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Autor: unbekannt
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Titel: Geöffnetes Narren-Turney
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Erscheinungsdatum: 1843
Verlag: Verlag, Druck und Lithographie von F. Gutsch & Rupp
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons und BLB Karlsruhe
Kurzbeschreibung:
Siehe auch Karneval, Fastnacht und Fasching
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[I]
Geöffnetes Narren-Turney.


Fasching            1843.


Karlsruhe.


Verlag, Druck und Lithographie von F. Gutsch und Rupp.
[III]

Geöffnetes Narren Turney 1843
1tes Stürk. Schmutziger Donnerstag

[4]
Narrenturney.
1843.

Schnetterdeng! Hurrah Trompeten!
Hei! Trompeten! Schnetterdeng!
Seht einmal nur das Gedräng,
Und die holden Schwerennöthen!
Ernst wohl scheint es jetzt zu werden,
Und die Narrheit bricht hervor,
Schlägt der Klugheit eins an’s Ohr,
Daß von ihr befreit wir werden.
Lange haben wir gelassen
Ihrem Unfug zugeschaut –
März kommt, wo die Katz miaut:
Nur wer liebet – kann auch hassen! – – –
Sehet nur die wilden Schaaren;
Wie sie bäumen sich mit Macht;
Doch wir treiben sie zu Paaren,
Und gewonnen wird die Schlacht.
Stolz auf Greisen, hoch in Lüften
Hebet sich der Narrheit Kraft,
In der Klugheit Nieren, Hüften
Senkt sie ihres Speeres Schaft.
Und die Ruhe Karl’s gestöret,
Recket sich vom Schlummer los:

„Welch’ ein Wahnsinn sich gebähret?
Gibt der Bürger so sich bloß? –
Was wir von Epidemien
Schon gehöret weit und breit,
Seh’n wir hier vorüberziehen;
Lieben Leute seyd gescheut!“
Aber da ist nichts zu halten,
Rasend stürzt der Trödel fort,
Und die Jungen, wie die Alten,
Kämpfen hier und kämpfen dort. –
Die in faltigen Talaren,
Die im steifen Glanzcollet,
Die behängt mit Modewaaren,
Aufgewichset und adrett;
Die zu Pferde, die zu Fuße,
Die voll Spott und die voll Wuth,
Sprechen uns von Bann und Buße,
Wollen rauben uns den Muth.
Schnetterdeng! Hurrah! Trompeten!
Auf Ihr Narren! In den Kampf!
Jetzt ist Siegen uns von Nöthen;
Schlaget in die Flucht Hans Dampf!
Und das Herz lacht uns im Leibe,

Seh’n wir wie die Pritsche fliegt,
Und als wie zum Zeitvertreibe
Die Kohorten rings besiegt.
Ihr Philister an den Ecken,
Leimensteder dort vom Eck,
Uns’re Pritsche wird Euch strecken,
Wanket Ihr nicht gleich vom Fleck;
Watschelt mit den dicken Bäuchen,
Still in Euer Kämmerlein,
Platz da! Platz! Lebend’ge Leichen!
Unser muß die Wahlstadt seyn!
Unser ist die Welt, die frohe!
Rette Dich, so gut Du kannst,
Eh’ die lustig glüh’nde Lohe,
Nicht versenget Deinen Wanst.
Bist Du aber klug, so werde
Närrisch toll wie unser Eins,
Heute fei’rt die ganze Erde,
Froh ein Fest, wie wohl noch Keins!
Schnetterdeng! Hurrah! Trompeten!
Blaset, daß die Brust Euch springt!
Abgesagt den schweren Nöthen,
Uns der frei’ste Sieg gelingt!




Programm


der Festlichkeiten, welche am 28. Februar und an den
     vorhergehenden Tagen in der guten und weisen
          Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe
               ganz unerhörter Weise abgehalten
               werden sollen.
                    Zum ersten Mal
                    an’s Licht gezogen
                    und der
               ganzen Einwohnerschaft,
          den Frommen sowohl
     wie den Gottlosen, zum Aerger, wie
     zur Erbauung, andurch mitgetheilt,
vom hohen Directorium des Departements
der närrischen Angelegenheiten.


Schon längst munkelte man in sehr ehrbaren Zirkeln und andern Kreisen von dem Vorhandenseyn einer im Finstern heimlich schleichenden Sekte, die es darauf abgesehen haben sollte, nicht etwa das Bestehende zu untergraben und umzustürzen, sondern das Untergrabene und Umgestürzte wieder zu Bestehen zu bringen. Der „göttliche Wahnsinn“, wie unser alter weiser Wieland ihn nennt, war wie ausgestorben; die ganze Welt schien nur auf’s Praktische gerichtet; sie ächzte in der Gebundenheit, und wenn zwar nicht geläugnet werden konnte, daß sie Thorheiten und Narrheiten bis zum Ueberdruß gebahr, so geschah es doch in so praktischer Richtung, mit solcher bocksteifledernen Gravität, daß man sich wohl darüber ärgern konnte, aber dabei Niemand in den Sinn kam, von Herzen darüber zu lachen.

Immer weiter und weiter griff das Verlangen, dem Uebelstande abzuhelfen und so kam es denn auch, daß es an der sauber gelichteten Stelle des Hartwaldes, wo jetzt die steinerne Zeile den in Gott ruhenden Karl umfängt, wo „sich die Nachbarn freundlich grüßen“ und wo es an den mannigfachsten Abwehrversuchen der Langweil gar nicht fehlt, an einem nebligen Herbstabende zu spuken begann; es erschienen nämlich Männer, winterlich gekleidet, die unter der frostigen Miene Verschmitztheit bargen, und scheinbar einen Krug trinkend, Worte von ihrem Lippen träufeln ließen, die ohne Hopfen und Malz besser den Ohren mundeten, als der Trank dem Munde. Das waren Ausgeschickte der Königin Fastnacht, die sich bereits zum alljährlichen Rundzug rüstete, wirkliche Vollblutnarren, die, Gott weiß wie! die Wachsamkeit und den nie genug zu preisenden Ernst der vorsichtigen Behörde täuschend, wie Diebe in der Nacht sich eingeschlichen hatten und jetzt ihre verführerischen Werbungen anstellten.

[5] Zuerst bemächtigten sie sich der kriegerischen Geister, in denen der Hang zu Zopf, Degen, Mannszucht, Subordination vorherrschte; ganz nach Art der alten Weiber des vorigen Jahrhunderts spiegelten sie diesen wackern Gesellen die schöne Uniform vor, sprachen von Ehren und Auszeichnungen, von Vorrechten und Belehnungen mit Titeln und Aemtern, und siehe da! es war bald ein Häuflein zusammengebracht, das Achtung und Lob verdiente. Eine Narrenguardia, eine Zopfmiliz, eine Ranzengarde stand da, „eine eherne Mauer“, um den Thron der geliebten Königin zu schirmen und zu schützen.

Hatten die Verschwörer aber erst das Heer, so war ihr Spiel gewonnen und in der That waren die Siege so leicht, die sie in den Gemüthern erfochten, daß es nicht die Mühe lohnt, hier aufzuzählen, wie sie mit ihrer mächtigen Wünschelruthe die närrischen Schätze hoben und zu Tage förderten, die in nie geahnten Maße in Karlsruh’s ruhiger Genossenschaft versenkt lagen.

Noch lange jedoch schwebte Dunkel über den Wassern, wenn auch der schöpferische Geist schon mächtig wirkend und ordnend begann. Lustige Anzeigen erschienen zwischen den ernstgemeinten Zeilen des Karlsruher Tageblattes; die überraschte Censur wußte gar nicht mehr was sie streichen und stehen lassen sollte; unsere schriftstellende Welt, jene Verfasser von Anzeigen wohlfeiler Lichter, weißer Seife, von Modeartikeln und Limburger Käse, schämten sich fast mir der Narrheit in Reih und Glied zu paradiren; es schien als ob das, was so lange für Anstand gegolten hatte, mit Füßen getreten werden sollte. Alles deutete auf den Untergang der Welt, der ohnehin ja für den Februar vorher angesagt worden war und der jetzt um so gewisser über sothane Gräuel hereinbrechen mußte.

Alles zitterte und bebte, nur die Narren nicht; sie waren sich einer großen Sendung bewußt und ehe diese nicht vollführt war, konnte der gute alte Gott die Welt nicht untergehen lassen.

