Kurze Anrede am Grabe der frommen Wittwe Katharina Zeitler, den 26. Juni 1828

Textdaten
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Autor: Johann Martin Rauch
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Titel: Kurze Anrede am Grabe der frommen Wittwe Katharina Zeitler, den 26. Juni 1828
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aus: Sechs kurze Trauerreden. Bei Beerdigungen gesprochen. S. 5–11
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Entstehungsdatum: 1831
Erscheinungsdatum: 1834
Verlag: Alois Attenkover
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Erscheinungsort: Ingolstadt
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Quelle: Scans auf Commons
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I.

Kurze Anrede am Grabe der frommen Wittwe Katharina Zeitler, den 26. Juni 1828.


Si cummortui sumus, et convivemus. 2. Timoth. 2. 11.

Wenn wir mit Christus gestorben sind, werden wir auch mit ihm leben.


Wie stehen hier versammelt bei dem Grabe unserer christlichen Schwester Katharina Zeitler, die der Herr des Lebens und des Todes aus unserer Mitte in ein besseres, seliges Leben hinüber versetzt hat. Fragen wir nun: Wer war denn diese christliche Schwester? so werden wir aus den Umständen, die vor unsern Augen liegen, leicht die passendste und richtigste Antwort finden können. Fern von allem Prunk und Pompe, nur von dem Diener der Kirche und wenigen christlichen Seelen begleitet, wurde ihre sterbliche Hülle unter einfachem Glockenklange hieher in den Gottesacker getragen, und dem geweihten Schoose der Mutter Erde anvertraut. Dieses alles betrachtet, sagt uns nur zu deutlich, daß unsere abgeschiedene Schwester [6] mit der Welt und ihren eitlen Schätzen wenig, oder gar keine Gemeinschaft gehabt haben müsse.

Und so ist es auch in der That; wir stehen am Grabe einer armen christlichen Wittwe. Arm trat sie vor 83 Jahren in diese Welt ein, noch ärmer aber mußte sie die ersten Schritte vorwärts setzen; denn noch ein schwaches unbehilfliches Kind verlor sie frühzeitig ihre Eltern; sie ward eine verlassene Waise, und wurde jetzt zwei frommen, mitleidvollen Eheleuten, die mit keinem Kinde gesegnet waren, in ihren Jugendjahren zur Erziehung und Pflege überlassen. Und der Herr segne noch im Grabe diese christlichen Pflegeeltern! – sie haben keine Mühe gespart, ihrem Pflegekind, das Wichtigste von allen Dingen, eine christliche Erziehung beizubringen.

Mit diesem köstlichen Schatze ausgerüstet mußte sie später durch Dienen ihre Nahrung und Verpflegung suchen. Treu und redlich, nur im Gefühle ihrer Einfalt und Unschuld dahin wandelnd, wußte sie nichts von der Welt und ihren Thorheiten, und ihr heil. Schutzengel bewahrte sie auch vor jenem traurigen Uebel, in welches heut zu Tage die Jugend mit blinder Tollkühnheit sich hineinstürzet, ihr heil. Schutzengel, sage ich, bewahre sie und hielt sie zurücke vor dem leichtfertigen Besuche frecher und ausgeschämter [7] Tanzsäle[1]. Sie wußte gar wohl, daß an diesen Wohnstätten des Lasters Unschuld [8] und Tugend nicht geboren, wohl aber zu Grabe getragen werden. – So nun in sich selbst zurückgezogen und die Einsamkeit liebend, war sie ein ausgezeichnetes Muster jungfräulicher Sittsamkeit, – eine Freundin des Gebetes und der Betrachtung göttlicher Dinge, bis Gottes heil. Wille sie zum Ehestand rief. Arm und dürftig an Aussteuer, aber desto reicher an Frömmigkeit und Tugend, trat sie diesen Stand an, und hatte in demselben wohl manches bittere und schwere Leiden zu bekämpfen, indem ihr der Tod nach wenigen Jahren ihren ersten Gatten entriß, und nach einer zweiten Vermählung sie bald wieder zur Wittwe machte.


Erfüllt vom Geiste des Christenthumes, war es nun ihr einziges Bestreben, zurückgezogen von der Welt in der stillen, verlassenen Einsamkeit eines dürftigen und armseligen Kämmerleins, als eine fromme und christliche Wittfrau Gott zu dienen. Welch ein herrliches Vorbild für alle christlichen Wittwen! Ob sie nun gleich, wenigstens in den letzten Jahren von aller Hilfe verlassen, kümmerlich leben mußte, wollte sie doch lieber Noth und Elend dulden, als wegen Nahrungssorge jemand lästig fallen; und sie war bei aller ihrer Armuth so zufrieden, und dankbar für manchen wohlthätigen Bissen, als wäre sie schon halb in den [9] Himmel versetzt. Nachdem sie nun mit der standhaftesten Geduld und Ergebung in den heiligsten Willen Gottes die schweren Leiden ihres hohen Alters und einer langwierigen Krankheit, ertragen hatte, gab sie vorgestern um 7 Uhr Abends sanft und ruhig ihre fromme Seele in die Hände ihres göttlichen Erlösers auf, der durch ihr ganzes Leben ihr Trost, und ihre Freude war.

