MKL1888:Lokomotive
[885] Lokomotive (lat., „von der Stelle bewegend“), eine mitsamt ihrem Dampfkessel auf einem Wagengestell angebrachte Dampfmaschine, welche dazu bestimmt ist, sich selbst und einen angehängten Wagenzug auf Schienen fortzubewegen. Es sind somit Kessel, Wagen und Dampfmaschine die drei Hauptorgane jeder L. Hierzu kommen noch Vorratsräume für Kesselspeisewasser und für Brennmaterial, welche jedoch meist nicht auf der eigentlichen L. selbst, sondern auf einem besondern, direkt hinten angehängten Wagen angeordnet sind.
Die Dampfkessel der L. sind, einige Ausnahmen für spezielle Zwecke abgerechnet, stets Heizrohrkessel (Röhrenkessel) von einer Form, welcher man den spezifischen Namen Lokomotivkessel beigelegt hat. Das Charakteristische des Lokomotivkessels ist seine Zweiteilung in den kastenförmigen Stehkessel mit der den Rost enthaltenden Feuerbuchse und den daran sich anschließenden liegend-cylindrischen Langkessel, der von einer großen Anzahl enger Heizrohre durchzogen ist, und dessen Verlängerung die Rauchkammer mit dem Schornstein bildet. Vgl. Dampfkessel, S. 450, nach der schematischen Darstellung auf Tafel „Dampfkessel I“, Fig. 11, und die beifolgende Tafel. Auf die Versteifung der ebenen Kesselflächen muß bei den erforderlichen großen Dampfspannungen (8–15 Atmosphären) ganz besondere Sorgfalt verwendet werden. Die Feuerbuchsenwände sind mit den Außenwänden durch Stehbolzen zu verbinden, die Feuerbuchsendecke durch aufgeschraubte Träger, die obern Teile der Kesselstirnwand und der Feuerwand durch Eckverbindungen zu stützen. Das Material der Lokomotivkessel ist im allgemeinen Schmiedeeisen oder auch Stahl. Nur die Feuerbuchse wird, wenigstens in Europa, der größern Feuerbeständigkeit wegen aus Kupferblech hergestellt.
Die Feuerung der L. wurde zuerst nur mit bestem Brennmaterial (Koks, Stückkohlen) bedient. Der Wunsch und das Bedürfnis, an Heizkohlen zu sparen, trieben jedoch dazu, einerseits auch Brennmaterial von geringerm bis geringstem Wert (Mittelkohle, Förderkohle, Staubkohle) zu verwenden, anderseits neben dem gewöhnlichen horizontalen oder schwach geneigten Planrost (s. Feuerungsanlagen, S. 214) eine große Reihe von Feuerungskonstruktionen einzuführen, welche eine möglichst vollkommene Rauchverzehrung bezwecken. Hierher gehört die namentlich auf französischen Bahnen übliche Tenbrinksche Feuerung (Fig. 1). Zur kontinuierlichen Beschüttung des Rostes dient ein in der Rückwand der Feuerbuchse angebrachter Schlitz a von der Breite derselben, welcher außen in einen mit einem Deckel verschlossenen Rumpf b übergeht, dessen Boden die Rückwärtsverlängerung des geneigten Rostes c bildet. Die außerdem noch vorhandene Feuerthür wird beim Anfeuern nicht geöffnet und dient nur dazu, an den Heizrohren etwanige Reparaturen vornehmen zu können, während ein zwischen der Feuerthür und dem Rumpf befindlicher, mit Regulierklappe versehener Schlitz d die Zuführung von Luft oberhalb der Brennmaterialschicht bezweckt. Von der Heizrohrwand beginnend, zieht sich ein flacher, von einer Seitenwand der Feuerbuchse bis zur andern reichender Wasserkasten l (Sieder) nahezu parallel zur Rostfläche etwa durch zwei Drittel der Feuerbuchsenlänge
Fig. 1. | |
Tenbrinksche Feuerung. Längsschnitt. | |
hin. Er kommuniziert durch die Stützen m mit dem Wasserraum des Stehkessels. Die in den Rumpf geschütteten Kohlen rutschen nach Maßgabe der Verbrennung den geneigten Rost c hinab und werden auf diesem Weg durch die am untern Ende in voller Glut befindlichen Stücke abdestilliert, bis sie gleichfalls nach unten und in Brand geraten, um nun ihrerseits auf das nachkommende Material entgasend zu wirken. Die Verbrennungsprodukte mischen sich, an der untern Wand des Sieders hinaufziehend, mit den brennbaren Destillationsgasen und der durch d zuströmenden Luft derart, daß eine Verbrennung der Gase zu stande kommt. Die gänzlich ausgebrannten Kohlen (Schlacken) gelangen schließlich auf den Schlackenrost e, welcher auf Hebeln f ruht und mit diesen durch den Hebel g und die Schraube h zeitweise schräg gestellt wird, um die Schlacken in den Aschenkasten gleiten zu lassen. Die durch dieses System im Vergleich mit den gewöhnlichen Planrostfeuerungen zu erzielende Brennstoffersparnis soll bis 12 Proz. betragen. – Das Feuerungssystem von Nepilly (Fig. 2) besteht aus einem wenig geneigten Planrost a mit daranstoßendem, um eine horizontale Achse drehbarem Klapprost (Schlackenrost) b zur Entfernung der ausgebrannten Kohlenschlacken, ferner aus dem Feuerschirm d, einem von
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Lokomotive. |
Schnellzuglokomotive „Rittinger“ der Österreichischen Südbahn. Fig. 1. Längenschnitt. Fig. 2. Horizontalschnitt. |
[886] der Heizrohrwand unterhalb der Öffnungen der Heizrohre c schräg aufsteigenden Gewölbe aus Schamottesteinen, sowie aus dem sogen. Stehrost e, einer an den Klapprost anschließenden, von der Heizrohrwand etwa 80 cm abstehenden, rostartig durchbrochenen Gußeisenplatte, welche senkrecht bis zum untern Ende des Feuerschirms d aufsteigt. Der Rost, dessen Spalten je nach der zu verwendenden Kohlensorte eine Breite von 4 mm (bei Staubkohlen) bis 30 mm (bei Stückkohlen) erhalten, wird durch eine gewöhnliche Feuerthür f beschüttet. Der Stehrost e dient zur Zuführung frischer Luft, welche längs des Feuerschirms d über dem auf dem Rost brennenden Material hinstreicht, erhitzt wird, sich mit den ebenfalls erhitzten, noch unverbrannten Gasen mischt und diese dabei zur Verbrennung bringt. Der Feuerschirm ist von Nepilly den englischen Lokomotivfeuerungen entlehnt, bei welchen er geradezu als typisch angesehen
Fig. 2. | |
Nepillysche Feuerung. Längsschnitt. | |
werden kann; dagegen ist der Stehrost nur der Nepillyschen Feuerung eigentümlich. Da er die sonst bei Anlagen mit Feuerschirm notwendigen Öffnungen in den Wänden der Feuerbuchse ersetzt, so gestattet er die Anbringung dieser Feuerung in jeder Feuerbuchse von ganz gewöhnlicher Konstruktion ohne zeitraubende und kostspielige Umgestaltungen. Auch bewirkt die durch den Stehrost eindringende Luft, indem sie dem von unten durch die Rostspalten kommenden Luftzug das Gleichgewicht hält, daß selbst Kohlenstaub bis zur vollkommenen Verbrennung ruhig auf dem Rost liegen bleibt, während sonst ein guter Teil mit durch den Schornstein gerissen wird. Die Nepillysche Feuerung hat sich, was Kohlenersparnis und Rauchverbrennung betrifft, vielfach sehr gut bewährt (Heizkohlenersparnis bis 20 Proz. und mehr) und beseitigt außerdem durch die Verwendung des Feuerschirms, welcher einen direkten Zutritt kalter Luft zu dem Heizrohr verhindert, den sonst häufig vorkommenden Übelstand des Rohrrinnens.
Der Kessel der L. muß, wie jeder andre Dampfkessel, mit einer vollständigen Dampfkesselarmatur (s. Dampfkessel, S. 454) ausgerüstet sein, deren einzelne Stücke jedoch den besondern Anforderungen an einen beweglichen Kessel angepaßt sind. Als Lokomotivkessel-Speisevorrichtung hat sich vor andern Apparaten der Injektor (s. d.) wegen seiner Einfachheit, Billigkeit, immerwährenden Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit und seiner Eigenschaft, nur heißes Wasser einzuführen, ganz besonders bewährt, so daß zur Zeit die Lokomotiven entweder ausschließlich mit Injektoren versehen werden, oder wenigstens einen Injektor neben einer Kolbenspeisepumpe erhalten. Die Apparate zur Beobachtung des Wasserstandes entsprechen ganz denjenigen der stationären Dampfkessel. Zur Sicherung gegen die Folgen von Wassermangel (Entblößung und Erglühen der Feuerbuchsendecke und dadurch eventuell herbeigeführte Kesselexplosion) ist in die Feuerbuchsendecke ein Pfropfen aus leicht schmelzbarem Metall eingeschraubt, welcher bei der Entblößung jener schmilzt und so dem Dampf gestattet, in den Feuerraum zu treten und das Feuer zu ersticken. Zur Beobachtung des Dampfdruckes sind bei Lokomotiven nur die Federmanometer (s. Manometer) brauchbar. Bei den Sicherheitsventilen (s. d.) der Lokomotiven ist die Federbelastung (s. Tafel „Lokomotive“, Längsschnitt) bei weitem gebräuchlicher als die Gewichtsbelastung. Aus dem die Abscheidung mitgerissener Wasserbläschen bezweckenden Dampfdom (in der Tafel mitten auf dem Langkessel) wird der Dampf mittels eines durch einen Regulierschieber (Regulator) verschließbaren Rohrs entnommen und den Dampfcylindern zugeführt. Der Regulator wird vom Lokomotivführerstand aus an einem Hebel (Regulatorhebel) gehandhabt. Zum Anfachen des Feuers würde der niedrige Schornstein allein nicht genügen, deshalb läßt man in ihn von untenher durch ein Rohr mit verstellbarer Öffnung (Blasrohr) den in den Cylindern verbrauchten Dampf einströmen, wodurch die Verbrennungsgase vom Rost her durch die Heizrohre hindurch angesaugt und mit durch den Schornstein gerissen werden. Um das Herausfliegen von Funken aus dem Schornstein zu vermeiden, werden sogen. Funkenfänger angebracht, welche entweder über der Schornsteinöffnung angebrachte Siebe sind, oder darauf beruhen, daß der Rauch vor dem Austritt gezwungen wird, sich in gekrümmten Bahnen zu bewegen, wobei die Funken, weil schwerer als der Rauch, infolge der Zentrifugalkraft außer den Bereich des Schornsteinzugs gelangen und innerhalb des Schornsteins zu Boden sinken. Ein unentbehrlicher Armaturteil der L. ist die Dampfpfeife (s. d.) zum Erteilen der nötigen akustischen Signale an das auf dem Zug und auf der Eisenbahnstrecke befindliche Dienstpersonal. Wenn auf einer Bahnstrecke unbewachte Wegübergänge vorkommen, so ist als zweiter akustischer Signalapparat ein Läutwerk hinzuzufügen, welches in der Nähe jener Stellen in Gang zu setzen ist. Sehr gut bewährt hat sich dazu durch die Einfachheit der Konstruktion und die Sicherheit des Anlassens das Dampfläutwerk von Latowski. Die Glocke sitzt hier konaxial auf einem an dem Dach des Führerstandes senkrecht befestigten Rohr, dessen über die Glocke hinausreichendes Ende durch ein Klappenventil geschlossen ist. An diesem Ventil ist der Hammer mittels eines gebogenen federnden Stiels so befestigt, daß er im Ruhezustand einige Millimeter von der Glocke absteht. Läßt man nun durch ein dünnes Röhrchen in jenes Rohr Dampf eintreten, so wird das Ventil mit dem Hammer angehoben, fällt aber sogleich nach dem Entweichen eines Dampfquantums wieder zu, wobei der Hammer kräftig anschlägt. Dies Spiel wiederholt sich so lange, als man Dampf hinzutreten läßt.
