Hervorragende Persönlichkeiten in Dresden und ihre Wohnungen: Friedrich II., der Große
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[83] Nr. 97. Friedrich II., der Große, 1712–1786, König von Preußen 1740–1786. Teils als Freund, häufiger jedoch als Feind des kursächsischen Hofes hat er in Dresden geweilt. Erstmalig war er als Kronprinz mit seinem Vater hier, als dieser vom 14. Januar bis 11. Februar 1728 sich in unserer Stadt aufhielt. Kronprinz F., der erst am Abend des 16. Januar hier eintraf, und für die ganze Dauer seines hiesigen Aufenthaltes in dem Palais des Grafen Flemming an der Kreuzstraße (s. Nr. 30) wohnte, beteiligte [84] sich natürlich sehr lebhaft an allen von unserem Hofe veranstalteten Festlichkeiten und Besichtigungen.
Bei seinem ersten allerdings kurzen Besuche, den F. II. als König am 19. Januar 1742 in Dresden abstattete, hatte er Staatsangelegenheiten im Auge. Im Kriege gegen Maria Theresia wollte er sich die weitere Teilnahme des damaligen sächsischen Herrschers sichern; aber trotz der Wichtigkeit der Sache kam es zwischen den beiden Fürsten am Abend nur zu einer kurzen Vorbesprechung, die Friedrich August II. sofort abbrach, als ihm durch Brühl der Beginn der Oper gemeldet wurde. Da nach derselben noch Tafel und ein bis nachts 2 Uhr dauernder Ball stattfanden, gab es zu so später Stunde natürlich keine Zeit mehr, die begonnene Unterredung fortzusetzen, und so reiste König F. schon am nächsten Vormittag, nachdem er zuvor den Minister Brühl besucht hatte, von Dresden wieder ab, ohne, ungeachtet seines persönlichen Eingreifens, seinen Zweck zunächst erreicht zu haben. (Vergl. Lindau, II. Bd., Seite 348, 349.) – Während seines diesmaligen hiesigen Aufenthaltes waren dem preußischen Könige Gemächer in dem von 1586 bis 1591 errichteten Stallgebäude, jetzt Augustusstraße 1 (O.-Nr. 831, Museum Johanneum) überwiesen worden. Zu ihm gehörte nicht nur der für 128 Pferde bestimmte Reisigen-Stall an der genannten Straße, sondern auch der schöne Bau, dessen Hauptseite den Jüdenhof begrenzt und der 1729 im Inneren verschiedene bauliche Veränderungen erfuhr. Er enthielt nicht nur mehrere herrliche Säle, sondern auch eine größere Anzahl prachtvoll eingerichteter Zimmer für fürstliche Gäste. Nach einer erneuten Umgestaltung im Inneren diente das Stallgebäude von 1746 bis 1855 als Gemäldegalerie. In den Jahren 1872–1876 erfolgte der letzte große Umbau des Gebäudes, das jetzt zur Erinnerung an den König Johann den Namen Johanneum führt und in seinen Räumen das Historische Museum, die Porzellan- und Gefäßsammlung und auch die Gewehrgalerie birgt.
Es war am 18. Dezember 1745, drei Tage nach der Schlacht bei Kesselsdorf, als König F. II. mit seinem Bruder, dem Prinzen Wilhelm, in einem achtspännigen Wagen als Sieger in Dresden einzog. Seine Wohnung nahm er im ersten Obergeschoß des ehemals Flemming'schen, zuletzt Lubomirski'schen Palais an der Kreuzgasse, in dem er siebzehn Jahre früher einige herrliche Wochen verlebt hatte. Noch am Vormittage besuchte er im Schlosse die Prinzen und Prinzessinnen, deren Eltern jetzt in Prag weilten. Für den 19. Dezember, den letzten Adventssonntag, war vom König aus Anlaß des Sieges bei Kesselsdorf in der Kreuzkirche ein Dankgottesdienst angeordnet worden, dem er natürlich selbst beiwohnte. Der vom Stadtprediger gehaltenen Predigt folgte das unter Kanonendonner gesungene Te Deum.