Nach freilich unverbürgten Gerüchten, werden schon an dem Tage, den die Urnarren, die Italiener, die ihren Adel von den alten römischen Saturnalien herleiten, den Giovedi Grasso und den wir zarter „den schmutzigen Donnerstag“ heißen, sich bei frühester Tageszeit sonderbare Gestalten, mit allerlei confiscirten Gesichtern, in der Nähe der Eisenbahn zeigen, sich den Schildwachen am Ettlinger und Rüppurrer Thore zu nähern suchen, um sich unbemerkbarer Weise, durch die in diesen Tagen verdoppelte Wachsamkeit zu stehlen. Zu gleicher Zeit wird sich in der Stadt ein Leben offenbaren, das den ruhigen, sonst nur an dem täglich wiederkehrenden militärischen Schauspiele der Wachparade gewöhnten Bürger, mit mächtiger Besorgniß erfüllen muß. Man wird fremde Truppen umhermarschiren sehen; man wird Trommelwirbel vernehmen, wie ihn noch kein Ohr hierselbst vernommen und Narren-Fahnen sollen, wie man sagt, erhoben werden. Es steht dahin, was die Autoritäten dazu sagen werden, und ob Alles so ruhig bleibt, wie wir es von Herzen wünschen.

Die Nacht wird von einem Theil der Einwohner schlafend zugebracht; dies kann jedoch zur vollkommensten Beruhigung hier versichert werden. Einige werden auf der linken Seite, Andere auf der Rechten im Bette liegen. „Was aber da für Träume kommen mögen?“ Diese Frage lassen wir mit Hamlet unbeantwortet.

Am Samstag und Sonntag kann’s nicht fehlen, daß Einzelne vom Hofstaate der Königin, auf der Straße in Geschäften hin und her laufen. Seine Magnifizenz der Narrenvater wird in höchsteigener Person und in Begleitung der hohen Würdenträger, des Narrenbüttels im blutfarbigen Wamms, des vielseitigen Narrenschreibers, einen Gänsekiel hinter’m Ohr und des hochzinkigen Narrenfinanzministers, der am leeren Säckel kennbar seyn wird, verschiedene Besuche abstatten und Gegenbesuche zu empfangen bereit seyn, wenn solche ihm gemacht werden sollten.

Am Montage wird das Treiben auf dem Marktplatze beginnen; die Gerüste werden errichtet; das Theater wird erbaut; die Buden werden beleuchtet, die Glückshafen eröffnet. Da kein Eintrittsgeld verlangt wird, so ist mit Bestimmtheit vorauszusehen, daß Zuschauer aus allen Ständen sich zu diesen Vorbereitungen drängen werden.

Den Morgen des großen Festes wird ein Sonnenaufgang verherrlichen, und sämmtliche Glocken der Stadt werden die Stunde anschlagen.

Verschiedene Abtheilungen der hochlöblichen Zopfmilizgarde werden mit Musik vorüber ziehen, um über Ordnung und Reinlichkeit zu wachen. Das Verzieren der Häuser mit Teppichen und Blumenkränzen in den Straßen durch welche die Züge sich hin zum Markte bewegen, soll nicht nur nicht untersagt seyn, sondern wird sogar mit Wohlgefallen aufgenommen werden.

Zum Markte wird ein colossales Faß, unter Musik, gefahren. Pikelhäringe mit Fahnen reiten voraus. Der Prachtwagen der Königin Fastnacht folgt, umgeben von dem blendendsten Glanze ihres Hofstaats. Ihr zunächst fährt der Großoberzerimonienmeister mit den andern Kavalieren.
Hierauf erscheint der Kronobersthofmundschenk mit dem Narrenpokal, der sicherlich nicht klein ist. Hinten auf dem Wagen der Königin sitzt der Ascher-Mittwoch mit seinem Häring und dem leeren Säckel im schwarzen Felde.

Ist die Königin ausgestiegen, so leert sie nach den Vorschriften des Cerimoniells den Brecher auf das Wohl ihrer Unterthanen. Sogleich ertönt ein furchtbarer Knall, die Thürme Karlsruh’s wackeln mit ihren Spitzen, bis auf den Rathhausthurm, der keine hat und also auch nicht damit wackeln kann; das Faß öffnet sich; Tauben und [6] anderes fliegendes Gesindel flattert daraus hervor, um das frohe Ereigniß in die weiteste Ferne des Erdballs zu verbreiten. Aus den Trümmern des Fasses erheben sich Wunderdinge, welche hier nicht verrathen werden sollen.

Alles überläßt sich hierauf seinen lustigen Eingebungen, zu welchen vornehmlich der Besuch- der Wein-, Bier- und Punschbuden zu zählen ist, die jene Elemente zollen, in dem das Ganze schwimmen und sich bewegen muß, soll es nicht trocken gescholten werden.

Es wird nun ein gar scherzhaftes Turnier mit Löffeln, Messern und Gabeln beginnen.

In dem Hofnarrentheater beginnen die Vorstellungen. Der Theaterdirector hält eine Anrede, die er nicht gelernt hat, und bleibt stecken.

Inzwischen ziehen Oberländerbauern heran; ein mächtiger Chorgesang erfüllt die Luft. Auf dem dazu errichteten Gerüste beginnen die Tänze. Die Königin setzt sich zu Pferde und reitet in’s Lager der Ranzengarde.

Das Publikum wird jetzt aufmerksam auf bedeutend schwere Kisten, die angefahren kommen. Man öffnet sie und packt eine Gallerie berühmter Zeitgenossen aus, die gereinigt, restaurirt und zur Schau ausgestellt werden. Die Figuren sind beweglich und gebehrden sich wie ordinäre Menschen; der Inhaber des Kabinets erklärt, was sie vorstellen.

Sieben Mann hoch rücken, mit dem Spieß in der Hand aus Schwaben folgende weltgeschichtliche Personen heran, nämlich; der Allgäuer, der Seehaas, der Knöpfleschwab, der Spiegelschwab, der Nestleschwab, der Blitzschwab und der Gelbfüßler. Sie singen, kochen ihre Knöpfle und bestehen ihr Abentheuer mit dem Ungethüm, das nicht fehlen wird. Bevor sie es erlegen, singen sie von Todesahnung ergriffen:

„Drum haltet fescht zusamme,
Und fasset fescht de Spieß;
Zu streite und zu stearbe
Für’sch Vaterland isch süß!“

Alle Lieder, Schauspiele, Zeitungen, Flugschriften, Karikaturen und sonstige Erzeugnisse, welche auf diese Vorgänge Bezug haben, werden in der neuerrichteten närrischen Hofbuchhandlung auf dem Meßplatze für ernstes Geld verkauft werden.

Von dem eigentlichen Festplatze bis zum Ettlinger Thor hin werden sich die Buden, als eigentlicher Jahrmarkt, erstrecken. So z. B. ein Nasenstand, eine Frisir- und Rasirstube für ungewaschene, haarbuschige Besucher, Tabacksbuden, Pfeifenbuden, Zuckerbäcker, Lebküchner, Wein-, Bier-, Punsch-, Wurst-Buden, Trödelhandel, Geschirrmarkt, Tabuletkrämer und Hausirer, Savojarden mit Murmelthieren, welche nur maskirte Katzen sind, Tiroler mit badischen Steinadlern, welches nur maskirte Hühner sind, Scheerenschleifer, Kesselflicker, Zigeuner, Wahrsager, Quacksalber, Drehorgeln, Morithaten u. s. w.

Da es vorausgesehen wird, daß sich gegen das Ende hin Nebel verbreiten konnte, so wird man darauf bedacht seyn, bei Zeiten, und zwar schon Vormittags 11 Uhr, die Laternen der Stadt anzuzünden.

Eine Unzahl von Bällen werden den festlichen Tag beschließen.


Gnome.

Wenn Ihr gegen sieben und acht –
Nicht im Bett liegt, sondern wacht –
Geht an’s Fenster und gebt Acht:
Holzschuh klappern durch die Nacht;
Fackeln werden angefacht
Und die große Trommel kracht.


Unvernünftige Wortspiele.

Welches Ei brütet die Schreiber aus? – Die Kanzlei.
Wer leidet in der Fremde leicht am Heimweh? – Der Oheim.
Welches Vorzuges genießt der einzige Sohn vortrefflicher Eltern? – Er kann nie ein Bruder Liederlich seyn.