[887] Das zum mehrstündigen Kesselbetrieb erforderliche Speisewasser und Brennmaterial ist im Tender (Schlepptender) aufgespeichert, einem hinten angehängten Wagen mit geräumigem Wasserkasten aus Kesselblech (Inhalt bis 8,5 cbm und darüber). Bei der meist üblichen, im Grundriß hufeisenförmigen Gestalt des Wasserkastens sind die Schenkel der L. zugekehrt und lassen zwischen sich den Raum für das Brennmaterial frei. Wo die Mitführung großer Wasser- und Brennstoffvorräte nicht unbedingt erforderlich ist, wie z. B. beim Rangieren auf Bahnhöfen oder beim Befahren kurzer Strecken, begnügt man sich unter Fortlassung des Tenders mit kleinern, direkt auf der L. aufgestellten Behältern. Die so ausgerüsteten Lokomotiven heißen Tenderlokomotiven.
Die Dampfmaschine der L. hat die Kraft des in dem Kessel erzeugten Dampfes auf die Räder zu übertragen. Aus der Tafel „Lokomotive“ ist die allgemeine Anordnung der Maschine zu ersehen. Dieselbe ist zu bezeichnen als eine Zwillingsmaschine mit variabler, jedoch im Grad beschränkter Expansion und ohne Kondensation, welch letztere teils wegen des sehr beschränkten Raums, teils auch deswegen für Lokomotiven unzweckmäßig ist, weil die Geschwindigkeit des verbrauchten unkondensierten Dampfes zum Anfachen des Feuers gebraucht wird. In der Nähe der Rauchkammer ist auf jeder Seite der L. ein horizontaler Treibcylinder angebracht, welchem der Dampf durch je ein Zweigrohr des vom Dampfdom ausgehenden, in der Rauchkammer sich gabelförmig teilenden Dampfrohrs zugeführt wird. Der Dampf gelangt jedoch nicht direkt in die Cylinder, sondern passiert erst je einen Kasten (Schieberkasten), von welchem aus er durch Kanäle (Dampfkanäle) mittels eines diese bald öffnenden, bald schließenden Schiebers abwechselnd an beiden Cylinderenden eingelassen wird, wodurch die Dampfkolben hin und her bewegt werden. Der in den Cylindern wirksam gewesene Dampf wird durch dieselben Schieber nach dem bei der Kesselarmatur erwähnten Blasrohr hin entlassen.
Durch den Deckel der Cylinder gehen Kolbenstangen, die durch Bleuelstangen mit je einer Kurbel einer und derselben Radachse verbunden sind. Mit diesen Kurbeln zugleich, welche zur Vermeidung von Totpunktstellungen (d. h. solchen Stellungen, aus welchen eine einzelne Kurbel durch ihre Bleuelstange nicht herausbewegt werden kann) um 90° gegeneinander verstellt sind, werden durch die Kolbenbewegung die auf derselben Achse (Treibachse) befestigten Räder umgedreht, wodurch die L. auf den Eisenbahnschienen fortbewegt wird. Die Richtung dieser Bewegung (vorwärts oder rückwärts) ist abhängig von der Dampfzuleitung und diese wiederum von der Bewegung der Dampfschieber. Diese kann, entsprechend dem Vorwärts-, resp. Rückwärtsfahren der L., in zwei einander entgegengesetzten Reihenfolgen vor sich gehen. Zu diesem Behuf sind auf der Treibachse für jeden Cylinder zwei dicht nebeneinander liegende Exzentriks (s. d.) angebracht, welche gegeneinander um 180° versetzt sind, so daß sie gleichzeitig in den entgegengesetzten extremen Stellungen ankommen. Sie greifen mit ihren Exzenterstangen an beiden Enden eines schmiedeeisernen Bogens (Kulisse) an, welcher ein am Ende der Schieberstange befindliches Gleitstück, den sogen. Stein, umfaßt. Beide Kulissen sind an einem mit Gegengewichten versehenen Hebelmechanismus in der Weise aufgehängt, daß sie vom Lokomotivführer mit einem Hebel (Reversierhebel) gehoben und gesenkt und mit einem federnden Riegel in der jedesmaligen Lage festgehalten werden können. Je nachdem nun die Kulissen mehr oder weniger in gehobener oder gesenkter Lage hängen, werden die Steine und somit die Schieber entweder mehr von den oben angreifenden oder mehr von den unten angreifenden Exzentern ihre Bewegung erhalten und somit ein mehr oder weniger schnelles Vorwärts-, resp. Rückwärtslaufen der L. hervorrufen. Befinden sich aber die Steine in der Mitte der Kulissen, so werden die Bewegungen der Exzenter in der Weise ausgeglichen, daß die Steine und die damit zusammenhängenden Schieber in ihrer Mittellage stehen bleiben und kein Dampf in die Cylinder eintreten kann, mithin auch die L. zur Ruhe gelangt. Statt des Reversierhebels wendet man in neuerer Zeit häufig eine Stellschraube an, welche die Kulissen sicherer in ihrer Stellung erhält als die zuweilen ausspringende Klinke des erstern. Da der Dampfzutritt und -Austritt bei jedem Cylinder nur durch einen einzigen Schieber geregelt wird, so kann man den Dampf nur in geringem Grad expandieren lassen und muß ihn noch mit einer beträchtlichen Spannung entweichen lassen, wodurch ein guter Teil Arbeit, also auch Dampf und Brennmaterial, verloren geht. Die Erklärung dafür, daß das anderweitig gerade bezüglich des Dampfverbrauchs so vorzügliche bewährte und weitverbreitete System der Compoundreceiver-Maschinen (s. Dampfmaschine, S. 467) bisher noch keine allgemeinere Verwendung bei den Lokomotiven gefunden hat, ist in dem Umstand zu suchen, daß sich bei der Übertragung dieses Systems auf die L. Schwierigkeiten zeigen, welche namentlich in der Notwendigkeit großer Einfachheit der Konstruktion und Handhabung, großer Zugkraft beim Anfahren, sehr veränderlicher Kraftleistung während der Fahrt sowie in der allgemeinen Anordnung und den begrenzten Dimensionen der L. begründet sind. Bemerkenswerte Konstruktionen von Compoundlokomotiven sind diejenigen von Mallet und von v. Borries, welche beide im Prinzip übereinstimmen und nur konstruktive Abweichungen voneinander zeigen. Beide haben auf einer Seite des Kessels einen kleinern Hochdruckcylinder, auf der andern Seite einen größern Niederdruckcylinder und zwischen ihnen, in der Rauchkammer, ein Zwischenreservoir (Receiver). Der Dampf wirkt zuerst im Hochdruckcylinder unter geringer Expansion, darauf nach dem Passieren des Receivers zum zweitenmal in dem Niederdruckcylinder unter stärkerer Expansion und gelangt dann erst durch das Blasrohr und den Schornstein ins Freie. Um das Anfahren zu ermöglichen, ist eine Vorrichtung vorhanden, mittels welcher man den großen von dem kleinen Cylinder trennen, dagegen erstern mit dem Dampfkessel, letztern mit dem Blasrohr verbinden kann, so daß beide Cylinder wie bei den gewöhnlichen Lokomotiven unabhängig voneinander arbeiten. Hierbei würde der große Cylinder wegen seines größern Kolbens bezüglich seiner Leistung über den kleinen ein bedeutendes Übergewicht haben, wenn nicht durch ein eingeschaltetes Reduzierventil (s. Druckregulatoren) der Druck des in den großen Cylinder tretenden Dampfes entsprechend verkleinert würde. Die Resultate, welche mit den Compoundlokomotiven, namentlich auch vor einiger Zeit in Preußen mit den Borriesschen Lokomotiven, erzielt worden sind, berechtigen zu der Hoffnung, daß das Compoundsystem auch bei den Lokomotiven, wie schon bei den feststehenden und Schiffsdampfmaschinen, allgemeinere Verbreitung finden wird.
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Der Wagen der L. ist ein aus schmiedeeisernen Langträgern und Querverbindungen bestehendes rahmenartiges Gestell, welches sich mittels Blattfedern auf die Lager der Radachsen stützt. Je nachdem die Langträger des Gestells innerhalb oder außerhalb der Räder angeordnet sind, unterscheidet man Lokomotiven mit Innen- und solche mit Außenrahmen. An den Langträgern sind die Cylinder und die Stützpunkte für die Kulissensteuerung befestigt. Der Kessel ist in seinen Dimensionen, besonders der Länge nach, Veränderungen durch Temperaturunterschiede unterworfen, an welchen das Gestell nicht teilnimmt. Es dürfen daher zur Vermeidung des Krummziehens diese Teile nur so miteinander verbunden sein, daß die Ausdehnung des Kessels nicht gehindert wird, was man dadurch erreicht, daß man den Kessel nur vorn an der Rauchkammer mit dem Gestell fest verschraubt, an andern Stellen dagegen mittels Gleitstücke aufruhen läßt. Außer den hierzu nötigen Querverbindungen ist noch vorn und hinten je ein eisernes Querstück vorhanden, von denen das erstere, die sogen. Pufferbohle, zur Aufnahme der Puffer und der Kuppelungen, das letztere zur Stützung des Führerstandes und entweder gleichfalls zur Aufnahme von Puffern und Kuppelungen oder zur Befestigung der Verbindungsteile zwischen der L. und dem Tender dient. Die Räder der L. sitzen paarweise fest auf den Achsen, und deren Zapfen liegen in Lagern, welche sich, entsprechend den Durchbiegungen der Tragfedern, in senkrechten Schlitzen des Rahmens verschieben können, während andre Relativbewegungen derselben gegen den Rahmen ausgeschlossen sind. Es ist einleuchtend, daß ein solches starr verbundenes Achsensystem nur wenig gekrümmte Bahnen durchfahren kann. Für stärkere Krümmungen werden sehr verschiedenartige Konstruktionen von Gestellen angewendet, welche mit einer gewissen Beweglichkeit begabt sind. So macht man bei drei Räderpaaren die hinterste und vorderste Achse quer gegen den Rahmen ein wenig verschiebbar. In Amerika stützt man allgemein den Vorderteil der L. auf einen vierräderigen Vorderwagen (Laufgestell, Drehgestell), welcher sich um einen in der Mitte befindlichen starken Bolzen (Reibnagel) drehen kann. Das Bishelsche Gestell hat nur eine unter der Rauchkammer liegende Achse und läßt sich um einen etwa in der Mitte der Lokomotivlänge befindlichen Bolzen drehen. Als Zubehör der Wagen der Lokomotiven sind auch die Bremsen (s. d.) anzusehen, welche entweder als Handbremsen oder neuerdings auch vielfach als mechanische Bremsen ausgeführt werden. Im letztern Fall trägt die L. auch den zur Bedienung sämtlicher Bremsen des Zugs erforderlichen Bewegungsapparat.
