Leben des im Jahr 1790 zu Bamberg verstorbenen Herrn Sebastian Schram

Textdaten
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Autor: Anonym
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Titel: Leben des im Jahr 1790 zu Bamberg verstorbenen Herrn Sebastian Schram
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 4, S. 210–221
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1792
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld, Commons
Kurzbeschreibung:
s. a. Public Spirit in Bamberg
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V.
Leben des im Jahr 1790 zu Bamberg verstorbenen Herrn Sebastian Schram.
Da gegenwärtiges Journal auch dazu bestimmt ist, das Leben merkwürdiger Männer, deren sich unser Frankenland rühmen| und freuen darf, bekannt zu machen, und der Nachwelt zu überliefern, so rechne ich mirs zur Pflicht an, einen Mann, der zu Bamberg zwar gestorben ist, aber in seiner Hinterlassenschaft fortleben wird, auch ausser seiner Vaterstadt in wohl verdiente Achtung zu setzen.
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 Sebastian Schram war zu Bamberg den 2ten August 1728 geboren. Sein Vater, welcher ein Mahler und Director chori bey der obern Pfarrkirche war, ließ ihn studiren, und nebenher die Musik erlernen. Dieser starb, als er eben im philosophischen Curs und seinem 20sten Lebensjahre begriffen war. Ob er gleich gesonnen war, in den geistlichen Stand zu treten, so überwog doch diesen Entschluß die Liebe für seine verwittwete Mutter. Er nahm also den Dienst seines Vaters als Director chori an. Sein Amt ließ ihm Muße übrig, die er bald auf die nützlichste Art verwenden lernte. Kunstgefühl schien er schon von seinem Vater angeerbt zu haben; aber es bedurfte einer Gelegenheit, aufgeweckt und in Thätigkeit gesetzt zu werden. Diese fand er, seinem eignen Geständnisse nach, zu Kloster Banz, wo er in den Herbstferien seinen ältern Herrn Bruder, den durch seine Schriften| rühmlich bekannten P. Dominicus Schram, zu besuchen pflegte. Daselbst hatte der ehemahlige P. Gallus Winkelmann († 6. März 1757.) den Anfang zu einem Naturalien- Kunst- und Antiquitätencabinet gemacht. Nach dessen Tod übernahm die Aufsicht sammt dem Geschäffte der Vermehrung Herr P. Dominicus Schram.[1] In dessen Umgang und vertraulicher Belehrung machte die Beschauung dieser Sammlung einen so lebhaften Eindruck auf ihn, daß er sich entschloß, eine ähnliche Sammlung für sich zu veranstalten. Er führte diesen Vorsatz auch so glücklich und unverdrossen aus, daß seine Wohnung, die an sich alt war, durch die Ausstaffirung, welche er ihr gab, der Behausung eines Antiquars vollkommen entsprach.
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 Sobald man in die Hausthüre trat, erschienen Alterthümer von Stein, als Urnen,| Büsten und dergleichen, an den Wänden alte auf Holz gemahlte Bilder, worunter er eines sehr schätzte, weil es mit Wasserfarben gemahlt war. Von der Decke hingen nach der Natur geformte größere Insecten herab. Seine Zimmer waren mit Kästen und Schränken umstellt, die eine Menge sehenswürdiger Sachen aufbewahrten.
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 Er besaß mehrere Bände von Holzschnitten und Kupferstichen von lauter merkwürdigen Meistern, alle Päbste und Kaiser, die er von Metall selbst nachgegossen hatte, ein Münzcabinet, das vorzüglich für die vaterländische Geschichte interessant ist. Nirgends ward in und um Bamberg ein altes Gebäude eingerissen, wo er sich nicht, besonders bey Erbrechung des Fundaments, eingefunden und fleißig ausgeharret hätte. Er wirkte sogar von dem Fürstbischoff Adam Friedrich ein Rescript an alle Pfarren aus, die alten Opfermünzen gegen Vergütung des Wehrtes an ihn einzuschicken. Aber auch alle Aufmerksamkeit des Kenners verdienet das Buch, welches er über seine Münzen zusammengeschrieben hat. Ob er dieses vor seinem Tode wieder erhalten hat, weiß ich nicht; soviel ist mir bekannt, daß er es auf Zudringen eines gewissen Herrn G. zu Wirzburg| ausgeliehen habe. Der ehemahlige Domcapitular zu Bamberg und Wirzburg Ludwig Karl Freyherr von Erthal, welcher unter andern auch Bambergische Münzen sammelte, besuchte ihn öfter, wie auch andere Vornehme, die den Mann zu schätzen wußten.

