Ταυροθηρία), der ἀ. περὶ ἀλκῆς (athen. Ephebeninschriften der Kaiserzeit CIA III 52. 1119ff.), endlich auch noch die A. der εὐανδρία (s. d.) und εὐεξία (Dittenberger Syll. 246, 84. 396f.) – verschieden davon ist der A. der εὐταξία (s. d.) – gerechnet werden. Nach antiker Auffassung sind auch die A. der Herolde (κῆρυξ) und Trompetenbläser (σαλπιστής) A. körperlicher Tüchtigkeit, da es dabei lediglich auf die Stärke der Stimm- und Athmungsorgane ankommt.

Die ἀγῶνες ἱππικοί im engeren Sinne sind die Wettkämpfe in der Schnelligkeit und Schulung der Pferde (ἱπποδρομία) und der Geschicklichkeit ihrer Lenker im Wettreiten (ἱππηλασία) sowohl [839] als im Wagenfahren (ἁρματηλασία); wenn auch in späterer Zeit nur selten der Besitzer selbst (IGA 79), in der Regel ein angeworbener Lenker die Pferde leitet, so fallen doch, wie heutzutage, die Preise den Besitzern der Pferde zu, so dass diese A. genau genommen A. der ἱπποτροφία sind. Es werden beim Wettreiten (κέλης) später besondere Rennen für junge (πῶλοι) und für ausgewachsene Pferde (ἁδηφάγοι, τέλειοι) abgehalten; eine besondere Abart ist der d. ἀ. κάλπης (s. d.). Bei dem Wettfahren werden Viergespanne (τέθριππον oder ἅρμα schlechtweg) und Zweigespanne (συνωρίς) von Fohlen und von ausgewachsenen Pferden geschieden, auch werden zeitweise A. für Maultiergespanne abgehalten (ἀπήνη). Es kann ferner auch das Reiten in Ausrüstung (κέλης πολεμιστήριος) und das Fahren der ζεύγη πομπικά und πολεμιστήρια den Gegenstand eines A. bilden; ein militärischer A. des Reitercorps ist die ἀνθιππασία (s. d.).

Zu den hippischen A. im weiteren Sinne – A., bei denen Pferde eine Rolle spielen – sind noch zu zählen der A. der ἀκοντίζοντες ἀφ’ ἵππου – eigentlich eine Abart des Speerwurfes (s. ἀκόντιον – der ἀφιπποτοξόται (s. d.), der Wettreiter mit Fackeln (s. ἀφιππολαμπάς, vgl. Plat. Rep. I 328. Bull. hell. X 438. Fröhner Philol. Supplem. V 23), der ἡνίοχοι ἐγβιβάζοντες, ἀποβάται (s. d.) und ἀναβάται (s. d.), eigentlich eine Lauf- und Sprungübung (vgl. ἀφιπποδρόμος.

Die ἀγῶνες μουσικοί sind Wettkämpfe in künstlerischen Leistungen auf dem Gebiete der Musik, Poesie und Orchestik; es treten hier sowohl schaffende Künstler (Wort-, Ton-, Tanzdichter), als darstellende (Recitatoren, Schauspieler, Sänger, ausübende Musiker, Tänzer) in den Wettbewerb ein; bei einzelnen Kampfarten sind auch die für die äussere Ausstattung verantwortlichen Personen (Choregen, διδάσκαλοι) unmittelbar am A. beteiligt (A. in Freigebigkeit und Geschmack). Schöpfung, Darstellung, Ausstattung sind vielfach so enge verbunden, dass wir nicht in der Lage sind festzustellen, auf welches Moment der künstlerischen Leistung das Hauptgewicht des Wettkampfes fällt; wir können aber die musischen A. nach den Kunstgebieten, auf welchen sich die einzelnen Kampfarten vorzugsweise bewegen, in einige Hauptgruppen scheiden. I) A. in recitierender (epischer) Dichtkunst, im Vortrag alter und neugefertigter epischer Dichtungen (ῥάψῳδοί, ποιηταὶ ἐπῶν), im Lobgedicht (ἐγκώμιον, auch gesungen?) auf den Festgott (vgl. Ἐφημ. ἀρχ. 1869, 347 nr. 412), den Herrscher (vgl. CIG 1585), den Festort und dergleichen; vereinzelt sind A. von Paroden (Athen. XV 698), βιολόγοι (Le Bas-Waddington 1652 b), im Epigramm (Miller Mém. de l’acad. d. inscr. XXVII 2 S. 43f. Vit. Aeschyli p. 380 Kirchh.). Hieher gehören auch A. in Prosavorträgen, insbesondere im ἐγκώμιον καταλογάδην (Inschr. der Kaiserzeit; (vgl. CIG 1565. 2758: ἐγκώμιογράφος; über die Leichenreden für Maussolos Welcker Gr. Trag. III 1079ff.; ein σοφιστής in einem A. des 4. Jhdts. Ἐφημ. ἀρχ. 1884, 128 nr. 5; καταλογὴ νέα und παλαιά in A. von Larisa, Bull. hell. X 438). II) Musikalisch-poetische A. (bei denen in späterer Zeit die musikalische Leistung in erster Linie steht): Gesangsvortrag lyrischer Dichtungen, ὕμνοι, [840] νόμοι, διθύραμβοι, ἐπινίκια (auch blos gesprochen?), προσόδια und dergleichen unter Begleitung von Kithara oder Flöte, entweder durch Gruppen (χοροί) oder durch Einzelne (s. κιθαρῳδοί, αὐλῳδοί). III) A. der Instrumentalmusik: A. der Flötenspieler (αὐληταί) und Kitharisspieler (κιθαρισταί), die entweder allein (πυθαῦλαι, ψιλοκιθαρισταί, ψάλται; vgl. Athen. XII 538 e. Bull. hell. VII 104) oder mit Begleitung eines Singchores, μετὰ χοροῦ (als κύκλιοι αὐληταί, χοραῦλαι und χοροκιθαρεῖς) auftreten konnten. IV) A. der Orchestik: A. von Tänzergruppen, insbesondere von Waffentänzern (πυῤῥιχισταί), und von Einzeltänzern (Pantomimen in späterer Zeit); vgl. Poll. IV 102. CIA IV 429 a. Bull. hell. IX 147. V) Dramatische A. (σκηνικοὶ ἀ.), in denen Poesie, Musik, Orchestik und Ausstattungskunst sich zu einheitlichen Leistungen vereinen. Ihrer verschiedenen äusseren Einrichtung halber werden sie häufig als besondere Gruppe von den übrigen musischen A., welche dann mitunter als ἀ. θυμελικοί zusammengefasst werden (s. Thymele), geschieden. In den dramatischen A. sind der Dichter, als der eigentliche Unternehmer des Wettkampfs, und der Chorege, als dessen Geldgeber und Gehülfe, gemeinsame Wettbewerber, während Chor und Schauspieler als blosse Werkzeuge in den Händen jener erscheinen. Doch steigen die Schauspieler der ersten Rollen (πρωταγωνισταί, s. d.) schon in sophokleischer Zeit zum Range selbständiger Agonisten empor, deren Leistungen unabhängig von dem dichterischen Wert der Stücke beurteilt und mit einem besonderen Siegespreis bedacht werden. Die dramatischen A. der Dichter und Schauspieler zerfallen nach der Kunstgattung in ἀ. τραγῳδῶν und ἀ. κωμῳδῶν; dazu treten in jüngerer Zeit A. im Satyrspiel (σατύρων ποιηταί, σάτυροι, vgl. CIG 2758).

Endlich ist noch der A. διὰ πάντων (Kratinos 157 Kock. Plat. Rep. IX 580 b) zu nennen, der in den Listen musischer Sieger aus der Kaiserzeit an letzter Stelle genannt wird (CIG 1585f. 1719f. Bull. hell. IX 126. V 55. (Kaibel IGI 1111. CIL VI 2, 10117. X 3716); es ist damit keine besondere Kampfart gemeint, sondern ein Abwägen der sämtlichen siegreichen Leistungen (vgl. CIL VI 2, 10114 coronatus adversus omnes scaenicos artifices), nach der Meinung anderer ein Urteil über die Leistungen Einzelner auf verschiedenartigen Gebieten; vgl. Grasberger Erziehung III 15. Mie 58f. Liermann 176.

Anlass der Wettkämpfe. Der vornehme Ehrgeiz, die Leistungen der andern durch die eigenen zu überbieten, αἰὲν ἀριστεύειν καὶ ὑπείροχον ἒμμεναι ἄλλων (Il. VI 208), die unbefangene Sicherheit im öffentlichen Auftreten, das unverhohlene Bedürfnis, sich zu zeigen und in weiterem Kreis unmittelbaren Beifall und laute Anerkennung zu finden, das leidenschaftliche Vergnügen an dem Auf- und Abwogen jeder Art von Streit sind wesentliche Züge des griechischen Nationalcharakters; sie mussten frühe dahin führen, dass bei den Versammlungen der Gemeinde Einzelne auftraten, um ihre Kräfte zu messen (Od. VIII 100ff.), und dass dieser Brauch, getragen von dem lebhaften Interesse der Zuschauer, allmählich feste Formen gewann. Die Männer einer ritterlichen Zeit kennen keinen würdigeren Zeitvertreib, [841] als derartiges Kampfspiel, und sie können ihren Toten kein erfreulicheres Schauspiel bieten, als einen glanzvoll ausgestatteten Agon. Mit der Leichenfeier vornehmer Toten sind alle grossen A. verknüpft, von denen die epische Überlieferung erzahlt (Il. XXIII 261ff. 274. Od. XXIV 87f. Welcker Ep. Cyclus II 319. 350f. 393. 502. Krause Gymnastik 9), so dass auch die Altertumsforscher späterer Zeit gerade für die angesehensten Festspiele der historischen Epoche gleichen Anlass voraussetzen zu müssen glauben (Rohde Psyche 141). In der That hat sich die Sitte, zu Ehren der Toten A. zu veranstalten, durch alle Zeiten erhalten. Die Pythia selbst befiehlt den Caeretanern, die 537 v. Chr. erschlagenen Phokaeer nicht nur mit Opfern, sondern auch mit gymnischen und hippischen A. zu ehren (Herod. I 167); Leichenspiele sind späterhin in Etrurien nach dem Ausweis der Grabgemälde (Müller-Deecke Die Etrusker II 220ff. 270ff.) allgemein üblich und sind von hier auch zu den Römern übergegangen (s. Ludi, Munera). Selbst Platon (Leg. XII 947E) will verdienten Männern zum Gedächtnis A. abhalten lassen, wie solche ἀ. ἐπιτάφιοι in Athen für die im Kriege Gefallenen (Aristot. Ἀθην. πολ. 58. Plat. Menex. 249 B. [Lysias] Epitaph. 80. Philostr. V. Soph. II 30. Martin Rev. phil. X 17f.), in Sparta für Leonidas, Pausanias und die übrigen Heroen (Paus. III 14, 1. CIG 1417) stattzufinden pflegten, und auch bei den Leichenfeierlichkeiten eines Stesagoras (Herod. VI 38), Brasidas (Thukyd. V 11), Euagoras (Isokr. IX 1), Timoleon (Diod. XVI 90), Hephaistion (Arrian VII 14, 10), Kalanos (Aelian v. h. II 41. Chares b. Athen. X 437a), Philopoimen (Dittenberger Syll. 210) u. a. teils einmalig, teils in periodischer Wiederkehr veranstaltet werden (noch in spätrömischer Zeit in Thessalonike CIG 1969).

Noch reicheren Anlass zur Feier von Wettspielen boten die religiösen Feste, welche die Gemeinde zu Opfer und Festschmaus versammelten; leicht schlossen sich hieran verschiedenartige agonistische Spiele, zur Entwicklung musischer Fertigkeiten war im Kulte selbst Anlass gegeben. Wie das festliche Geleite der Opfertiere und der Zug zum Opferschmaus (πομπή) und χῶμος), so wurden auch die A. allmählich als ein wesentlicher Bestandteil der heiligen Feier empfunden. Es ist natürlich, dass das Wohlgefallen, das die Menschen an den A. empfinden, auf die Gottheit selbst übertragen wird; so gewinnen die A. den Charakter eines Schauspieles, das den Göttern zuliebe veranstaltet wird (ἀ. ἱεροί). Und wenn es auch verfehlt ist, den Anlass der A. in dem Gedanken der „Selbstdarstellung und Selbstdarbringung des Menschen in seiner höchsten geistigen und körperlichen Tüchtigkeit“ zu suchen, so werden doch thatsächlich nicht nur die musischen Agonisten, die unmittelbar in Kulthandlungen eingreifen, sondern auch die gymnischen während der Feste den im Kulte beschäftigten Personen gleich erachtet. Sie sind Gott wohlgefällig, und in dieser Anschauung von sacrosanctem Charakter der Agonisten, die sich auch in späterer Zeit erhält, wurzeln die mannigfaltigen Privilegien, die den Techniten und Athleten als Lieblingen der Götter zugestanden werden. Die A. werden natürlich [842] zunächst mit dem Kulte der an den betreffenden Orten in erster Linie verehrten Gottheiten verbunden; sie gelten in Olympia dem Zeus, auf dem Isthmos dem Poseidon, in Delphi dem Apollon, in Epidauros dem Asklepios, in Oropos dem Amphiaraos, in Argos der Hera, in Athen der Athena, auf Euboea der Artemis, in Thespiae den Musen, in Orchomenos den Chariten u. s. w. Sie erhalten die Namen von den Festen und Opfern, an die sie sich anschliessen; sie werden also teils nach der Gottheit und deren Beinamen, teils nach dem Festort (Ἐλευσίνια, Ἴσθμια), teils nach der Festbedeutung (θεογἀμια in Korykos, Tarsos, Nysa), teils nach einer Festceremonie (Ἑκατόμβοια von dem Hekatombenopfer) benannt. Wie mit den Götterfesten werden in späterer Zeit auch mit den Festen, die man gottgleich verehrten Wohlthätern, den Fürsten und römischen Kaisern veranstaltet, A. verbunden, die nach den Gefeierten benannt werden (s. u.). Auch die A., welche den als Heroen verehrten Verstorbenen gefeiert werden (vgl. Athen. Mitt. IX 31: ἐν τοῖς κατ’ ἐνιαυτὸν τιθεμένοις εὐχαριστηρίοις ἀγῶσιν Ἡηρώοις), sind ihrem Wesen nach von den A. der Götterfeste nicht verschieden.