Speisezettel der Narrenburg.
Zum Besten
des chinesischen Prinzen Fa-Sching
und dessen hohen Gefolges in’s Chinesische übertragen
von
Cyprianus,
Hofgelehrtem J. M. der Königin Mutter
Chin. Preise.
Gerstenschleim. Puh-lang. 6 Kreuzer oder 3 Li.
Schwäbische Spätzle. Späts-Li. 8 – “ 4 –
Kalbsbraten, die Portion. Fih-Muh. 12 – “ 6 –
Geräucherter Schinken. Hong-Hang. 12 – “ 6 –
Cervelatwurst. Hack-Hock-Matsch 3 – “ 1 3/2 –
Käs. Fu-i. 6 – “ 3 –
Ein Häring. Pang-Hi-Kang. 4 – “ 2 –
Chinesische Speisen.
Marinirte Rattenschwänze. Moll-moll. 48 – “ 24 –
Heuschrecken-Sallat. Pah-Pah. 36 – “ 18 –
Froschbäuch in der Sulz. Coax-Cax. 1 fl. 30 –
Fliegentorte. Summ-Summ. 48 – “ 24 –
Eingemachte Tannzapfen. Futsch. 1 fl. 48 – “ 54 –

Diners à la Schinos beliebe man rechtzeitig zu bestellen.


Der ungeheuren Verbreitung wegen, kann dieses Blatt zu allen möglichen Anzeigen bestens empfohlen werden.

Närrische Hofbuchhaudlung
als verantwortliche Redactrice.
[7]

Geöffnetes Narren-Turney 1843
IItes Stuk, Fastnacht Sonntag

[8]
Etzliche
Probe-Scenen
aus dem
fürtrefflichen Schauspiele:
Alles abonnirt!
oder:
Hannswurst und die siegende Liebe,
welches

als öffentliches Spektakul dem hochverehrten Publiko zur Erbauung und zum Ergötzen, am hellen Mittage, statt eines gebratenen Ochsen, wie sonst wohl gebräuchlich, preisgegeben werden wird.


Erster Akt.
Erster Auftritt.

Hannswurst und Gretchen beisammen, später der alte Durchholz.

Platz: Durchholzens Schenkstube.
Hannswurst hält Gretel im Arme und drückt und küßt sie.

Hannswurst. No, s bleibt dabei, Du bist mein und eh ein Vierteljahr rumm ist, han mer enander gheuert. Morge geh ich zu Deim Alte und halt um Di an. Ich will em schon vorschwätzen.

Gretel (halb weinend). S’ hilft eben doch nichts, er sait, ich müss en Mann habe von Rang und Titel – nachher hätt ich au e Rang und e Titel. Do laßt er sich gar nit devo abbringen. De Gvattermann lacht er no aus, der sait immer: es isch e Buuretochter und do muß sie au wieder en Buuren heuren.

Hannswurst. Der hot ganz recht.

Gretel. Vor eme Johr, sell han i Dir no gar nit erzählt, grad wie bei der außerordentliche Conscription gsi bist, do isch drüben in Waldhopfenburg so e Herr aus Steifhausen bim Amtmann uff Bsuch gsi und der isch als zu es komme. Mer hett en Misternalrath gheisse, und do isch er als komme und hätt mer vorgschwätzt, wie ’s in der Stadt so schön wär und ob ih nitt au hin wollte. I ha em gsagt, daß ih deß nitt glaub – ih sei ach schon emol in Steifhausen gsi bim landwirthschaftlich Fest und da hätt mer’s nitt gfalle, wie mer uff Stroh hen schlofe müsse, in dem grossen Haus bei der Kaserne. Und wenn er me so vorgeschwätzt hätt, so isch der Vater derzu hingsessen und hätt e Gsicht gemacht, wie wenn der heilig Geist über en komme wär, und wenn der Misternalrath sich gschoben hätt, so hätt er mer die gröste Vorwürfe gemacht, ih hätt sollen artiger sei gegen ihn, des wär e Mann von Rang und Titel. Jetz han is em Gvattermann gsait. I will scho helfen – mit so eme austrocknete Häring will ich scho fertig werre. Wie der Herr wieder kommt, so bin ih uf d Bühne nuf, der Gvattermann hätt em e Schoppen bracht statt Wein und do setzt er an – macht Dir aber e Mul hin – mer kann’s nit bschreibe. Sit der[WS 1] Zeit kommt er numme.

Hannswurst. So isch recht, Gretel.

(Gibt ihr einen Kuß. Man hört vor der Thüre niesen. Hannswurst springt zur andern Thüre hinaus, der alte Durchholz tritt ein.)

Durchholz. Des sind mer schöne Sache. Scho wieder beisamme – von heurathe spreche, wart i will – mit so em Buurekerl will der d Lieb vertreiben. Bist noch verliebt? – (sie weint.) Wenn ih des nomal seh – so sperr ih die dei Lebenlang ein, die Schand will i nit habe – daß mei Tochter e Buure nimmt. Ih bin e Mann von Titel – ih bin Kirchen- und Gemeindverrechner – ich bin en Angstellter – weißt jetzt. Und noch dezu so eme Kerle – isch er nit scho viermal im Thurm gesesse, hätt er nit em Schwanenwirth in Braufels alle Fenster zusammengeschlagen – hätt er nit der Frau Pfarrern vorig Winter vier Gäns gstohlen – ja gstohle – und selbst beim Löwenwirth verfressen – so en Spitzbub willst Du? Wart i will Dir.

(Geht ab)

Dritter Akt.
Erster Auftritt.
Freier Platz in Steifhausen.

(Oberschiffrath Nepomuk und Zehntcommissar Naso kommen gerade von einem Ausflug heim. Ihnen begegnet Hannswurst mit einem Ränzel auf dem Rücken.)

Hannswurst. Meine Herren, könnte Sie mer nit sage, wo ich übernachten könnte.

Nepomuk. Wo er hin will. Im Erbprinzen, Stadt Pforzheim, römischen Kaiser, im Kreuz, Stadt Heidelberg, Zähringer Hof.

Naso. Mach keine Posse, Muckele. Alter, geh er mit, wir kommen am schwarze Bock vorbei und da kann er logire.

Nepomuk. Was wollt ihr denn in der Stadt machen?

Hannswurst: Ich will mer Vergnüge machen, ich hab jetzt lang gnug gschafft. Ih han Geld und do werd’s scho geh.

Nepomuk. Des ist recht. Wenn ich kann zu Diensten steh, mit Vergnüge.

Hannswurst. Ich kenn noch Niemand – ’s wär mer lieb.

Nepomuk. No, do will ich Euch was sagen Do kommt Ihr morgen früh am acht Uhr zu mir. Kennt Ihr mein Name behalte. Ich bin der Oberschiffrath Nepomuk-muk-muk.

Hannswurst. Herr Oberschiffrath Nepomuk.

Nepomuk. Ja und ich wohn im rothe Bock Gut Nacht Komm nur morgen zu mir.

Hannswurst. Meine Herrn, schön Dank – will nit vergessen.

(Geht in rothen Bock.)

Nepomuk. Du Naso, des scheint mir ein recht ordentlicher Bursch zu sein – der will sich Vergnügen machen.

Naso. Aber was bestellt denn uf Morgn? Du kennst en jo gar nit.

Nepomuk. Laß mich nor mache – das gibt e Spaß.

Naso. No, ich will sehe. Gut Nacht.

Nepomuk. Gute Nacht.


Zweiter Auftritt.
Nepomuk auf seinem Zimmer. Hannswurst klopft an.

Nepomuk. Herein.

Hannswurst. Guten Morgen, Herr,

Nepomuk. Du kannst Wort halten, des ist recht, nun sag mal, warum bist Du hierher gekommen?

Hannswurst. Des isch so. Ich bin von Oberpitzenbach im Amt Braunfels und meine Eltern sind Bauersleut. Jetzt hätt der alte Durchholz, er ist Kronenwirth und Gemeindeverrechner, der hätt e Tochter, s Gretel – die will mi und i si, sie sind reich. Jetzt will er mir sie nit gebe, weil i nur e Buur wär und kein Rang und kein Titel hätt. Do hätt aber der Gevattermann, der alt Michel Baumschlag mir grathen, i soll nur in d Residenz gehe, da könnt man Rang und Titel kriege, mer wär an der Quell und do wär’s lustig und mer könnt sich viel Vergnüge mache. Drei Acker han i verkauft und jetzt han i 800 Guld bsamme und i mein des langt.