Man unterscheidet bei den Lokomotiven Laufräder, welche, ebenso wie die Räder der Eisenbahnwagen, nur deswegen auf den Schienen fortrollen, weil die L. sich fortbewegt, und Treibräder, welche dadurch, daß sie von der Maschine der L. in Umdrehung versetzt werden, die L. in Bewegung setzen und erhalten. Man kann sich vorstellen, daß die Treibräder sich wie die Beine eines Zugpferdes gegen die Unterlage (Schienen) stemmen und somit, da sie durch ihre Umdrehung zugleich die Angriffspunkte immer weiter vorwärts verlegen, das Fortgehen des Zugs bewirken. Das ist jedoch nur möglich, wenn die Kraft, mit welcher die Treibräder in jeder Stellung an den Schienen haften, größer als der Bewegungswiderstand des Zugs ist; andernfalls bleibt der ganze Zug trotz der Umdrehung der Treibräder stehen, indem dieselben keinen festen Stützpunkt finden können, sondern einfach auf derselben Stelle der Schienen herumrutschen (das Gleiten oder Trommeln der Räder). Die Kraft nun, welche das Gleiten verhindert, ist einzig die Reibung zwischen den Treibradumfängen und den Schienen und in ihrer Größe abhängig von dem Material und der Oberflächenbeschaffenheit der Schienen (rauh oder glatt, trocken oder schlüpfrig) sowie von dem auf den Rädern lastenden Gewicht. Es ist also die Leistungsfähigkeit der Maschine (unter Voraussetzung einer mittlern oder normalen Materialbeschaffenheit der Schienen und Räder) beschränkt durch den auf den Treibrädern ruhenden Gewichtsteil der L., dieser jedoch wieder durch die Festigkeit des Schienenwegs. Hieraus ergibt sich ohne weiteres die Notwendigkeit, auf die Treibachsen einen möglichst großen Teil des Lokomotivgewichts zu legen. Man nennt diesen Teil das Adhäsionsgewicht der L. im Gegensatz zu dem auf die Laufräder kommenden toten Gewicht. Die größte Zugkraft einer L. beträgt etwa ein Fünftel ihres Adhäsionsgewichts. Es ist klar, daß das Adhäsionsgewicht einer L. um so größer wird, je größer die Zahl der Treibradachsen im Verhältnis zu derjenigen der Laufradachsen wird, und daß schließlich bei einer L., welche nur Treibräder besitzt, das Adhäsionsgewicht gleich dem ganzen Eigengewicht zu setzen ist. Die Vermehrung der Treibachsen führt zu der Anordnung der L. mit gekuppelten Treibachsen. Man läßt nämlich immer nur eine Achse direkt durch die Maschine treiben und verbindet (kuppelt) etwanige andre Treibachsen mit der erstern durch Parallelkurbeln und Kuppelstangen, wie das für eine zweite Achse aus der Tafel ersichtlich ist. Da der Bewegungswiderstand der Züge auf ansteigenden Bahnen mit dem Steigungsverhältnis ganz unverhältnismäßig wächst, während zugleich das Adhäsionsgewicht der L. infolge der schrägen Unterlage abnimmt, so gibt es eine Grenze (1 : 40 = 1 m Steigung auf 40 m horizontal gemessene Länge), bei welcher die mit Adhäsion arbeitenden Lokomotiven den Dienst versagen. Zur Überwindung stärkerer Steigungen, wie solche bei Gebirgsbahnen zuweilen vorkommen, vergrößert man entweder die Adhäsion durch künstliche Mittel (besondere mit Federkraft seitlich gegen die Schienen gepreßte Reibungsräder), oder man sieht von ihr ganz ab und läßt die Bewegung durch Eingriff eines als Zahnrad ausgeführten Treibrades in eine besondere gezahnte Schiene hervorbringen, oder man zieht den Zug mittels einer auf der Höhe stehenden Maschine, als welche auch unter Umständen eine vorausgefahrene und festgelegte L. benutzt werden kann, an einem Seil aufwärts. Die Dimensionen der Treibcylinder und Kurbeln sind durch die erforderliche Leistung und dadurch bedingt, daß die Kolbengeschwindigkeit und die Anzahl bei der größten Geschwindigkeit der L. eine gewisse Grenze, bei welcher sich starke Stöße allzu störend bemerkbar machen, nicht erreichen. Es wird dann die Zugkraft und die Geschwindigkeit der L. in den durch die Adhäsionsverhältnisse gegebenen Grenzen von dem Hebelverhältnis der Kurbel zum Halbmesser der Treibräder abhängen, derart, daß Lokomotiven mit verhältnismäßig kleinen Rädern große Lasten mit geringer Geschwindigkeit, Lokomotiven mit großen Rädern geringe Lasten mit großer Geschwindigkeit befördern können.
Hiernach haben sich bestimmte Formen der L. herausgebildet, hauptsächlich die folgenden. Die Schnellzug- oder Eilzuglokomotive (Fig. 3) hat die [889] Aufgabe, eine geringe Anzahl Personenwagen möglichst schnell von der Stelle zu bringen (Geschwindigkeit
Fig. 3. | |
Schnellzuglokomotive. | |
Fig. 4. | |
Lokomotive für gemischte Züge. | |
Fig. 5. | |
Güterzuglokomotive. | |
Fig. 6. | |
Tenderlokomotive. | |
Fig. 7. | |
Zahnradlokomotive. | |
= 60 bis 80 km pro Stunde); deshalb ist, da die Zugkraft nur gering zu sein braucht, nur ein Teil des Eigengewichts durch eine Treibachse für die Adhäsion ausgenutzt. Die Treibräder sind aber sehr groß (1,7–2 m Durchmesser). Wenn bei Schnellzuglokomotiven eine größere Zugkraft erfordert wird, so vergrößert man das Adhäsionsgewicht durch Ankuppelung einer zweiten Treibachse (s. die Tafel). – Die Personenzuglokomotive oder L. für gemischte Züge (Fig. 4) hat größere Lasten mit mäßiger Geschwindigkeit (50–60 km pro Stunde) zu ziehen. Sie erhält zwei gekuppelte Treibachsen, deren Räder 1,5–1,6 m Durchmesser haben. – Die Güterzug- oder Lastzuglokomotive (Fig. 5) hat die stärksten Lasten zu ziehen, dagegen nur eine geringe Geschwindigkeit (40 km und weniger pro Stunde) zu entwickeln und erhält deshalb verhältnismäßig kleine Räder von ca. 1,2 m Durchmesser bei mindestens zwei, häufig drei gekuppelten Treibachsen. – Die Tenderlokomotive (Fig. 6), meist zum Rangieren aus Bahnhöfen in Verwendung, hat gewöhnlich nur zwei Achsen, welche aber beide als Treibachsen dienen. Die Räder haben dieselbe Größe wie bei den Güterzuglokomotiven. Charakteristisch für diese Art der Lokomotiven sind die auf ihnen angebrachten Wasserkasten und Kohlenräume. – Als Repräsentant der Lokomotiven für Bahnen mit anormal starken Steigungen sei hier die L. der Rigibahn (Fig. 7) angeführt, eine Zahnradlokomotive, bei welcher das ganze Wagengestell wegen der starken Steigung schräg gebaut und der Kessel wegen ziemlich bedeutender Schwankungen der Steigung, durch welche ein gewöhnlicher liegender Lokomotivkessel bald an der Feuerbuchse, bald am vordern Ende der Heizrohre von Wasser entblößt worden wäre, als Vertikalkessel ausgeführt ist.
In der Natur des Bewegungsmechanismus der L. liegt es, daß dieselbe nicht mit einer vollständig gleichmäßigen Geschwindigkeit in der Schienenrichtung dahinläuft, vielmehr in ihrer Bewegung sogen. Störungen erleidet, welche mit der Fahrgeschwindigkeit zunehmen. Man unterscheidet dabei das Rucken, geringe Unterschiede in der Geschwindigkeit, hervorgerufen durch die infolge des Kurbelmechanismus nicht gleichmäßig auf die Treibräder übertragene Zugkraft; das Schlängeln oder Schlingern, d. h. das Hin- und Herdrehen der L. um eine durch den Schwerpunkt gehende vertikale Achse, welches durch die Ungleichförmigkeit der in der gleichen Zeit zu beiden Seiten wirkenden Kräfte bewirkt wird; das Schwanken, eine oszillatorische Bewegung der L. um eine horizontale Längsachse, welche auf abwechselnd durch die Schrägstellung der Bleuelstangen erzeugten vertikalen Kräften beruht; das Stampfen (Nicken, Galoppieren), Schwingungen um eine horizontale Querachse, welche in der fortwährenden Größenveränderung jener Vertikalkräfte, verbunden mit der Längenverschiebung des Angriffspunkts derselben, ihren Grund haben. Diese Störungen würden durch den Einfluß der bewegten Massen des Kolbens, der Kolben-, Bleuel- und Kuppelstangen sowie der Kurbeln noch bedeutend verstärkt werden, wenn man nicht an den Treibrädern entsprechende Gegengewichte anbrächte.
Mehrfach werden jetzt für den Lokalverkehr auf Eisenbahnen besondere kleine Lokomotiven von geringer Geschwindigkeit verwendet, welche in ihrer Verbindung mit dem einzigen zu befördernden Eisenbahnwagen als Dampfwagen (seltener als Dampfomnibus) bezeichnet werden. Sie ermöglichen die für den Lokalverkehr so erwünschte Häufigkeit der [890] Verbindung auch in dünn bevölkerten Gegenden, weil ihre Betriebskosten im Vergleich zu denen einer gewöhnlichen L. mit der geringst erlaubten Wagenzahl geringfügig sind. Der Weißenbornsche Dampfwagen besteht aus einem langen Eisenbahnwagen, welcher einen Maschinenraum, einen Gepäckraum und Koupees zweiter und dritter Wagenklasse enthält. Derselbe ruht vorn und hinten auf je einem vierräderigen Gestell, deren hinteres fest mit dem Wagen verbunden ist, während das vordere, welches einen stehenden Dampfkessel und die Dampfmaschine trägt, mit dieser nach Öffnung der die Stirnwand des Wagens bildenden Thüren und nach dem Herausziehen eines Kuppelungszapfens sowie nach Unterstützung des vordern Wagenteils durch eine unter dem Wagen befestigte Winde ausgefahren werden kann, eine Anordnung, welche eine getrennte Anschaffung, Reparatur und Unterbringung von Wagen und Maschinengestell gestattet. Der Belpairsche Dampfwagen
Fig. 8. | |
Honigmanns Natronlokomotive. Längsschnitt. | |
ruht auf drei gleichmäßig verteilten Achsen und stimmt in der Wageneinteilung mit dem Weißenbornschen ziemlich überein, hat jedoch einen liegenden Röhrenkessel, welcher samt der Maschine mit dem Wagenkasten unlösbar verbunden ist. Dampfwagen und Dampfomnibusse (auch Dampfkutschen) werden übrigens auch solche Fahrzeuge genannt, welche sich auf ungeschienten Wegen selbstthätig fortbewegen sollen. (Vgl. Lokomobile, Abschnitt Straßenlokomotive.)
Zum Ersatz der Pferde auf lebhaft frequentierten Straßenbahnen (Pferdebahnen) werden vorteilhaft kleine Lokomotiven verwendet (Tramwaylokomotiven, Straßenbahnlokomotiven, auch wohl gar Pferdebahnlokomotiven genannt), welche jedoch mit Rücksicht auf den sonstigen Straßenverkehr in ihrer Konstruktion einigen besondern Bedingungen genügen müssen. Die Maschine muß einen ruhigen Gang haben, darf kein ungewöhnliches Geräusch verursachen und weder die Fahrgäste noch die Anwohner und Passanten der Straße irgendwie belästigen. Bei sehr leichter Bremsbarkeit muß die ganze Erscheinung der L. derart sein, daß begegnende Pferde nicht scheuen; besonders müssen alle sich bewegenden Teile verkleidet sein, und die Maschine darf keine Asche fallen, keinen Rauch, keine Feuerfunken, kein rußiges Wasser, keinen Dampf entweichen lassen. Wegen der letztern Bedingung sind die Tramwaylokomotiven mit einer sonst bei Lokomotiven nicht üblichen Kondensation (gewöhnlich einer durch die Luft gekühlten Kondensationsschlange auf dem Wagendach) versehen. Die genannten Ansprüche werden von den gegenwärtigen Tramwaylokomotiven noch nicht in dem Maß erfüllt, daß besonders vorsichtige Polizeiverwaltungen, wie die von Berlin, ihre Verwendung innerhalb verkehrsreicher Städte gestatteten. Bilden die Tramwaylokomotiven mit dem Personenwagen zusammen ein Ganzes, so wird auch dies wohl Dampfwagen genannt.