Ebenso konnten an ausserordentliche Opfer, die den Göttern, insbesondere dem Ζεὺς σωτήρ und ἐλευθέριος (Preller-Robert Gr. Myth. I 152), zum Dank für Sieg und Rettung gebracht werden, sich A. anschliessen, die wie die Opfer entweder einmal oder wiederholt gefeiert werden, und natürlich wiederum nach den Opfern benannt werden; solcher Art sind die σωτήρια in Delphi Dittenberger Syll. 149), in Syrakus (Diodor XI 72), der ἐπίθετος ἀγὼν.. ὑπόμνημα τῆς τοῦ δήμου ἐλευθερίας für Demeter und Kore in Athen (CIA II 314), die Ἐλευθέρια nach der Schlacht von Plataiai (Paus. IX 2, 4), und andere Siegesfeste, die besonders zahlreich von den Diadochen (nach dem Vorgang Philipps und Alexanders) und dann von den römischen Feldherrn (Liv. XXXIX 22. Plut. Aemil. 28; Sulla 19) abgehalten werden. Auch andere freudige Ereignisse, Hochzeitsfeiern (Diodor XVI 92. Ath. XII 538e), Geburtstage der Herrscher, der Tag der Thronbesteigung, kaiserliche Besuche (Ἐπιδήμια Β Σεουήρια auf Münzen von Perinth) und dergleichen können mit A. gefeiert werden. Überhaupt tritt ja im Laufe der Zeit der religiöse Anlass mehr und mehr zurück, die A. sind der eigentliche Kern jedes Festes, dessen kultliche Ceremonien nur als äusserliche Hülle dienen. So ist der Wunsch, die Schaulust des Volkes zu befriedigen, oder die Laune eines Herrschers zuletzt oft allein schon genügender Anlass, um A. zu veranstalten (Plut. Cleom. 12; Anton. 56). Eine Einteilung der A. nach ihren Anlässen ist daher undurchführbar; nur im allgemeinen können wir einmalige, bei ausserordentlichen Ereignissen veranstaltete A. (Gelegenheitsagone) und regelmässig wiederkehrende (periodische) A. unterscheiden. Letztere, die für das nationale Leben von besonderer Bedeutung sind, erfordern eine nähere Betrachtung.

Staatliche Grundlage der Agone. Nachdem die öffentlichen A. zu einem integrierenden Teil des Kultes geworden und in engste Verbindung mit den Staatsfesten getreten waren, hatte der [843] Staat für ihre Organisation ebenso wie für die der übrigen Kultangelegenheiten Sorge zu tragen. Er hat die Kosten der Veranstaltung (die Preise, die Herrichtung der Spielplätze u. s. w.) unmittelbar oder mittelbar (durch gesetzlich bestimmte Liturgien, Boeckh Staatshaushalt³ I 265ff.) zu tragen, soweit nicht durch besondere Stiftungen (Legate) dafür vorgesorgt ist. Vgl. Le Bas-Waddington 409. CIG 1845. 2741. 2759 und dazu Liermann 114f. Er hat einen oder mehrere Beamten oder Curatoren (ἐπιμεληταί) mit der Geldgebahrung und der Leitung des A. zu betrauen (s. Ἑλλανοδίκαι, ἀγωνοθέτης, ἀθλοθέτης). Er hat die Zeit, Dauer und periodische Wiederkehr des A. zu bestimmen, einen geeigneten Festplatz zur Verfügung zu stellen; er lässt an die befreundeten Staaten Einladungen ergehen und sorgt für entsprechende Aufnahme der officiellen Festgäste (θεωρίαι). Der Staat muss ferner auch das Programm der Kampfarten, den Kreis der Teilnahmsberechtigten, die Preise und Ehren, welche dem Sieger gebühren, den äusseren Verlauf des A., auch gewisse Kampfregeln, sowie Strafen für Unregelmässigkeiten aller Art festsetzen. Was sich zunächst als Gewohnheitsrecht ausgebildet hatte, wurde später durch νόμοι ἐναγώνιοι auch officiell festgestellt. Einige Hauptgesichtspunkte seien im folgenden hervorgehoben.

Periodische Wiederkehr der Wettkämpfe. Nachdem man sich gewöhnt hatte, an bestimmten Tagen in regelmässiger Wiederkehr der Jahreszeiten den Göttern Feste zu feiern, war es natürlich, dass man auch die damit verbundenen A. regelmässig an diesen Tagen wiederholte. Ebenso können auch ἀ. ἐπιτάφιοι, Sieges- und Dankesagone in periodischer Wiederkehr gefeiert werden, wenn das festliche Ereignis die Einrichtung eines dauernden Kultes veranlasst hat; dies gilt von den Leichenagonen zu Athen und Sparta, von den Ἐλευθέρια zu Plataiai, den Βασίλεια zu Lebadeia (nach der Schlacht von Leuktra eingesetzt), den Σωτήρια zu Delphi und vielen anderen A. Da aber A., die auf weitere Kreise von Teilnehmern berechnet waren, mit grossen Vorbereitungen, Auslagen und Mühen, sowohl für die Veranstalter wie für die Agonisten verbunden waren, so ergab es sich von selbst, dass gerade die glänzendsten A. nicht alljährlich, sondern nach bestimmten Zwischenzeiten abgehalten wurden. So treten neben die jährlichen ἀ. (ἐτήσιος, κατ’ ἐνιαυτόν Athen. Mitt. IX 31 V. 10; ἀμφιετηρίς Suidas s. v. Bull. hell. IX 133 V. 28) A., die nach je zwei (τριετηρικοὶ ἀ., τριετηρίδες), und solche, die nach je vier Jahren (penteterisch, in der Kaiserzeit mitunter auch tetraeterisch genannt) gefeiert wurden; für die älteste Zeit sind auch ennaeterische A. bezeugt (so die Pythien bis zum ersten heiligen Krieg). Die Wahl dieser Perioden steht in Zusammenhang mit der Rechnung der achtjährigen Schaltperioden (Ad. Schmidt Griech. Chronologie 270). Vierjährig sind die Olympien, und dies wurde massgebend für die Ol. 48, 3 erfolgte Neuordnung der Pythien, während die Isthmien und Nemeen trieterisch, in jedem zweiten und vierten Olympiadenjahr (Unger Philol. XXXIV 50f. XXXVII 1ff. 524ff.) begangen wurden. Diese vier Agone [844] heissen im engeren Sinne περιοδικοί (Schol. Pind. Nem. VI 97), sie bilden die περίοδος der alten panhellenischen Wettkämpfe (s. Περιωδονίκης), denen Augustus die Ἄκτια (s. d.), Domitianus die Καπετώλια hinzugefügt hat; vgl. CIG 4472 (Anfang des 3. Jhdts.): τῆς ἀρχαίου περιόδου Σεβάσμια Νέμια. Die grossen, in historischer Zeit gestifteten A., wie die Eleutheria, die Delien auf Delos, sind fast alle penteterisch, ebenso die glanzvollen Stiftungen der Kaiserzeit, wie die Ἄκτια, die κοινὰ u. s. w. (s. u.). Mehrfach wurde bei alljährlich wiederholten kleinen Agonen nach vierjähriger Frist eine Begehung als ‚die grosse‘ mit besonders erhöhtem Glanze gefeiert, so bei den Panathenaeen, bei den Asklapieen auf Kos (Dittenberger Syll. 398 n. 2), den Delien (v. Schöffer De Deli insulae rebus 35ff.); Penteteris und Trieteris werden neben einander bei den Eleusinien genannt, die ausserdem auch mit jährlichen Wettkämpfen ausgestattet waren (Nebe De mysteriorum Eleusin. tempore 17f.).

Kreis der Teilnahmsberechtigten (panhellenische und örtliche Agone). Die A. sind ursprünglich natürlich auf die Bürger des Ortes und des Staates beschränkt, innerhalb dessen sie abgehalten werden. Mit dem Abschluss politischer Freundschaften und Bündnisse erweiterte sich der Kreis der zur festlichen Opferfeier Zugelassenen auf die Angehörigen befreundeter Staaten, die dann auch thätig an den Wettkämpfen teilnehmen konnten. So durften natürlich an den A., welche an Centralorten der alten Amphiktyonien (wie Delos, Onchestos u. s. w.) abgehalten wurden, alle Bürger der vereinigten Städte, ebenso wie an den gemeinsamen Opfern, teilnehmen (Gilbert Griech. Staatsaltert. II 406). Durch das wachsende religiöse Ansehen eines Festortes und durch mannigfaltige politische Verhältnisse konnte so ein A. aus einem local beschränkten allmählich zu einem panhellenischen werden. Noch können wir aus den olympischen Siegeslisten einigermassen feststellen, wie sich in Olympia neben den Eleern zunächst die Lakedaemonier und Arkader, dann die übrigen peloponnesischen Staaten, allmählich alle griechischen Stämme einfanden, und wie mit der Anzahl der Zuschauer und Teilnehmer natürlich auch der Glanz des A., das Ansehen des dort erfochtenen Sieges stetig stieg. Panhellenisch, in demselben politischen Sinne wie die Olympien, sind nur noch die drei übrigen Agone der Periodos – κοινοὶ τῶν Ἑλλήνων ἀγῶνες Dem. IX 32 – die Pythien, Isthmien, Nemeen, welche Reihenfolge sowohl der Zeitfolge ihrer Einsetzung als ihrer Rangordnung entspricht. Diese A. sind von allen griechischen Staaten vertragsmäßig anerkannt, für ihre Dauer ist ἐκεχειρία zugestanden, deren Verletzung strenge bestraft wird; der Eintritt der ἱερομηνία wird den einzelnen Staaten durch Boten (σπονδοφόροι, θεωροί) officiell angekündigt (ἐπαγγέλειν τὸν ἀγῶνα); zu dem Feste werden von Staatswegen Gesandtschaften (θεωρίαι) gesendet, zu deren Bewirtung am Festort θεωροδόκοι bestellt sind, auch sind den siegreichen Bürgern von ihren Heimatstädten Privilegien zugesichert. Der politische Charakter dieser Spiele tritt auch darin hervor, dass einzelnen Staaten gewissermassen strafweise das Recht [845] der Teilnahme entzogen werden kann (Krause Olympia 53). Bei den Isthmien sind die Eleer dauernd ausgeschlossen (Krause Pythien 194). Die Agonisten erscheinen an diesen Spielen zwar nicht im staatsrechtlichen Sinn, aber nach allgemein geltender Volksanschauung als die Vertreter der einzelnen Staaten und Städte, denen sie angehören und die gewissermassen selbst am Wettkampf beteiligt gedacht sind; immer wieder hören wir den Gedanken wiederholen, dass mit den Kränzen des Siegers dessen Vaterstadt geehrt wird, und ausdrücklich wird hervorgehoben, wenn einer der erste Bürger einer Stadt ist, der einen Sieg erringt. Wer daher bei der Verkündigung seines olympischen Sieges seine Heimat verleugnet, wird von dieser als Landesverräter bestraft (Paus. VI 13, 1. 18, 6), und mitunter kann um das Bürgerrecht eines Siegers an den nationalen Spielen ein förmlicher Kampf entbrennen (Plut. de sera num. vind. 7).

So allgemeine politische Anerkennung, wie die vier ‚Nationalspiele‘ haben andere A. nicht mehr zu erlangen vermocht, obwohl deren viele in gleicher Weise allen Hellenen offen standen; aber sie sind nur in einem engeren Kreis befreundeter Staaten auch officiell anerkannt (ἀποδέχεσθαι τὸν ἀγῶνα) und werden daher nur von wenigen mit Festgesandtschaften beschickt (vgl. Dittenberger Syll. 149f. 215. Bull. hell. V 383f.). Die grossen A. der Kaiserzeit, denen ja eine wirklich nationale Bedeutung nicht mehr zukommt, sind natürlich alle οἰκουμενικοί (CIG 4472. CIA III 129; Münzen von Aspendos, Side, Mopsos, Tarsos u. a.). Daneben bestehen aber durch alle Zeiten hindurch ἀ. ἐπιχώριοι oder πολιτικοί (CIG 2758. 5805), die auf den engeren Kreis der Staatsangehörigen beschränkt bleiben, wie der A. zu Pellene oder der A. der Spartiaten am Leonidasfeste (Paus. VII 27, 1. III 14,1). Manchmal sind auch an demselben Feste besondere A. für Bürger neben den allgemein zugänglichen A. (ἀ. ἐκ πάντων) eingesetzt. Auch andere Beschränkungen können vorgenommen werden; an den hippischen A. der Panathenaeen werden besondere A. für die ἱππεῖς, die Phylarchen, die Bürger abgehalten (CIA II 968). In Athen sind bei einer ganzen Reihe von Kampfarten, dem Chorgesang, dem Fackellauf, dem Schiffswettkampf (im 5. Jhdt. vielleicht auch bei der Pyrrhiche), bei den A. der Reitertruppe die Phylen selbst als Agonisten gedacht ([Xen.] de rep. Ath. I 13); es müssen daher auch die Choregen und Gymnasiarchen, die Sänger, Läufer, Tänzer und Ruderer, welche als Vertreter der einzelnen Phylen im A. erscheinen, diesen selbst angehören; vgl. Bull. hell. X 199 (Phylenwettkämpfe auf Rhodos). In ähnlicher Weise erscheinen auch Einzelne bei manchen A., beim Wettlauf an den Oschophorien, bei der Euandria, in einigen hippischen Kampfarten als Vertreter ihrer Phylen. Sklaven und Unfreie sind natürlich von allen ‚hellenischen‘ A. ausgeschlossen, ebenso bürgerlich Ehrlose, die ja von allen Kulthandlungen fern gehalten werden müssen. Im übrigen sind alle in gleicher Weise zum Eintritt berechtigt, Leute aus den ärmsten Klassen wie solche aus den vornehmsten Familien. Eine thatsächliche Beschränkung der Beteiligung wird durch die Erfordernisse der einzelnen [846] Kampfarten herbeigeführt; wie in Olympia (s. d.), wird wohl auch bei andern A. eine Art Befähigungsnachweis von seiten der Agonisten zu erbringen gewesen sein. Und wie die hippischen A. naturgemäss nur von den Reichen betrieben werden konnten (Isokr. XVI 33. Xen. Hier. XI 5), so konnten in den musischen Einzelagonen neben fachmässig ausgebildeten Künstlern Männer, welche nur gewöhnliche Schulbildung besassen, schwerlich auf Erfolge hoffen.

