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mit der Welt und ihren eitlen Schätzen wenig, oder gar keine Gemeinschaft gehabt haben müsse.

Und so ist es auch in der That; wir stehen am Grabe einer armen christlichen Wittwe. Arm trat sie vor 83 Jahren in diese Welt ein, noch ärmer aber mußte sie die ersten Schritte vorwärts setzen; denn noch ein schwaches unbehilfliches Kind verlor sie frühzeitig ihre Eltern; sie ward eine verlassene Waise, und wurde jetzt zwei frommen, mitleidvollen Eheleuten, die mit keinem Kinde gesegnet waren, in ihren Jugendjahren zur Erziehung und Pflege überlassen. Und der Herr segne noch im Grabe diese christlichen Pflegeeltern! – sie haben keine Mühe gespart, ihrem Pflegekind, das Wichtigste von allen Dingen, eine christliche Erziehung beizubringen.

Mit diesem köstlichen Schatze ausgerüstet mußte sie später durch Dienen ihre Nahrung und Verpflegung suchen. Treu und redlich, nur im Gefühle ihrer Einfalt und Unschuld dahin wandelnd, wußte sie nichts von der Welt und ihren Thorheiten, und ihr heil. Schutzengel bewahrte sie auch vor jenem traurigen Uebel, in welches heut zu Tage die Jugend mit blinder Tollkühnheit sich hineinstürzet, ihr heil. Schutzengel, sage ich, bewahre sie und hielt sie zurücke vor dem leichtfertigen Besuche frecher und ausgeschämter