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Narrenturney.
1843.

Schnetterdeng! Hurrah Trompeten!
Hei! Trompeten! Schnetterdeng!
Seht einmal nur das Gedräng,
Und die holden Schwerennöthen!
Ernst wohl scheint es jetzt zu werden,
Und die Narrheit bricht hervor,
Schlägt der Klugheit eins an’s Ohr,
Daß von ihr befreit wir werden.
Lange haben wir gelassen
Ihrem Unfug zugeschaut –
März kommt, wo die Katz miaut:
Nur wer liebet – kann auch hassen! – – –
Sehet nur die wilden Schaaren;
Wie sie bäumen sich mit Macht;
Doch wir treiben sie zu Paaren,
Und gewonnen wird die Schlacht.
Stolz auf Greisen, hoch in Lüften
Hebet sich der Narrheit Kraft,
In der Klugheit Nieren, Hüften
Senkt sie ihres Speeres Schaft.
Und die Ruhe Karl’s gestöret,
Recket sich vom Schlummer los:

„Welch’ ein Wahnsinn sich gebähret?
Gibt der Bürger so sich bloß? –
Was wir von Epidemien
Schon gehöret weit und breit,
Seh’n wir hier vorüberziehen;
Lieben Leute seyd gescheut!“
Aber da ist nichts zu halten,
Rasend stürzt der Trödel fort,
Und die Jungen, wie die Alten,
Kämpfen hier und kämpfen dort. –
Die in faltigen Talaren,
Die im steifen Glanzcollet,
Die behängt mit Modewaaren,
Aufgewichset und adrett;
Die zu Pferde, die zu Fuße,
Die voll Spott und die voll Wuth,
Sprechen uns von Bann und Buße,
Wollen rauben uns den Muth.
Schnetterdeng! Hurrah! Trompeten!
Auf Ihr Narren! In den Kampf!
Jetzt ist Siegen uns von Nöthen;
Schlaget in die Flucht Hans Dampf!
Und das Herz lacht uns im Leibe,

Seh’n wir wie die Pritsche fliegt,
Und als wie zum Zeitvertreibe
Die Kohorten rings besiegt.
Ihr Philister an den Ecken,
Leimensteder dort vom Eck,
Uns’re Pritsche wird Euch strecken,
Wanket Ihr nicht gleich vom Fleck;
Watschelt mit den dicken Bäuchen,
Still in Euer Kämmerlein,
Platz da! Platz! Lebend’ge Leichen!
Unser muß die Wahlstadt seyn!
Unser ist die Welt, die frohe!
Rette Dich, so gut Du kannst,
Eh’ die lustig glüh’nde Lohe,
Nicht versenget Deinen Wanst.
Bist Du aber klug, so werde
Närrisch toll wie unser Eins,
Heute fei’rt die ganze Erde,
Froh ein Fest, wie wohl noch Keins!
Schnetterdeng! Hurrah! Trompeten!
Blaset, daß die Brust Euch springt!
Abgesagt den schweren Nöthen,
Uns der frei’ste Sieg gelingt!




Programm


der Festlichkeiten, welche am 28. Februar und an den
     vorhergehenden Tagen in der guten und weisen
          Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe
               ganz unerhörter Weise abgehalten
               werden sollen.
                    Zum ersten Mal
                    an’s Licht gezogen
                    und der
               ganzen Einwohnerschaft,
          den Frommen sowohl
     wie den Gottlosen, zum Aerger, wie
     zur Erbauung, andurch mitgetheilt,
vom hohen Directorium des Departements
der närrischen Angelegenheiten.


Schon längst munkelte man in sehr ehrbaren Zirkeln und andern Kreisen von dem Vorhandenseyn einer im Finstern heimlich schleichenden Sekte, die es darauf abgesehen haben sollte, nicht etwa das Bestehende zu untergraben und umzustürzen, sondern das Untergrabene und Umgestürzte wieder zu Bestehen zu bringen. Der „göttliche Wahnsinn“, wie unser alter weiser Wieland ihn nennt, war wie ausgestorben; die ganze Welt schien nur auf’s Praktische gerichtet; sie ächzte in der Gebundenheit, und wenn zwar nicht geläugnet werden konnte, daß sie Thorheiten und Narrheiten bis zum Ueberdruß gebahr, so geschah es doch in so praktischer Richtung, mit solcher bocksteifledernen Gravität, daß man sich wohl darüber ärgern konnte, aber dabei Niemand in den Sinn kam, von Herzen darüber zu lachen.

Immer weiter und weiter griff das Verlangen, dem Uebelstande abzuhelfen und so kam es denn auch, daß es an der sauber gelichteten Stelle des Hartwaldes, wo jetzt die steinerne Zeile den in Gott ruhenden Karl umfängt, wo „sich die Nachbarn freundlich grüßen“ und wo es an den mannigfachsten Abwehrversuchen der Langweil gar nicht fehlt, an einem nebligen Herbstabende zu spuken begann; es erschienen nämlich Männer, winterlich gekleidet, die unter der frostigen Miene Verschmitztheit bargen, und scheinbar einen Krug trinkend, Worte von ihrem Lippen träufeln ließen, die ohne Hopfen und Malz besser den Ohren mundeten, als der Trank dem Munde. Das waren Ausgeschickte der Königin Fastnacht, die sich bereits zum alljährlichen Rundzug rüstete, wirkliche Vollblutnarren, die, Gott weiß wie! die Wachsamkeit und den nie genug zu preisenden Ernst der vorsichtigen Behörde täuschend, wie Diebe in der Nacht sich eingeschlichen hatten und jetzt ihre verführerischen Werbungen anstellten.

Empfohlene Zitierweise:
: Geöffnetes Narren-Turney. Verlag, Druck und Lithographie von F. Gutsch & Rupp, Karlsruhe 1843, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Narren-Turney_(1843).pdf/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)