 Er hatte aber das Eigene, daß er nicht wollte bekannt seyn, und man durfte sichs für ein Glück anrechnen, wenn er jemanden sein Cabinet zeigte. Der Grund mag zum Theil darin liegen, daß nicht immer alle Anschauer so bescheiden sind, mit dem Ansehen allein zufrieden zu seyn. So klagte er mirs einmahl selbst, daß er einem gewissen N. zu Bamberg[2] auf sein Ersuchen die 1500 verschiedenen Desseins von hausgemachten Linnen zum Einsehen geschickt, aber alle um die Hälfte verkürzt zurück erhalten habe.

 Seine Liebe zur vaterländischen Geschichte schränkte sich nicht bloß auf Münzen ein. Er hatte alle Wappen des Bambergischen Adels, absonderlich der Bischöffe und Domherren mit ihren Ahnen, richtig illuminirt,| auch Verzeichnisse der Äbte des Hochstifts in ein Werk zusammen getragen. Zur Sommerszeit ging er, um kein ihm selbst lästiges Aufsehen zu erregen, mit des Tages Anbruch in der Stadt herum, bis er alle Aufschriften an Gebäuden und Häusern nachgezeichnet hatte. Er sammelte im ganzen Lande die in die Altäre eingehauenen Merkmahle ihres Alters, und berichtigte dadurch die Folge und Zeitrechnung der Bambergischen Weihbischöffe. Er hatte alle Inschriften der Glocken im ganzen Bistume abgeschrieben, bis auf zwey, die gleichwohl in der Stadt Bamberg befindlich waren. Zu dem Schulglöcklein im Gymnasium verwehrte ihm der damahlige Stadtbaumeister den Zutritt, ein sonst biederer und rechtschaffener Mann, welcher aber im siebenjährigen Kriege einmahl seiner Gesellschaft die Neuigkeit aus der Zeitung mittheilte, die totaliter wären geschlagen. Den Klosterjungfrauen zu St. Clara war die Weigerung, ihrer strengen Verschlossenheit wegen, weniger zu verdenken; gleichwol wollten sie ihm den Zutritt verstatten, wenn er sichs gefallen ließe, bey der jährlichen Getraidlieferung in Gesellschaft der Bauern einen Sack voll Früchte auf den Boden zu tragen, von wannen er zu dem Thurm und den Glocken gelangen| könnte. Aber er hatte nie in seinem Leben Sinn für weibliche Befehle, und er sah dieß für eine ausstudirte Nonnenobedienz an.

 Fast niemand in der Stadt aus der bürgerlichen Classe fand etwas Altes, das merkwürdig schien: Herr Schram mußte es wenigstens sehen. Er hatte eine Menge alter Kalender beysammen. Er besuchte den Trödelmarkt fleißig, wo er manche Sache von unerkannter Schätzbarkeit um einen geringen Preis erhielt, und von dem Untergang rettete. Sogar der Todengräber mußte ihm die bey Verfertigung neuer Gräber im Moder gefundenen Paternoster einliefern, um daraus zu ersehen, aus wie manchfaltigen Materien die Rosenkränze, diese Mitgabe der meisten Katholiken in den Sarg, von jeher verfertiget worden. Ich schreibe dieses aus dem Gedächtnisse, indem ich seine Sammlung vor ungefähr 18 Jahren gesehen habe, seit welcher Zeit sie sich gewiß beträchtlich vermehret hat.