Nepomuk. (Pfeife stopfend). Wenn Du hier Vergnüge mache willst, so mußt Du abonnirt sein. – Kein Vergnügen ohne Abonnement.

Hannswurst. Was ist des Abonima?

Nepomuk. Will Dirs später erklären. – Du wirst Mitglied, doch in denen Kleidern kannst Du nicht aufgenommen werden. Deinen [9] Kleidern muß man Bildung ansehen. Jetzt ist Dein erstes Geschäft, zum Kleiderfabrikant zu gehn und Dir Kleider raus zu nehmen (schreibt). Kannst lesen: Mopstraße Nr. 19, Kleidermaschinist Geißbart. Das andere steht darin. Da vis a vis ist e Logis mit zwei Zimmern zu vermiethen bei einer Madame, die hat zwei Töchter, recht ordentliche Mädchen, da kannst Du auch bisle Lebensart lerne. Jetzt nimmst Du Dir Kleider und heut Abend um fünf Uhr kommst im neuen Anzug, dann gehen wir in Vereinsgarten, da wirst Du in die große Welt eingeführt.

Hannswurst. Adies, lieber Herr

(Fortsetzung folgt Morgen.)

Der kosmopolitische Schuhflicker,
ein Bruder
das sattsam bekannten
kosmopolitischen Nachtwächters

wird bevorstehende Narrenmesse beziehen und den hochlöblichen kosmopolitischen Narren aller Farben auf’s Beste sich zu empfehlen suchen. Er verspricht beste, schnellste und billigste Bedienung. Sein Lager ist mit allen Lederarten versehen: vom schwersten, nervigen, ächtdeutschen Geduldpfundleder bis zum geschniegelten, glättesten Gemshäutchen für aristokratische Salonbesucher; russisches Juchtenleder für kalte Sympathetiker, spanischer Korduan für Spekulaten, englischer Saffian für Industrieritter, deutsches Kalbsleder für Hofmeister, polnisches Schweinsleder für Urkundensammler, Eselshäute zu Traktaten, Alles dieß ist vorräthig. Lockeren Gesellen schneidet er Sitzleder zu; Europamüden bietet er bequeme Pantoffeln an; Weltfahrern Reisestiefel à la Semilasso und modernen Zerrissenen verspricht er wohlfeil das Zeug zu flicken. Auch Wichse steht allen Besuchern zu Dienst. Er entfernt nicht nur sämmtliche Hühneraugen, sondern er weiß sie auch täuschend einzusetzen; auch vermag er der von ihm verfertigten Fußbekleidung eine solche Vollendung zu ertheilen, daß sie Hühneraugen und Leichdörner erzeugt und für Liebhaber jeden Augenblick die Empfindung hervorzaubert, als ob jene hornartigen Auswüchse an den Füßen wirklich vorhanden wären. Diesen Vortheil verdankt er seiner eigenthühmlichen Art, das Maaß zu nehmen, mit dem von ihm erfundenen Pédimètre, der nicht länger als ein kurzes Stündchen den Fuß in Klammern und Schrauben einzwängt und den Schuhmacher dafür der Mühe des Bückens beim Maaßnehmen überhebt und daher viel bequemer ist. Da der gehorsamst Unterzeichnete keinen Unterschied macht und das alte, wie das junge Deutschland an seinen kosmopolitische Erfindungen Theil nehmen lassen will, so hofft er den Dank der ganzen Nationen zu ernten und betrachtet sich mithin als einen Beförderer

deutscher Nationalität.
Crispin Zwecknagel
aus Ulphilas in Pennsylvanien.

Höchst
offizielle und authentische Beschreibung
des großen Festzuges.
Am Fasching-Dienstag den 28. Februar 1843.

Nachdem die hochlöbliche Zopfmiliz von Anbruch des Tages an ihren Pflichten obgelegen haben wird, wird sich der Generallissimus derselben in Begleitung seines Stabes in’s Lager begeben, und nach abgehaltener Heerschau werden sämmtliche Truppen aufbrechen, um die Königin Fastnacht einzuholen. Der Zug wird in folgender Ordnung stattfinden.

Vorauf reitet:

1) Der Generalissimus Herr v. Dünkelspiel mit hohem Gefolge: den Husarenmajor v. Grünspecht, den Rittmeister von den Horse-guards v. Roastbeef, Kosakenmajor v. Pikowski, genannt Fischhannes, und Generaladjudant Gockler, sämmtlich ang-grangt-Tenüh.
2) Das vortreffliche Corps der Zopfmiliz, die Feldmusik ang-Täht.
3) Ein Vorreiter mit der Fahne.
4) Zwei Pickelhäringe zu Pferd.
5) Ein Wagen mit Kisten beladen, in denen die berühmten Zeitgenossen verpackt sind.
6) Civilisirte Thiere, als Mitglieder eines Mäßigkeitsvereins und dem Kartenspiel obliegend.
7) Ein Zug englischer Reitkünstler mit Musik.
8) Zwei Hannswürste mit Fahnen.
9) Der närrische Hoftheaterprinzipal mit seinem Thespiskarren und sämmtlichem Kunstpersonal.
10) Zwei Zauberer.
11) Ein Türke mit seinem Serail.

[10]

12) Der Teufel und seine Frau Großmutter.
13) Viele Hannswürste mit Fahnen, Pritschen und drgl.
14) Der Segen des Jahres 1843.
15) Ein Zug Milchweiber.
16) Eine Bauernhochzeit.
17) Zwei Pickelhäringe.
18) Die sieben Schwaben mit ihrem Spieß.
19) Musicirende Zwerge.
20) Die berittene Hühnergarde.
21) Der Reichsehrenhold mit dem Stabe.
22) Das große Faß.
23) Der Erb-Groß-Mundschenk mit dem Ehrenhumpen.
24) Edelknechte.
25) Harlekine.
26) Der Oberleib-Arzt Doctor Saßafraß Bocksbart, ohne das ärztliche Unterleibpersonal.
27) Der Oberküchenvogt mit den hohen Küchenprovisionen zu Pferde.
28) Ein Ehrenhold mit der Fahne.
29) Trompeter und Pauker zu Pferde.
30) Das Schlachtroß der Königin, von Stallbedienten geführt.
31) Der Staatswagen mit Ihrer Huldreichheit, der Frau Königin Fastnacht. Berittene Edelknaben am Schlage.
32) Ein Staatswagen mit Seiner kriegerischen Gnaden des Oberstkriegs- und Feldhauptmanns nebst hoher Gemahlin und Dienerschaft.
33) Ein Staatswagen mit Seiner Eminenz des Groß-Oberst-Hof-Complimentarius in Galla.
34) Fahnenträger.
35) Die acht Hansel aus dem Oberland.
36) Ein langer Zug von Völkerschaften, die der hohen Königin unterthan sind.
37) Das hochpreiswürdige Straßenpublikum zu Pferd und zu Fuß.

Gott bewahre uns vor den Türken!
(Aus der Menagerie der Maskenbälle.