Klassen der Teilnehmer (Männer, Knaben, Frauen). Neben den A. der Männer werden schon im 7. Jhdt. auch besondere ἀ. παίδων in den gymnischen Kampfarten eingerichtet, an denen die Knaben im Alter bis zu achtzehn Jahren teilnehmen; später werden an einzelnen Orten auch im Wettreiten (Paus. VI 2, 6. CIG 1416) und in einzelnen musischen Kampfarten (insbesondere in Gruppenagonen), besondere ἀ. παίδων veranstaltet. Seit dem 5. Jhdt. wird vielfach eine weitere Unterteilung der Knaben in παῖδες und in ἀγένειοι (s. d.) vorgenommen, zu denen jetzt auch die Jünglinge bis zum zwanzigsten Jahre gerechnet werden. In den Wettkämpfen der athenischen Theseen (CIA II 444f.) werden unterschieden παῖδες τῆς πρώτης, δευτέρας, τρίτης ἡλικίας (auch παῖδες, ἔνοι ἔφηβοι, νεανίσκοι, in einer boeotischen Inschrift (CIG 1590) παῖδες οἱ νεώτεροι, παῖδες οἱ πρεσβύτεροι, ἀγένειοι, in Chios ἔφηβοι νεώτεροι, μέσοι, πρεσβύτεροι (CIG 2214), in Sestos παῖδες, ἔφηβοι, νέοι (Dittenberger Syll. 246), ähnlich in Teos (CIG 3088) und an andern Orten; vgl. ἄνηβοι in der Inschrift von Byzantion CIG 2034. Daneben werden häufig auch ἀ. ἐκ πάντων ohne Rücksicht auf die Altersklassen abgehalten (πάμπαιδες neben παῖδες begegnen in boeotischen Inschriften, vgl. Foucart Bull. hell. IX 411. 431). Es muss für die einzelnen Altersklassen sowohl eine obere als eine untere Grenze festgestellt worden sein, die natürlich dort, wo nur zwei Klassen geschieden wurden, andere waren als an den A. mit drei Klassen, aber auch örtlich verschieden gewesen zu sein scheinen; daher spricht man von παῖδες Ὀλυμπικοί, Πυθικοί, Ἰσθμικοί (Dittenberger Syll. 399. 400. Le Bas-Waddington 1730 b. Athen. Mitt. IX 72), auch von παῖδες Ἀκτιακοί ((Kaibel IGI 747) und Κλαυδιανοί (CIG 2810 b); der παῖς an den Panathenaen soll Ἰσθμικοῦ πρεσβύτερος (Phot. Suid., vgl. Dittenberger Syll. 150 n. 1) sein und die gymnisch-hippischen ἀ. der delphischen Soterien sind ἰσονέμεοι ταῖς τε ἡλικίαις καὶ ταῖς τιμαῖς (Dittenberger Syll. 150). Insbesondere wurde natürlich darauf gesehen, dass keiner, der das Alter (oder die normale Grössenentwicklung) der παῖδες (bezw. ἀγένειοι) überschritten hatte, noch in dieser Klasse am Wettkampf teilnehme (vgl. Xen. Hell. IV 1, 40. Diog. Laert. VIII 47); dagegen konnte ausnahmsweise verstattet werden, dass ein Jüngerer in der nächsthöheren Altersklasse mitkämpfe. Eusebios Chronic. II 212 Schöne (Ol. 178) erzählt von einem Sieger, der an demselben Tage im Kampf der παῖδες und der ἀγένειοι siegte; vgl. CIG 2810 b: ἀγωνισάμενον τριετίᾳ τὰς τρεῖς κρίσεις παῖδα, ἀγένειον, ἄνδρα. Amer. Journ. of arch. V 283: ἀγενείους καὶ ἄνδρας τᾷ αὐτᾷ Ἰσθμιάδι vgl. Krause Olympia 134ff.). In ganz ähnlicher Weise wurden von den Festleitern auch die Pferde in [847] die zwei Altersklassen der τέλειοι und πῶλοι geschieden.

Frauen sind im allgemeinen von der Teilnahme an den öffentlichen A. der Männer ausgeschlossen; doch dürfen sie an den hippischen A. als Besitzerinnen der Rennpferde mittelbar teilnehmen, wie dies zuerst Kyniska, des Agesilaos Schwester, that (Paus. III 8, 1. 15, 1. 17, 6. V 8, 3. 12, 3. Arch. Ztg. XXXIV 138 nr. 19. Loewy Inschr. gr. Bildh. 99f.). Ausnahmsweise wurden sie auch an einzelnen musischen A. zugelassen (Plut. Qu. conviv. V 2, vgl. Athen. XIII 605 a; über Korinna s. d.); die χοροὶ παίδων an den delischen Apollonien sind gewiss Mädchenchöre; vgl. v. Schoeffer de Deli ins. rebus 139 (andere Frauenchöre auf Aegina Herod. V 83). Endlich sind in mehreren dorischen Städten besondere A. im Wettlauf (auch andere gymnische A.?) von Mädchen abgehalten worden, so in Sparta (Paus. III 13, 5), Elis (VI 6, 2; drei Altersklassen), Kyrene (Grasberger Erziehung und Unterricht III 506), eine Sitte, die Kaiser Domitian auf seinen capitolinischen A. zu übertragen versuchte (Suet. Domit. 4).

Siegespreise und -Ehren (ἀ. στεφανῖται und θεματικοί). Der Beifall der Zuschauer findet seinen volkstümlichen äusseren Ausdruck in der Bekränzung des Siegers. Um aber Zahl und Eifer der Teilnehmer zu steigern, setzte man schon in heroischer Zeit wertvolle Geschenke als Siegespreise aus. Danach können wir Wertagone und Kranzagone scheiden; zu ersteren gehören die Gelegenheitsagone, die von Einzelnen veranstaltet werden, und die zahlreichen A. von mehr localer Bedeutung; zu letzteren fast alle grossen, allgemein zugänglichen A., die auf volkstümlicher Grundlage in Verbindung mit den periodischen Götterfesten erwachsen sind. Je nach der Art der Wertpreise, die sowohl Wertgegenstände aller Art (s. ἆθλον), als auch Geldsummen (θέμα) in verschiedener Höhe sein können, heissen die Wertagone: ἀ. ἐπ’ ἄθλοις, ἀθλοφόροι, δωρῖται, χρηματῖται, θεματικοί, θεματῖται (CIG 5913, 33), θεμίδες (in Lykien, Pamphylien, Pisidien, s. Le Bas-Waddington 1209. Liermann 113), ἀργυρικοί (Athen. XII 522 c), ἀργυρῖται, ταλαντιαῖοι, ἡμιταλαντιαῖοι (vgl. Longperier Rev. arch. XIX 1869, 138ff.; Rev. numism. XIV 1869/70, 31f. CIL III 296f.). Sehr häufig waren an diesen A. auch noch für zweitbeste, manchmal auch für drittbeste u. s. w. Leistungen Preise ausgesetzt (CIG 2758. CIA II 965), so dass gelegentlich wohl jeder Teilnehmer eine Entlohnung empfing (λοισθήια: Il. XXIII 751. Verg. Aen. V 305); daneben wurde der eigentliche Sieger wenigstens in späterer Zeit (Il. XXIII 259ff. noch nicht) mit einem Kranz oder Palmzweig ausgezeichnet (s. u.). Die Kranzagone (ἀ. στεφανῖται) werden auch ἀ. στεφανηφόροι (Herod. V 102), φυλλῖται (Poll. III 153. Schol. Pind. Ol. VIII 76), φύλλινοι (Poll. III 273. Diog. Laert. VII 41. Luk. de merc. cond. 13), φυλλινοφόροι (Pind. Ol. VIII 76; vgl. φυλλοβολία) genannt; diese Namen decken sich fast mit der Bezeichnung ἀ. ἱεροί (Poll. III 154), indem ja der einfache Kranzeslohn dem religiösen Charakter der ἀ. und Agonisten (s. o.) am besten entspricht. Der Kranz wird im heiligen Haine des Festgottes gebrochen; die Gewohnheit, [848] ihn von einem bestimmten Baum zu brechen, wird bald zum heiligen Gesetz: so wird der Kranz in Olympia vom wilden Ölbaum (κότινος), in Delphi vom Lorbeer, in Nemea vom Eppich, auf dem Isthmos in älterer Zeit vom Eppich, seit dem 4. Jhdt. (CIA II 1367), vielleicht auch schon früher (vgl. Paus. VI 9, 1; s. Isthmia) von der Fichte, an den Panathenaeen vom Ölbaum genommen; die Χρυσάνθεινα in Sardes haben vielleicht ihren Namen geradezu von den Blumen der Siegerkränze. Ausser dem Kranz empfängt der Sieger der ἱεροὶ ἀ. an den meisten Orten (nach delischer Sitte?) einen Palmzweig (Plut. Qu. Symp. VIII 4. Paus. VIII 48, 21. Bötticher Baumkult. 414f. Hermann Gottesdienstl. Altert.² § 50, 23) und eine durch Farbe und Stickerei besonders ausgezeichnete Binde (ταινία, vgl. Bötticher Arch. Ztg. XI 7ff. s. u.), in Delphi und andern Orten wenigstens in späterer Zeit auch noch Äpfel (CIA III 116. Krause Pythien 49,11). Eine eigentümliche Mittelstellung nehmen jene – im weiteren Sinn auch zu den ἀ. στεφανῖται gerechneten – (ἀ. ἱεροί) ein, in denen neben dem Kranz noch solche Wertgegenstände gegeben werden, die als Gaben des Festgottes angesehen werden (an den Panathenaeen Öl, an den Eleusinien Gerste, an den argivischen Heraeen Schilde) oder aber zu Weihgeschenken bestimmt sind (Dreifüsse u. dgl., vgl. Reisch Griech. Weihgeschenke 63f.). Auch werden den musischen Siegern, wie an den Panathenaeen, so wohl auch an andern (ἱεροὶ ἀ.) statt der Laubkränze goldene oder silberne Kränze gleicher Form gegeben.

Für materielle Entschädigung der Sieger ist aber auch an den ἱεροὶ ἀ. gesorgt durch die mancherlei Privilegien, die ihnen von den Heimatstädten zuerkannt werden. So bestimmte schon Solon dem Olympioniken 500 Drachmen, dem Isthmioniken 100 Drachmen als staatliche Belohnung (Plut. Sol. 23. Diog. Laert. I 55); entsprechend wurden die athenischen Sieger an den anderen panhellenischen A. belohnt. Auch hatten die gymnischen Sieger an den vier Nationalspielen und die hippischen (wenigstens an den Olympien) Anspruch auf die σίτησις im Prytaneion (CIA I 8, vgl. R. Schöll Herm. VI 37f.). Gleiche Gesetzesbestimmungen dürfen wir in anderen Staaten voraussetzen; so beschliessen die Chioten (Dittenberger Syll. 150, 18), den Siegern an den delphischen Soterien solle zu teil werden, ὅσα καὶ τοῖς Πύθια καὶ Νέμεα νικήσασι ἐν τοῖς νόμοις γέγραπται, und die Aetoler verheissen ihren Landsleuten, die an den pergamenischen Nikephorien siegen, dieselben Ehren καὶ τὰ λοιπὰ πάντα wie den Siegern an Pythien und Olympien (Dittenberger Syll. 215). Überhaupt werden diese Privilegien in späterer Zeit auf eine immer grössere Zahl von ἀ. ἱεροί) ausgedehnt; sie sind ein wesentliches Merkmal der ἀ. ἰσολύμπιοι) (Dittenberger Syll. 215. (Kaibel IGI 748. CIG 4472), ἰσοπύθιοι (Dittenberger Syll. 149f. Bull. hell. V 384. CIG 3498. 4016f. Athen. Mitt. IX 72. Arch. Epigr. Mitt. VIII 220, vgl G. Hirschfeld Zeitschr. f. österr. Gymn. 1882, 495. Mie 52), ἰσονέμεοι (Dittenberger Syll. 149f.), und der in der Kaiserzeit kurzweg Ὀλύμπια, Πύθια u. a. zubenannten A. (s. u.). Τιμαὶ ἰσολύμπιοι (Statue, Proedrie, σίτησις, ἀτέλεια. Zugang zum Rat u. s. w.) [849] sind die höchsten Ehren, die man jemandem erweisen kann (Bull. hell. III 466). Von dem feierlichen Einzug zu Wagen εἰσελαύνειν, der den Siegern in der Heimat gewährt wird, werden manche der ‚heiligen A.‘ auch ἀ. εἰσελαστικοί (s. d.) zubenannt (Vitruv. IX praef. CIG 2932. 3426. Wood Ephesos, great theatre nr. 54, 8. Le Bas-Waddington 624. Münzen von Side und Heliopolis). Von anderweitigen Vorrechten der Sieger in den ἱεροὶ ἀ. sei noch das Recht hervorgehoben, ein Standbild zu weihen oder durch andere weihen zu lassen (Scherer De olympionicarum statuis, Gött. 1885, s. Siegerstatuen). Alle diese Belohnungen und Ehren haben sich bis in die Kaiserzeit erhalten (Dio Cass. XLI 1, 2: ἀγῶνα... ἱερόν, οὕτω γὰρ τοὺς τὴν σίτησιν ἔχοντας ὀνομάζουσιν; vgl. LII 30. Suet. Aug. 45, und für die Zeit Diocletians und Maximinians Cod. Iust. X 53. Friedländer Sittengesch. II6 496), sie steigern sich ins Masslose, indem man die Sieger mit bürgerlichen Würden aller Art überschüttet (Liermann 97) und auch an den kleinen Festen mit Ehrenstatuen belohnt (vgl. z. B. CIG 4352). Der grosse Glanz und die Siegesehren der ἱεροί oder στεφανῖται ἀ. d. führen natürlich dazu, dass neben den hier gewonnenen Siegen die Siege in den ἀ. θεματικοί ganz in den Hintergrund treten; daher werden in den Siegesverzeichnissen der Agonisten in der Regel nur die ἀ. ἱεροί namentlich, die Wertagone aber blos summarisch aufgeführt; vgl. Loewy Inschr. gr. Bildh. 119: ἄλλους τε ἀθλοφόρους.. εἷλον ἀγῶνας. CIG 2810: ταλαντιαίους δὲ καὶ ἡμιταλαντιαίους ἐνίκα ἅπαντας οὗς ἠγωνίσατο. 2810 b. 3208. 3676. CIA III 128.