In letzter Zeit haben die sogen. feuerlosen Lokomotiven oder Lokomotiven mit feuerloser Dampfmaschine viel von sich reden gemacht, mit welchen Namen zwei ganz verschiedene Lokomotivsysteme belegt werden. Die feuerlosen Lokomotiven nach dem Patent Francq u. Lamm (gebaut von der Lokomotivenfabrik Hohenzollern in Düsseldorf) haben statt des eigentlichen Kessels ein liegend-cylindrisches Reservoir (Rezipient), welches zum Teil mit Wasser gefüllt und dann von einem stationären Dampfkessel aus mit Dampf von hoher Spannung gespeist wird. Der so aufgespeicherte Wärme- und Dampfvorrat reicht für einen etwa einstündigen Betrieb des im Prinzip durch nichts von einer gewöhnlichen Lokomotivmaschine unterschiedenen Motors aus, worauf die L. zum Kesselhaus fahren und eine neue Dampffüllung aufnehmen muß. Ein zwischen Reservoir und Maschine eingeschaltetes Reduzierventil (Druckregulator, s. d.) hält den Druck des zur Maschine tretenden Dampfes, unabhängig von den starken Druckschwankungen im Reservoir, immer in den Grenzen von 11/2–2 Atmosphären, für welche die Maschine konstruiert ist. Verwendung finden diese Lokomotiven bei Tramways, als Rangierlokomotiven und zur Stollenförderung in Bergwerken. Ihre Vorteile gegenüber gewöhnlichen Lokomotiven sind außerordentliche Einfachheit und geringste Reparaturbedürftigkeit der Kessel, Verminderung der Armaturteile, Wegfallen der Feuerung und der Räume für Speisewasser und Kohlen, daher auch gänzliche Vermeidung des Rauchs und Funkenwerfens; ferner leichte Bedienung durch einen Mann (der Heizer fällt ganz fort), trotz verschiedener Dampfverluste gute Dampfausnutzung, also nach alledem geringe Unterhaltungs- und Betriebskosten. Die Anschaffungskosten der L. selbst sind gering, doch müssen auch die Kosten für die stationären Kessel berücksichtigt werden. Ein Hauptbedenken gegen die Anwendung dieser Lokomotiven ist darin zu finden, daß sie, sobald durch irgend welche Zwischenfälle die in den Rezipienten aufgespeicherte Kraft vor Erreichung der Füllstation zu Ende geht, [891] zu hilflosen, toten Körpern werden, welche durch andre Motoren zur Füllstation hingeschafft werden müssen. Die feuerlose L. von M. Honigmann (Natronlokomotive) beruht auf einem für die Dampfgewinnung im großen vorher nicht verwendeten Prinzip. Leitet man Wasserdampf in eine starke Natronlösung (auch andre Lösungen sind anwendbar), so wird er selbst bei Temperaturen von 130° und darüber vollkommen zu Wasser verdichtet. Die hierdurch frei werdende Wärme überträgt sich zunächst auf die Lösung und kann weiter zur Heizung von Dampfkesseln benutzt werden. Die Lösung wird mit der Zeit wärmer und wässeriger, bis sie keine Dämpfe mehr festhalten kann und selbst ins Sieden kommt. Honigmann bringt nun auf seinen Lokomotiven einen Natronkessel aa (Fig. 8) an, über welchem ein Wasserkessel b steht. Von dem Boden des letztern geht eine große Anzahl Siederohre cc bis ziemlich zum Boden des erstern. Ein Rohr dd führt von dem obern, dampferfüllt zu denkenden Raum des Wasserkessels zu den Dampfcylindern f, ein zweites ee von diesen in den untern Teil des Natronkessels. Ist nun von vornherein der Dampfdruck in b groß genug, um die Maschine zu treiben, so gelangt der abziehende verbrauchte Dampf durch ee in die Natronlösung, verdichtet sich dort und erhitzt durch Wärmeabgabe die Lösung derart, daß sie im stande ist, durch Vermittelung der Siederohre cc genügend Wasser in b zu verdampfen, um die Maschine in Gang zu erhalten, und zwar reguliert sich die Heizung des Wasserkessels von selbst in der Weise, daß, je mehr die Maschine leistet, d. h. je mehr Dampf sie verbraucht, desto mehr Dampf auch der Natronlösung zugeführt und desto mehr Wärme entwickelt wird. Das geht so lange, bis nach etwa 4–5 Stunden die Natronlösung durch Verdünnung unwirksam geworden ist. Dann muß sie abgelassen und wieder eingedampft, der Kessel aber mit frischer starker Lösung gefüllt werden. Das in b verdampfende Wasser wird durch einen Injektor aus einem Wasservorratskasten g ersetzt. Natronkessel, Siederohre und Abdampfpfannen müssen aus Kupfer hergestellt sein, weil Eisen von der Natronlösung bei hohen Temperaturen angegriffen wird. Die Natronlokomotive hat gegenüber der oben beschriebenen feuerlosen L. einen kompliziertern und im Material wertvollern Kessel sowie ein Wasserreservoir. Dagegen ist sie nicht nur feuer- und rauchlos, sondern vermeidet sogar jede Dampfausströmung. Auch zeichnet sie sich durch viel längere Leistungsdauer nach einer Füllung aus, so daß gleichzeitig die Gefahr des Steckenbleibens mitten auf der Strecke vermindert wird.
Der Versuch, Lokomotiven mit andern Naturkräften als Dampf (gespannten Federn, komprimierter Luft, Kohlensäure, Elektrizität) zu betreiben, ist bisher mit Ausnahme des elektrischen Betriebs (s. Elektrische Eisenbahn) zu keinem Resultat gekommen.
Die Lokomotiven sind in England erfunden worden. Nachdem man dort lange an dem Irrtum festgehalten hatte, daß Schienenreibung zur Lokomotion nicht ausreichend sei, und deshalb mancherlei wunderliche Konstruktionen von Dampfwagen für gewöhnliche Straßen ausgeführt hatte, war es zuerst Richard Trevethik, der bei Gelegenheit einer Wette mit einer eigens dazu konstruierten L. die Möglichkeit der Fortpflanzung der Zugkraft auf ebenen Schienen nachwies. Von dieser Konstruktion entnahm Stephenson, der Erfinder der ersten praktisch brauchbaren L., die Anwendung des Hochdruckdampfes, das Blasrohr und die Kuppelung mehrerer Achsen. Der infolge einer Preisausschreibung von ihm konstruierten L. „Rocket“ (Rakete) gab er nach der Idee Henry Barths einen Kessel mit 25 im Wasser liegenden Feuerröhren, während bei frühern Konstruktionen die Röhren mit Wasser gefüllt im Feuer lagen. Mit dieser L. besiegte Stephenson in dem welthistorischen Wettfahren vom 6. bis 12. Okt. 1829 alle übrigen Konkurrenten und zugleich das allgemein verbreitete Vorurteil gegen die L. überhaupt. Die erste mit schnell fahrenden Lokomotiven betriebene Strecke war die Liverpool-Manchesterbahn. Die Lokomotiven für die erste deutsche Eisenbahn Nürnberg-Fürth (eröffnet 5. Dez. 1835) wurden aus England bezogen und von Engländern geführt. Die erste deutsche L. (Saxonia) wurde 1837 zu Übigau für die Leipzig-Dresdener Bahn, desgleichen etwas später die zweite (Phönix) gebaut. Als der eigentliche Begründer der deutschen Lokomotivfabrikation ist jedoch Borsig in Berlin anzusehen, der seine erste L. 1841 für die Berlin-Anhalter Bahn baute. Deutschland besitzt zur Zeit 20 Lokomotivfabriken mit einer Leistungsfähigkeit von 1700–1800 Stück pro Jahr. Die deutsche Lokomotivindustrie ist der englischen ebenbürtig und der französischen überlegen. Österreich hat fünf Fabriken mit einer jährlichen Leistungsfähigkeit von 400 Stück, die Schweiz zwei Fabriken mit etwa 50 Stück pro Jahr. In den übrigen Staaten Europas ist der Lokomotivbau unerheblich. Die Bestellungen auf Lokomotiven entsprechen zur Zeit nicht einmal annähernd der Leistungsfähigkeit der Fabriken, wodurch es geschehen konnte, daß die seiner Zeit größte Fabrik Deutschlands im Oktober 1886 geschlossen wurde, nachdem sie im Laufe von 45 Jahren 4208 Lokomotiven fertig gestellt hatte, eine Leistung, die nur durch die amerikanische Fabrik „Baldwin Locomotive Works“ in Philadelphia überboten wird, von welcher im Juli 1886 die 8000. L. vollendet wurde. Die Zahl der überhaupt gebauten Lokomotiven betrug bis 1883 in Deutschland ca. 21,000 Stück, in Österreich 5000, in der Schweiz 450, auf der ganzen Erde etwas über 100,000. In Betrieb sind auf der Erde ca. 50,000 Lokomotiven, welche eine Leistung von rund 10 Mill. Pferdekräften repräsentieren, und zwar in den Vereinigten Staaten von Nordamerika 14,233 Stück, in England 10,932, in Deutschland 5927, in Frankreich 4933, in Österreich 2875, in Rußland 2684, in Ostindien 1323, in Italien 1172 Stück.
Vgl. Schaltenbrand, Die L. (Berl. 1875–76); Petzholdt, Die L. der Gegenwart (Braunschw. 1875); Kretschmer, Der Lokomotivführer und die L. (4. Aufl., Berl. 1874); Brosius u. Koch, Die Schule des Lokomotivführers (6. Aufl., Wiesb. 1887, 3 Tle.); Forney, Construction of locomotive (New York 1875); Heusinger v. Waldegg, Der Lokomotivbau (2. Aufl., Leipz. 1882); Derselbe, Musterkonstruktionen für Eisenbahnbetrieb (Hannov. 1878); Koch, Das Eisenbahnmaschinenwesen (Wiesb. 1879–80); Kosak, Katechismus der Einrichtung und des Betriebes der L. (5. Aufl., Wien 1884); G. Meyer, Grundzüge des Eisenbahnmaschinenbaues, Bd. 1 (Berl. 1883); K. Müller, Die Lokomotiven für Bahnen minderer Ordnung oder starker Steigung (Münch. 1880).