Obige aus dem Mittelalter herstammende Redensart schreiben Viele den damals noch zu befürchtenden Einfällen der Türken zu, allein sie hat noch eine andere, nicht so fern liegende Bedeutung. Die hier nebenan gedruckte getreue Abbildung stellt nämlich einen Kümmeltürken vor, der auf keinem der gewöhnlichen Maskenbälle fehlen darf. Er trägt weiße, doch nicht immer frisch gewaschene türkische Beinkleider, die er während des Gehens durch den Straßenkoth in die Höhe wickelt und dann im Vorsaal mit eigenen Händen herunterstreift. Im Saale sucht er sogleich das dickste Gewühl, wenn nämlich eins vorhanden ist, und knüpft überall die geistreichsten Gespräche an, wozu sich ihm bei jedem Schritte die Gelegenheit bietet. Zu den Masken sagt er: „Schöne Maske, ich kenne Dich“ und zu den Unmaskirten blos: „Ich kenne Dich!“ Dabei ist er bemüht, seine natürliche Stimme sehr hoch zu schrauben, um sie für Leute, die sie noch nie vernommen haben, unkenntlich zu machen. Seine Bestrebungen, den Ball auf solche Weise zu beleben und sich dabei auf’s Aeußerste zu vergnügen, sind so unausgesetzt, daß ihm der Schweiß stromweis am ganzen Leibe hervorbricht; dieß hält ihn jedoch nicht auf, in seinem Treiben fortzufahren, und noch kurz zuvor, ehe er den Ball verläßt, treibt er den Witz so weit, einem alten Junggesellen zuzurufen: „Du, was macht Deine Frau?“ und einer sitzen gebliebenen Jungfer: „Grüß’ mir Deinen Schatz!“ Mit dieser ungeheuern Bosheit ist aber auch seine Kraft zu Ende; er verläßt den Saal, geht nach Hause und wirft sich ermattet in’s Bett, wo die genossenen Freuden sich im Traume fortspinnen. Am andern Tage schwört er hoch und theuer, nie anders als in einer Türkenmaske auf den Ball zu gehen; es sey nicht möglich Jemand darin zu erkennen, und er habe die schöne Welt auf’s Fürchterlichste intrikirt.

Dieß ist aber die Naturgeschichte der maskirten Türken, und vor solchen möge uns der Himmel bewahren!


An einen Philister.

<poem> Denkst Du nicht oft noch in des Sommers Schwüle An Deines Frühlings holde Träumerei’n? Du schliefst auf sanftem Rasen an der Mühle, Und schrittst als Herzog durch den lichten Hain. Mißgönn’ d’rum uns nicht uns’rer Jugend Spiele, Weil einmal nur des Lebens Lüfte mai’n. Nur wer Philister durch und durch geworden. Kann Andern selbstgenossene Freuden morden.

(Eingesandt.)

Unvernünftige Wortspiele.

Wo muß der Großherzog von Weimar hingehen, wenn er die Geduld verliert? – Auf die Wartburg.

In welchem Land kriegt man leicht einen Schnupfen? – In Nassau.

Warum müssen arme Teufel gern nach Holland reisen? – Sie haben Sehnsucht nach Geldern.

Was kauft auch der reichste Dummkopf nie? – Genie.

Woran leiden schlecht regierte Staaten und schlechtgedruckte Schriften? – An Druckfehler.


Allen Denjenigen, die während der kurzen Tage meiner Herrschaft meinen Thron mit eifrigem Hin- und Herrennen umgeben, und mich nur auf der Stirn und Zunge, nicht auch im Herzen tragen werden, soll auch meine Huld nur vorübergehend lächeln. Denen aber, die auch nach der Fastnacht, wenn ich in’s Elend gehen muß, mir treu und unverschütterlich anhängen werden, will ich noch manchen süßen Lohn gewähren.

Narrheit, Königin von einem Tage.
[11]
Geöffnetes Narren-Turney. 1843.
Zum Vorbildchen.

Glaubt Ihr, die Narrheit könnt’ in Körb’ man sperren,
Und sie hintragen hier und dort?
Ihr mögt, so fest Ihr wollt, die Schnüre zerren,
Der Deckel bricht. – die Schelme flattern fort.
Der Dummheit leget an den Bügel,
Damit Philistern sie den Wagen zieht;
Die Narrheit sprenget Fess’l und Riegel.
Die Freiheit ist ihr eigentlich Gebiet!


Fortsetzung des Schauspiels:
Alles abonnirt!

Dritter Auftritt.
Vereinsgarten.

(Nepomuk im gewöhnlichen Anzug. – Hannswurst mit Glacehandschuhen und Lorgnette – ganz ’rausgeputzt. Beide sitzen beisammen – sonst noch Niemand im Garten.)

Hannswurst. Aber was soll ich mit dem Glas (Lorgnette) da machen, ich kann nicht durchsehen.

Nepomuk. Glaub’s wohl, aber müssen’s haben, gehört zur allgemeinen Bildung – lassen Sie sich ein gewöhnliches Fensterglas einsetzen, dann können Sie sehen. Um auf das Vergnügen zu kommen: heute [12] schlage ich Sie noch hier in diesem Verein vor, morgen in einem Andern, mein Schwager in dem Dritten und mein Hausherr im Vierten – das ist unumgänglich nothwendig.

Hannswurst. Wie Sie befehlen, Herr Oberschiffrath, wenn ich nur Vergnügen habe – will ich mich gern abonniren.

(Einige Herren treten auf, später einige Damen. Nepomuk und Hannswurst erheben sich und machen Bücklinge.)

Nepomuk. Schönes Wetter, Herr Ministerialrath, warum machen Sie keinen Spaziergang?

Ministerialrath. Spaziergang, hier ist Spaziergang! Seit ich in dem Gartenverein abonnirt bin, brauche ich nicht mehr zum Thor hinaus. Hier ist Alles, was die Natur bieten kann. Grüne Bäume, Wiesen, Sitzbänke und da drüben die Berge so schön, und was doch die Hauptsache ist, wenn’s regnet, so ist man bald daheim – auch trifft man hier immer gebildete Gesellschaft, was man auf dem Lande nicht immer hat. Wahrlich die Idee dieses Gartens ist vortrefflich.

Nepomuk. Habe die Ehre, Ihnen Herrn Wurst von Aarau vorzustellen, wird sich längere Zeit hier aufhalten, ich denke ihn heute noch vorzuschlagen als unser Mitglied. Sie sind beim Ausschuß.

Ministerialrath. Freut mich recht sehr, einen solchen wünschenswerthen Zuwachs unserer Gesellschaft zu erhalten. Ich werde die Sache beschleunigen.

(Die Damen kommen. Hier wiederholt sich das oben Gesagte mit einigen Abänderungen.)

Frau Ministerialräthin. Da sind Sie rein zu ihrem Vergnügen hier?

Hannswurst. Ja wohl.

Frau Ministerialräthin. Da müssen Sie sich aber auch abonniren, hier gibt es nur abonnirtes Vergnügen.

(Am andern Tisch schreit Einer: Donnerwetter! Ein Glas Bier, Kellner, wie oft muß man bestellen?)

Kellner. Sie verleiden Einem das Leben, um jedes Glas Bier fluchen, dann noch brenn’ Fidibus–Zeitung.

Frau Ministerialräthin. Ich wünschte ein Glas Zuckerwasser.

Kellner. Auf der Stelle.

(Springt ab.)
(Die Scene wird auf natürliche Weise aus dem Stegreife fortgespielt.)

Vierter Auftritt.

(Herr Hannswurst geht mit den Töchtern seiner Hausfrau, Grifeldis und Kathinka in der langen Zeit spazieren. Sie freuen sich, daß er auch in den andern untergeordneten Vereinen abonnirt und dann auch mit ihnen tanzen könne.)


Fünfter Auftritt.
Großer Sextant.

(Zwei von Pappdeckel ausgeschnittene Herren, der eine dick, der andere schlank, werden oberhalb des Kastens angebracht und durch Ziehen geleitet. – Es sind zwei Kanzleiräthe, die sich bekomplimentiren und vom schönen Wetter und von den orientalischen Angelegenheiten sprechen.)


Sechster Auftritt.

(Das Theater stellt den Saal der abonnirten Gesellschaft vor. Hier sind versammelt die verschiedenen Abgeordneten der verschiedenen Gesellschaften, sie tragen nach Art der Straßenwärter ihre Zeichen auf dem Kopfe.)

Präsident. Meine Herren! Die Sitzung ist eröffnet. Es handelt sich um die Aufnahme des Herrn Hannswurst von Aarau, der sich zu gleicher Zeit in die vier Gesellschaften gemeldet hat. Nach den bestehenden Gesetzen vereinigen sich in solchen Fällen die Gesellschaften zur gemeinschaftlichen Ballotage. Ich schlage vor, den Herrn Hannswurst einstimmig aufzunehmen.

Einer. Ist er aber auch ein studirter Mann?

Präsident. Ohne Zweifel.

Anderer. Ist er auch ein gebildeter Mann?

Dritter. Er kleidet sich sehr elegant und raucht Cigarren.

Vierter. Er hat alle Eigenschaften.

Präsident. Die Diskussion ist geschlossen. Abstimmung.

(Pause)

Präsident. Alle Kugeln sind weiß. Herr Hannswurst ist einstimmig als Mitglied der vier Gesellschaften aufgenommen.