Der Verlauf des Agons. Zu bestimmten Fristen vor Beginn des A. müssen jene, welche an einer oder mehreren Kampfarten des A. teilnehmen wollen, sich bei der festleitenden Behörde melden und ihre bürgerliche und – wenigstens bei manchen A. – auch ihre agonistische Qualification erweisen; in Olympia mussten sie noch ein besonderes Gelöbnis ablegen, keine Unredlichkeit begehen zu wollen. Sie wurden dann der betreffenden Altersklasse zugeteilt und in die Kämpferliste eingetragen (Dio Cass. LXXIX 10. Suet Nero 21). Erschien einer von den Angemeldeten nicht rechtzeitig zum Beginn des Kampfes, so wurde er bestraft (Paus. V 21, 12. Poll. IV 88. Plut. Sympos. VII 5, 1). Am Tage des A. wurde ein feierliches Opfer gebracht, an das sich an vielen Orten eine Pompe (s. d. und Proagon), ein Festaufzug zu dem Spielplatze, anschloss. Wo die Ortsverhältnisse es erlaubten, wurden die Spiele innerhalb oder in unmittelbarer Nähe des Tempelbezirkes der Festgottheit abgehalten. Das immer wiederkehrende Bedürfnis, einen geeigneten Platz für das Auftreten der Agonisten herzustellen und damit zweckmässige Räume für die Zuschauer (θέατρα) zu verbinden, führte früh zur Anlage von Tanzplätzen (ὀρχήστρα), von Bühnen für Einzelvirtuosen (θυμέλη), von Schauspielhäusern (σκηνή), von Rennbahnen für Menschen und Wagen, vgl. θέατρον, ῷδεῖον, στάδιον, ἱπποδρόμος, circus, amphitheatrum. Den Zuschauern ist – wenigstens in älterer Zeit – überall der Zutritt zu dem volkstümlichen Feste unentgeltlich gestattet (s. θεωρικόν), Frauen dürfen [850] an der Mehrzahl der A. auch im Schauraum nicht erscheinen. Die Ehrenplätze nehmen die im Feiergewande erscheinenden Festleiter, Behörden und Priester ein, ferner die fremden θεωροί und die zahlreichen Ehrengäste, denen von der Gemeinde des Festortes die προεδρία ἐν τοῖς ἀγῶσιν verliehen worden ist. Die Spiele beginnen in der Regel schon am frühen Morgen; an grossen Festen setzen sich die A. durch mehrere Tage fort. Natürlich schliessen sich immer jene Kampfarten unmittelbar an einander, welche auf demselben Spielplatz vor sich gehen müssen. Wo gymnische und hippische vereint sind, gehen erstere in der Regel voraus (aber Il. XXIII 262ff. und bei den A. in Larisa stehen die hippischen an erster Stelle); wo an demselben Feste auch musische A. stattfinden, wird meist mit ihnen begonnen (nach dem Muster der Pythien und Panathenaeen). Immer aber sind die ersten Wettkämpfe die der Herolde und Trompeter. Unter den γυμνικοί ἀ. ist der Wettlauf regelmässig der erste (nur der Waffenlauf wird an eine spätere Stelle verwiesen); Ringen, Faustkampf, Pankration folgen einander unmittelbar; das Pentathlon nimmt gewöhnlich die letzte Stelle ein (in Olympia erst nach den hippischen A.). Die musischen A. werden in der Regel von den Rhapsoden und epischen Dichtern eröffnet; dann folgen die Einzelsänger und Instrumentalvirtuosen (vgl. v. Jan Philol. Versamml. Zürich 1887, 71ff.); chorische und dramatische A., die aber nur selten mit gymnisch-hippischen A. verbunden und dann meist an besonderen Tagen angesetzt sind, bilden den Schluss des Festes. Wo die Altersklassen gesondert sind, geht die jüngere der älteren entweder bei jeder Kampfart oder mit der ganzen Reihe von Kampfarten voraus.

Das Zeichen zum Beginn des A. giebt der Festleiter; der Herold tritt vor und spricht eine kurze Eröffnungsformel (Bergk PLG III Carm. popul. 14–16. Liv. XXXIII 32), vor Anfang der Kämpfe erfolgen noch allerlei Verkündigungen, welche die weiteste Öffentlichkeit erhalten sollen – denn nirgends ist eine so grosse Zahl von Menschen versammelt, wie bei den Festspielen – insbesondere von Ehrendecreten (an manchen Orten auch von Freilassungen) und dergleichen, wie ja auch Bekränzungen verdienter Bürger hier vorgenommen werden. Dann ruft der Herold die einzelnen Agonisten vor, ein Trompetenstoss kündigt ihr Auftreten an (Poll. IV 88), über die Reihenfolge und die Gruppierung derjenigen Agonisten, die an derselben Kampfart teilnehmen, entscheidet das Los (Poll. IV 88). Bei chorischen und scenischen A., und überhaupt bei solchen A., die mit gesetzlich geordneten Liturgien oder mit der staatlichen Gliederung der Bürgerschaft in Zusammenhang stehen, ist natürlich die Zahl der Teilnehmer vorherbestimmt (an den athenischen Dionysien 10 [20?], an den Thargelien 5 [10?] lyrische Chöre, an den Dionysien drei Tragödiendichter und Schauspielergruppen und drei [später fünf] Komödien u. s. f.). Bei den gymnischen A. ist die Zahl der Concurrenten nach Ort und Zeit sehr verschieden, sehr gross ist sie immer bei der einfachsten Kampfart, dem Stadionlaufe (24 Teilnehmer sind z. B. einmal bezeugt Strab. VI 262), je vier werden zusammen abgelassen, die jeweiligen [851] Sieger müssen dann untereinander neuerlich einen A. abhalten; ebenso die Sieger der einzelnen Ringerpaare (16 Knabenringer sind beispielsweise bezeugt durch Loewy Inschr. gr. Bildh. 90. 126), der Faustkämpfer u. s. w. (vgl. CIG 4247. 5913); bei ungleicher Kämpferanzahl ist einer ἔφεδρος (s. d.). Die Dolichodromen, die Waffenläufer, und ebenso die Pferde concurrieren wohl regelmässig in einem gemeinsamen Gang, die Viergespanne oft in sehr bedeutender Zahl (zehn bei Soph. El. 703ff.; vgl. Pollack Hippodromica 106). Übrigens kam es bei schwierigen Kampfarten auch in Olympia vor, dass nur zwei oder gar nur ein Bewerber erschien (s. ἀκονιτί). Bei musischen Einzelagonen war natürlich die Zahl der Teilnehmer eine geringere; drei Kitharoden an den Pythien bezeugt Lukian adv. ind. 8f., auf mindestens fünf rechnete man um das J. 380 an den Panathenaeen (CIA II 965); zwei bis drei Agonisten in jeder Kampfart verzeichnen die Kataloge der delphischen Soterien.

Den Verlauf des Kampfes überwachen die Agonotheten (Hellanodiken u. s. w.). Wie die Versuche, den Gegner zu bestechen, so werden auch alle Vergehen gegen die Kampfregeln strenge bestraft (mit Entziehung des Siegeskranzes, körperlicher Züchtigung, Geldbussen). Auch über unvorhergesehene Streitfälle, deren ja bei den gymnischen A. viele auftauchen, haben die Festleiter zu entscheiden; mehr als einmal hat es sich ereignet, dass ein Agonist in der Hitze des Kampfes getötet wurde, was je nach den Umständen verschieden beurteilt wird (Paus. VIII 40, 2f. Plut. Per. 36; vgl. Krause Olympia 151). Den Festleitern sind als ausführende Organe ‚Ordner‘ (ῥαβδοῦχοι, μαστιγονόμοι, μαστιγοφόροι, ἀλύται) beigegeben. Über den Sieg entscheiden die Festleiter oder – so meist bei musischen A. – besonders erwählte Richter, κριταί, βραβεῖς (vgl. Vitruv. VII praef. 4. Plut. Alex. 29; Sulla 19. Suet. Claud. 11). Nicht nur dort, wo mehrere Wertpreise ausgesetzt sind, sondern auch bei manchen Kampfarten der ἱεροὶ ἀ. werden nach dem Sieger noch die nächstbesten Agonisten nach ihren Leistungen als δεύτερος, τρίτος u. s. w. angeordnet (Plut. qu. conviv. I 10); im Wettfahren oder im dramatischen Agon ist auch zweiter zu sein noch ehrenvoll. Der Herold verkündet den Spruch der Richter (Timoth. frg. 11 Bergk), der Festleiter verleiht wohl sofort ein Siegeszeichen (Palme und Taenie? vgl. Bötticher Arch. Zeit. XI 7ff. Petersen Phidias 45). Die feierliche Verteilung der Kränze und ἆθλα erfolgte aber meist erst nach Beendigung aller A. mit besonderen Ceremonien. Während des Festes waren die Preise im Heiligtum ausgestellt auf Tischen, die besonderen künstlerischen Schmuckes für wert erachtet wurden, wie der von Kolotes gefertigte Kranztisch in Olympia (Paus. V 20, 2); ähnliche Tische sind auch an anderen Orten bezeugt, durch die Reliefs der panathenaeischen Agonothetensessel (Michaelis Parthenon 29), den Silberbecher von Berthouville (Schreiber Culturhist. Bilderatl. XXV 8), durch Münzen der Kaiserzeit (Curtius M.-Ber. Akad. Berl. 1869, 486. Longpérier Rev. arch. XIX 1869, 139) u. a. Nach der Bekränzung fand [852] der festliche Umzug der Sieger statt, an den sich das von der Festgemeinde den Siegern gegebene Festmahl schloss; dabei verherrlichten Preislieder die ruhmvollen Thaten der Sieger, welche die grössten Dichter, ein Pindar, Simonides, Euripides, als eine würdige Aufgabe ihrer Kunst erachteten. Die Namen der Sieger wurden nicht nur bei den Nationalspielen (Paus. VI 13, 4), sondern auch bei kleineren A. namentlich aufgezeichnet; nach dem Namen des an erster Stelle eingetragenen Siegers im Laufe werden ja die penteterischen Perioden der Olympien (s. d.) bezeichnet. Die Siegerlisten (s. d.), manchmal auch die vollständige Liste aller Teilnehmer (Plut. Ages. 21; delphische Soterienkataloge) wurden nicht selten auch durch Steininschriften der Nachwelt überliefert, vgl. CIA II 444. CIG 2360. Über andere Ehren der Sieger s. o.

Zur Geschichte und örtlichen Verbreitung der Agone. Die Griechen der ‚heroischen‘ Zeit, deren Kultur die homerischen und kyklischen Epen widerspiegeln, haben bereits mannigfache Kampfspiele geübt und bei festlichen Gelegenheiten, insbesondere bei Leichenfeiern, glanzvolle A. abgehalten; über mancher Fürstentochter Ehe lässt die Sage einen Wettkampf entscheiden, auch das Wettschiessen der Freier um Penelope ist ein ähnliches Motiv. Die breiten Schilderungen, welche die agonistischen Kämpfe im Epos finden, legen Zeugnis für das Interesse ab, das die ritterlichen Kreise ihnen entgegenbrachten; die Adeligen und die Fürsten sind ja selbst die ἀθλητῆρες (Od. VIII 163). Achilleus veranstaltet (Il. XXIII 262) zu Ehren des Patroklos ἀ. ἐπ’ ἀέθλοις im Wettfahren, Faustkampf, Ringen, Lauf, Waffenkampf Gerüsteter, Weitwurf mit dem σόλος Bogenschiessen, Speerwurf: Kampfarten, die fast durchweg kriegsmäßigen Charakter haben. Bei der Leichenfeier in Buprasion (Il. XXIII 630f.) werden Faustkampf, Ringen, Lauf, Speerwurf, Wagenrennen erwähnt; vgl. Il. II 774. In den A. der Phaeaken (Od. VIII 103ff.) hat neben Lauf, Ringkampf, Diskos, Faustkampf auch der Sprung eine Stelle. Den ersten Rang nimmt das Rennen der Zweigespanne ein (Ol. XI 699 werden τέσσαρες, ἀθλοφόροι ἵπποι, d. h. wohl ein Viergespann, erwähnt; vgl. Od. V 81; die Verse gelten als interpoliert, vgl. Thraemer Pergamos 76,2). Sichere Zeugnisse für musische A. fehlen, doch mögen schon damals dem Aoeden, der die festliche Versammlung am besten ergötzte, oder den Verstorbenen mit dem schönsten Lobgedicht ehrte, Preise erteilt worden sein, wie dies später höfische Sitte war; vgl. Hesiod. W. u. T. 654f. Rohde Rh. Mus. XXXVI 430f. Bernhardy Gr. Lit.-Gesch. I4 302.

Regelmässig wiederkehrende A. sind der ‚heroischen‘ Zeit, in der sich kaum erst Ansätze zu dem reich entwickelten Festkalender der Folgezeit nachweisen lassen, noch fremd; doch braucht die Tradition nicht immer Unrecht zu haben, wenn sie in Gelegenheitsagonen der vorhistorischen Zeit die Vorläufer der periodischen A. erkennt und so die Anfänge der vier Nationalspiele, der arkadischen Lykaia, der Panathenaeen u. s. w. bis in jene Zeit zurückverfolgen will. Mit den Umwälzungen des 10.–8. Jhdts. erreicht jene Agonistik, deren Mittelpunkt die Fürstenhöfe [853] bilden, ihr Ende. Aus volkstümlichen Bräuchen, auf dem Boden des öffentlichen Erziehungswesens entstehen nunmehr andersgeordnete ‚bürgerliche‘ A.