[534] Lokomotive. Bei den Compoundlokomotiven (Verbundlokomotiven) ist ein sehr wichtiger Teil die Anfahrvorrichtung, d. h. diejenige Vorrichtung, mittels welcher für den ersten Moment der Bewegung (das sogen. Anfahren) den beiden ungleich großen Dampfcylindern der Dampf zugeführt wird. Wenn die Compoundlokomotive erst im Gang ist, so strömt der im kleinen oder Hochdruckcylinder verbrauchte Dampf durch ein Zwischenreservoir (Receiver, Verbinder) dem großen (Niederdrucks- oder Expansions-) Cylinder zu, um daselbst expandierend eine weitere Arbeit zu verrichten. Beim Anfahren ist jedoch noch kein Dampf im kleinen Cylinder und Verbinder, mithin muß dem großen Cylinder, damit er Arbeit verrichten kann, auf andre Weise Dampf zugeführt werden. Andernfalls würde das Anfahren, bei dem die L. gerade ihre größte Kraft entwickeln muß, nicht möglich sein. Nach v. Borries, der sich um die Einführung der Compoundlokomotive besonders verdient gemacht hat, lassen sich im wesentlichen zwei Arten von Anfahrvorrichtungen unterscheiden, solche, welche beim Anfahren einen Abschluß des Niederdruckcylinders vom Receiver bewirken, und solche, bei denen dies nicht geschieht. Bei letztern wirkt der Druck desjenigen Dampfes, welcher beim Anfahren in den Cylinder gelassen wird, um den Dampfkolben des Niederdruckcylinders anzutreiben, als Gegendruck auf den Kolben des Hochdruckcylinders, dessen Wirkung entsprechend vermindernd. Die mit derartigen Anfahrvorrichtungen versehenen Verbundlokomotiven stehen daher hinter solchen mit gewöhnlicher Dampfwirkung, bei welchen beide Kolben mit vollem Dampfdruck belastet werden, hinsichtlich der Kraft zum Anziehen bei den meisten Stellungen ihrer Kurbeln zurück. Nur in denjenigen Stellungen, bei welchen anfangs nur ein Kolben zur Wirkung kommt, weil der Dampfschieber des andern die Einströmung [535] verschließt, ist die Anzugskraft im ersten Augenblick dieselbe, sinkt jedoch beim Hochdruckkolben alsbald, weil der Gegendruck vom Verbindet her rasch wächst, während beim Niederdruckkolben die volle Wirkung erst eintritt, nachdem die Spannung im Verbinder eine entsprechende Höhe erreicht hat. Außerdem bedürfen solche Lokomotiven einer Einrichtung, durch welche der Raum hinter dem Hochdruckkolben bei denjenigen Kurbelstellungen, bei welchen der Dampfschieber die Einströmung verschlossen hält, mit Dampf gefüllt wird, damit der Gegendruck im Receiver diesen Kolben nicht rückwärts treibt und so beide Kolben einander entgegenwirken. Die Compoundlokomotive dagegen, bei welcher der Niederdruckcylinder denn Anfahren gegen den Receiver abgeschlossen wird, so daß der zum Antreiben des Niederdruckkolbens beim Anfahren dienende Dampf vom Verbinder abgesperrt wird, also der Bewegung des Hochdruckkolbens nicht entgegenwirkt, stehen in betreff der Kraft beim Anziehen den gewöhnlichen Lokomotiven gleich, da beide Kolben ohne Gegendruck bleiben. Die Anfahrvorrichtungen ohne Abschlußvorrichtung sind erfahrungsmäßig nicht geeignet, eine zum Anfahren mit Sicherheit ausreichende Zugkraft zu erzielen. Deshalb ist es zweckmäßig, bei Compoundlokomotiven Anfahrvorrichtungen mit Abschlußvorrichtung anzubringen. Bei der Anfahrvorrichtung von Borries wird zwischen dem großen Cylinder und dem Receiver ein Abschlußventil angebracht, welches beim Anfahren den Zutritt des dem großen Cylinder durch eine enge Öffnung zugeführten direkten Dampfes in den Receiver hindert. Dabei wird die Spannung des dem großen Cylinder zugeführten Dampfes so weit verringert, daß der Druck auf seinen Kolben gleich dem durch die unverminderte Dampfspannung auf den kleinen Kolben ausgeübten Druck ist, so daß das Anfahren mit genau derselben Kraft vor sich geht wie bei einer gewöhnlichen L. Nach dem Beginn der Bewegung tritt der Dampf aus dem kleinen Cylinder in den Receiver so lange über, bis der Druck daselbst demjenigen im Schieberkasten des großen Cylinders gleich geworden ist, worauf sich das Abschlußventil selbstthätig öffnet und die Verbindung zwischen beiden Cylindern herstellt. Zugleich wird durch die Bewegung des Ventils der Zufluß des direkten Dampfes zum großen Cylinder abgesperrt, so daß die L. nunmehr als Compoundlokomotive weiter arbeitet. Bei
Anfahrvorrichtung von Borries. | |
dem in der Figur dargestellten Ventil ist der Stutzen a mit dem Receiver, der Stutzen b mit dem Schieberkasten des großen Cylinders, die enge Öffnung bei c mit dem Absperrschieber (Regulator) verbunden. Beim Anfahren mit geschlossenem Ventil v gelangt durch c und b Dampf von verminderter Spannung in den großen Cylinder, nicht aber durch a in den Receiver, so daß der kleine Kolben keinen Gegendruck erhält. Erst wenn nach dem Anfahren der Druck bei a demjenigen bei b gleich geworden ist, öffnet sich das Ventil und schließt gleichzeitig, indem sich der kleine Ventilkegel d auf seinen Sitz e legt, den Zufluß des direkten Dampfes ab. In dieser Stellung wird das Ventil durch den auf den Ringquerschnitt der Stange f nach außen wirkenden Dampfdruck festgehalten. Das Schließen des Ventils v vor dem Anfahren geschieht durch den Lokomotivführer mittels eines neben dem Steuerungsbock angebrachten Hebels. Die Anzahl der nach dem System v. Borries erbauten Lokomotiven wächst von Jahr zu Jahr, wie aus folgender Übersicht hervorgeht. Es waren im Betrieb am Ende der Jahre
1880: | 2 | Stück |
1881: | 2 | „ |
1882: | 4 | „ |
1883: | 14 | Stück |
1884: | 18 | „ |
1885: | 43 | „ |
1886: | 56 | Stück |
1887: | 100 | „ |
1888 waren 124 Stück im Bau und Betrieb. Diese verteilen sich auf die königliche Eisenbahndirektion in Hannover mit 14 Schnellzuglokomotiven, 21 Güterzuglokomotiven und 12 Omnibuslokomotiven; die königliche Eisenbahndirektion in Bromberg mit 5 Güterzuglokomotiven; die königliche Eisenbahndirektion in Frankfurt a. M. mit 2 Personenzuglokomotiven; die königlich Sächsische Staatsbahn mit 11 Güterzuglokomotiven und 7 Schnellzuglokomotiven; die königlich württembergische Staatsbahn mit 10 Schnellzuglokomotiven, die kaiserliche Reichsbahn in Elsaß-Lothringen mit einer Schnellzuglokomotive; die Great-Easternbahn in England mit 11 Schnellzuglokomotiven; die North-Easternbahn in England mit 11 Schnellzuglokomotiven und 11 Güterzuglokomotiven; die Westbahn in Argentinien mit 2 Personenzuglokomotiven; die Entre-Riosbahn in Argentinien mit einer Güterzuglolomotive; die Buenos Ayres- und Rosariobahn mit einer Personenzuglokomotive, und die Bengal-Nagpurbahn in Indien mit einer L. für gemischten Dienst. Die rasche Zunahme der Verbreitung dieser L. ist durch ihre guten Eigenschaften begründet. Der Brennmaterialverbrauch hat sich auf fast sämtlichen genannten Bahnen mit bemerkenswerter Gleichmäßigkeit um 15–20 Proz. geringer als derjenige gewöhnlicher Lokomotiven gleicher Gattung ergeben, während sich die Leistungsfähigkeit je nach der Fahrgeschwindigkeit um 5–50 Proz. höher stellte. Die Ersparnis an Speisewasser übertrifft die Brennmaterialersparnis zum Teil erheblich, welcher Umstand namentlich bei der Benutzung von Tendermaschinen auf langen Strecken von großem Wert ist. Die größere Leistungsfähigkeit der Compoundlokomotiven hat auf mehreren Bahnen zur Beseitigung der bisher für schwerere Schnellzüge erforderlichen (den Betrieb sehr verteuernden) Vorspannleistungen geführt. Die Unterhaltungskosten der Verbundlokomotiven haben sich in keinem Fall höher, bei Schnellzug-Compoundlokomotiven sogar mehrfach geringer als diejenigen gewöhnlicher Lokomotiven ergeben.
[570] Lokomotive. In der Lokomotivenfabrik von Neilson und Komp. in Glasgow sind vor kurzem für die mexikanischen Eisenbahnen mehrere Lokomotiven von besonders großer Leistungsfähigkeit nach dem System Fairlie erbaut worden. Diese Lokomotiven ruhen auf zwei beweglichen Radgestellen mit je 6 Rädern von 1,07 m Durchmesser. Die Cylinder haben bei 0,56 m Länge einen Durchmesser von 0,406 m. Der Radstand jedes Gestelles beträgt 2,515 m und der gesamte äußerste Radstand 9,885 m. Die größte zulässige Dampfspannung im Kessel ist auf 11,7 Atmosphären festgesetzt. Die Wasserbehälter haben einen Fassungsraum von 12,800 Lit., und die Kohlenräume können 5–6 Ton. Brennmaterial aufnehmen. Das Gesamtgewicht der L. bei vollständiger Ausrüstung beträgt 92 Ton., also etwas mehr als 15 T. auf die Achse. Man veranschlagt die Förderlast dieser L. auf wagerechter Bahn mit 3600 Ton., dies entspräche einem Zuge von 240 Wagen von je 15 T.
Um die Belästigung der in der Nähe der Eisenbahn wohnenden Bevölkerung und der Reisenden nach Möglichkeit zu vermeiden, sind vom preußischen Eisenbahnminister Vorschriften für die Ausstattung der L. mit Dampfpfeifen gegeben worden. Danach sollen künftig Tenderlokomotiven für kleinere Züge und zum Rangierdienst mit kleinen Pfeifen von verhältnismäßig geringer Tonstärke, Personen- und Güterzuglokomotiven
Brettmanns Doppelpfeife für Lokomotiven. | |
dagegen mit zwei Dampfpfeifen ausgerüstet werden, deren eine einen schwachen Ton gibt, während die andre, größere, nur zum Geben von weithin hörbaren Signalen dient. Zugelassen ist dabei, daß an Stelle der Doppelpfeifen Dampfpfeifen mit Doppelton treten können, sofern dieselben sich auf die Dauer bewähren. Nach Brettmann scheinen letztere jedoch zur Einführung nicht geeignet, solange für die Hervorbringung der beiden verschiedenen Töne kein andres Mittel gefunden ist als die verschiedene Öffnungsweite des den Dampf zur Pfeife zulassenden Ventils, bez. der mehr oder weniger große Ausschlag des zur Bewegung des Ventils dienenden Handgriffs nach einer und derselben Richtung. Als Grund hierfür wird angegeben, daß der Lokomotivführer beim Geben des Signals seine Aufmerksamkeit viel zu sehr auf die außerhalb der L. vorgehenden Dinge zu richten habe, als daß er dabei mit Sicherheit einen bestimmten Hub des Pfeifenhebels innehalten könnte, weshalb man bei Lokomotiven, die mit doppelt tönenden Pfeifen ausgerüstet sind, fast niemals den schwachen Ton für sich, sondern in der Regel einen Doppelton zu hören bekomme, d. h. momentan einen schwachen und unmittelbar darauf einen starken Ton. Nach Brettmann bleibt nur übrig, zwei Pfeifen anzunehmen, die aber mittels eines einzigen Handhebels in Thätigkeit zu setzen sind und zwar derart, daß beim Drehen des Hebels nach rechts die starke, beim Drehen nach links die schwache Pfeife ertönt. Diesen Bedingungen entspricht die in der Figur dargestellte Doppelpfeife. Sie besteht aus zwei nebeneinander auf einem gemeinschaftlichen Dampfzuführungsrohr a aufgestellten Ventilpfeifen, über welchen ein gemeinschaftlicher Bewegungshebel b liegt, der mit den Ventilstangen c und c1 durch Bolzen verbunden ist. Die Ventile selbst bilden die Stützpunkte für den Hebel, wenn er bewegt wird. Wird er an dem freien Ende bei d abwärts bewegt, so wird das Ventil v1 der (schwachen) Pfeife nach oben gezogen, d. h. nur fester auf den Sitz gedrückt, das der stärkern Pfeife dagegen (v) geöffnet. Wird das Hebelende d nach oben bewegt, so wird das Ventil v aufwärts gegen seinen Sitz gepreßt und v1 geöffnet. Im erstern Falle ertönt also die starke, im letztern die schwache Pfeife. Der Hebel b muß natürlich durch geeignete Zwischenhebel und Zugstangen mit dem vom Lokomotivführer zu bewegenden Handgriff verbunden werden.