Wie Fürstenau in seiner Geschichte der Musik und des Theaters (II. Teil, Seite 241) mitteilt, hielt F. II. während seiner diesmaligen Anwesenheit in Dresden an jedem Abende sein gewohntes Kammerkonzert ab. Dabei waren ein Streichquartett der Hofkapelle und als Sängerinnen die Faustina und die Bindi tätig, während Hasse am Flügel begleitete. Der König selbst pflegte auf seiner Flöte gewöhnlich zwei [85] oder drei Stücke allein zu blasen. – Am Nachmittag des zweiten Weihnachtstages stattete er mit seinem erwähnten Bruder im Schlosse den Abschiedsbesuch ab, den die Prinzen bald darauf im Lubomirski'schen Palais erwiderten. Am nächsten Morgen, den 27. Dezember, bereits früh 6 Uhr erfolgte F's. II. und seines Bruders Abreise nach Berlin, zu der der hiesige Rat 147 Pferde hatte stellen müssen. – War die Festung Dresden von ihrem ersten Eroberer, dem damaligen König von Preußen, auch verschont worden, so empfanden es doch ihre Bewohner überaus bitter, daß man ihnen für die elftägige Anwesenheit der preußischen Truppen eine Zahlung von 47 750 Taler Kriegsschatzung, 13 441 Tlr. 9 Gr. 8 Pf. für Geschenke, Küche, Kellerei usw. und 28 339 Tlr. 4 Gr. 2 Pf. für Tagegelder und Naturalverpflegung auferlegt hatte. (Vergl. Lindau, II. Bd., Seite 189, 302, 303.)
Bekanntlich eröffnete Friedrich der Große den siebenjährigen Krieg damit, daß er am 29. August 1756 seine Truppen in das ganz ungenügend vorbereitete Sachsen einrücken ließ, um sich möglichst schnell des ihm für seine Zwecke unentbehrlichen Landes zu bemächtigen. Es gelang ihm auch vollständig. Nachdem am 9. September das ganz von Truppen entblößte Dresden eine preußische Besatzung erhalten hatte, traf König F. am folgenden Tage ebenfalls hier ein und bezog für etwa drei Wochen das der Gräfin Mosczynska gehörige prachtvolle Palais, zuletzt bis zu seinem 1871 erfolgten Abbruche Mosczynskistraße 5. Gegen alle Behörden ging er sehr hart vor. So ließ er z. B. alle kurfürstlichen Kassen in Dresden wie im ganzen Lande mit Beschlag belegen, alle Kanzleien versiegeln und sämtliche 250 im Zeughause befindlichen Geschütze zu Schiffe nach Magdeburg bringen. Unter Anwendung von Gewalt verschaffte er sich Schriftstücke des Geh. Archivs, die im Schlosse in einem Zimmer der Kurfürstin Maria Josepha verborgen worden waren. Mit aller Entschiedenheit verweigerte sie den Eintritt und wich, trotz wiederholter Aufforderung, nicht von der Tür, vor die sie sich gestellt hatte. So schob man sie denn schließlich mit Gewalt zur Seite und gelangte in den Besitz der gewünschten Schriftstücke, die später als Grundlage einer Verteidigungsschrift benutzt wurden, durch welche der Einfall Fr. d. Gr. in Sachsen gerechtfertigt werden sollte.
Ende September verließ der König Dresden, um sich in Böhmen gegen die Österreicher zu wenden. Nachdem er sie am 1. Oktober bei Lobositz besiegt und dreizehn Tage später das kleine sächsische Heer trotz tapferster Gegenwehr am Lilienstein zur Waffenstreckung gezwungen hatte, kehrte er am 14. November nach Dresden zurück und nahm im Brühl'schen Palais, zuletzt Augustusstraße 3, seine Wohnung. Hier ist er, eine zehntägige Abwesenheit im Januar 1757 abgerechnet, während des ganzen Winters geblieben. Kurfürst Friedrich August II. hatte sich vor Ankunft seines Gegners ohne seine Gemahlin zu dem bevorstehenden polnischen Reichstage nach Warschau begeben.