 Von den Naturalien kann ich nur etliche Rubriken und Anekdoten angeben, weil ihn damahls seine Berufsgeschäffte abriefen, ehe ich sie ansehen konnte. Er besaß eine Sammlung von Mineralien, Conchylien, und daraus verfertigten Kunststücken, von in- und| ausländischen Hölzern, Kräutern, Vogelnestern samt den Eyern, Insecten, ein ziemlich starkes Krokodil, Skelette z. B. von Fröschen etc. Da er die mit seinem Dienste verbundene freye Wohnung auf dem Kirchhof hatte, so grub er in der Nacht ein Kind heimlich wieder aus, und skeletirte es. Er war so gar entschlossen, das Haupt seines vermuthlich verweßten Vaters auszuscharren, um an diesem ihn so nahe angehenden Todenkopfe seine Sterblichkeit desto nachdrücklicher lesen zu können; allein auf Zureden eines seiner Freunde, dem er dieses Vorhaben geoffenbaret hatte, ging er davon ab.
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 An Todenköpfen muß der sonderbare Mann, der aber auch auf dem Kirchhofe geboren, erzogen, und ohne Unterbrechung seines ordentlichen Aufenthalts daselbst gestorben ist, ein besonderes Wohlgefallen gehabt haben. Ich sah ihn einmahl in seinem festlichen Anzuge. Durch die Kunst des Knopfmachers erschien auf jeglichem Knopfe des Rocks, der Weste und Beinkleider ein Todenkopf; die silbernen Hemdeknöpfe und Schuhschnallen hatten zu erhabenen Zierrathen Todenköpfe und Knochen; auf seinem Stockknopf zeigte ein Todenkopf seine morschen Zähne; auf dem Pettschaft und an der Uhrkette| rasselten Todenknochen und kahle Köpfe. Sein Rosenkranz war von lauter aus weißem Bein geschnittenen größeren und kleineren Todenköpfen zusammengesetzt. Gleichwohl war er ein munterer Gesellschafter, machte aber von Gesellschaften nur sehr mäßigen Gebrauch. Seine Lieblingsarbeiten lagen ihm näher am Herzen.

 Noch in seiner letzten Krankheit, so lange er ausser Bette seyn konnte, beschäfftigte er sich damit, daß er die officinellen Pflanzen, jegliche zwischen 2 angemessene Gläser faßte, welches die Bequemlichkeit hat, daß sie nicht nur besser erhalten, sondern auch von beyden Seiten angesehen werden können.

 Sein bester Fürstbischoff ließ ihm zu seiner Erhohlung Küche, Keller und Conditorey bey Hofe, auch Pferde zum Spazierenfahren anbieten. Er machte einigen Gebrauch davon, und durch die Sorgfalt des Herrn Hofrath und Leibmedicus Marcus verlor sich die erste Geschwulst der angesetzten Wassersucht. Er genoß eine Zeitlang Besserung. Als aber die Krankheit wiederkehrte, starb er als ein guter Christ den 14ten October 1790 in seinem 62ten Lebensjahre. Es wurde ihm an der Kirchmauer, unweit seines lebenslänglichen Wohnortes, ein Denkmahl von schwarzem| Marmor gesetzt, auf welchem folgende Grabschrift mit vergoldeten Buchstaben eingegraben ist:
Hic requiescit

D. Sebastianus Schram
per annos XLII. ad B. V.
Chori director.
De publico bene merens,
cum
Collectionem rerum natural.
et antiquarum
ad usus publicos legarit.
Vixit annos LXII.
decessit die XIV Octob:

