Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Schlauchhüpfen
Band II,2 (1896) S. 16981700
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Ἀσκωλιασμός, das Hüpfen auf einem Fusse, das Schlauchhüpfen. Die Ableitung des Wortes ist unsicher. Von den Grammatikern des Altertums haben die einen an einen Zusammenhang mit σκῶλον, σκόλοψ, σκωλοβατίζειν (Epicharm), vgl. Etym. M., die anderen an eine Ableitung von ἀσκός gedacht, vgl. Epaphroditos in Etym. M. Schol. Aristoph. Plut. 1129. Suid. s. ἀσκός u. a. Auch die Modernen sind geteilter Meinung; einige haben das Wort mit ἀσκαλίζειν, σκαλίζειν, σκολιός zusammengestellt (Leo Meyer Vergl. Grammat. d. gr. u. lat. Sprache I 181), dann müsste man die lautgesetzlichen Schwierigkeiten durch volksetymologische Angleichung an ἀσκός erklären. Friedr. Stolz hält es für möglich, dass ἀσκωλιάζειν entstanden sei aus ἀσκο-κωλιάζειν – vgl. ἀμ(φι)φορεύς, ἡ(μι)μέδιμνον u. ä. –, wenn für das sonst nicht nachweisbare κωλιάζειν (von κῶλον, vgl. Lobeck Pathol. serm. gr. Proleg. 134) die Bedeutung ,mit einem Fusse tanzen‘ vorausgesetzt werden darf. Demnach muss es dahingestellt bleiben, ob die allgemeine Bedeutung ,auf einem Beine hüpfen‘ oder die prägnante ,mit einem Beine auf dem Schlauch stehen‘ die ursprünglichere ist. In ersterer Bedeutung ist das Wort schon seit Platon (symp. 190 D) nachweisbar; zweifelhaft ist die Übersetzung Aristoph. Plut. 1129. Vgl. auch Aristot. de incessu 705b 33.

Eine Aufzählung der verschiedenen Hüpfspiele, die man als ἀσκωλιάζειν bezeichnete, giebt Pollux IX 121, vgl. Schol. Plat. symp. 190 D. Grasberger Erziehung u. Unterricht I 36. Becq de Fouquières Les jeux des anciens² 241. Chr. Boehm De cottabo, Bonn 1893, 48f.

Grösseres Interesse als jene Knabenspiele hat das ebenfalls ἀ. genannte ‚Schlauchspringen‘ oder der ‚Schlauchtanz‘; vgl. ausser den oben angeführten Stellen noch Suid. Etym. M. Exc. Miller. Eustath. Od. I 1646, 21. 1769, 47 R. Versuche, [1699] auf einem vollen Schlauch ruhig zu stehen oder sich darauf hüpfend zu bewegen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren, mögen seit alters zu den volkstümlichen Vergnügungen der ländlichen Kelterfeste gehört und zu einem Wettbewerb auch in dieser Kunstfertigkeit geführt haben. Kleine Preise, die in Attika an den dionysischen Festen auf dem Lande (Cornut. theolog. gr. compend. 30) für die besten Schlauchspringer ausgesetzt wurden, gaben der harmlosen Volksbelustigung einen agonistischen Charakter. Die mancherlei Zwischenfälle, die sich bei diesem ‚Schlauchspringen‘ ereignen mussten, boten den Zuschauern reichen Stoff zu Spott und Heiterkeit. Über Einzelheiten des Spieles sind wir nicht unterrichtet; nach Pollux IX 121 war der mit Luft aufgeblasene Schlauch aussen mit Öl gesalbt, um einen festen Stand zu erschweren, vgl. Didymos bei Schol. Aristoph. Plut. 1129. Eustath. Od. I 1646, 21. In den Schol. Aristoph. Plut. 1129 wird behauptet, dass der zum Tanz verwendete Schlauch mit Wein gefüllt gewesen sei und dass der Sieger eben diesen Wein als ἆθλον erhalten habe. Der Komiker Eubulos hat in seiner ,Amaltheia‘ einen solchen . erwähnt, vgl. CAF II 166 Kock : καὶ πρός γε τούτοις ἀσκὸν εἰς μέσον καταθέντες εἰσάλλεσθε καὶ καχάζετε ἐπὶ τοῖς καταρρέουσιν ἀπὸ κελεύσματος.