Friedrich II., der sich jetzt als alleiniger Herr Kursachsens ansah, führte in der Residenz ein sehr strenges Regiment. Die Gehälter aller [86] Hofbeamten wurden ganz erheblich gekürzt, die Besoldung der Opernmitglieder sogar völlig eingezogen, so daß viele derselben, unter ihnen auch Hasse, sich von Dresden wegwendeten. Ferner ließ der König die in Dresden und Meißen lagernden Vorräte kostbaren Porzellans als willkommene Beute erklären und für preußische Rechnung verkaufen. Trotz ernsten Einspruchs des Kurprinzen Friedrich Christian und der sächsischen Landstände wurde die Aushebung männlicher Personen im Alter von 18 bis 32 Jahren unter Anwendung von Zwangsmaßregeln durchgeführt, indem man die tauglichen Jünglinge und Männer nicht nur auf den Gassen aufgriff, sondern sogar aus den Häusern holte. Besonders streng ging der König gegen die Kurfürstin vor. Er hob nicht nur jede persönliche Verbindung mit ihr auf, sondern ließ auch noch öffentlich bekannt machen, daß von den hiesigen Einwohnern „niemand weiter als nur die Domestiken auf das Schloß gelassen werden dürften.“ – Während des diesmaligen Aufenthaltes in Dresden veranstaltete Friedrich II. in seinem Palais wiederum sehr häufig Abendkonzerte, bei denen er gewöhnlich als Einzelpieler auf der Flöte mitwirkte.
Nach einer fast halbjährigen Anwesenheit in der sächsischen Residenz verließ sie der König in der zweiten Aprilhälfte des Jahres 1757, um mit seinen nach Böhmen vorausgeschickten Truppen den Krieg mit Österreich von neuem zu eröffnen. Vier Monate später, nämlich am 29. August, kam er wieder nach Dresden und zwar an der Spitze eines Korps, das zwischen dem Weißen und Schwarzen Tore ein Lager beziehen mußte. Diesmal nahm König Friedrich seine Wohnung nicht in einem Palais der Stadt, sondern in dem Haller'schen Grundstücke auf dem vor der Neustadt liegenden und sich bis zum Bischofswege und der Prießnitz erstreckenden „Sande“. Hier, und zwar westlich von der Königsbrücker Straße, hatte sich ein Kammerdiener Brühl's, Namens Haller, einen Gasthof „Zum Schönen Brunnen“ erbauen lassen, dessen im Volksmunde gebräuchliche Bezeichnung „Kammerdieners“ sich bis zu seinem 1875 erfolgten Abbruche erhalten hat. Das Grundstück umfaßte den Raum, auf dem jetzt die Häuser Königsbrücker Straße 37, 39, 41 und Schönbrunnstraße 2 und 4 stehen.
Gleich nach seiner Ankunft verlangte der König „zum äußersten Schrecken“ des Rates und aller Bewohner von der Stadt einen Vorschuß von 120 000 Talern, der bereits zwei Tage später „ganz unfehlbar“ bezahlt werden solle. Ein vom Rate im Namen der Bürgerschaft am 30. August bereits früh nach 5 Uhr durch den Stadtschreiber im Hauptquartier des Königs übergebenes Bittgesuch um gänzlichen Erlaß des Vorschusses wurde dem Überbringer uneröffnet sofort wieder zugestellt. Es mußte von der Einwohnerschaft also gezahlt werden, wenn es für den Rat auch ganz ausgeschlossen war, von den durch den Krieg ohnedies schon in Not geratenen Hauswirten und Mietsleuten der Stadt innerhalb der zweitägigen Frist eine so hohe Summe aufzubringen. Trotz größter Mühe konnte am 31. August die Stadtbehörde nur eine Teilzahlung von 5000 Taler in Louisdors und Dukaten abführen.
[87] Bis zu Ende des Jahres 1757 hatte bei wiederholter Androhung schärfster Zwangsmaßregeln die hiesige Einwohnerschaft nach und nach 40 000 Taler entrichtet, und der Rat wandle sich deshalb unterm 12. Januar 1758 mit einem dringenden Gesuch an den damals in Breslau weilenden König Friedrich II., „er möge es bei der bisher erlegten Summe bewenden lassen“. Natürlich wurde laut Antwortschreiben vom 24. Januar dieses Gesuch glatt abgelehnt und dem hiesigen Rate mitgeteilt, „Se. königliche Majestät wollten, daß die ganze Summe noch vor Mitte des künftigen Monats Februar berichtigt oder durch die schärfsten Zwangsmittel eingetrieben werden solle, wozu der preußische Stadtkommandant – damals Generalmajor v. Finck – königliche Order erhalten habe“.