Tusch.

Achter Auftritt.

(Hannswurst auf seinem Zimmer. Nepomuk sitzt bei ihm; sie spielen Karten. Es klopft an und herein tritt die Deputation der vereinigten Gesellschaften und übergibt das Aufnamdiplom. Von den Statuten jeder Gesellschaft werden nur die dümmsten Paragraphe vorgelesen. Hannswurst läßt Speise und Trank kommen [Knackwürste und eine Maaß Bier]. Sie lassen ihn hoch leben und er sie. – Die Wachtparade zieht mit Musik vorbei.)


Neunter Auftritt.
Nepomuk und Hannswurst.

(Hannswurst fällt in der größten Rührung dem Nepomuk um den Hals und dankt ihm das Glück seines Lebens. Beide weinen).

Hannswurst. Jetzt ist mein Zweck erreicht. Ich bin was. Ich habe vierfachen Rang und Titel (hält das Diplom in der Hand und hüpft in die Höhe). Ich bin Kaiser und König, ich der Hannswurst. Morgen reise ich ab.

(Beide gehen ab.)

ERSTE KRITIK
des
am 28. dieses Monats auf öffentlichem Markte
aufgeführten Drama’s
DER WAHNSINNIGE HÄRING
von
Henricus Jocosus.

Kaum wagten wir unsern Augen zu trauen, als wir in den hiesigen Blättern und an den Straßenecken die Anzeigen lasen, welche die Aufführung eines Drama’s am hellen Mittage und auf öffentlichem Markte zur Kenntniß des Publikums brachten. Wie? fragten wir uns, ist es dahin mit der Kunst gekommen, daß im Jahre des Herrn, 1843, sich die Künstler dazu hergeben, mit geschminkten Wangen vor dem Jan Hagel zu agiren? Und kann ein Dichter, wie der bis jetzt noch ungekannte und namenlose Henricus Jocosus (offenbar ein Pseudonyme) es wagen, dieser Neuerung Vorschub zu leisten? Wir dachten anfänglich an einen Scherz. Der Fasching brütet gar mancherlei dergleichen aus, und obgleich wir in so ernsten Sachen keinen Spaß verstehen wollen und mögen, so hätten wir uns doch eher dabei beruhigt, als jetzt, wo es sich als wirklich herausstellt und die Vorstellung stattgefunden hat. Jetzt ist’s unsers Amtes zu richten; wir, die wir auf der Zinne und Warte stehen, wollen dem Gräuel entgegen arbeiten nach Kräften, und wenn wir auch der darstellenden Kunst die Mündlichkeit nicht legen können, so wollen wir ihr doch wenigstens diesen frechen Grad der Oeffentlichkeit nicht zugestehen. Uns scheint Henricus Jocosus zum jungen Deutschland [13] zu gehören, und deshalb sind wir von vornherein schon mit seinen Tendenzen nicht einverstanden. Seine Romantik ist übertrieben, seine Gedanken entbehren des Halts, seine Sprache ist jenes moderne Geflitter und Gezwicker, das jedes an die klassische Schreibart gewöhnte Ohr geradezu beleidigt. Jocosus scheint sich einen jungen Schriftsteller zum Muster genommen zu haben, den ich des Anstands wegen, hier nicht nennen will, und bei dessen bloßer Erwähnung mir die Galle in den Magen tritt. Es lag Herrn Jocosus vornehmlich daran, gewisse Wahrheiten auf offenem Markte zu predigen, als er sein Stück niederschrieb, höchst verwerfliche, dem Wohl der Staaten gefährliche Versuche, die ich hiermit der hochlöblichen Behörde anzeigen und gegen irgend welche Anerkennung höherer Seits auch nachzuweisen erbötigt bin. Was soll daraus werden, wenn solche Jocose sich das große Wort anmaßen? Können wir noch unsere Hausfrauen auf den Markt schicken, wenn dort solche Komödien aufgeführt werden? Mein jüngstes Töchterchen, deren Stricklehrerin auf dem Markte wohnt, muß die Strickschule versäumen, so lange das Baalstheater an dem geheiligten Orte steht, den die Altvordern zu ihren gemeinen Berathschlagungen verwendeten, und wo wir bis jetzt die Erzeugnisse unsers Bodens feil hielten, und für die unbestrittennützlichste Bestimmung der Leibesnahrung Sorge tragen durften. Alles das ist entweiht. Ich schreie Zeter über die Neuerer! Hier muß eingeschritten werden! Gefahr ist in der Säumniß. Komme Hülfe woher sie wolle; sie muß kommen! Ich zähle mit Sicherheit darauf, daß die schändliche Mode der öffentlichen Schaubühne nicht um sich greifen werde, und daß in der Nation, im bessern, unverderbten Volke noch ein Sinn lebt, der sich mit Entsetzen und Widerwillen von diesem furchtbaren Scheuel und Greuel wegwenden wird, zu dem uns eine unbesonnene, entsittlichte Jugend hinzustoßen geflissentlichst bemüht ist.

Nach dieser gewiß sehr gerechten, und von dem größten Theile des Publikums, den ehrsamen, wohlgesitteten Leuten, durchweg getheilten Entrüstung, noch von der Leistung der Künstler zu sprechen, könnte als überflüssig erscheinen, zumal das Machwerk fast jeder vernünftigen Interpretation widerstrebte. Dennoch soll hier gesagt werden, um der Treue und Wahrhaftigkeit unsers kritischen Gewissens genug zu thun, daß vor Allem unser Liebling, der Herr Kuttelfleck, in der Rolle des Musje Frippon, uns vollkommen Genüge that. Seine Mimik, sein Vortrag waren tadellos, nur das Eine möge uns der Hochverdiente erlauben: Das Auftreten mit den Zehenspitzen wäre für den Karakter passender gewesen; wir vermissen es ungern, und das zweimalige Klappern mit den Sporen, vermochte uns dafür nicht gänzlich zu entschädigen. Fräulein Butzewackel, schön und vollendet wie immer; es ist die eingefleischte Kunst; nur ein wenig zu viel Schminke unter den Augen aufgelegt. Kostüm untadelhaft. Der altdeutsche Schlender oder Schlumper (provinziell) war bezeichnend und überraschend zugleich, höchst graciös die Art zu tragen. Unser hochverehrter Gast, Herr Firlefanz, vollendete das Kleeblatt. Der Ton seiner Stimme drang in Aller Herzen. Warum uns schon verlassen? Ließe sich nicht vielleicht ein Arrangement treffen; die kunstsinnige, so höchst wohlwollende Administration würde dem wackern Mimen gewiß Gelegenheit geben, sich noch öfter dem Publikum, und zwar an anständigerem Orte zu zeigen. Alle Uebrigen stehen über unserm Lob erhaben; wir wünschen nichts sehnlicher, als sie recht bald in einem edleren Vorwurfe bewundern zu können. Henricus Jocosus darf sich bei solchen Künstlern schönstens bedanken.

Doktor Wenzel.

ZWEITE KRITIK
über
dasselbe Stück, von anderer Hand.

Welch ein Schritt vorwärts! Endlich ist es den Bemühungen junger aufstrebender Kräfte geglückt, ein großes Bild ächter Zerrissenheit dem Volke in seiner Gesammtheit vorzuführen. Ihr Müden ruht aus! Kommt her, Ihr Touristen, und laßt Euch bei uns nieder. Wir haben es erobert, as goldene Vließ. Einem aus unserer Mitte, dem Doktor Wackerjäger, pseudonym: Henricus Jocosus, ist es gelungen, das Ziel zu treffen. Wir haben sein neuestes Drama „der wahnsinnige Häring“ allhier, auf offenem Markte. Staune Welt! Nun, da wir so weit sind, da wir mit geöffneter Brust vor das Volk treten können und zu ihm sprechen; da wir unser warmes Herzblut vor ihm dürfen rinnen lassen; da wir es säugen dürfen in größter Unmittelbarkeit mit unsrer heiligsten Milch – da die alten Zeiten der uralten Rhapsoden wieder wahr werden sollen – nun haben wir einen Schritt vorwärts erkämpft, wir haben eine That gethan und dürfen an nichts mehr verzweifeln. Allein wir sind dadurch auch Verpflichtungen eingegangen, die uns vor Allem heilig seyn müssen. Henricus Jocosus (Doktor Wackerjäger) ist unser Vorkämpe; sein Demantschild leuchtet uns durch die romantischen Büsche, die vom Thaue seiner Dichtung triefen, wir wollen ihm folgen, und stark und kühn zugleich seyn.