Diese neue Agonistik hängt so enge mit der politischen Geschichte des hellenischen Volkes zusammen, dass wir bei einer Skizze ihrer Entwicklung die gleiche Epocheneinteilung festhalten können, die für jene üblich ist. In der ersten Periode der ‚historischen‘ Zeit (bis zur Epoche der Perserkriege) werden die Grundlagen geschaffen, auf denen die A. der folgenden Jahrhunderte beruhen: es wird die Auswahl der Kampfarten für die öffentlichen A. festgestellt, es werden die völkerrechtlichen Bestimmungen getroffen, durch welche die A., insbesondere die vier ‚periodischen‘ Feste jene grosse ethische und nationale Bedeutung gewinnen, die in den Epinikien Pindars sich widerspiegelt. Das Wachstum der A. geht parallel mit dem regeren Wechselverkehr der einzelnen Stämme. Je nach localen Verhältnissen, der natürlichen Anlage und Geschmacksrichtung der einzelnen Stämme sind zunächst die verschiedenen Kampfarten einzeln an verschiedenen Orten entwickelt worden. Durch die Verbindung mit den regelmässig wiederkehrenden Festen der Götter gewinnen die A. feste Formen, es ergab sich naturgemäss, dass die einzelnen Kampfarten in nähere Beziehung zu den Gottheiten gesetzt wurden, die an den betreffenden Orten in erster Linie verehrt wurden; so werden die hippischen A. in erster Linie dem Poseidon, die kitharodischen dem Apollon, die auletischen dem Dionysos zugeeignet u. s. w. Bei Thessalern und Boeotern erhalten sich die ritterlichen Traditionen der hippischen Wettkämpfe; auch die Athener führen die Einsetzung der panathenaeischen Wagenrennen schon auf Erichthonios zurück. Im Peloponnes wurden sie erst im 7. Jhdt. wieder aufgenommen. Hier sind mittlerweile die gymnischen Kampfarten von den Dorern ausgebildet worden. Die A. der einzelnen Staaten erweitern sich, indem man die Kampfarten, die bei den Nachbarn geübt werden, zu den heimischen hinzufügt. Der kunstmässige Betrieb der Gymnastik führt dazu, besondere A. für Knaben einzusetzen und die combinierten Kampfarten des Pankration und Pentathlon zu schaffen, deren Bestandteile in homerischer Zeit zwar einzeln, aber noch nicht in systematischer Verschmelzung erscheinen; dagegen werden die homerischen A. des Waffenkampfes und Bogenschiessens jetzt aufgegeben (s. o.). Die Tradition (vgl. CIA II 978) giebt folgende Reihenfolge für die Zulassung der einzelnen Kampfarten in Olympia: Ol. 14 = 724 Diaulos (vorher nur Stadionlauf), Ol. 15 = 720 Dolichos, Ol. 18 = 708 Pentathlon, Ol. 23 = 688 Faustkampf, Ol. 25 = 680 Rennen von Viergespannen, Ol. 33 = 648 Wettreiten und Pankration, Ol. 37 = 632 Wettlauf und Ringkampf der Knaben, Ol. 41 = 616 Faustkampf der Knaben, Ol. 65 = 520 Wettlauf in Waffen. Um 600 war also das Programm der gymnisch-hippischen A. im wesentlichen abgeschlossen; die Olympien sind infolge der staatlichen Anerkennung, derer sie schon im 7. Jhdt. sich erfreuen, auch hinsichtlich der Auswahl der Kampfarten für die anderen A. massgebend geworden. Der Ol. 49, 3 (582) neugeordnete gymnisch-hippische [854] A. der Pythien fügt zu den olympischen Kampfarten noch den Dolichos und Diaulos der Knaben. In der verschiedenartigen Einrichtung der Knabenagone treten die nach Ort und Zeit verschiedenen paedagogischen Grundsätze zu Tage. Zweifellos umfassten auch die Isthmien, seit sie zu einem panhellenischen Fest erweitert worden waren (582), und ebenso die Nemeen (seit Ol. 51, 4 = 573) die gleichen Kämpfe, wie die Olympien; diese werden auch für den gymnischen A. der Panathenaeen (seit 566 nach Euseb. Chronic. II 94 Schoene), für die Feste in Arkadien (Λυκαῖα, Ἀλεαῖα), Boeotien (Ἡράκλεια, Argos (Ἡραῖα), Sikyon (Πύθια), Aegina (Αἰάκεια, Δελφίνια) massgebend gewesen sein. Auch die Feste der ionischen und dorischen Städtebünde in Kleinasien, wie die bei Mykale (vgl. Köhler Athen. Mitt. X 36), bei Triopion (Herod. I 144) und auf Delos (Hymn. Apoll. 148f.) werden gewiss auch schon in dieser Periode mit A. ausgestattet worden sein, welche in der zweiten Hälfte des 6. Jhdts. auch schon nach Etrurien (Herod. I 167. Müller-Deecke Etrusker II 220ff.) und Sicilien sich verbreitet haben. Seit dem Anfang des 7. Jhdts. hören wir auch von musischen A., die durch ionisch-aeolische Einflüsse angeregt sind; sie beschränken sich zunächst auf Lobgesänge, Hymnen und Nomen, die der Festgottheit gelten, oder doch diese zum Ausgangspunkt nehmen; in den homerischen Hymnen tritt mehrfach die agonistische Bestimmung hervor (Baumeister Hymni Hom. S. 102f. 335. 344). Ol. 26 = 676 soll der Kitharodenagon der spartanischen Karneen begründet worden sein; ob der delphische damals schon bestand, lässt sich nicht ermitteln. Von der Kitharodik scheidet sich früh die Rhapsodik auch in den A. als selbständige Kunstart. Die seit Alkman nach ionischem Vorgang (Hymn. Apoll. 148ff.) in Lakedaemon üblichen Aufführungen von Singchören (mit Tanz- und Kitharbegleitung) mussten ebenso wie die dithyrambischen Chöre im nordwestlichen Peloponnes bald zu agonistischem Betrieb drängen, der später in Athen reiche Ausbildung findet. Noch im 7. Jhdt. erhebt sich auch (zuerst in der Argolis?) die reine Instrumentalmusik, zuerst das Flöten-, dann das Kitharisspiel zu selbständigen Leistungen. Bei der Neuordnung der Pythien (Ol. 48, 3 = 586) wird auch ein A. der Flötenspieler und ein A. der Auloden eingerichtet, welch letzterer aber sofort wieder abgeschafft und (Ol. 55, 3 = 558) durch den A. der Kitharisten ersetzt wird (Paus, X 7, 4). Nicht viel später hat Peisistratos die Panathenaeen auch mit musischen A. ausgestattet, gewiss nicht nur mit rhapsodischen, sondern auch mit kitharodischen, auletischen und aulodischen (Reisch 10. 16). Seit der zweiten Hälfte des 6. Jhdts. nehmen auch schon die Aufführungen ‚tragischer‘ Chöre und die Komoedenspiele agonistische Form an. Immerhin ist aber die Anzahl der Feste und der Festorte, an denen in dieser Periode musische A. stattfinden, eine sehr beschränkte im Verhältnis zur Menge gymnischer A.

Die 2. Periode (von den Perserkriegen bis zur Zeit Alexanders) ist durch die Führerrolle charakterisiert, welche Athen auch auf dem Gebiete der Agonistik einnimmt; auf dem Boden der [855] demokratischen Verfassung entwickeln sich lebhaft betriebene Bürgerwettkämpfe, die bald das Hauptinteresse der städtischen Feste bilden; Künstler aller Art strömen in Athen zusammen, um hier ihre Kräfte zu messen. Von der reichen Entwicklung der panathenaeischen A. um 380 giebt die Preisliste CIA II 966 Zeugnis; die A. der perikleischen Zeit werden wir uns noch glänzender zu denken haben. Die gymnischen Kämpfer werden jetzt in drei Altersklassen geteilt (s.o. und u. ἀγένειοι), für einzelne musische Kampfarten auch Knabenagone eingerichtet. Die Epheben haben ausserdem noch an den Theseen und im ἐπιτάφιος ἀγών (Arist. Ἀθην. πολιτ. 58) Gelegenheit, ihre Kräfte zu messen; die hippischen A. der Panathenaeen, der Ἀνάκεια und Ὀλυμπιεῖα (CIA II 1291) werden von der vornehmen Jugend Athens mit leidenschaftlichem Ehrgeiz betrieben. Man sondert jetzt Fohlen und ausgewachsene Pferde bei den Wettreiten und -Fahren; auch Zweigespanne erscheinen in der Rennbahn – lauter Neuerungen, die vermutlich erst von Athen aus weiter verbreitet worden sind (Zweigespanne werden in Olympia Ol. 93, in Delphi Ol. 95, 3, Fohlenviergespanne Ol. 99, bezw. 100, 3, Fohlenreiter in Delphi Ol. 100, 3, in Olympia Ol. 131, Fohlenzweigespanne Ol. 116, 3, bezw. Ol. 128 zugelassen). Dagegen dürften die A. für Herolde und Trompetenbläser zuerst in Olympia (seit Ol. 96 = 396) eingerichtet worden sein. Der Waffentanz, der Fackellauf (an den Προμήθια, Ἡφαίστια, Ἑρμαῖα), der Wettkampf der Ruderer (bei Sunion und Munichia), das (aus Boeotien übernommene?) Apobatenspiel, das Rennen von Fackelreitern (an den Βενδίδεια seit 400, nach thrakischem Vorbild?), das (thessalische?) Speerschleudern der Reiter finden in den athenischen A. eifrige Pflege. Der Wert, der hier auf körperliche Schönheit und vornehmes Erscheinen gelegt wird, verleiht den athenischen A. der Euandria besonderes Interesse. Regen Wetteifer entfalten die Choregen in Pracht und Geschmack der Ausstattung; denn die wohlorganisierten A. der Bürgerchöre an den Dionysien, Thargelien und Panathenaeen (eine kurze Zeit hindurch auch an den Hephaistien und Promethien, vgl. Schöll S.-Ber. Akad. München 1887, 1f.) sind neben den scenischen A., die jetzt feste Gestalt gewinnen, die Krone der athenischen Agonistik. Neben den A. der dramatischen Dichter treten seit dem Ende des 5. Jhdts. die Wettkämpfe der Schauspieler mehr und mehr in den Vordergrund. Dem Beispiele der Hauptstadt schliessen sich die attischen Demen an; neben den Διονύσια im Peiraieus (A. an den Ποσειδώνια wohl erst seit Lykurg), den Βραυρώνια, den Ἡηράκλεια zu Marathon, den grossen Eleusinien, die unter officieller Beteiligung der Hauptstadt gefeiert werden, sind noch die Αἰάντεια auf Salamis, die Ἀμαρύσια zu Athmonon, die Διονύσια zu Eleusis, Salamis u. a. zu nennen. Aber auch im übrigen Griechenland wirkt der nationale Aufschwung, den die Perserkämpfe veranlasst haben, fördernd auf den Betrieb der A. ein. Allüberall werden gymnische A. abgehalten, mit denen an allen grösseren Orten jetzt auch hippische verbunden sind, so seit 426 in Delos (Thuk. III 104, 7), um 329/8 in Eleusis (Bull. hell. VII 194f., vgl. Bull. hell. XIV 277 [Rhodos]). Musische [856] A., die lange nur auf wenige Feste beschränkt bleiben, werden seit der zweiten Hälfte, scenische seit dem Ende des 5. Jhdts. in wachsender Anzahl abgehalten. Eine genaue topographische Statistik aller A. dieser Zeit zu geben, ist wenigstens heute noch unmöglich; von den wenigsten ist die Gründungszeit bekannt, viele sind nur kurze Zeit hindurch abgehalten worden, bei den chorischen Aufführungen der dorischen Staaten ist der agonistische Betrieb vielfach zweifelhaft, ebenso bei dramatischen Spielen (denn ἀγών und ἀγωνίζεσθαι wird schon im 4. Jhdt. vom öffentlichen Auftreten vielfach auch dort gesagt, wo das Moment des Wettkampfes fehlt. [Aristot.] Eth. Nicom. X 5 p. 1175 b 12, vgl. Foucart De colleg. scaen. artific. 62). Sind also auch zahlreiche Irrtümer unvermeidlich, so soll doch der Versuch gemacht werden, eine Liste jener innerhalb des griechischen Festlandes gefeierten A. zusammenzustellen, welche entweder nachweisbar im 5. und 4. Jhdt. begangen worden sind, oder deren Begehung doch mit Wahrscheinlichkeit in dieser Epoche vorausgesetzt werden kann. Für ältere Litteraturbelege genügt es vorläufig auf die Angaben bei Krause Gymnastik II 669ff. Hermann-Stark Gottesdienstl. Altertümer S. 330ff. Reisch de musicis Graec. certaminibus zu verweisen; weiteres wird in den Artikeln über die einzelnen Orte, Feste und Kampfarten gegeben werden. Beginnen wir mit dem westlichen Peloponnes, so sind in Elis neben den grossen Olympien als agonistische Feste zu nennen die Ἡραῖα (Wettlauf der Jungfrauen), Διονύσια (Arch. Zeit. XXXIII 183f.), in Messene die Ἱθωμαῖα (nach der zweifelhaften Angabe Paus. IV 33, 3 – vgl. 27, 7 – in alter Zeit musisch; wohl lange unterbrochen, später erneuert. Le Bas-Foucart 317. Bull. hell. V 155), vielleicht die Panegyris der Artemis Limnatis (Le Bas-Foucart 297), in Lakedaemon zu Sparta: Καρνεῖα, Γυμνοπαιδίαι, Ἐλευσίνια, Οὐράνια, Διονύσια, (Wettlauf der Jungfrauen), ἐπιτάφιος ἀγών (Λεωνίδαια), ein Artemisfest (Preller-Robert Gr. Myth. I 308) und andere nur durch Grammatiker bezeugte A. (Ἠλακάτεια, Συρμαία, Πιτανάτης ἀγών), zu Karyai ein Artemisfest mit Jungfrauenchören, zu Amyklai Ὑακίνθια an verschiedenen Orten hippische A. (IGA 79; vgl. CIG 1430), in Arkadien (vgl. Polyb. IV 20, 8) bei Lykosura Λύκαια (Preller-Robert Gr. Myth. I 129), zu Lusoi hippische A. (vgl. (Kaibel Epigr. Gr. 932a), zu Pheneos Ἑρμαῖα, zu Tegea Ἀλεαῖα (Bull. hell. X 444. XIII 281ff. Fränkel Inschr. v. Pergamon 156), Ἁλώτια, Ὀλυμπιακοὶ ἀγῶνες (CIG 1513), zu Kleitor Κοριάσια (Le Bas-Foucart 42a. Bull, hell. X 327; Κόρεια vgl. Krause 735), in Achaia zu Pellene Θεοξένια, Ἡραῖα, Ἑρμαῖα, Δίια, zu Rhion Ῥίεια (Amer. Journ. of arch. V 283), in der Argolis zu Kleonai Νέμεα (später in Argos abgehalten), zu Argos (vgl. Her. III 131. V 67. IGA 37) Ἡραῖα oder Ἡκατόμβοια (ἡ ἐξ Ἄργους ἀσπίς, auch musisch), Σθένια, zu Epidauros Ἀσκληπίεια (auch musisch), zu Korinth (θυμελικοὶ ἀγῶνες Athen. VIII 350 c) ausser den Isthmien Εὔκλεια (Xen. Hell. IV 4, 2), Ἑλλώτια (Fackellauf), zu Hermione Dionysien (musische A. und A. im Rudern und Tauchen; Paus. II 35, 1), zu Troizen Πύθια (Paus. II 32, 2), zu Phlius gymnische A. (Simonides 155, 11 Bergk), zu Sikyon (vgl. Herod. [857] V 67. Athen. VIII 351f.) Πύθια (auch musisch), in Megara (vgl. Le Bas-Foucart 29. 30a) Πυθάεια, Διόκλεια, Ἀλκάθοια, zu Aigosthenai Μελαμπόδια (Le Bas-Foucart 25a. Bull. hell. IX 318), auf Aigina Ἡραῖα, Δελφίνια (oder Ὑδροφόρια), Αἰάκεια, in Boeotien zu Oropos Ἀμφιαράια (Ἐφημ. ἀρχ. 1884, 128 nr. 5; auch musisch), zu Plataiai Ἐλευθέρια (Bull. hell. IX 423), zu Tanagra Ἑρμαῖα, zu Onchestos ein Poseidonfest (Hymn. Apoll. 230), zu Koroneia Παμβοιώτια (CIG 1588. Bull. hell. IX 431), zu Thespiai Ἐρωτίδια, Μουσεῖα (musisch), zu Orchomenos Μινύεια (?), Χαριτήσια, Ἀγριώνια, Ὁμολώια (alle drei musisch), zu Theben (Ἡράκλεια oder (Ἱολάεια, Ἀγριώνια (musisch), zu Akraiphia Πτώια, (erst später erneuert?), zu Lebadeia Τροφώνια, seit 371 Βασίλεια (Bull. hell. X 444. Ath. Mitt. XIV 105; auch musisch), bei Delion seit 424 Δήλια (nur kurze Zeit hindurch?), auf Euboia Ἀρτεμίσια zu Amarynthos und in Nordeuboea (Rangabé Ant. hellén. 689. Athen. Mitt VII 202), Γεραίστια, Βασίλεια, in Mittelgriechenland ausser den delphischen Πύθια zu Opus Αἰάντεια, am Oeta ein Nymphenfest (CIA II 1318. Anton. Lib. 32), in Akarnanien Ἄκτια, zu Dodona Νάïα, in Thessalien Πρωτεσιλάια, Ἐλευθέρια zu Larisa (Le Bas-Foucart 42b. Bull. hell. X 444).