Noch war trotz einiger im Januar und Februar erfolgten weiteren Teilzahlungen die Angelegenheit lange nicht erledigt, da traf am 6. Februar 1758 beim Rate eine aus Leipzig vom königl. preußischen General-Feldkriegsdirektorium übersandte Verordnung ein, nach welcher „auf Grund einer allerhöchsten Cabinetsordre“ die Stadt Dresden für das Jahr 1758 binnen acht Tagen nach Eingang dieses Schriftstückes „Fünf Mal Hundert Tausend Reichsthaler aufbringen und bezahlen soll“. Begreiflicherweise rief die amtliche Bekanntmachung dieser Forderung bei der hiesigen Einwohnerschaft erneut gewaltigen Schrecken hervor, doch traf der Rat sofort die nötigen Maßnahmen, bis zum 20. Februar von Hauswirten und Mietern wenigstens 200 000 Taler abliefern zu können. Natürlich war bis zu dem letzterwähnten Zeitpunkte die erhoffte Summe der zweiten Kriegssteuer ebensowenig eingegangen als die der ersten; der Rat hatte trotz der mehrfachen Androhung härtester Maßregeln bei unpünktlicher Zahlung bis zum 10. April auf beide Forderungen im Gesamtbetrage von 620 000 Taler insgesamt 235 000 Taler an die preußische Hauptmagazinkasse ausgezahlt.
Noch mehr zu leisten, schien den so überaus schwerbelasteten hiesigen Einwohnern unmöglich; deshalb ließ am 11. April der Rat durch seine beiden Bürgermeister und den Stadtsyndikus den damals gerade in Dresden weilenden preußischen Prinzen Heinrich mündlich und schriftlich bitten, bei seinem königlichen Bruder sich dafür zu verwenden, daß der armen Stadt dasjenige, was an dem „Kontributionsquanto“ noch fehle, in Gnaden erlassen werde. Der menschenfreundliche Prinz versprach, in der Angelegenheit sein Möglichstes zu tun und erreichte es durch seine Fürsprache, daß die Bürgerschaft den großen Rest von 360 000 Talern nach längeren Verhandlungen schließlich doch erlassen erhielt. Damit fand die Angelegenheit der sog. „preußischen halben Million“ einen für die Bewohnerschaft Dredens noch immer leidlich glimpflichen Abschluß. (Vergl. Heinze, Seite 66–93.)
Nach Lindau (II, Seite 387) soll der König Friedrich II. von der zweiten Novemberhälfte bis zum 10. Dezember 1758 abermals in Dresden geweilt haben. Heinze, der zu seinem Buche „Dresden im siebenjährigen Kriege“ die darauf bezüglichen Akten des hiesigen Ratsarchivs sehr eingehend benutzt hat, erwähnt diese Anwesenheit des preußischen Herrschers in unserer Stadt nicht. Erst dann, [88] wenn sie sicher nachgewiesen wäre, ließe sich nach der bis jetzt noch unbekannten Wohnung forschen.
Noch einmal ist Fr. d. Gr. in die unmittelbare Nähe der sächsischen Residenz gekommen; betreten hat er sie aber nicht, obgleich er ihre Türme erblickte. Durch die von ihm geführten Truppen, die auf den Höhen von Plauen, Räcknitz, Zschertnitz, Strehlen, Reick, Leubnitz und Leuben Stellung nahmen, ließ er vom 14.–21. Juli 1760 die von Österreichern besetzte Stadt heftig beschießen, um sie wieder in seine Hände zu bringen, was ihm bekanntlich nicht gelang. Vom Beginn der Beschießung an bis zu dem am 30. Juli erfolgenden Abzuge der Belagerungsarmee hat der König im Pfarrhause zu Leubnitz gewohnt.