Und so trat sie also arm in diese Welt, kämpfte mit Armuth durch dieselbe, und ging auch arm an zeitlichen Gütern aus der Welt. –

Doch was soll es frommen, mit irdischen Gütern beladen zu seyn? Ein frommes Herz ist der größte Reichthum, ist ein Schatz, den weder die Diebe rauben, noch die Motten verzehren können. Denn, sagt die Wahrheit, was nützt es den Menschen wenn er die ganze Welt gewinnt, aber an seiner Seele Schaden leidet? Wenn die Uhr des Lebens abgelaufen ist, dann muß der Mensch alles verlassen, und nur seine Tugenden, seine guten Werke sind es, die ihn durch die Pforte des Grabes sicher in die Ewigkeit begleiten. Wer sollte daher noch mit so vielem Eifer nach irdischen und vergänglichen Gütern trachten? da er nicht weiß, ob nicht vielleicht Morgen schon seine Stunde schlägt? –

[10] Auf ein frommes Leben folgt ein guter Tod. Daher sagt auch der Geist der Offenbarung: „Selig die Todten, die im Herrn entschlafen; denn sie ruhen jetzt von ihren Mühseligkeiten, und ihre Werke folgen ihnen.“ Und ganz schön sagt der heil. Paulus: „wenn du mit Christus stirbst, so wirst du auch mit ihm leben,“ d. h. wenn du, wie Christus, gerne die Leiden und Verfolgungen dieser Welt erduldest, um Christi willen, so wirst du auch mit ihm eingehen zum ewigen Leben, wirst Theil nehmen an seiner Herrlichkeit. – Und wenn wir auf unsere christliche abgeleibte Schwester sehen, darf ich nicht behaupten, daß diese Aussprüche der Schrift, auch sie angehen? Ja wahrhaft, ich zweifle nicht, daß sie sich ganz gewiß schon jetzt bei Gott im Himmel befinde, im Besitze jener Seligkeit, die Er allen denen verheißen hat, die Ihn wahrhaft lieben; und sie wird es nicht bereuen, daß sie Gott geliebt, daß sie arm, verachtet und verlassen durch dieses Leben ging; sie ist reicher, als der Mammon dieser Erde machen kann; und die himmlische Herrlichkeit übertrifft unendlich den schnöden Glanz des blanken Goldes und Silbers.

M. L. laßt uns nicht vergebens diese Worte angehört haben, sondern sie tief in unser Herz [11] aufnehmen; laßt uns bedenken, daß unsre christliche Schwester zwar wenige Theilnahme auf dieser Erde hatte, daß aber ihr Einzug im Himmel desto glorreicher gewesen seyn wird. Laßt aber auch uns dahin streben, daß wir hier ein frommes und reines Leben führen; laßt uns öfter an unsere Sterbstunde denken, und dadurch zu einem christlichen Wandel aufgemuntert werden; laßt uns der Ermahnung des heil. Geistes folgen: Gedenk, o Mensch bei allen deinen Werken deiner letzten Dinge, Tod, Gericht, Hölle, Himmel, und du wirst ewig nicht sündigen; und wir werden gewiß vor allen Sünden bewahrt bleiben, und sohin auch unserer letzten Stunde mit frohem, heiterm Gemüthe entgegensehen können, und den Tod als unsern Freund betrachten, der uns zu unserm Vater heimführet, wo wir mit Gott und allen Auserwählten in unaussprechlicher Seligkeit ewig leben werden. Amen.


  1. „Bei dem üppigen Tanzen erbleichet die Unschuld; und bei dem Nachhauseführen wird sie zu Grabe getragen,“ sagt A. Jais; und ein anderer weiser Mann: „Unsere Mädchen gehen mit der Blüthe ihrer Jungfrauschaft zum Tanze, und kehren mit der Frucht im Leibe nach Hause.“ Mag man immerhin den Tanz als „unschuldiges Vergnügen“ vertheidigen, oder als Bildungsmittel des äussern Anstandes erklären, und für unentbehrlich halten: wir glauben überzeugt zu seyn, daß man, mit den besten Brillen versehen, bei unsern heutigen Tänzen keine ägyptischen Josephe, und wohl auch keine keuschen Susannen finden möchte. Physische und moralische Zeugnisse bestätigen diese Wahrheit. – Der Tanz ist aus dem Heidenthume, und selbst dieses verabscheute ihn. Cicero sagt: „Niemand tanzt bei uns, so lange er nüchtern ist“ Corn. Nepos sagt, daß bei den Römern der Tanz für unanständig gehalten wurde. Der heil. Chrysostomus erklärt den Tanz für eine Pest aller Tugenden. Der heil. Ambrosius meint: die Tochter einer eheschänderischen Herodias möge tanzen; eine keusche und ehrbare Mutter aber solle ihre Tochter Gottesfurcht lehren. Der heil. Augustin hält es besser, am Sonntage zu ackern, als zu tanzen etc. Was die Folgen des Tanzes betrifft, so möge man z. B. vergleichen Eccles. c. 9. v. 4. Genes. c. 34. v. 1, 2. Exod. c. 32. v. 4. Mtth. c. 14. v. 6–7. Eccles. c. 3. v. 27. Tobias c. 3. v. 17. Luc. 17. 27. Galat. 5. 24 etc.
    „Der Tanzboden ist die ABC-Schule der Wollust; dahin führt der Teufel die noch unschuldigen Schlachtopfer der Verführung, um unter dem Scheine der Gewohnheit die noch unentwickelte Natur desto eher zur Reise zu bringen, und die liebliche Schamröthe der Unschuld desto eher vom blühenden Gesichte wegzuhauchen.“ F. S. Häglsperger „für Jünglinge und Jungfrauen“ etc. 3te Ausg. Landsh. 1832.