In letzter Zeit sind wieder viele Bestrebungen gemacht, Fahrzeuge mit Gaskraftmaschinen zu betreiben (Gaslokomotiven). Hierzu ist vor allen Dingen dafür zu sorgen, daß auf dem Fahrzeug ein hinreichender Vorrat von Speisegas untergebracht wird. Bei Anwendung von Leucht- oder Fettgas müssen große Gasspeicher am Fahrzeug angebracht sowie Vorrichtungen zum Komprimieren des Gases vorhanden sein, um die nötige Gasmenge unter starkem Druck aufspeichern zu können. Der ganze Betrieb wird dadurch umständlich. Man ist deshalb davon zurückgekommen und hat neuerdings den Betrieb mit karburierter Luft ins Auge gefaßt, d. h. mit einem Gemenge von Luft und Kohlenwasserstoffdämpfen (meist Benzindämpfen), welches dadurch erhalten wird, daß man Luft durch einen Raum streichen läßt, in welchem Benzin etc. verdampft wird (Vergaser). Erforderlich ist dazu die Aufstellung eines Vergasers auf dem Fahrzeug und die Mitschaffung einer größern Menge flüssigen Kohlenwasserstoffs. Trotzdem wird die ganze Einrichtung immer noch praktischer und weniger umständlich als bei Anwendung verdichteten Gases. Auch wird der Betrieb ungleich unabhängiger von der Zeit und örtlichen Verhältnissen als der Betrieb mit Gas. Zu den Fahrzeugen dieser Art gehört der Benzinwagen (Bd. 17, S. 113).
De la Hault in Brüssel verwendet zum Betrieb von Straßenfahrzeugen eine Maschine mit schwingendem Cylinder. Der in einem Gaserzeuger verdampfte Kohlenwasserstoff mischt sich mit der Luft, die durch die saugende Wirkung einer schwingenden Luftpumpe durch den Gaserzeuger hindurchgeführt wird. Die so erhaltene karburierte Luft wird, durch nochmaligen Zutritt von Luft verdünnt, von der Luftpumpe angesaugt, dann komprimiert und einem Zwischenbehälter zugeführt, aus welchem die Ladung in erforderlichen Mengen in den Arbeitscylinder tritt, um dort, mittels elektrischer Funken entzündet, zur Verbrennung zu kommen und den Kolben vorwärts zu treiben. Dieser wirkt mittels Kolbenstange auf eine Antriebswelle, welche auf einer Seite ein Schwungrad [571] trägt, auf der andern durch Zahnräderpaare von verschiedenem Übersetzungsverhältnis auf eine Zwischenwelle einwirkt, von welcher die Bewegung auf die Treibräder übertragen wird. Die Einrückung oder Ausrückung der Zahnräderpaare geschieht mittels Kuppelungen und zwar so, daß immer nur je ein Paar zur Wirkung kommt, während die andern leer laufen. Mit Hilfe dieser Zahnradübersetzungen kann man die Geschwindigkeit des Motors nach Bedarf verändern. Eine Veränderung der Maschinenkraft wird durch Veränderung des Karburierungsgrades der Ladung herbeigeführt. Hierzu dient eine Reguliervorrichtung, mittels welcher die Menge der nach dem Gaserzeuger streichenden Luft geregelt wird. Den Gaserzeuger bildet ein kastenförmiger, durch einen abnehmbaren Deckel geschlossener Behälter, in welchem mehrere Reihen mit Zeug bezogener Hürden angeordnet sind, deren Zeugbezug in die Karburierflüssigkeit taucht. Die Hürden ruhen auf Blechwänden, welche so gestellt sind, daß zwischen ihnen vielfach hin- und hergehende Kanäle gebildet werden. Unterhalb der Hürden sind Rohre angebracht, durch welche die verbrauchten heißen Verbrennungsgase aus dem Arbeitscylinder streichen, so daß die von den Hürden angesaugte Flüssigkeit erwärmt und verdampft wird. Die Dämpfe treten in die erwähnten Zickzackkanäle und werden von der durch diese hindurchstreichenden Luft aufgenommen und mitgeführt.
Bei der Gaslokomotive von E. Stevens wird die Gaskraftmaschine nicht direkt zum Antreiben der Räder, sondern zum Verdichten (Komprimieren) von Luft gebraucht, welche sodann, in einer besondern Luftmaschine zur Wirkung kommend, den Wagen bewegt. Ein stehender Gasmotor dient zum Betrieb eines Luftverdichters und einer Wasserpumpe und erhält das erforderliche Betriebsgas aus einem Vergaser, welcher nach Art eines Lokomotivkessels eingerichtet ist. Ein mit den zu vergasenden Kohlenwasserstoffen erfülltes Gefäß ist nämlich von einer großen Anzahl Röhren durchzogen, durch welche die vom Gasmotor abziehenden heißen Verbrennungsgase streichen. Die dabei erzeugten Kohlenwasserstoffdämpfe sammeln sich in einem oberhalb angebrachten Dome und bilden mit hindurchgeführter Luft die zur Speisung des Gasmotors dienende karburierte Luft. Der vom Motor betriebene Luftverdichter saugt Luft aus der Atmosphäre an und treibt sie in verdichtetem Zustand in einen Luftsammler, aus welchem sie in die nach Art einer Zwillingsdampfmaschine eingerichtete Luftmaschine tritt, welche sich von den gewöhnlichen Lokomotivmaschinen hauptsächlich nur durch das Betriebsmittel unterscheidet. Die in der Luftmaschine verbrauchte und dabei infolge der Expansion abgekühlte Luft entweicht durch einen Kühlapparat. Dieser dient dazu, das in dem Kühlmantel des Cylinders des Gasmotors erwärmte Wasser wieder so weit abzukühlen, daß es von neuem zur Kühlung des Cylinders der Gasmaschine gebraucht werden kann, und gleicht einem stehenden Röhrenkessel, dessen Röhren innen von der aus dem Luftmotor entweichenden kühlen Luft und außen von dem zu kühlenden Wasser bespült werden, wobei ein Wärmeaustausch stattfindet. Bevor das warm gewordene Kühlwasser der Gasmaschine in den Kühlapparat eintritt, durchläuft es einen Wassermantel der Luftmaschine, um diese so weit zu erwärmen, daß bei der Expansion der arbeitverrichtenden Luft Temperaturen unter 0° vermieden werden, welche sonst bei Luftmaschinen leicht durch Eisbildung störend auftreten. Es findet also ein fortwährender Umlauf des Wassers von der Gasmaschine zum Luftmotor, weiter zum Kühlapparat und wieder zurück zum Gasmotor statt. Falls der Behälter für die verdichtete Luft ebenfalls doppelwandig ausgeführt ist, kann das Wasser auch noch durch diesen Mantelraum hindurchgeleitet werden. Die verbrauchten Gase der Gaskraftmaschine werden nach ihrer Wirkung im Vergaser durch einen Schornstein ins Freie geleitet. Zum Dämpfen des mit dem Austreten der Gase verbundenen Geräusches, welches bei einer Verwendung der L. zu Straßenbahnzwecken mit Rücksicht auf den andern Wagenverkehr (Scheuen der Pferde) vermieden werden muß, ist in den Schornstein ein besonderer Apparat eingeschaltet. Derselbe besteht aus einem siebartig durchlochten Rohre von dem lichten Durchmesser des Schornsteins, um welches in einigem Zwischenraum konaxial ein zweites Rohr aus nicht gelochtem Blech gelegt ist. Der Raum zwischen beiden Rohren ist mit unverbrennbarem Faserstoff (Asbest od. dgl.) ausgefüllt, durch welchen die Übertragung der beim Auspuff auftretenden Gasschwingungen nach außen gehemmt werden soll. Die bei dieser Gaslokomotive zwischen dem eigentlichen (primären) Motor und den Triebrädern eingeschaltete Luftmaschine zieht zwar jedenfalls den Wirkungsgrad der ganzen L. etwas herab, gestattet aber die Anwendung von einfachen Umsteuerungen, wie sie bei den gewöhnlichen Lokomotiven gebräuchlich sind, so daß die Bewegungsrichtung der L. ebenso leicht und sicher geändert werden kann wie bei diesen, während die Umsteuerung bei den direkt mit Gasmotoren betriebenen Lokomotiven noch Schwierigkeiten macht.
Ein eigentümliches Fahrzeug wurde von Wald u. Rigal in Paris vorgeschlagen. Die Fortbewegung desselben erfolgt mittels einer schweren, im Innern des hohlen Radkranzes des Treibrades enthaltenen Flüssigkeit durch gepreßtes Gas. Dadurch, daß diese Flüssigkeit durch den auf sie ausgeübten und aufwärts wirkenden Gasdruck gezwungen wird, sich in dem Radkranz zu verschieben, bringt sie das Rad aus dem Gleichgewicht, und infolge des Bestrebens des Rades, seine Gleichgewichtslage wiederherzustellen, kommt es in Drehung und bewirkt so die Fortbewegung des Wagens. Der hohle Radkranz ist durch Ventile in mehrere (vier) Teile zerlegt, die sich in der Nähe der Ventile zu Kammern erweitern. Alle diese Ventile schlagen nach derselben Richtung hin auf, nämlich entgegengesetzt der Drehungsrichtung des Rades. Neben jedem Ventil, und zwar auf der Seite, nach welcher das Ventil aufgeht, mündet in jede der Kammern ein radiales Rohr, welches zur Gaszu- und Ableitung dient und zu dem Zwecke durch eine an der Radnabe angebrachte Kreisschiebersteuerung abwechselnd mit dem Gaserzeuger und der äußern Luft in Verbindung gesetzt wird. Es sei angenommen, das Triebrad solle sich, von einer bestimmten Seite aus gesehen, nach rechts drehen, wobei auch der Wagen von links nach rechts laufen würde, so müßten nach obigem alle Ventile im Hohlraum des Rades nach links aufschlagen und die radialen Rohre links neben den Ventilen in die Kammern einmünden. Es sei ferner vorausgesetzt, es befinde sich eine der vier Kammern (Nr. 1) gerade in ihrer tiefsten Stellung und sei mit Flüssigkeit gefüllt, die sich im Gleichgewicht befindet, also zu beiden Seiten des tiefsten Punktes der Kammer gleich hoch steht. Wird jetzt das radiale Rohr (Nr. 1) dieser Kammer mit dem Gaserzeuger in Verbindung gesetzt, Nr. 2 ganz geschlossen und Nr. 3 und 4 nach dem Freien hin geöffnet, so drückt das Gas das Ventil (Nr. 1) dieser Kammer [572] zu und die Flüssigkeit in dem Sinne einer Linksdrehung von dem Ventil 1 weg und in demjenigen Teile des Rades in die Höhe, der vom Auflagerpunkt rechts liegt (in die Kammer 2 hinein durch das sich öffnende Ventil 2), und zwar so weit, bis die Höhe der emporgedrängten Flüssigkeitssäule dem Gasdruck entspricht. Derselbe Druck, mit dem das Gas auf die Flüssigkeit preßt, lastet auch auf dem geschlossenen Ventil 1 und bewegt daher dieses und mit ihm das Rad im Sinne der Rechtsdrehung, bis das radiale Rohr 2 ans Ende der Flüssigkeitssäule gelangt ist; dann wird dieses durch die Steuerung mit dem Gaserzeuger in Verbindung gesetzt, Nr. 3 geschlossen und Nr. 1 und 4 ins Freie geführt. Jetzt wirkt der treibende Druck ebenso auf Ventil 2 wie vorher auf Ventil 1, während Ventil 3 die Flüssigkeit in die Kammer 3 treten läßt und das in Kammer 1 befindliche, nunmehr verbrauchte Gas durch Kanal 1 entweicht. Dann tritt Kammer 3 mit Ventil 3 in Wirksamkeit, Ventil 4 öffnet sich der Flüssigkeit, Kanal 2 dem aus Kammer 2 abziehenden verbrauchten Gas etc. Das Gas wird in einem auf dem Wagen angebrachten Gaserzeuger entwickelt, der den Gasdruck selbstthätig konstant erhält. In erster Linie ist als treibendes Gas Kohlensäure ins Auge gefaßt, welche aus einem kohlensauren Salze mit Säure entwickelt werden soll.