Wenn der eine oder der andere dieser A. schon im Laufe des 5. Jhdts. eingegangen ist, so können andererseits gewiss auch an zahlreichen Festen, die als ἑορταί und πανηγύρεις bezeichnet werden, A. vorausgesetzt werden; solche sind ausserdem mittelbar durch die Stadien, Hippodrome und Theater bezeugt, die an manchen Orten gewiss schon ins 5. und 4. Jhdt. hinaufreichen. Noch ungenügender sind die Nachrichten über die A. auf den Inseln und in Kleinasien, die meist erst für spätere Zeit ausdrücklich bezeugt sind. Wie die Ἀπολλώνια auf Delos (seit 425 von den Athenern penteterisch als Δήλια gefeiert), werden auch die Πύθια zu Karthaia auf Keos, die Διονύσια zu Antissa auf Lesbos, auf Naxos, Tenedos und Chios, die Ἀπολλώνια zu Mytilene, die Ποσειδώνια auf Tenos, die Ἡράκλεια auf Syros, die Ἡραῖα auf Samos schon im 5. Jhdt. mit A. verbunden gewesen sein, ebenso die Άνθεστήρια und Διονύσια zu Teos, die Ἀρτεμίσια zu Ephesos, die Διδύμεια zu Milet, die Ἀσκληπίεια auf Keos, die Ἁλίεια auf Rhodos (Dittenberger Ind. lect. v. Halle 1886), s. o. Auf Kreta wird die Agonistik in ähnlicher Weise wie in Sparta geblüht haben (Ἑρμαῖα zu Kydonia); auch die kyprischen Königsstädte ermangeln nicht der A. Natürlich haben ebenso die griechischen Colonien und graecisierten Königreiche in Makedonien, Thrakien (Βοσπόρεια zu Byzanz CIG 2034), am Pontus, in Kyrene, Grossgriechenland und insbesondere in Sicilien (s. o.) zahlreiche A., die denen des griechischen Festlandes nachgebildet waren, gefeiert.

In der folgenden Periode von der Zeit Alexanders bis auf Augustus verbreiten sich die A. über alle dem Hellenismus neuerschlossenen Länder. Die attischen Dionysia werden zum Teil schon seit dem Ende des 5. Jhdts. auf allen Inseln des Archipelagus und in Kleinasien nachgeahmt; von wirklichen Wettkämpfen ist freilich nur selten die Rede. Besonders in Schwung [858] kommen jetzt wieder die Gelegenheitsagone bei Leichenfeiern und Siegesfesten; ein periodischer A., der an eine solche Siegesfeier anknüpft, sind die nach 278 gegründeten Σωτήρια zu Delphi. Die Diadochen sorgen dafür, dass ihre Residenzstädte Pella, Alexandreia (Anth. Pal. VII 708. Vitruv. VII praef. 4. Athen. VII 276B. Theokr. XVII 112. Bull. hell. IX 132), Pergamon (Νικηφόρια: Fränkel Inschr. v. Pergamon nr. 167), Antiocheia ἐπὶ Δάφνῃ (Fränkel nr. 160), auch durch den Glanz ihrer A. hervorragen; neu aufblühende Städte, wie Ilion und Klaros, gründen A. (CIA II 1311), die alten Kulturcentren Kleinasiens entwickeln ihre A. in ähnlich reicher Weise, wie früher Athen. In grosser Zahl werden A. zu Ehren Alexanders und seiner Nachfolger, Ἀλεξάνδρεια, Πτολεμαῖα, Σελεύκεια, Δημήτρια, Εὐμένεια, Φιλεταίρεια, Ἀττάλεια, gegründet (vgl. Poland Comment. phil. f. Ribbeck 1888, 456. 461). Vielfach feiert man die alten Feste der Götter jetzt ὑπὲρ τοῦ βασιλέως (CIG 6819, 21) und benennt auch sie nach den Herrschern: wie schon früher einmal die Samier ihre Ἡραῖα dem spartanischen Feldherrn zu Ehren Λυσάνδρια genannt hatten (Plut. Lys. 18), so bezeichnen jetzt die Athener vorübergehend ihre Dionysien als Δημήτρια (Plut. Dem. 12). Seit dem 2. Jhdt. v. Chr. nimmt Rom im agonistischen Betrieb die Stelle der Diadochen ein; man feiert nun unter dem Namen Ῥωμαῖα teils neue A. (vgl. Liv. XLIII 6 [Alabanda]. Papers of the americain school I nr. 8 [Stratonikeia]. Athen. Mitt. VIII 361 [Ephesos]. Dittenberger Syll. 398 [Chalkis und Kerkyra] u. a. O. Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berlin 1888, 835f.), teils räumt man bei den alten A. nun neben der Festgottheit der Ῥώμη θεὰ Εὐεργέτις einen Platz ein (Inschr. v. Lagina Bull. hell. IX 450), sodass man von Ἀμφιάραα καὶ Ῥωμαῖα (Ἐφημ. ἀρχ. 1884, 184f.), Ἐρωτίδεα καὶ Ῥωμαῖα (CIA II 490) und dergleichen spricht; auch einzelne römische Feldherrn (Hermann-Stark § 59, 6), Verwaltungsbeamte und verdienstvolle Bürger werden als ‚Wohlthäter‘ durch A. (Λουκούλλεια, Σύλλεια, Παύλεια, Ἀρτεμιδώρεια u. s. w.) geehrt; bezeichnend ist ein Beschluss der Lethaeer für einen Quaestor (Dittenberger Syll. 247): τίθεσθαι αὐτῷ ἀγῶνα ἱππικόν... ὃταν καὶ τοῖς ἄλλοις εὐεργέταις οἱ ἀγῶνες ἐπιτελῶνται. Dagegen verblassen die altangesehenen A. des griechischen Festlandes, insbesondere die Athens, seit dem Anfang des 3. Jhdts. mehr und mehr; viele werden nur unregelmässig begangen oder hören ganz auf, und erfahren nur eine ἀνανέωσις, wenn die grossmütige Laune eines reichen Bürgers dazu einmal die nötigen Mittel zur Verfügung stellt. Die römischen Feldherrn greifen auch activ ein, indem sie nach hellenistischem Muster grosse Siegesagone veranstalten (Liv. XLV 22. Plut. Aemil. 28; Sulla 19) und die certamina Graeca auch in Rom selbst zur Verherrlichung ihrer Erfolge vorführen (zuerst M. Fulvius Nobilior im J. 186, vgl. Friedländer Sittengesch. II6 477).

Die Programme der A. bleiben ihrer Form nach im wesentlichen unverändert. Dem Gange der Volkserziehung entsprechend, die jetzt den Wert der körperlichen Ausbildung geringer bemisst, treten die gymnischen A. hinter den musischen zurück; soweit sie nicht unmittelbar von [859] den Ephebenschulen aus betrieben werden, nehmen fast ausschliesslich nur berufsmässig ausgebildete Athleten daran teil, unter denen die halbhellenisierten ‚Barbaren‘ immer zahlreicher werden. Die hippischen A. werden von den für die ‚Hebung der Pferdezucht‘ interessierten Sportsleuten, zu denen jetzt zahlreiche Mitglieder aus den königlichen Familien zählen, nach wie vor eifrig betrieben; von dem Prunk der athenischen Wagenparaden und Pferderennen zu Ende des 3. Jhdts. legen die Panathenaeeninschriften CIA II 966f. Zeugnis ab. Musische Aufführungen werden in wachsender Zahl veranstaltet; allerorts feiert man nach attischem Muster Διονύσια; die persönliche Vorliebe Alexanders für solche A. ward auch von seinen Nachfolgern geteilt; die scenischen Aufführungen werden jetzt, ohne Rücksicht auf ihren ursprünglichen Zusammenhang mit dem Dionysoskult, auch an nichtdionysischen Festen aufgeführt. Die Isthmien und Nemeen werden durch musische A. erweitert (CIA II 1367. Bull. hell. XI 75. Reisch 77f.), an den Pythien vielleicht schon jetzt, wie an den Soterien, scenische A. (welche für die Kaiserzeit bezeugt sind) veranstaltet. Inhaltlich erfährt das Programm der musischen A. mancherlei Veränderungen, die in der poetisch-musikalischen Production dieser Periode begründet sind. Die Wettkämpfe der Bürgerchöre verfallen mehr und mehr; der Chor erscheint nur als nebensächliches, begleitendes Element neben dem Einzelkünstler; man spricht von αὐληταί, κιθαρισταὶ μετὰ χοροῦ. Der Dithyrambus bildet jetzt auch den Gegenstand eines Einzelagons von Kitharoden (CIA II 1367. Bull. hell IV 170). Für die ἐπῶν ποιηταί werden nunmehr auch in Griechenland überall A. eingerichtet, wie sie seit Alters im Osten üblich waren. Breiten Raum nimmt die Enkomienpoesie in den A. ein; ἀ. ἐγκωμίων werden nicht nur zu Ehren Verstorbener (vgl. Welcker Gr. Trag. 1079f. [für Maussolos]; Chares bei Athen. X 437 a [für Kalanos]), sondern auch für Lebende veranstaltet, z. B. ein A. von Paeanen auf Antigonos und Demetrios in Athen (Athen. XV 697 a). In den Enkomien an den A. der römischen Periode bildete wohl seltener der Festgott (Reisch 126 X) als Rom, seine Feldherrn und Siege den Hauptinhalt. Die Veränderungen der scenischen A. können wir nicht genauer feststellen, die Schauspielkunst steht jetzt in erster Linie; ποιηταὶ Σατύρων treten zahlreich in selbständigen Wettkämpfen auf. Der massenhafte Betrieb der musischen A. ist gleicherweise Ursache und Folge der berufsmässigen Technitenwirtschaft dieser Epoche; schon seit dem 4. Jhdt. schliessen sich die musischen Künstler, die von Agon zu Agon ziehend ihr Brot erwerben, zu festorganisierten Gilden unter dem Patronat des Dionysos (κοινὸν τῶν περὶ τὸν Διόνυσον τεχνιτῶν) zusammen; diese senden für Geld und gute Worte nach den verschiedensten Festorten ein vollzähliges Personal zur Veranstaltung von A. aller Art; die musischen A. — wirkliche ἀ. τεχνιτῶν (CIA II 1298) — heissen jetzt allgemein Διονυσιακοὶ ἀ. im Gegensatz zu den gymnischen (Aristot. Polit. p. 1322). Ein Bild solcher A. geben die Agonistenverzeichnisse der Soterien (Wescher-Foucart Inscr. de Delphes 3–6. Lüders Dion. Künstler 187ff.) aus dem [860] Anfang des 3. Jhdts. und die boeotischen Siegerkataloge der sullanischen Zeit (Reisch 116ff.).