M D CCXC.
 Er war nie verheyrathet, hatte auch wohl nicht Zeit daran zu denken, und würde im Ehestande der Mann nicht geworden seyn, welcher er war. Dennoch machte er den Kindern der Stadt viel Vergnügen durch die Krippe und übrigen Vorstellungen der Sonntagsevangelien des ganzen Jahrs in der obern Pfarrkirche, die er anordnete, und die an Sonn- und Feyertagen von der Jugend fleißig besucht wurden. Es befand sich ein Opferkästchen dabey, wohin, wer da wollte, eine Gabe zur Unterhaltung einlegte. Nun geschah es, daß auch untüchtiges Geld,| vielleicht aus Muthwillen, eingelegt wurde. Als nun das Evangelium vom Zinsgroschen vorzustellen war, stellte er auf die Gegenseite der Historie den Teufel mit einem Täfelchen in der Hand, worauf die falschen Münzen angenagelt waren, mit der Überschrift: Ist das auch Geld?
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 Als etwann vor 30 Jahren die neuen Moden von dem üppigen Frankreich ihren Weg auch nach dem sonst glücklichen Bamberg fanden, wodurch gleichwohl weder Dame, noch Hure schöner und verständiger, übrigens aber durch die Geschicklichkeit des Schneiders einander ähnlich wurden, stellte er den Teufel bey der Versuchung Christi in der Wüste auf eine freundlichere Art vor. Er hing ihm eine Saloppe um, und bedeckte sein Haupt, bis auf die Hörner, mit dem neuesten Kopfputze. Dadurch entstanden Unannehmlichkeiten (denn das sogenannte schöne Geschlecht wird aufgebracht, wenn man es an seinem Verstande, das heißt an seinem haushaltungsverderblichen Putze angreifet.) Was war natürlicher, als daß diese Vorstellungen bis auf die Krippe verboten wurden? Unser biederer Schram ließ sich aber das nicht irren. Zu seinen übrigen Sammlungen mußte ihm sogleich vom jeglichem neuen| Kopfputze des Frauenzimmers eine Zeichnung geliefert werden; und es wird wenig fehlen, daß er nicht hundert (zum Belachen) zusammen gebracht hätte.

 Seine ganze Sammlung, worin sein Vermögen hauptsächlich bestand, hat er dem Fürsten vermacht, welcher dieselbe in einem besondern Saale neben der noch in der Arbeit befindlichen herrlichen Universitätsbibliothek wird aufstellen lassen. Dieß war immer die einzige Absicht des Verstorbenen, daß seine Sammlung an einem Orte möge beysammen erhalten werden, und nicht unter Hände eines Unkundigen gerathen, der z. E. eine gemeine Schnecke gleich wegwerfen würde, wenn er nicht weiß, daß eine linksgewundene auch gemeine Schnecke eine Seltenheit ist.

 Doch es steht allerdings zu hoffen, daß für die Zusammenhaltung dieses Cabinets bessere Vorsorge werde getroffen werden, als für die Integrität der von den Jesuiten zurückgelassenen Münzen und Seltenheiten;[3] und daß man es dem Aufseher begreiflich machen werde, er sey nicht Herr, sondern nur Custos des ihm anvertrauten Guts.



  1. Als dieser von Sr. Hochfurstl. Gnaden im J. 1782 den Ruf als Prior in das Benedictinerkloster Michelsberg ob Bamberg erhielt, wurde Hr. P. Johann Roppelt zum Aufseher bestellt, welcher es noch ist, und das Cabinet ungemein bereichert hat. Man kann hierüber Hirschings Nachrichten von Gemählde- und Kupferstichsammlungen etc. I. B. S. 100. und die Zusätze S. 356. nachsehen.
  2. Der Name eines solchen Menschen verdiente zur Warnung öffentlich bekannt gemacht zu werden.     d. H.
  3. Was für ein Schicksal hatten denn diese?     d. H.