Seit Jahren beschäftigt sich Ries in New York mit dem Gedanken, die Adhäsion der Lokomotivräder an den Schienen, d. h. die Zugkraft der Lokomotiven, dadurch zu erhöhen, daß er den Strom einer auf der L. angeordneten Dynamomaschine durch die Triebräder leitet. Die dadurch herbeigeführte Steigerung der Reibung erklärt er dadurch, daß der Strom den Anfang einer Schweißung zwischen Triebrad und Schiene macht, natürlich nur den allerersten Anfang, da der Prozeß an jeder Stelle dadurch sofort wieder unterbrochen wird, daß das Triebrad sich weiter fortwälzt. Zwei kürzlich von Ries mit einer Maschine der Philadelphia-Reading-Bahn angestellte Versuche sollen sehr befriedigend ausgefallen sein. Es wurde zunächst eine Steigung von ca. 1 : 28 mit Hilfe der durch Elektrizität verstärkten Adhäsion in 20 Min. überwunden, während bei Anwendung der gewöhnlichen Adhäsion 55 Min. erforderlich waren. Beim zweiten Versuch wurde die L. vor einen Zug aus zwölf festgebremsten Kohlenwagen gespannt, welchen sie natürlich mittels bloßer Adhäsion nicht von der Stelle zu bewegen vermochte. Sobald aber der elektrische Strom die Räder durchkreiste, kam der Zug, wenn auch langsam, vorwärts. Allerdings muß bei der Verwendung der Elektrizität der Kessel der L. wegen der Bethätigung der L. stärker in Anspruch genommen werden, aber dafür ist nach Ries die Adhäsion um 25 Proz. stärker. – Zur Litteratur: Salomon, Die Lokomotiven auf der Pariser Weltausstellung 1889 (aus der „Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure“, Berl. 1890).
[585] Lokomotive. Bei den immer größern Ansprüchen, die an die Zugkraft und Geschwindigkeit der L. gestellt werden, ist man mit den Lokomotiven der gewöhnlichen Art schon bis an die äußerste Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gekommen, und es liegt ein dringendes Bedürfnis vor, diese Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Zwar kann man sich bei den schweren Zügen, die zur Zeit immer häufiger werden und von einer L. nicht mehr fortgeschafft werden können, durch Vorspannen einer zweiten helfen, aber dadurch werden die Betriebskosten bedeutend erhöht. Bork in Berlin beleuchtet die Mittel, die zu einer Erhöhung der Leistungsfähigkeit der L. führen könnten (Glasers „Annalen“, Bd. 28). Wenn zunächst an der jetzt gebräuchlichen Achsenzahl und Belastung der L. festgehalten wird, so könnte eine höhere Leistungsfähigkeit nur durch bessere Ausnutzung der Kohle und des Dampfes herbeigeführt werden (höherer Nutzeffekt). Man könnte die Differenz zwischen der Temperatur des Dampfes im Kessel und derjenigen des entweichenden Dampfes durch Erhöhung jener und Erniedrigung dieser erreichen. Durch Steigerung der Kesseltemperatur von 190 auf 202°, entsprechend einer Druckerhöhung von den jetzt üblichen 12 Atmosphären auf 16 Atmosphären, ließe sich die Leistungsfähigkeit um 11 Proz. steigern. Eine derartige Temperatur- und Drucksteigerung würde noch innerhalb der Grenzen der Möglichkeit liegen. Eine Herabsetzung der Temperatur des abziehenden Dampfes von 105 auf 50° würde eins weitere Erhöhung der Leistungsfähigkeit um ca. 15 Proz. ergeben. Dies ließe sich nur durch Kondensation erreichen, deren Einführung bei der L. wohl als aussichtslos zu betrachten ist. Wesentliche Verluste führen bei der gewöhnlichen Bauart der L. die Drosselung des Dampfes infolge des langsamen Schließens der [586] Dampfkanäle durch den schleichenden Schieber, die ungenügende Ausnutzung der Expansion des Dampfes und die Abspannung des Dampfes durch Abkühlung im Cylinder und in den Dampfkanälen herbei. Die Drosselung ließe sich durch Einführung einer Steuerung mit schnellem Abschluß beseitigen oder doch wesentlich vermindern. Eine derartige Steuerung (System Bonnefond) ist weiter unten beschrieben. Zur bessern Ausnutzung der Expansion und zur Vermeidung der Abkühlungsverluste würde die allgemeinere Einführung des Verbund- (Compound-) Systems bei den Lokomotiven führen (vgl. Bd. 10, S. 887, und Bd. 17, S. 534). Es besteht somit allerdings die Möglichkeit, die Leistung der Lokomotiven bei der jetzt gebräuchlichen Achsenzahl ohne Vergrößerung des Kessels und des zugeführten Arbeitsvermögens innerhalb gewisser Grenzen zu erhöhen. Doch reicht diese Erhöhung bei weitem nicht für alle Fälle aus. Es ist daher eine vermehrte Arbeitszuführung und somit die Anwendung schwererer Kessel mit größerer Heiz- und Rostfläche geboten. Dies bedingt aber eine Vermehrung der Achsenzahl und damit im Zusammenhang eine Vergrößerung des Radstandes. Letzterer ist indes mit Rücksicht auf die vorhandenen Krümmungsverhältnisse der Geleise wiederum an enge Grenzen gebunden. Die Anwendung größerer Kessel bedingt daher getrennte, gegeneinander bewegliche Radgestelle. Als nächstliegende Lokomotivenkonstruktion, welche für Personenzugmaschinen der Flach- und Hügellandbahnen im allgemeinen dem Bedürfnis genügen wird, kann diejenige bezeichnet werden, welche zwei gekuppelte Achsen sowie zwei in einem Truckgestell gelagerte Laufachsen besitzt. Es können hierbei ohne Schwierigkeiten Kessel von 120–130 qm Heizfläche zur Verwendung gelangen, und damit kann bei 16 Atmosphären Überdruck auf eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit um 30–40 Proz. gerechnet werden. Derartige Lokomotiven können unter Vergrößerung der Triebraddurchmesser gleichzeitig erhöhten Anforderungen an die Geschwindigkeit genügen. Für Gebirgsbahnen wird die genannte Konstruktion noch nicht allen Anforderungen entsprechen, vielmehr wird da eine wesentlich weitergehende Vergrößerung der Kessel geboten erscheinen. Da für eine rationelle Ausnutzung der Heizfläche die Rauchröhren an eine bestimmte Maximallänge gebunden sind, so werden für diese großen Leistungen Kessel mit Doppelfeuerung verwendet werden müssen. Zu dem Behuf kann man entweder die Feuerbüchsen der Kessel aneinander stehen lassen (System Fairlin), oder man kann einen Kessel mit zwei Feuerstellen verwenden und denselben auf zwei Truckgestellen lagern, von denen entweder das eine mit einer Maschine, oder auch beide mit besondern Maschinen zu versehen sind. Diese Doppelkessel dürften den weitgehendsten Ansprüchen genügen.
Mancherlei Bestrebungen sind gemacht worden, die Lokomotivkessel zu vereinfachen. Besonders die Feuerkiste und deren Mantel mit ihren überaus zahlreichen Verankerungen, die durch die ebene Gestalt der Wände bedingt sind, haben hierzu Veranlassung gegeben. Bei den am meisten üblichen Lokomotivkesseln erfolgt die Verankerung der Seitenwände der Feuerkiste und des Feuerkistenmantels durch kupferne Stehbolzen. Die Feuerkistendecke wird entweder durch Deckenanker versteift, von denen einige am Feuerkistenmantel aufgehängt sind, oder gleichfalls durch Stehbolzen damit verbunden. Jedenfalls sind bei den Verankerungen die kleinen Bewegungen der Feuerkiste gegen den Mantel, die von der verschiedenen Ausdehnung infolge verschiedener Erwärmung herrühren, zu berücksichtigen. Diese Verankerungen zwischen Feuerkiste und Mantel teilweise oder gänzlich unnötig, also beide voneinander möglichst unabhängig zu machen, war man längst bestrebt. Selbstverständlich geht das nur an, soweit von der ebenen Form der Wände abgewichen wird, weil ja gerade diese die Veranlassung zu den Verankerungen gewesen ist. Zuerst sing man an, die Decke der Feuerkiste und des Feuerkistenmantels halbcylindrisch zu wölben und die Deckenverankerungen zu vermindern oder ganz fortzulassen. Um die Widerstandsfähigkeit der gewölbten Feuerkistendecke zu erhöhen, stellte man sie aus Wellblech oder aus mehreren Stücken von -förmigem Querschnitt her. Bei der Feuerkiste von Wottiz enthält eine untere Kammer mit halbrunder Decke den Rost, während eine obere, vollkommen cylindrische Kammer in ihrer dem Langkessel zugekehrten Wand (Rohrwand) die Rauchröhren aufnimmt. Beide Kammern sind durch einen Hals verbunden. Durch diesen gelangen die Feuergase in die obere Kammer und von da in die Rauchröhren. Die Feuerkiste von Webb besteht gleichfalls aus zwei übereinander angebrachten Kammern von im allgemeinen vollcylindrischer Gestalt, welche am hintern Ende durch einen Hals verbunden sind. Die untere Kammer ist ihrer ganzen Länge nach vom Roste durchzogen, die obere ragt mit einer unten halbcylindrisch, oben flach gewölbten Verlängerung in den Langkessel hinein und hat als vordern Abschluß die Rohrwand. (Die andern Stirnwände der Feuerkiste werden durch ringförmig gewellte Bleche gebildet.) Die ganze übrige Feuerkiste steckt in dem Feuerkistenmantel von 8-förmigem Querschnitt. An Verankerungen sind erforderlich vier Deckanker für die flach gewölbte Decke des in den Langkessel hineinragenden Teiles, Stehbolzen zwischen den Stirnwänden der Feuerkiste und des Mantels und an den flachen Seitenflächen des Halsstückes zwischen der untern und obern Kammer. Bei dieser Konstruktion ist besonders auf die Anwendung von Stahlblechen (statt Kupferblech) gerechnet. – Zwei nebeneinander liegende Heizkammern zeigen die Stronglokomotiven. Diese sind aus Wellrohren HH von Stahlblech hergestellt (Fig. 1), die durch ein Mittelstück M
Fig. 1. Kessel der Stronglokomotive. Heizkammern. | |