Die römische Kaiserzeit bedeutet in ihrer ersten Hälfte für die A. eine Zeit grössten äusseren Glanzes. Von der Massenhaftigkeit der A. im 1. und 2. Jhdt. geben zahlreiche Inschriften und Münzen Kunde; allerorts will man A. im grossen Massstab feiern, denen man den Namen oder Beinamen der Ὀλύμπια, Πύθια, Ἄκτια, Καπετώλια beilegt (Krause Olympia 202ff.; Pythien 53ff.) – auch Νεμέα kommen vor im thrakischen Anchialos –, womit zunächst gesagt sein soll, dass die A. ἀ. ἰσολύμπιοι, ἰσοπύθιοι sind (s. o.), also nicht nur ἱεροί und οἰκουμενικοί sind, sondern sich in einigen Hauptpunkten (den Kampfarten, den Siegerprivilegien und dergleichen) mit jenen Nationalspielen decken; die vereinigten Namen Ὀλύμπια Πύθια würden also andeuten, dass der gymnisch-hippische A. nach dem Muster der Olympien, der musische nach dem Vorbild der Pythien eingerichtet ist. Allein diese Beinamen sind vielfach nur leere Ruhmestitel – es kommen z. B. mehrfach musische Ὀλύμπια vor –, die nur im allgemeinen den Glanz der A. hervorheben und sie jenen altberühmten an die Seite stellen sollen (G. Hirschfeld Ztschr. f. öst. Gymn. 1882, 495. Mie 52), überhaupt liebt man es jetzt, die Namen der A. mit einer Menge von Prädicaten auszustatten. Wie früher den Diadochen und der Göttin Roma zu Ehren, werden jetzt die A. mit den Titeln und Namen der Kaiser zubenannt, vgl. z. B. Καισάρηα Σεβάστηα Μουσεῖα (CIG 1586), Σεβάστεια Ἀσκλήπεια (CIG 1186), Οὐράνια Σεβάστεια Νερουανίδεια (CIG 1424), Διδύμεια Κομμόδεια (CIG 2862), Σεβαστὰ Ἡραῖα(Stamatakis Samiaka nr. 58) u. s. w. Noch häufiger sind die A., die nach dem kaiserlichen Namen allein benannt und zum grossen Teil auch wirklich neue Gründungen sind. So begegnen wir ἀ. τοῦ Σεβαστοῦ (CIG 2961 B), τῆς Σεβαστῆς (CIG 3831), zahlreichen Σεβαστά (auch Σεβάσμια), Καισάρεια, Αὐτοκρατόρια (CIG 4282), Αὐγούστεια, Λειβίδηα (Bull. hell. III 443), Γερμανίκεια (CIA III 1079f.), Κλαυδίηα, Neronea, Τραιάνηα, Καισάρηα Νερουάνηα Τραιάνηα Σεβάστηα Γερμανίκηα Δάκηα (CIG 1186), Ἀδριάνεια, zahlreichen Ὀλύμπια zu Ehren Hadrians, A. für eine Faustina (Milet), Ἀντινόεια (Athen, Eleusis, Mantinea, Bithynien, vgl. Bull. hell. IX 68), Ἀντωνίνεια, Ἀντώνεια (Athen), Εὐσέβεια, Φιλαδέλφεια (CIA III 747f. für M. Aurel und L. Verus), Αὐρήλια Ἀντωνιανά, Κομώδεια (auch Ἡράκλεια für Commodus), Σεουήρια (CIA III 129 u. ö. für Septimius Severus), Σεουήρια Φιλαδέλφια (für Caracalla und Geta), Ἀλεξάνδρεια (für Alexander Severus), Γορδιάνηα, Οὐαληριανά u. s. w. (weitere Belege im Index zu CIG S. 42ff. Head HN LXXI. Beurlier Le culte impérial 162ff.). Wie alle diese A. in fernerer oder näherer Beziehung zum Kaiserkulte stehen, so hängen mit diesem in officiellster Weise die A. zusammen, welche mit den von den Landschaften (κοινά) errichteten Kaisertempeln verbunden sind und in der Regel kurzweg κοινά, seltener nach dem Namen der betreffenden Kaiser genannt werden. Es bleibt der Titel κοινά aber auf die A. jener Provincialtempel beschränkt, durch welche die einzelnen Städte den Namen einer Metropolis und das erste [861] Neokorat erworben haben (Büchner de neocoria 61ff). Diese A. sind fast durchwegs penteterisch, ἱεροί, οἰκουμενικοί, gymnisch sowohl als musisch und mit den Siegerprivilegien der Nationalspiele ausgestattet. Wir kennen κοινὰ Ἀσίας (in Pergamon, Smyrna, Ephesos, Sardes, Kyzikos, Laodikeia, Philadelpheia, Tralles, vgl. Büchner 64. Liermann 36), Συρίας (Antiocheia), Κιλικίας (Tarsos). Λυκίων, Κύπρων, Κρητῶν, Φρυγίας, Βειθυνίας, Καππαδόκων, Γαλατῶν, Πόντου, Μαγνήτων (Demetrias, vgl. Bull. hell. III 443), Θεσσαλῶν (Larisa). Eine Sonderstellung nehmen die Πανελλήνια zu Athen ein; sie sollten den panhellenischen Traum der hadrianischen Zeit in Bundesfesten, welche von allen griechischen Städten beschickt wurden, verwirklichen. Aus der Menge der übrigen A. seien noch hervorgehoben die Εὐρυκλεῖα zu Sparta (Weil Athen. Mitt. VI 12), die Ὀλύμπια zu Athen, Ephesos, Tralles und Alexandreia (Mie 54f.), Θεοφάνια auf Chios, Κόρεια zu Kyzikos, Σμίνθια in der Troas (Athen. Mitt. IX 72), Ἀρτεμίσια und Βαβίλληα zu Ephesos (Liermann 95), Πανιώνια zu Milet, Χρυσάνθινα zu Sardes, Λευκοφρύνεια zu Magnesia, Δεῖα Ἄλεια und Ἀναείτεια zu Philadelpheia in Lydien, Τυρίμνηα zu Thyateira, Ἑκατήσια und Παναμάρεια zu Stratonikeia, Ἡράκλεια zu Tyros. Die Menge der A. wächst in der Kaiserzeit hauptsächlich dadurch in das Zahllose, dass immer häufiger reiche Bürger Geschenke oder Legate dem Gemeinwesen zur Gründung von A. überweisen, eine Sitte, für die auch schon in früherer Zeit sich einzelne Beispiele finden (CIG 1845. Wescher-Foucart Inscr. d. Delphes 436). Diese A., die freilich meist nur von kürzerer Dauer sind (vgl. θέμις), führen in der Regel den Namen des Stifters oder seiner Familie. Wie im hellenisierten Osten, so wurden auch im Westen während der ersten zwei Jahrhunderte der Kaiserzeit immer zahlreichere und glänzendere A. gefeiert. Dem Beispiele des Augustus folgend (Suet. Aug. 45) fanden auch die übrigen Kaiser des iulisch-claudischen Hauses an den griechischen A. Wohlgefallen, ja sie nahmen vielfach thätigen Anteil daran (Suet. Claud. 11. Dittenberger Syll. 277f.), eine Teilnahme, die bei Nero zu schamloser Tollheit ausartete (s. u.). Unter den A. im übrigen Italien nehmen die penteterischen Augustalia zu Neapel (Mie 43f.) und die von Antoninus Pius gestifteten Ἐὐσέβεια in Puteoli den ersten Rang ein. Von Italien aus haben sich die griechischen A. auch nach den entlegenen westlichen Provinzen verbreitet; vgl. Friedländer II6 635f.

Es treten jetzt wieder die gymnischen Athleten in den A. mehr hervor; ihre Leistungen finden um so grösseren Beifall, je weniger die Zuschauer, abgesehen von einigen vornehmen Dilettanten und archaisierenden Schwärmern, selbst in körperlichen Übungen geschult sind. Während die hippischen A. in den nach römischem Muster umgestalteten Circusspielen (s. Circus, Ludi) eine gesonderte Entwicklung nehmen, sind an allen grösseren Festen mit den gymnischen A. auch musische, meist auch scenische A. vereinigt; in diesen herrscht eine grosse Mannigfaltigkeit von Kampfarten, indem man vielfach alte, längst nicht mehr geübte Kampfarten (auch die chorischen) wieder einzuführen sucht und das Programm [862] der hellenistischen Zeit noch um allerhand Specialitäten und Mischgattungen bereichert, welche Gelegenheit geben, die Fertigkeit in verschiedenen Künsteleien zu zeigen; vgl. CIG 1585. 2785f. Arch. Zeit. XXXVII 132f. Das Virtuosentum steht auf allen Gebieten in voller Blüte und es kann an dem handwerksmässigen Charakter des Agonistentums nichts ändern, wenn hie und da Söhne aus guten Familien sich dem Berufe des Wettkämpfers widmen und die Sieger von grossen und kleinen Gemeinwesen mit Lobdecreten und Statuen, mit Bürgerrecht, Ratsherrntitel und Ehrenbezeigungen aller Art in anwidernder Überschwenglichkeit gefeiert werden. Die Athletik jener Zeit ist ein einträgliches Gewerbe; von einem Ende der römischen Welt zum andern ziehen die Agonisten, um eine Unzahl von Kränzen und Geldpreisen einzuheimsen (CIG 3425: στεφανωθέντα ἱεροὺς ἀγῶνας τοὺς ἀπὸ τῆς οἰκουμένης πάντας ἀπὸ Καπετωλίου ἒως Ἀντιοχείας τῆς Συρίας; (Kaibel IGI 1102: ἀγωνισάμενος ἐν ἔθνεσιν τρισίν, Ἰταλίᾳ Ἑλλάδι Ἀσίᾳ. CIL VI 10154). Ein grosser, reich gegliederter Technitenverein, der neben Dionysos auch den jeweiligen Kaiser als Patron verehrt, bildet den gemeinsamen Rahmen für eine grosse Zahl von Zweigvereinen an allen Punkten des Reiches; seit der römischen Zeit treten auch die gymnischen Agonisten in Genossenschaften zusammen (Lüders Dionys. Künstler 33ff.), welche später vielfach mit jenen dionysischen Vereinen (s. d.) verschmelzen. Gestützt durch diese Vereine, die mit mancherlei Privilegien ausgestattet sind, erhält sich die berufsmässige Agonistik bis in die letzten Zeiten des römischen Reiches. Seit der Mitte des 3. Jhdts. machen sich die äusseren Bedrängnisse und die materielle Not in den graecisierten Provinzen immer mehr fühlbar; allmählich versiegen die Gelder für das inhaltslose Schaugepränge der A. Während die Circusspiele noch lange Zeit den Gegenstand leidenschaftlichen Sporttreibens bilden, sterben die gymnischen und musischen A. allmählich ab; nur in den Hauptstädten erhält sich noch eine im römischen Geschmack umgebildete Athletik. Auch Kaiser Iulians Sympathien können den Verfall nicht aufhalten, 394 werden unter Theodosius die Olympien eingestellt, während die andern ‚Nationalspiele‘ wohl schon früher eingegangen sein werden (Krause Olympia 50).

Bedeutung der Agone für die griechische Kultur. Die segensreichen wie die nachteiligen Wirkungen der A. ergeben sich von selbst aus der vorausgeschickten Skizze ihrer geschichtlichen Schicksale. Selbst ein wichtiger Factor der nationalen Entwicklung, ist die Agonistik mit der Blüte wie mit dem Verfall des Hellenentums auf das innigste verwachsen; wie an einem Gradmesser der nationalen Kultur treten in dem Agonenwesen vielfach innerliche Processe in greifbarer Gestalt zu Tage. An dem Aufschwung des nationalen Lebens in vorperikleischer Zeit hat die Agonistik, auch abgesehen von dem engeren Contact der einzelnen Stämme, zu dem die Festversammlungen Gelegenheit boten, einen Anteil, der nicht leicht hoch genug geschätzt werden kann (Curtius Altertum und Gegenwart I 132ff. L. Schmidt Ethik der Griechen I 190ff). Die allgemeine Teilnahme an den A., [863] welche den Agonisten zum Mittelpunkt des öffentlichen Interesses werden lässt, das jubelnde Lob, das den Sieger lohnte, die öffentliche Wertschätzung, die ihm als einer Zierde seiner Heimat ein Leben voller Ehre und in Urkunden und Statuen die Unsterblichkeit des Namens verbürgte, mussten ein mächtiger Ansporn sein zu vollem Einsatz aller Kräfte, zur rastlosen Ausbildung aller Fähigkeiten. Wie in der Knabenerziehung die Agonistik als mächtiger Hebel wirkt (s. oben), so dienen die öffentlichen A. der Volkserziehung (Xenoph. Cyr. II 1, 22. VIII 2, 26), indem sie in Tausenden das gleiche Streben anregen und die Lust zur erforderlichen kunstmässigen Vorbereitung erwecken.

