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Zuerst bemächtigten sie sich der kriegerischen Geister, in denen der Hang zu Zopf, Degen, Mannszucht, Subordination vorherrschte; ganz nach Art der alten Weiber des vorigen Jahrhunderts spiegelten sie diesen wackern Gesellen die schöne Uniform vor, sprachen von Ehren und Auszeichnungen, von Vorrechten und Belehnungen mit Titeln und Aemtern, und siehe da! es war bald ein Häuflein zusammengebracht, das Achtung und Lob verdiente. Eine Narrenguardia, eine Zopfmiliz, eine Ranzengarde stand da, „eine eherne Mauer“, um den Thron der geliebten Königin zu schirmen und zu schützen.

Hatten die Verschwörer aber erst das Heer, so war ihr Spiel gewonnen und in der That waren die Siege so leicht, die sie in den Gemüthern erfochten, daß es nicht die Mühe lohnt, hier aufzuzählen, wie sie mit ihrer mächtigen Wünschelruthe die närrischen Schätze hoben und zu Tage förderten, die in nie geahnten Maße in Karlsruh’s ruhiger Genossenschaft versenkt lagen.

Noch lange jedoch schwebte Dunkel über den Wassern, wenn auch der schöpferische Geist schon mächtig wirkend und ordnend begann. Lustige Anzeigen erschienen zwischen den ernstgemeinten Zeilen des Karlsruher Tageblattes; die überraschte Censur wußte gar nicht mehr was sie streichen und stehen lassen sollte; unsere schriftstellende Welt, jene Verfasser von Anzeigen wohlfeiler Lichter, weißer Seife, von Modeartikeln und Limburger Käse, schämten sich fast mir der Narrheit in Reih und Glied zu paradiren; es schien als ob das, was so lange für Anstand gegolten hatte, mit Füßen getreten werden sollte. Alles deutete auf den Untergang der Welt, der ohnehin ja für den Februar vorher angesagt worden war und der jetzt um so gewisser über sothane Gräuel hereinbrechen mußte.

Alles zitterte und bebte, nur die Narren nicht; sie waren sich einer großen Sendung bewußt und ehe diese nicht vollführt war, konnte der gute alte Gott die Welt nicht untergehen lassen.

Nach freilich unverbürgten Gerüchten, werden schon an dem Tage, den die Urnarren, die Italiener, die ihren Adel von den alten römischen Saturnalien herleiten, den Giovedi Grasso und den wir zarter „den schmutzigen Donnerstag“ heißen, sich bei frühester Tageszeit sonderbare Gestalten, mit allerlei confiscirten Gesichtern, in der Nähe der Eisenbahn zeigen, sich den Schildwachen am Ettlinger und Rüppurrer Thore zu nähern suchen, um sich unbemerkbarer Weise, durch die in diesen Tagen verdoppelte Wachsamkeit zu stehlen. Zu gleicher Zeit wird sich in der Stadt ein Leben offenbaren, das den ruhigen, sonst nur an dem täglich wiederkehrenden militärischen Schauspiele der Wachparade gewöhnten Bürger, mit mächtiger Besorgniß erfüllen muß. Man wird fremde Truppen umhermarschiren sehen; man wird Trommelwirbel vernehmen, wie ihn noch kein Ohr hierselbst vernommen und Narren-Fahnen sollen, wie man sagt, erhoben werden. Es steht dahin, was die Autoritäten dazu sagen werden, und ob Alles so ruhig bleibt, wie wir es von Herzen wünschen.

Die Nacht wird von einem Theil der Einwohner schlafend zugebracht; dies kann jedoch zur vollkommensten Beruhigung hier versichert werden. Einige werden auf der linken Seite, Andere auf der Rechten im Bette liegen. „Was aber da für Träume kommen mögen?“ Diese Frage lassen wir mit Hamlet unbeantwortet.

Am Samstag und Sonntag kann’s nicht fehlen, daß Einzelne vom Hofstaate der Königin, auf der Straße in Geschäften hin und her laufen. Seine Magnifizenz der Narrenvater wird in höchsteigener Person und in Begleitung der hohen Würdenträger, des Narrenbüttels im blutfarbigen Wamms, des vielseitigen Narrenschreibers, einen Gänsekiel hinter’m Ohr und des hochzinkigen Narrenfinanzministers, der am leeren Säckel kennbar seyn wird, verschiedene Besuche abstatten und Gegenbesuche zu empfangen bereit seyn, wenn solche ihm gemacht werden sollten.

Am Montage wird das Treiben auf dem Marktplatze beginnen; die Gerüste werden errichtet; das Theater wird erbaut; die Buden werden beleuchtet, die Glückshafen eröffnet. Da kein Eintrittsgeld verlangt wird, so ist mit Bestimmtheit vorauszusehen, daß Zuschauer aus allen Ständen sich zu diesen Vorbereitungen drängen werden.

Den Morgen des großen Festes wird ein Sonnenaufgang verherrlichen, und sämmtliche Glocken der Stadt werden die Stunde anschlagen.

Verschiedene Abtheilungen der hochlöblichen Zopfmilizgarde werden mit Musik vorüber ziehen, um über Ordnung und Reinlichkeit zu wachen. Das Verzieren der Häuser mit Teppichen und Blumenkränzen in den Straßen durch welche die Züge sich hin zum Markte bewegen, soll nicht nur nicht untersagt seyn, sondern wird sogar mit Wohlgefallen aufgenommen werden.

Zum Markte wird ein colossales Faß, unter Musik, gefahren. Pikelhäringe mit Fahnen reiten voraus. Der Prachtwagen der Königin Fastnacht folgt, umgeben von dem blendendsten Glanze ihres Hofstaats. Ihr zunächst fährt der Großoberzerimonienmeister mit den andern Kavalieren.

Hierauf erscheint der Kronobersthofmundschenk mit dem Narrenpokal, der sicherlich nicht klein ist. Hinten auf dem Wagen der Königin sitzt der Ascher-Mittwoch mit seinem Häring und dem leeren Säckel im schwarzen Felde.

Ist die Königin ausgestiegen, so leert sie nach den Vorschriften des Cerimoniells den Brecher auf das Wohl ihrer Unterthanen. Sogleich ertönt ein furchtbarer Knall, die Thürme Karlsruh’s wackeln mit ihren Spitzen, bis auf den Rathhausthurm, der keine hat und also auch nicht damit wackeln kann; das Faß öffnet sich; Tauben und

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: Geöffnetes Narren-Turney. Verlag, Druck und Lithographie von F. Gutsch & Rupp, Karlsruhe 1843, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Narren-Turney_(1843).pdf/5&oldid=- (Version vom 1.8.2018)