mit einer gemeinsamen, durch die Rohrwand abgeschlossenen Verbrennungskammer Y verbunden sind. Letztere besteht gleichfalls aus einem Wellrohr. Der äußere Kessel (Fig. 2) besteht hinten aus zwei die Heizkammern umgebenden Cylindersegmenten CC, die da, wo sie zusammenstoßen, durch eine sich im Querschnitt als gemeinschaftliche Sehne darstellende senkrechte Längswand verankert sind. Der hintere Abschluß erfolgt durch eine Wand, die auch die Enden der beiden Wellrohre aufnimmt. Vorn geht der Kessel in den cylindrischen Langkessel L über. Diese Kesselkonstruktion vermeidet alle Verankerungen und bezweckt eine besonders gute Verbrennung, weil die Anwendung zweier getrennter Feuerungsräume es gestattet, in dem einen stets ein helles Feuer zu unterhalten, während der andre frisch befeuert wird. Dabei [587] ist der große Verbrennungsraum zwischen den beiden getrennten Feuerungsstellen und der Rohrwand sehr zweckmäßig, weil in ihm eine vollständige Verbrennung erfolgt, ehe die Heizgase in die Siederohre eintreten. Bedeutend einfacher ist die Konstruktion von Pohlmeyer. Bei ihr ist die Feuerkiste durch ein einziges starkes Wellrohr ersetzt, welches vorn durch die Rohrwand abgeschlossen und hinten mit der entsprechend ausgeschnittenen Stirnwand des cylindrischen
Fig. 2. Kessel der Stronglokomotive. Äußeres. | |
Mantels verbunden ist. Als eine Verbesserung dieser Konstruktion dürfte diejenige von Lentz in Düsseldorf anzusehen sein. Dieser versieht einen nach der Mitte des Kessels verlegten weitesten Kesselschuß a (Fig. 3) nach beiden Seiten mit kegelförmigen Anschlüssen b und c, deren letzterer das geknickte Wellrohr d umschließt. Das Wellrohr ist hinten durch eine hohle, mit Luftkühlung versehene Gußplatte e abgeschlossen, welche die Belästigung des Personals durch starke Wärmeausstrahlung, wie sie bei der Pohlmeyerschen L. auftritt, verhindern soll. Jede Verankerung der Feuerkiste ist unnötig geworden, der Ausblick vom Führerstand ist erheblich erleichtert. Wie der Pohlmeyersche, gestattet auch der Kessel von Lentz eine große Freiheit in der Anordnung der Achsen, so daß für verschiedene Radstände gute Lastverteilungen erreicht werden können. Der Rost f ist horizontal in den schräg nach hinten gerichteten Teil des Wellrohres eingebaut. Unter ihm ist das Wellrohr mit einem glatten Bleche belegt, um das
Fig. 3. Lokomotive von Lentz. | |
Abrutschen der Asche in den Aschenkasten g zu ermöglichen. Aus dem vor der Feuerbrücke h liegenden Verbrennungsraum wird die Asche durch das Rohr r entfernt. Zwei am hintern Ende des Wellrohres befindliche Feuerthüren gestatten zum Zwecke guter Rauchverbrennung ein abwechselndes Befeuern der beiden Seiten des Rostes. Durch diese Kesselkonstruktion will Lentz erreichen, daß die Anschaffungskosten bei mittelschweren und schweren Lokomotiven um 4–5000 Mk. vermindert, die Reparaturkosten und der Reparaturstand verringert und dem entsprechend die Lokomotiven besser ausgenutzt werden. Wegen der großen Widerstandsfähigkeit der Wellrohre gegen äußern Druck soll der Kesseldruck wesentlich gesteigert werden können. Die gewellte Form der Feuerkiste soll das Freihalten der Wandungen von Kesselstein begünstigen, weil infolge der durch die ungleiche Erhitzung der Kesselteile hervorgerufenen Bewegungen das Abspringen des Kesselsteins veranlaßt werden soll.
Zu erwähnen sind eine Reihe von neuern Einzelheiten an Lokomotiven. Um bei Lokomotiven (auch bei Lokomobilen etc.) eine bessere Ausnutzung der Kohlen dadurch herbeizuführen, daß die Rauchkammergase vor dem Entweichen durch den Schornstein noch weiter nutzbar gemacht werden, baut Brüggemann in die Rauchkammer einen Dampfüberhitzer ein. Derselbe besteht aus einem System von Rippenheizkörpern, welche oberhalb der Rauchröhren und unterhalb des Blasrohres angebracht sind und daher von den aus den Rauchröhren austretenden Feuergasen umspült werden, bevor sie durch den aus dem Blasrohr strömenden Dampf durch den Schornstein emporgerissen werden. Durch das Innere der Rippenrohre zieht der aus dem Kessel tretende Dampf, so daß eine Verdampfung der mitgerissenen Wasserteilchen und womöglich eine Überhitzung des so getrockneten Dampfes hervorgerufen wird, bevor er in die Cylinder der L. gelangt. Einen weitern Vorteil soll der Apparat dadurch bieten, daß die von den Feuergasen mitgeführten Funken durch das Anschlagen an die Wandungen und Rippen der Rohre zermahlen und unschädlich gemacht werden, wodurch die Gefahr des Funkenwerfens wesentlich vermindert wird. Daß durch den Einbau des Apparates in die Rauchkammer die Wirkung des Blasrohres verringert und dadurch die Verbrennung gestört werde, ist nicht zu befürchten, da der freie Durchgangsquerschnitt zwischen den Rippen des Röhrensystems ohne die seitlichen freien Räume das Dreifache des Schornsteinquerschnittes beträgt.
Schubert in Sorau hat die Bemerkung gemacht, daß die Mehrzahl der durch Lokomotiven verursachten Brände nicht von den aus dem Schornstein entweichenden Funken, sondern von glühenden Teilen herrühren, die durch den starken Luftzug aus dem Aschenkasten herausgewirbelt werden. Die aus dem Schornstein herkommenden Funken, welche meistens [588] den eben zuvor aufgeworfenen Kohlen entstammen, sind noch nicht gehörig angebrannt und erlöschen deshalb auf dem weiten Wege durch die Luft, ehe sie zu Boden fallen. Anders verhält es sich mit den Massen im Aschenkasten. Diese haben sämtlich den Rost passiert, sind also vollständig durchglüht und werden daher, aus dem Kasten herausgeschleudert, die Hitze viel länger an sich halten. Hierzu kommt, daß der Weg vom Aschenkasten bis zum nebenliegenden Gelände wesentlich kürzer ist als der, den die aus dem Schornstein entweichenden Funken zurückzulegen haben. Die zur Verhütung von Funkenflug aus den Aschenkasten angeordneten Gitter sollen nach Schubert wenig Sicherheit bieten. Dagegen soll der Funkenflug dadurch verhütet werden, daß der Raum, in dem sich die Asche und sonstigen Abstände ablagern, gegen den unmittelbaren Angriff des Luftstroms geschützt und so eingerichtet wird, daß die Rückstände durch den Wind nicht herausgetrieben werden können. Dieses geschieht, wenn man von vornherein die Luftzuführungsöffnung getrennt hält von der, welche zum
Fig. 4. Schuberts Aschenkasten für Lokomotiven. | |
Ausräumen der Asche bestimmt ist. Die hiernach von Schubert getroffene Anordnung des Aschenkastens (Fig. 4) unterscheidet sich von der gebräuchlichen hauptsächlich dadurch, daß bei ab vorn und a′b′ hinten eine Blechzunge schräg ansteigend angenietet ist. Jede der oberhalb der Zungen verbleibenden Öffnungen ist zur Luftzuführung bestimmt und erhält je eine besondere Schlußklappe (L und L′). Unterhalb und zwischen den Zungen befindet sich der Lagerraum für die Rückstände, der eigentliche Aschenkasten, in welchem die Rückstände vor Wind geschützt liegen, so daß sie nicht herausgetrieben werden können. Dieser ist vorn bei K mit einer Entleerungsklappe versehen. Zum Ablöschen der Asche sind bei r und r′ quer durch den Kasten gehende Löschrohre angeordnet, durch deren Bethätigung verhütet werden soll, daß der Aschenkasten oder die Klappen ausglühen. Die punktierte Linie bedeutet die Grenze, bis zu welcher die Rückstände angehäuft sein dürfen, bevor sie vom Winde herausgewirbelt werden können.
Bei den französischen Staatsbahnen ist eine große Anzahl von Lokomotiven mit einer Steuerung nach dem System Bonnefond ausgerüstet, welche mit getrennten Ein- und Auslaßschiebern arbeitet, wodurch die schädlichen Räume verringert und die bei der gewöhnlichen Lokomotivschiebersteuerung durch die langsame Schlußbewegung des Schiebers herbeigeführten Dampfdrosselungsverluste aufgehoben werden sollen. Auf der Pariser Ausstellung 1889 war von der Verwaltung der Staatsbahnen eine derartige L. ausgestellt. Die Steuerung ist aus Fig. 5 zu erkennen. Eine vom Exzenter bewegte, zum Umsteuern dienende Kulisse ist durch die Stange C mit einem doppelarmigen Hebel D verbunden, dessen unteres Ende mit den Stangen Z der Auslaßschieber in direkter Verbindung steht, so daß diese Schieber mit dem Hebel stetig hin und her bewegt werden. Das obere Ende des Hebels schiebt einen Schlitten G wagerecht hin und her, der mit zwei drehbar befestigten Mitnehmern FH für die Stangen K der beiden Einlaßschieber S (in der Figur nur einer gezeichnet) versehen ist. Die Mitnehmer werden durch Federn stets in eine solche Lage gedrängt, daß ihr Arm F senkrecht, ihr Arm H wagerecht steht, wobei die wagerechten Arme genau den Enden der Stangen K gegenüberstehen, so daß bei der Bewegung des Schlittens G in der Pfeilrichtung der rechte Schieber S der Wirkung des Kolbens E und der Feder L entgegen zurückgedrängt und geöffnet wird, während bei der entgegengesetzten Bewegung der nicht gezeichnete linke Schieber zur Öffnung gebracht wird. Vor der Beendigung des Hebelausschlages stößt jedoch der Mitnehmer gegen den schraubenförmigen Vorsprung J
Fig. 5. Bonnefonds Lokomotivsteuerung. | |
der Steuerwelle W, so daß der Arm H von dem Ende der Stange S abgleitet, der Schieber durch den Druck des Dampfes auf den Kolben E und die Spiralfeder L geschlossen und der Dampfzutritt zum Lokomotivcylinder plötzlich abgeschnitten wird. Die Steuerwelle W steht hierbei nicht fest, sondern wird vom Kreuzkopf aus durch Hebel wagerecht hin und her bewegt, der Eintritt des Anschlages von F an J ist daher von den Verschiebungen des Schlittens G und der Welle W abhängig, läßt sich aber durch Drehung der Welle W vom Führerstand aus, d. h. durch eine Verstellung der Schraubenflächen J gegen die Arme F, früher oder später herbeiführen, je nachdem der Füllungsgrad der Lokomotivcylinder verringert oder vergrößert werden soll. Die Maschine, die bei 400 mm Cylinderdurchmesser 650 mm Kolbenhub hat, zeigte unter dem Einfluß der beschriebenen Steuerung Dampfvoreinströmung bei 1,5 Proz. des Kolbenhubes und Kompression bei 10 Proz. des Kolbenhubes, während sich die Füllung von 0–80 Proz. verändern ließ. Als Hauptvorteil der Steuerung, der auch zu ihrer Konstruktion Veranlassung gab, wird die Vermeidung des Drosselungsverlustes bezeichnet. Wie groß dieser Gewinn sein soll, kann erst aus Indikatordiagrammen ersehen werden, welche bisher nicht bekannt geworden sind. Es wird nur angegeben, daß sich die Steuerung an einer L. auf einer Gesamtfahrt von 25,542 km bewährt haben soll.