Wenn die Agonistik im engeren Sinne als die angewandte Gymnastik im Dienste der Wettkämpfe zunächst auf dem Boden des Gymnasiums erwachsen ist, so übt sie rückwirkend wiederum belebenden Einfluss auf die Gymnastik, die sie nicht zum gleichgiltigen Spiel oder formalen Drill werden lässt; indem sie Eifer und Anteilnahme in die körperlichen Übungen der Epheben bringt, fördert sie die körperliche Tüchtigkeit und hilft die materielle Grundlage des hellenischen Lebensideals befestigen. Indem ferner die Gefährlichkeit mancher Übungen den Mut hebt, in Kaltblütigkeit übt, körperliche Schmerzen gering schätzen und verwinden lehrt, tragen die A. dazu bei, dem Staate tüchtige Krieger zu erziehen. Aber auch die Agonistik im weiteren Sinne kommt dem Staate zu gute. Durch die Erweckung des Wetteifers macht der Staat den Choregen ihre Liturgieen zu einer persönlichen Ehrensache und veranlasst sie, in ihren Leistungen freiwillig das gesetzlich geforderte Mass weit zu überbieten; an Stelle des staatlichen Zwanges tritt der Ehrgeiz des Einzelnen, der alles daran setzt, den Kranz und den brausenden Beifall der versammelten Festgemeinde zu erringen (Antiphanes fgm. 204 Kock. Xenoph. Hipp. I 26). Dauernde Früchte hat die Agonistik auf dem Gebiete der Künste getragen, zunächst unmittelbar für Poesie, Musik und Orchestik. In den A. war jedem Können sofort Gelegenheit geboten, an die Öffentlichkeit zu treten; hier konnte der Wert jeder Neuerung an dem Beifall der Festgenossen geprüft werden; hier durfte jeder Fortschritt erwarten, würdigende Anerkennung in weiteren Kreisen zu finden. Der Drang, ja der Zwang es einander zuvorzuthun, führt zur schrittweisen Entwicklung ganzer Kunstgattungen. Deutlich ist ja die Tragödie ein Kind der Agonistik; mit dem Eintreten neuer Wettbewerber geschieht jedesmal ein weiterer Schritt in der Ausbildung der Kunstform; und auch die Komödie hat ihre Wurzeln in volkstümlicher Agonistik (Zielinski Gliederung der altattischen Komödie). Und wie die A. die Poesie stofflich bereichern, wie sie dem Epos zu glanzvollen Schilderungen Gelegenheit bieten und die Lyrik um das üppige Reis der Enkomien und Epinikien bereichern, so erschliessen sie auch den bildenden Künsten eine Fülle neuen Inhaltes. Mochte dem Künstler das Gymnasium genügen, um den menschlichen Körper in verschiedenartigsten Bewegungen kennen zu lernen, so steigerten die γυμνικοί ἀ. die Wertschätzung der Schönheit [864] des nackten Leibes und erhöhten den Reiz der plastischen Nachahmung, indem sie ihr gleichzeitig das allgemeine Interesse sicherten. So werden die Siegerstatuen das Studienobject der grössten Künstler, ihre Verfertigung ein reicher Erwerbszweig der Bildhauerwerkstätten (s. Siegerstatuen). Die fromme Sitte, für Siege aller Art ein Weihgeschenk zu stiften, nimmt alle Gattungen der bildenden Kunst in ihre Dienste und stellt den Künstler vor eine reiche Wahl mannigfaltigster Stoffe; denn alles, was auf den agonistischen Schauplätzen, in Stadion und Theater vor sich geht, kann zum Gegenstand eines anathematischen Kunstwerkes gemacht werden (Reisch Griech. Weihgeschenke, Wien 1889). Von hier aus ergiesst sich seit dem Anfang des 6. Jhdts. ein reicher Strom von bildlichen Vorwürfen und Typen über alle Gebiete der Kleinkunst (s. u.).

Dem stehen aber seit dem Verfall des politischen Lebens in Griechenland ebensoviele Schattenseiten der A. gegenüber. In der übermässigen Auszeichnung der Sieger lag der erste Keim des Verfalls; wenn es der Mühe wert scheinen konnte, sein ganzes Leben der Vorbereitung zu einem Wettkampf zu widmen, dessen Siegeskranz mit mannigfachen Privilegien verbunden war, so ergab sich naturgemäss, dass sich Einzelne berufsmässig nach der einen bestimmten Richtung hin ausbildeten, und durch ἀναγκοφαγία (s. d.) und andere Trainierungsarten (s. Schauspieler) eine einseitige Fertigkeit auf Kosten einer harmonischen Ausbildung zu entwickeln suchten. Man lernt nicht mehr ἐπὶ παιδείᾳ, sondern ἐπὶ τέχνῃ (Plat. Protag. 312 B), um ein δημιουργός zu werden. Die berufsmässige Athletik (s. d.), die sich selbst Zweck ist, bringt dem Staate keinen Vorteil mehr, sie ist nicht eine Vorbereitung für den Krieg, sondern macht dazu untauglich. Noch früher als in der Gymnastik beginnt das Virtuosen- und Specialistentum auf anderen Gebieten; schon im 4. Jhdt klagt man, dass die ἀγωνιστικὴ τέχχη auch auf die Erziehung der Jugend schädlich und vergiftend einwirkt (Aristot. Polit. V 6, 4. 7, 1). Die Kluft zwischen Agonisten und Zuschauern wird immer grösser, mit der Urteilslosigkeit der letzteren steigern sich die Künsteleien der ersteren. Mit Recht haben schon die Alten hervorgehoben, dass das äusserliche Haschen nach Beifall seit dem 4. Jhdt. v. Chr. an den Verzerrungen der ‚modernen‘ Musik und an den Übertreibungen der Vortragskünste Schuld trage. Zudem musste die grosse Zahl der musischen A. zu einem handwerksmässigen Betrieb der musischen Künste führen und eine Überproduction schwächlicher Alltagsmache hervorrufen. Um so grösser wird aber die Eitelkeit der Sieger und die Bewunderung der Gaffer; so wird auf der einen Seite inhaltloser Ehrgeiz, auf der andern gedankenlose Schaulust durch die A. genährt. Noch geht auch in der letzten Zeit des Hellenentums ein grosser Teil des öffentlichen Lebens im Betrieb der A. auf, aber sie sind zu einem zwecklosen äusserlichen Sportvergnügen geworden, das von ernster Thätigkeit in willkommener Weise abzieht; sie fussen nicht mehr auf der breiten Grundlage allseitig ausgebildeten nationalen Lebens, auf der sie einst organisch erwachsen [865] waren: an einem verdorrten Stamm sind sie der einzige noch wuchernde Zweig, der die letzten Säfte des Baumes an sich gezogen hat und so ein kurzes Nachleben fristet.

Litterarische und monumentale Quellen. Die primären Schriftquellen für die A. bilden die Verzeichnisse in den Archiven der Festorte; diese sind von den Alten selbst in ausgiebigster Weise litterarisch ausgenutzt worden in einer grossen Anzahl von Schriften über Agone, über einzelne Feste, über Siegerlisten, über Musikgeschichte und Gymnastik; Titel solcher Werke sind zusammengestellt bei Krause Olympia VIff. Es ist davon, abgesehen von versprengten Bruchstücken, nichts auf uns gekommen; einige grössere daraus abgeleitete Abschnitte sind uns durch Iulius Africanus (bei Eusebius) und Phlegon, bei Pausanias (B. V. VI. IX) und Philostrat (Gymn.) erhalten. Doch ist das Interesse für Agonistik zu allen Zeiten ein so allgemeines gewesen, dass nicht nur bei Historikern und Dichtern, sondern auch bei den Rednern, Philosophen und Sophisten Nachrichten über das Agonenwesen in reicher Zahl überliefert werden. Eine Reihe der wichtigsten Aufschlüsse verdanken wir den erhaltenen Inschriftsteinen (Reinach Traité d’épigraphie 400f.); diese überliefern uns 1) Beschlüsse über Einsetzung und Anordnung der A.; vgl. Dittenberger Syll. 149f. 215. Bull. hell. V 383. Arch. Ztg. XXXVII 132. CIG 1845. 2741. 2759 (Liermann 114ff.). 2) Listen der ausgesetzten Preise, vgl CIA II 965. CIG 2758. 2759 u. a. 3) Verzeichnisse der sämtlichen Agonisten; vgl. Wescher-Foucart Inscr. de Delphes 3–6. CIA II 973f. Bull. hell. VII 103ff. IX 147ff. CIG 3091. CIA III 78; vgl. Brinck Dissert. Hal. VII 187ff. 207ff. 4) Verzeichnisse der Sieger; vgl. CIA II 444ff. 966ff. 971f. CIG 1583f. (Reisch 116ff.) u. a. 5) Inschriften von Weihgeschenken der Sieger. 6) Ehrendecrete und Inschriften von Ehrenstatuen der Sieger, in denen häufig vollständige Listen der von dem Betreffenden erworbenen Siege gegeben werden.

Aus der Masse der hiehergehörigen Denkmäler, die unter den einzelnen Schlagworten näher besprochen werden sollen, seien nur einige Hauptgruppen hervorgehoben, die nach verschiedenen Seiten hin für die Agonistik aufschlussreich sind: 1) die Festbauten; 2) die Siegerstatuen (s. d.) und Votivstatuetten der Agonisten; 3) Votivreliefs und Reliefbasen von Weihgeschenken (s. d.); 4) die panathenaeischen Vasen, die auf der Rückseite das Bild eines Wettkampfes tragen; 5) zahlreiche Vasen mit Bildern aus der Palaestra, dem Hippodrom, Odeon und Theater; 6) Wandgemälde der etruskischen Gräber (Müller-Deecke Etrusker II 279f.); 7) Münzen mit agonistischen Aufschriften, Typen und Emblemen; 8) Tesserae und Contorniaten; 9) zahlreiche decorativ verwendete agonistische Darstellungen (Terracotten, Sarkophagreliefs, Bronzegeräte, Mosaiken, Diptychen u. s. w.); vgl. O. Müller Handbuch der Archaeologie² 740ff. Krause Gymnastik (36 Tafeln). Schreiber Culturhist. Bilderatlas Tafel 1–7. 20–33.

Litteratur: P. Faber Agonisticon sive de arte athletica ludisque veterum gymnicis, musicis atque circensibus spicilegiorum tractatus in [866] Gronovii Thes. VIII 1757f. Corsini Dissertationes IV agonisticae, Florenz 1747. J. H. Krause Olympia oder Darstellung der grossen olympischen Spiele, Wien 1888; Theagenes oder wissenschaftliche Darstellung der Gymnastik, Agonistik und Festspiele der Hellenen, Halle 1835; umgearbeitet und weiter fortgeführt in dem Werke: Ἑλληνικά oder Institute, Sitten und Bräuche des alten Hellas, Teil I: Die Gymnastik und Agonistik der Hellenen, aus den Schrift- und Bildwerken des Altertums wissenschaftlich dargestellt und durch Abbildungen veranschaulicht, 2 Bde. Teil II, zweiter Band: Die Pythien, Nemeen und Isthmien, Leipzig 1841 (als I. Band soll das vorher erschienene Werk über Olympia gelten). Hermann-Stark Lehrbuch der gottesdienstl. Altertümer 1858, 171ff. 312ff. A. Mommmsen Heortologie 1864. Boeckh Encyklopädie² S. 519ff. (und die S. 547ff. aufgeführte Litteratur). Schömann Griech. Altertümer II³. Reisch De musicis Graecorum certaminibus capita quattuor, Wien 1885. Martin de cavaliers athéniens 1887, 159ff. Mie Quaestiones agonisticae, Rostock 1888. Stengel Sacralaltertümer (Handb. d. Altertumswissensch. V 3) 129ff. Liermann Analecta epigraphica et agonistica 1890 (Dissert. Halenses XI).

[Reisch. ]

Agone in Rom

Agone in Rom. Die Wettkämpfe griechischer Künstler und Athleten, welche mit den von Alters her in Italien heimischen Kämpfen dieser Art (Friedländer S.-G. II6 485 und bei Marquardt St.-V. III² 525) nicht zu verwechseln sind, fanden in Rom zuerst 186 v. Chr. bei den Votivspielen des M. Fulvius Nobilior, jedoch, wie es scheint, in der Form statt, dass die Künstler sich freiwillig dazu einstellten, um den Spielgeber zu ehren. Liv. XXXIX 22. Diese A. wiederholten sich in der republicanischen Zeit nur selten und ohne sich grosser Beliebtheit zu erfreuen. 81 v. Chr. gab Sulla zur Feier seiner Siege ἀθλητὰς καὶ τὰ ἄλλα θεάματα (Appian. b. c. I 99), 58 M. Aemilius Scaurus als Aedilis curulis Athleten (Valer. Max. II 4, 7), 55 Pompeius bei der Einweihung seines Theaters gymnische und musische A. (Dio XXXIX 38. Plut. Pomp. 52), 53 M. Curio bei den Leichenspielen zu Ehren seines Vaters Athleten (Plin. n. h. XXXVI 120), 46 Caesar ebenfalls Athleten gelegentlich seiner Triumphalspiele, in einem für diesen Zweck erbauten Stadium (Suet. Caes. 39). Augustus hat aber nicht allein 3 ausserordentliche A. in seinem, bezw. seines Enkels Namen gegeben (Mon. Anc. IV 33f.), sondern auch ein ordentliches, alle 4 Jahre wiederkehrendes Fest griechischer Art, die Ἄκτια (s. d.) in Nikopolis zum Andenken an seinen Sieg bei Actium eingerichtet, und zur Verherrlichung desselben Sieges hat der Senat seit dem J. 28 n. Chr. die in gleichem Zeitraum sich wiederholenden, hauptsächlich agonistischen ludi pro salute Caesaris (s. d.) gestiftet. Abgesehen von den weniger bedeutenden stehenden Festen dieser Art, den Ἁδριάνεια und den Agones Herculeus, Minervae, Solis (s. d.) ist sodann der Agon Neroneus (s. unter Neronia) unter besonderer Bevorzugung der musischen Kämpfe durch Nero im J. 60 und als der wichtigste von allen der Agon Capitolinus (s. unter Capitolia) durch Domitian im J. 86 [867] ins Leben gerufen. Daneben gewannen die agonistischen Spiele aber auch durch Verbindung mit anderen römischen Spielen und in gelegentlichen Aufführungen für sich, zum Teil trotz heftigen Einspruchs seitens altrömischer Kreise (z. B. Tac. ann. XIV 20. Plin. ep. IV 22), sowohl in Rom selbst, als ganz allgemein in den westlichen Provinzen (Friedländer S.-G. II6 635ff.) eine beständig steigende Bedeutung, bis sie sogar die Gladiatorenspiele in Schatten stellten und schliesslich geradezu ersetzten (ebenda 485). Friedländer a. a. O. 477ff. 635ff.

Die wichtigeren römischen A. sind folgende:

Agon Albanus, bildete als Wettkampf in Poesie und Beredtsamkeit einen Teil der durch Domitian in Albanum zu Ehren der Minerva gestifteten Quinquatria (s. d.; Suet. Dom. 4). Den Preis bildete ein goldener Olivenzweig, welchen sich Statius (Silv. III 5, 28. IV 2, 65. V 3, 227. 231) durch seine Gedichte zur Verherrlichung der Siege über Germanen und Dacier mehrmals erwarb.

Agon Capitolinus s. unter Capitolia.

Agon Herculeus in honorem Magni Alexandri, über welchen weitere Nachrichten fehlen, wird erwähnt Hist. Aug. Alex. Sev. 35.

Agon Minervae, Erneuerung der Neronia durch Gordian vermutlich im J. 240; s. unter Neronia; vgl. Friedländer S.-G. II6 481.

Agon Solis, von Aurelian im J. 274 gestiftet (Catal. imp. p. 648 Mms. Euseb. Chr.) und alle vier Jahre (Iulian or. IV 155 b) am 22. October (CIL I p. 404) gefeiert.