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schlage ich Sie noch hier in diesem Verein vor, morgen in einem Andern, mein Schwager in dem Dritten und mein Hausherr im Vierten – das ist unumgänglich nothwendig.

Hannswurst. Wie Sie befehlen, Herr Oberschiffrath, wenn ich nur Vergnügen habe – will ich mich gern abonniren.

(Einige Herren treten auf, später einige Damen. Nepomuk und Hannswurst erheben sich und machen Bücklinge.)

Nepomuk. Schönes Wetter, Herr Ministerialrath, warum machen Sie keinen Spaziergang?

Ministerialrath. Spaziergang, hier ist Spaziergang! Seit ich in dem Gartenverein abonnirt bin, brauche ich nicht mehr zum Thor hinaus. Hier ist Alles, was die Natur bieten kann. Grüne Bäume, Wiesen, Sitzbänke und da drüben die Berge so schön, und was doch die Hauptsache ist, wenn’s regnet, so ist man bald daheim – auch trifft man hier immer gebildete Gesellschaft, was man auf dem Lande nicht immer hat. Wahrlich die Idee dieses Gartens ist vortrefflich.

Nepomuk. Habe die Ehre, Ihnen Herrn Wurst von Aarau vorzustellen, wird sich längere Zeit hier aufhalten, ich denke ihn heute noch vorzuschlagen als unser Mitglied. Sie sind beim Ausschuß.

Ministerialrath. Freut mich recht sehr, einen solchen wünschenswerthen Zuwachs unserer Gesellschaft zu erhalten. Ich werde die Sache beschleunigen.

(Die Damen kommen. Hier wiederholt sich das oben Gesagte mit einigen Abänderungen.)

Frau Ministerialräthin. Da sind Sie rein zu ihrem Vergnügen hier?

Hannswurst. Ja wohl.

Frau Ministerialräthin. Da müssen Sie sich aber auch abonniren, hier gibt es nur abonnirtes Vergnügen.

(Am andern Tisch schreit Einer: Donnerwetter! Ein Glas Bier, Kellner, wie oft muß man bestellen?)

Kellner. Sie verleiden Einem das Leben, um jedes Glas Bier fluchen, dann noch brenn’ Fidibus–Zeitung.

Frau Ministerialräthin. Ich wünschte ein Glas Zuckerwasser.

Kellner. Auf der Stelle.

(Springt ab.)
(Die Scene wird auf natürliche Weise aus dem Stegreife fortgespielt.)

Vierter Auftritt.

(Herr Hannswurst geht mit den Töchtern seiner Hausfrau, Grifeldis und Kathinka in der langen Zeit spazieren. Sie freuen sich, daß er auch in den andern untergeordneten Vereinen abonnirt und dann auch mit ihnen tanzen könne.)


Fünfter Auftritt.
Großer Sextant.

(Zwei von Pappdeckel ausgeschnittene Herren, der eine dick, der andere schlank, werden oberhalb des Kastens angebracht und durch Ziehen geleitet. – Es sind zwei Kanzleiräthe, die sich bekomplimentiren und vom schönen Wetter und von den orientalischen Angelegenheiten sprechen.)


Sechster Auftritt.

(Das Theater stellt den Saal der abonnirten Gesellschaft vor. Hier sind versammelt die verschiedenen Abgeordneten der verschiedenen Gesellschaften, sie tragen nach Art der Straßenwärter ihre Zeichen auf dem Kopfe.)

Präsident. Meine Herren! Die Sitzung ist eröffnet. Es handelt sich um die Aufnahme des Herrn Hannswurst von Aarau, der sich zu gleicher Zeit in die vier Gesellschaften gemeldet hat. Nach den bestehenden Gesetzen vereinigen sich in solchen Fällen die Gesellschaften zur gemeinschaftlichen Ballotage. Ich schlage vor, den Herrn Hannswurst einstimmig aufzunehmen.

Einer. Ist er aber auch ein studirter Mann?

Präsident. Ohne Zweifel.

Anderer. Ist er auch ein gebildeter Mann?

Dritter. Er kleidet sich sehr elegant und raucht Cigarren.

Vierter. Er hat alle Eigenschaften.

Präsident. Die Diskussion ist geschlossen. Abstimmung.

(Pause)

Präsident. Alle Kugeln sind weiß. Herr Hannswurst ist einstimmig als Mitglied der vier Gesellschaften aufgenommen.

Tusch.

Achter Auftritt.

(Hannswurst auf seinem Zimmer. Nepomuk sitzt bei ihm; sie spielen Karten. Es klopft an und herein tritt die Deputation der vereinigten Gesellschaften und übergibt das Aufnamdiplom. Von den Statuten jeder Gesellschaft werden nur die dümmsten Paragraphe vorgelesen. Hannswurst läßt Speise und Trank kommen [Knackwürste und eine Maaß Bier]. Sie lassen ihn hoch leben und er sie. – Die Wachtparade zieht mit Musik vorbei.)


Neunter Auftritt.
Nepomuk und Hannswurst.

(Hannswurst fällt in der größten Rührung dem Nepomuk um den Hals und dankt ihm das Glück seines Lebens. Beide weinen).

Hannswurst. Jetzt ist mein Zweck erreicht. Ich bin was. Ich habe vierfachen Rang und Titel (hält das Diplom in der Hand und hüpft in die Höhe). Ich bin Kaiser und König, ich der Hannswurst. Morgen reise ich ab.

(Beide gehen ab.)

ERSTE KRITIK
des
am 28. dieses Monats auf öffentlichem Markte
aufgeführten Drama’s
DER WAHNSINNIGE HÄRING
von
Henricus Jocosus.

Kaum wagten wir unsern Augen zu trauen, als wir in den hiesigen Blättern und an den Straßenecken die Anzeigen lasen, welche die Aufführung eines Drama’s am hellen Mittage und auf öffentlichem Markte zur Kenntniß des Publikums brachten. Wie? fragten wir uns, ist es dahin mit der Kunst gekommen, daß im Jahre des Herrn, 1843, sich die Künstler dazu hergeben, mit geschminkten Wangen vor dem Jan Hagel zu agiren? Und kann ein Dichter, wie der bis jetzt noch ungekannte und namenlose Henricus Jocosus (offenbar ein Pseudonyme) es wagen, dieser Neuerung Vorschub zu leisten? Wir dachten anfänglich an einen Scherz. Der Fasching brütet gar mancherlei dergleichen aus, und obgleich wir in so ernsten Sachen keinen Spaß verstehen wollen und mögen, so hätten wir uns doch eher dabei beruhigt, als jetzt, wo es sich als wirklich herausstellt und die Vorstellung stattgefunden hat. Jetzt ist’s unsers Amtes zu richten; wir, die wir auf der Zinne und Warte stehen, wollen dem Gräuel entgegen arbeiten nach Kräften, und wenn wir auch der darstellenden Kunst die Mündlichkeit nicht legen können, so wollen wir ihr doch wenigstens diesen frechen Grad der Oeffentlichkeit nicht zugestehen. Uns scheint Henricus Jocosus zum jungen Deutschland

Empfohlene Zitierweise:
: Geöffnetes Narren-Turney. Verlag, Druck und Lithographie von F. Gutsch & Rupp, Karlsruhe 1843, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Narren-Turney_(1843).pdf/12&oldid=- (Version vom 1.8.2018)