Eratosthenes hat, wie es scheint, in seiner Erigone zuerst das Spiel bis auf die Zeit des ersten Weinbaues durch Ikarios zurückgeführt und mit dem Bocksopfer, sowie mit dem Preistanz der Tragoeden in Verbindung gesetzt, vgl. Hygin. poet. astr. II 4. Verg. Georg. II 382f. Maass Anal. Eratosthen. 114. v. Wilamowitz Eurip. Herakl. I 62. Dementsprechend haben die späteren Grammatiker den . als einen Teil des Choenfestes erklärt und ihn auf das Wetttrinken, das an jenem Feste üblich war, bezogen, indem sie angeben, dass die Trinkenden auf einem Schlauche standen (Suid. Schol. Aristoph. Ach. 1002); diese Angabe ist aber durchaus unglaubwürdig und kann durch den Hinweis auf Alkiphron III 51 nicht gestützt werden, vgl. A. Mommsen Heortologie 364. Die Scholien zu Aristoph. Plut. 1129 wissen von einem athenischen Fest Ἀσκώλια, ἐν ᾗ (ἑορτῇ) ἐνήλλοντο τοῖς ἀσκοῖς εἰς τιμὴν τοῦ Διονύσου. Alle diese Nachrichten wird man als Autoschediasmata zu betrachten haben, die zum Teil die aetiologische Dichtung des Eratosthenes zum Ausgangspunkt gehabt haben mögen. Dafür, dass der ἀ. den Gegenstand eines von Staatswegen organisierten Agons gebildet habe, lässt sich kein glaubwürdiges Zeugnis beibringen. Wenn die Grammatiker das Spiel innerhalb eines θέατρον stattfinden lassen (Schol. Aristoph. Plut. 1129. Eustath. p. 1769, 44), so hat man dabei nicht an das Staatstheater, sondern nur an eine Zuschauerrunde zu denken, vgl. CAF II 166 Kock, s. o.

Auch bei den Römern gehörte der Schlauchtanz zu den Belustigungen der Weinlesezeit; vgl. Varro de vita populi Romani lib. I: etiam pellis bubulas oleo perfusas percurrebant, ibique cernuabant, a quo ille versus vetus est in carminibus: Sibi pastores ludos faciunt coriis consualia (Nonius p. 21). Serv. Georg. II 383f.

Auf antiken Denkmälern findet sich der ἀ. nur in Scenen des Satyrlebens dargestellt. Die ausführlichste Darstellung bietet ein Mosaik aus [1700] Ostia im Berliner Museum, Arch. Zeit. 1847, 129f. T. IX: Ein junger Satyr ist im Begriff, auf einen hochaufgeblasenen grossen Schlauch zu steigen, ihm steht ein zweiter Satyr, wohl als Mitbewerber, gegenüber, als Festleiter fungiert ein Silen; mehrere Männer und Frauen, im Hintergrund Dionysos und Ariadne, sehen der Scene zu, die im Freien neben einem Baume spielt. Auf einem capitolinischen Sarkophag (Righetti Descriz. del Campidoglio I 161. Helbig Röm. Museen I nr. 440) wird, wie es scheint, ein Satyr von einem Silen gezüchtigt, weil er von dem neben ihm liegenden Schlauch abgeglitten ist. Eine Gemme Krause Taf. 24, 93 S. 911 zeigt einen Satyrn, der (in Gegenwart zweier Genossen) mit dem linken Bein auf einem Schlauch steht und sich mit ausgestreckten Händen im Gleichgewicht zu erhalten sucht, vgl. die Neapler Kleinbronze, Gerhard Neapels antike Bildwerke 199, 15. Die Echtheit der Gemme Koehler Descript. d’un camée Farnese, Petersburg 1810 (Müller-Wieseler Denkm. a. Kunst II 50, 622. Arch. Zeit. 1847 T. IX 2) scheint einer genaueren Untersuchung zu bedürfen.

Litteratur: Krause Gymnastik u. Agonistik I 399. O. Jahn Arch. Zeit. 1847, 130ff. Daremberg-Saglio Dictionnaire des antiquités I 473.

[Reisch. ]