Leben des im Jahr 1790 zu Bamberg verstorbenen Herrn Sebastian Schram
Er hatte aber das Eigene, daß er nicht wollte bekannt seyn, und man durfte sichs für ein Glück anrechnen, wenn er jemanden sein Cabinet zeigte. Der Grund mag zum Theil darin liegen, daß nicht immer alle Anschauer so bescheiden sind, mit dem Ansehen allein zufrieden zu seyn. So klagte er mirs einmahl selbst, daß er einem gewissen N. zu Bamberg[2] auf sein Ersuchen die 1500 verschiedenen Desseins von hausgemachten Linnen zum Einsehen geschickt, aber alle um die Hälfte verkürzt zurück erhalten habe.
Seine Liebe zur vaterländischen Geschichte schränkte sich nicht bloß auf Münzen ein. Er hatte alle Wappen des Bambergischen Adels, absonderlich der Bischöffe und Domherren mit ihren Ahnen, richtig illuminirt,| auch Verzeichnisse der Äbte des Hochstifts in ein Werk zusammen getragen. Zur Sommerszeit ging er, um kein ihm selbst lästiges Aufsehen zu erregen, mit des Tages Anbruch in der Stadt herum, bis er alle Aufschriften an Gebäuden und Häusern nachgezeichnet hatte. Er sammelte im ganzen Lande die in die Altäre eingehauenen Merkmahle ihres Alters, und berichtigte dadurch die Folge und Zeitrechnung der Bambergischen Weihbischöffe. Er hatte alle Inschriften der Glocken im ganzen Bistume abgeschrieben, bis auf zwey, die gleichwohl in der Stadt Bamberg befindlich waren. Zu dem Schulglöcklein im Gymnasium verwehrte ihm der damahlige Stadtbaumeister den Zutritt, ein sonst biederer und rechtschaffener Mann, welcher aber im siebenjährigen Kriege einmahl seiner Gesellschaft die Neuigkeit aus der Zeitung mittheilte, die totaliter wären geschlagen. Den Klosterjungfrauen zu St. Clara war die Weigerung, ihrer strengen Verschlossenheit wegen, weniger zu verdenken; gleichwol wollten sie ihm den Zutritt verstatten, wenn er sichs gefallen ließe, bey der jährlichen Getraidlieferung in Gesellschaft der Bauern einen Sack voll Früchte auf den Boden zu tragen, von wannen er zu dem Thurm und den Glocken gelangen| könnte. Aber er hatte nie in seinem Leben Sinn für weibliche Befehle, und er sah dieß für eine ausstudirte Nonnenobedienz an.Fast niemand in der Stadt aus der bürgerlichen Classe fand etwas Altes, das merkwürdig schien: Herr Schram mußte es wenigstens sehen. Er hatte eine Menge alter Kalender beysammen. Er besuchte den Trödelmarkt fleißig, wo er manche Sache von unerkannter Schätzbarkeit um einen geringen Preis erhielt, und von dem Untergang rettete. Sogar der Todengräber mußte ihm die bey Verfertigung neuer Gräber im Moder gefundenen Paternoster einliefern, um daraus zu ersehen, aus wie manchfaltigen Materien die Rosenkränze, diese Mitgabe der meisten Katholiken in den Sarg, von jeher verfertiget worden. Ich schreibe dieses aus dem Gedächtnisse, indem ich seine Sammlung vor ungefähr 18 Jahren gesehen habe, seit welcher Zeit sie sich gewiß beträchtlich vermehret hat.
Von den Naturalien kann ich nur etliche Rubriken und Anekdoten angeben, weil ihn damahls seine Berufsgeschäffte abriefen, ehe ich sie ansehen konnte. Er besaß eine Sammlung von Mineralien, Conchylien, und daraus verfertigten Kunststücken, von in- und| ausländischen Hölzern, Kräutern, Vogelnestern samt den Eyern, Insecten, ein ziemlich starkes Krokodil, Skelette z. B. von Fröschen etc. Da er die mit seinem Dienste verbundene freye Wohnung auf dem Kirchhof hatte, so grub er in der Nacht ein Kind heimlich wieder aus, und skeletirte es. Er war so gar entschlossen, das Haupt seines vermuthlich verweßten Vaters auszuscharren, um an diesem ihn so nahe angehenden Todenkopfe seine Sterblichkeit desto nachdrücklicher lesen zu können; allein auf Zureden eines seiner Freunde, dem er dieses Vorhaben geoffenbaret hatte, ging er davon ab.Noch in seiner letzten Krankheit, so lange er ausser Bette seyn konnte, beschäfftigte er sich damit, daß er die officinellen Pflanzen, jegliche zwischen 2 angemessene Gläser faßte, welches die Bequemlichkeit hat, daß sie nicht nur besser erhalten, sondern auch von beyden Seiten angesehen werden können.
Sein bester Fürstbischoff ließ ihm zu seiner Erhohlung Küche, Keller und Conditorey bey Hofe, auch Pferde zum Spazierenfahren anbieten. Er machte einigen Gebrauch davon, und durch die Sorgfalt des Herrn Hofrath und Leibmedicus Marcus verlor sich die erste Geschwulst der angesetzten Wassersucht. Er genoß eine Zeitlang Besserung. Als aber die Krankheit wiederkehrte, starb er als ein guter Christ den 14ten October 1790 in seinem 62ten Lebensjahre. Es wurde ihm an der Kirchmauer, unweit seines lebenslänglichen Wohnortes, ein Denkmahl von schwarzem| Marmor gesetzt, auf welchem folgende Grabschrift mit vergoldeten Buchstaben eingegraben ist:D. Sebastianus Schram
per annos XLII. ad B. V.
Chori director.
De publico bene merens,
cum
Collectionem rerum natural.
et antiquarum
ad usus publicos legarit.
Vixit annos LXII.
decessit die XIV Octob:
Seine ganze Sammlung, worin sein Vermögen hauptsächlich bestand, hat er dem Fürsten vermacht, welcher dieselbe in einem besondern Saale neben der noch in der Arbeit befindlichen herrlichen Universitätsbibliothek wird aufstellen lassen. Dieß war immer die einzige Absicht des Verstorbenen, daß seine Sammlung an einem Orte möge beysammen erhalten werden, und nicht unter Hände eines Unkundigen gerathen, der z. E. eine gemeine Schnecke gleich wegwerfen würde, wenn er nicht weiß, daß eine linksgewundene auch gemeine Schnecke eine Seltenheit ist.
Doch es steht allerdings zu hoffen, daß für die Zusammenhaltung dieses Cabinets bessere Vorsorge werde getroffen werden, als für die Integrität der von den Jesuiten zurückgelassenen Münzen und Seltenheiten;[3] und daß man es dem Aufseher begreiflich machen werde, er sey nicht Herr, sondern nur Custos des ihm anvertrauten Guts.
- ↑ Als dieser von Sr. Hochfurstl. Gnaden im J. 1782 den Ruf als Prior in das Benedictinerkloster Michelsberg ob Bamberg erhielt, wurde Hr. P. Johann Roppelt zum Aufseher bestellt, welcher es noch ist, und das Cabinet ungemein bereichert hat. Man kann hierüber Hirschings Nachrichten von Gemählde- und Kupferstichsammlungen etc. I. B. S. 100. und die Zusätze S. 356. nachsehen.
- ↑ Der Name eines solchen Menschen verdiente zur Warnung öffentlich bekannt gemacht zu werden. d. H.
- ↑ Was für ein Schicksal hatten denn diese? d. H.