Es ist nur traurig, daß unsere Schauspieler, die mit großem Unrecht Künstler genannt werden, da sie aller Kunst baar sind, die einzigen Vermittler solcher Werke zu den Massen sind. Ueber die Aufführung ist nichts zu sagen; weil es gar keine war. Ein Gast, ich weiß nicht einmal woher, tragerirte zum Haarsträuben; unsere einheimischen Mimikoren agirten in gewöhnlicher Weise, d. h. zum Davonlaufen. Fräulein Butzewackel zirpte und zischelte so süß wie Prinzessin Thisne in Shakespeares Riepelkomödie. Wir schämten uns in die Seele hinein, wegen der Anwesenheit vieler fremden Gäste. Wann wird’s Anders werden? So lange die Schauspieler da sind, ist keine Hoffnung dazu vorhanden. Nur dann wird’s besser, wenn der Dichter selbst umherreist und sein Werk vorliest. Auch darauf arbeiten wir hin, und einzelne fahrende Genies haben damit den Anfang gemacht. Das Publikum sträubt sich noch, wie bei einer bittern Medizin; allein es thut nichts. Mit Geduld überwindet man Vieles. So viel ist indeß gewiß: Henricus Jocosus (Doktor Wackerjäger) hat einen schönen, einen bleibenden, einen großen Sieg erfochten; sein Drama ist die schönste That des neunzehnten Jahrhunderts.

Seraph Lorbeerzweig.

Nachschrift der Redaktion.

Wir bedanken uns diesen Morgen in großer Verlegenheit indem wir kein Manuscript mehr hatten, das Blatt zu füllen. Um nun nicht genöthigt zu seyn, das Papier weiß zu lassen, was sich niemals gut ausnimmt, weil sich dadurch gar böse und trübselige Nebenbegriffe verbinden, griffen wir zu beifolgenden kritischen Aufsätzen, die uns von den geehrten Herren Verfassern über die Aufführung des morgen darzustellenden Stücks schon heute eingereicht worden sind, weil sie morgen nicht Zeit haben werden, solche niederzuschreiben, und auch unsere Presse des Festes wegen feiern wird. Wegen dieser Anticipation bitten wir um gütige Verzeihung; die Gründlichkeit der Kritiken verliert dadurch nichts an ihrem Werthe, und daß sich widersprechende Urtheil von zwei so gewiegten Kennern ausgesprochen, wird Gelegenheit zu Vergleichen bieten, die der guten Sache nur förderlich sind. Und hiermit empfehlen wir uns bestens unsern Lesern!

Ergebenster Grieswärtel
(Vulgo Redaktor)
des
Narren-Turneys.

Unvernünftige Wortspiele.

Wie kann ein Bürgerlicher ohne Standeserhöhung adlig werden? – Wenn er verrückt wird, denn dann ist er von Sinnen.

Was lassen sich auch die gebildetsten Fräulein noch gern erklären? – Von einem schönen Mann die Liebe.

[14]
Gondoliera Veneziana a 4 voci.
[15]
Aschermittwoch
Dies illa.

Jener Tag, den wir vom Weiten
Sahen riesig herwärts schreiten,
Der begränzt die Narrenzeiten;

Naht sich jetzt in Sturmesdrängen
Laßt mit muthigen Gesängen,
Ihm den kühnen Lauf verhängen.

[16]

Fröhnt der Luft, trinkt sie in Zügen,
Laßt die Narrheit wacker fliegen,
Strafet den Kalender Lügen.

Denket nicht an die Beschwerden:
Daß, was lebt und webt auf Erden,
Müß’ zu Staub und Asche werden.

Denkt: sind Monden zehn verflossen,
Fängt die Narrheit unverdrossen,
Wieder lustig an zu sprossen:

Narrenvater, Schreiber, Büttel
Zieh’n dann an die bunten Kittel,
Legen sich auf’s Neu in’s Mittel,

Dann beginnt das frohe Treiben,
Und Die’s wollten hintertreiben,
Lassen’s über’s Jahr wohl bleiben!


Schluß des Schauspiels:
Alles abonnirt!

Vierter Akt.
Erster Auftritt.
Durchholzens Wirthsstube.

(Durchholz, Gretel, G’vattermann, Michel Wurst, Bauern und Schulmeister.)

Bauer. Gretel! en Schoppe, – Neue will ich.

Gretel. Gleich.

Gvattermann (am Fenster). Was kommt denn do die Straß herunter – s scheint wie en Elephant.

Bauer. S werd e Maschcrie sein, die durchkommt; vor drei Jahr ist au eine durchkomme.

(Man hört die Locomotivpfeife kreischen. Alle zittern und schreien: der Elephant kommt, er ist wild. Die Thüre geht auf und Hanns Wurst auf seiner Draisine erscheint in der Stube. Alle bis auf den Gvattermann fallen in Ohnmacht.)

Gvattermann He jo bigott, das ist der Hanns, mei Hansel. Hand kei Angst – es ist d Hanns. Gretel stand uf s isch dei Hanns.

Gretel (weinend). Mei Hanns, o mei Hanns!

Hanns Wurst (umarmt sie und küßt sie). O Gretel, mei Gretel.

Michel Wurst. O Hanns! Du bisch es. Grüß di Gott, wie isch ders gange – bisch was?

Hanns Wurst. Jo io, ich bin was – ich bin viel.

Michel und Gvattermann. Was bisch denn, sag doch.

Hanns Wurst. Do leset, Herr Lehrer (gibt ihm das Diplom).

Schulmeister (liest).

Abonnements-Karte.

Unter Heutigem haben die unterzeichneten Directionen und Deputationen der vereinigten Gesellschaften zu Steifhausen beschlossen:

den Herrn Hanns Wurst

seiner ausgezeichneten befähigenden Eigenschaften wegen zu ihrem Mitgliede huldreichst zu ernennen.

     Steifhausen, den 28. Februar 1843.

Durchholz. Was ist des?

Schulmeister. Das ist mehr als Staatsrath und Minister.

Gvattermann. Laß sehen ...... (Die Andern weinen alle.) Er ist Casino –

Alle Casino! (schluchzend).

Gvattermann. Er ist Erheiterung –

Alle. Erheiterung! (weinen).

Gvattermann. Er ist bei dem Lesecirkel! – er kann lesen.

Alle (weinen). Er kann lesen. (Sogar der alte Durchholz weint und fällt dem Hanns um den Hals und sagt: Du sollt mei Tochter han – Du und mei Gretel, ihr kehret zusammen)

Gvattermann (weiter fortfahrend). Er ist beim Bürgerclubb!

Alle. Er ist Bürger! – (weinen).

Gvattermann. Und bei dem Gartenverein!

Alle. Und hätte Garten! – (weinen).


Zweiter Auftritt.
(Bauermädchen und Bauerbursche treten ein.

Der alte Durchholz tritt vor und nimmt Hanns Wurst an der einen Hand, Gretel an der andern und spricht mit bewegter Stimme: Dieweil der Hanns jetzt was Großes worden ist in der Residenz und Rang hat und Titel, so soll er mei Gretel ha und i will ihn als mein Sohn ansehen, und Ihr Herr Lehrer, setzt mer’s uff mit meim Titel, Kirch- und Gemeindverrechner, und em Hanns seim Titel, der in der große Urkund steht.

Gvattermann. So ist recht, Jakob, des han ich schon lang quollt.

Michel. Und ich han au nichts dergegen – ich gäb mei Einwilligung dezu – jetzt könnt ih stolz sei – mei Sohn ist jetzt mehr wie Du Jakob – aber ih will Alles vergessen.

Schulmeister. Mi freut’s au – ih will e Hochzeitsgedicht dezu mache – wann soll die Hochzeit sin?

Hanns Wurst und Gretel' (auf ein Mal) Heut noch!

(Sie singen ein schmachtendes Duett.

Gretel. I han mei Brautstaat fertig.

Hanns Wurst. Mir ist auch recht.

Gretel. Do sind Brautjungfern und Brautführer.

Gvattermann zu Durchholz. Bis heute Mittag muß Alles fertig sei – wir theilen uns drei.


Fünfter Akt.

(Der Hochzeitzug geht zwei Mal um den Tanzplatz herum. Hanns Wurst beginnt der Tanz mit der Waffelbäckerin. – – – – – – – Beim Hochzeitszug spielt die Musik:

     „Als der Großvater die Großmutter nahm“

[17]
Lied
am Abend zu singen.

Denkst Du daran, mein wack’rer Narrenvater,
     Wie man zu Görger zog durch Nacht und Wind,
Und dieses ganze närrische Theater,
     Noch in den Windeln lag, ein hülflos Kind!
Wie da der Witz, der Geist, die frohe Laune
     In Jedem frisch zu regen sich begann;
Und das Getränk, das wohlbekannte, braune
     Uns froh durchwärmt; denkst Du wohl daran?

Denkst Du daran, wenn wir den Salamander
     Erklingen ließen und der Festgesang
Von Prinz Eugen und Vieles durcheinander,
     Im frohen Chorus aus den Kehlen drang?
Wie da die Schwänke maßlos sich entluden,
     Ein Heer von Witzen mächtig rückte an?
Nun steh’n sie leer, die lust’gen Faschingbuden;
     Und uns blieb nur noch die Erinn’rung d’ran!

Die wackern Narr’n, die sich uns angeschlossen:
     Der Sekretär, die Redner, der Kassier,
Und er vor Allen, der so unverdrossen,
     Durch seine Kunst, dem Feste lieh die Zier:
Er – der so reich – in lustigen Entwürfen
     Auf die Entfaltung froher Lust nur sann –
Auf Alle laßt uns diesen Becher schlürfen,
     Eh’ noch des Festes letzte Spur verrann.

Der nächste Morgen scheint auf eine Stätte –
     Der lustigsten Erfindung stilles Grab;
Der Ernst des Lebens treibt sich um die Wette,
     Und müht sich wieder sorgend auf und ab;
Was wir stets waren, das sind wir nun wieder;
     Die Last, die Plage knüpft auf’s Neu’ sich an;
Doch werft zurück, Ihr wackern Narrenbrüder!
     Den Blick zum Fest – nicht wahr? Ihr denkt daran!! –


Kunstanzeige.

Ein durchziehender Kunsthändler hat nachstehende Meisterwerke zur Ansicht ausgestellt:

1) der Raub der Sabinerinnen von Michael Wohlgemuth. Der Gegenstand ist ganz zeitgemäß behandelt. Die meisten der Jungfrauen bleiben sitzen und blicken sehnsüchtig nach den Jünglingen, welche aber wenig Lust zum Rauben zeigen;
3) das Gastmahl Belfazars von Tischbein. Die schreibende Hand, vor welcher die Gäste erbleichen, ist die des Wirths, welche mit doppelter Kreide schreibt.

NEUESTE ORDONNANZEN
Ihrer Huldreichheit der Königin Fastnacht.
Nummer 1.
Einziger Artikel.

Wir haben dekretirt und dekretiren wie folgt:

Mit dem morgigen Tage steigt die Dynastie Narrheit vom Throne und überläßt es den Klug-, Dumm- und andern heiten und keiten, die Welt nach dem alten Schlendrian zu regieren. Guten Appetit!

Für die Königin:
Der Narrenvater.
Für die richtige Ausfertigung:
Der Narrenschreiber.
Nummer 2.
Einziger Artikel.

Wir haben dekretirt und dekretiren wie folgt:

Wer niemals einen Rausch gehabt, der ist kein braver Mann.

Für die Königin:
Der Narrenvater.
Für die richtige Ausfertigung:
Der Narrenschreiber.
Nummer 3.
Einziger Artikel.

Wir haben dekretirt und dekretiren wie folgt:

Das Departement der närrischen Angelegenheiten sieht stündlich seiner Auflösung entgegen.

Aus unserm geheimen Rathe. Fasching-Dienstag, Nachts 11 Uhr.

Für die Königin:
Der Narrenvater.
Für die richtige Ausfertigung:
Der Narrenschreiber.
[18]
Zur Nachricht!

Bei den öffentlichen Festen auf dem Marktplatze wird für die Standespersonen in so weit Sorge getragen seyn, daß dieselben sitzen können, wenn sie ihre Stühle mitbringen. Das übrige hochansehnliche Publikum steht nach Belieben, ohne Unterschied der Person; Hunden unter zwölf Jahren wird der Eintritt unter keinerlei Bedingung gestattet. Diejenigen Zuschauer, welche sich der obern Stockwerke der Dächer bedienen, werden ersucht der Vorstellung von oben herab zuzusehen.

Von närrischen Angelegenheiten Departements wegen.

Wie viele Arten von Narren gibt es?

Neckische Narren, Mondscheinnarren, eingebildete Narren, phantastische Narren, fanatische Narren, lustige Narren, anmuthige Narren, höfliche Narren, verliebte Narren, Mädchennarren, Modenarren, feine Narren, verrückte Narren, hitzige Narren, Freß- und Saufnarren, frische Narren, buntscheckige Narren, Gesangsnarren, Kunstnarren, gelehrte Narren, wohlthätige Narren, ehrliche Narren, Windnarren, humoristische Narren, leichte Narren, unbescheidene Narren, glänzende Narren, Erd-, Luft- und Wassernarren, liegende, sitzende, stehende und schwebende Narren, Narren hier, Narren dort, Narren überall. Man sieht, ein guter Vorrath, wir werden damit ausreichen.


Zur Darnachachtung
für
heimkehrende Gäste.

Da der Weg durch das Durlacher Wäldchen durch das Zerspringen eines Dampfkessels bei der am 15 Julius dieses Jahres abzuhaltenden ordentlichen Fahrt unsicher geworden ist, so wird die Spedition nach Cabul ihren Weg, statt wie früher über Wolfartsweier, Langensteinbach und Auerbach nach Wien, jetzt über Rüppurr, den Mittelberg, Frauenalb und Dietlingen – von dort an in der alten Richtung – nehmen.

Buchhändler-Anzeige.

In unserm neu etablirten närrischen Schriftenverlag ist erschienen:

Der aus Liebe wahnsinnig gewordene Häring, oder: Kommst du mir so, komm’ ich dir so. Gekröntes Preisstück zum Todtlachen in Knittelversen von Henricus Jocosus. Zum ersten Male auf offenem Markte gespielt, vor einer höchst glänzenden Versammlung...
6 kr.

Ferner hat so eben die Presse verlassen.

Wahrhaftige und höchst merkwürdige Beschreibung einer grausenhaften Doppelmoridthat, verbunden mit haarsträubender Menschenfresserei, verübt von Vitzliputzli an Herrn Tambedei und Fräulein Hutzelbrod....
2 kr.
Allerneueste Narrenlieder, auch für gescheute Leute zu singen. Stück für Stück....
2 kr.
Der Narrenspiegel, complet....
1 fl.
Geöffnetes Narrenturney, im Umschlag, mit artistischen Beilagen....
36 kr.
Närrische Buchhandlung.
Auf dem Narren-Meßplatze in der Bude.
>>> Bitten auf die Firma zu achten.

Aufrufung.

Teutschlands Kern auch in diesem Jahre der heitern Festlichkeiten Lust nicht abhold. Solches gefühlt, bedeutend, daß der Fastnacht heiliger Tag ausländischen Prunkes los zu sein, – was welsch, – das urliche Teutschland zu seiner Deutung Erklärung bedarf und muß, sintemal nur in Selbigem das rühmlichst Ausgezeichnetste voriger Zeit und derer, so jetzt, vorhanden, aufrufen wie Alle und Jede, die Narren des Reiches, zu des von uns angegeben wordenen beschellenkappten Festes recht zahlreicher Schmückung, auf daß, was groß in sich, größer, und des, so teutsch, noch teutscher. Uns – wiederholen es – liegt der Narrheit Fest recht am Herzen!

Des Ausschusses ein – zwar glaubendes daß es – Nichtmitglied.

Unvernünftige Wortspiele.

Welche Aehnlichkeit ist zwischen dummen Kindern und unbeliebten Ministern? Sie wollen nicht gehen lernen.

Welche Aehnlichkeit ist zwischen Astronomen und eitlen Hofleuten? Sie suchen immer nach Sternen.

[19]
Carlsruher Fastnachtsnarren-Gesang

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: der der