Fliegende Blätter Heft 18 (Band 1)

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Titel: Fliegende Blätter Heft 18 (Band 1)
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aus: Fliegende Blätter, Band 1, Nr. 18, S. 137–144.
Herausgeber: Kaspar Braun, Friedrich Schneider
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Erscheinungsdatum: 1845
Verlag: Braun & Schneider
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Erscheinungsort: München
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Quelle: MDZ München, Commons
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[137]



Nro. 18.
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lungen, so wie von allen Postämtern und Zeitungs- für den Band von 24 Nummern 3 fl. 36 kr. R.-W. od. 2 Rthlr.
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Die Zweckesser.


Gegessen haben die Menschen, so lange die Welt steht. Sie aßen eben, weil sie Appetit, Hunger und Etwas zu essen hatten. Je mannigfaltiger und schmackhafter die Speisen waren, desto besser ließ man es sich schmecken; das war und ist noch jetzt in der Regel. Auch hatte man von jeher die löbliche Gewohnheit, dabei des edlen Trinkens zu pflegen, denn was ein Gemälde ohne Farbe, eine Blume ohne Duft, ein Lenztag ohne Sonnenlicht, ein Körper ohne Seele ist, das würde auch die beste Mahlzeit ohne ein Glas wohlschmeckenden Getränkes sein. Daß die Tafelfreuden in anmuthig unterhaltender Gesellschaft besser gedeihen, als wenn der Speisende sich allein gegenüber sitzt, ist ebenfalls eine alte Erfahrung. Daher hielten schon die alten Griechen ihre Symposien, die mit sinnreichen, unsern Toasten verwandten Trinksprüchen, gewürzt wurden. Auch die Deutschen haben von ältester Zeit her die Tafelfreuden und Trinkgenüsse geliebt, und es ist an ihnen nur zu rühmen, daß sie mehr Achtung vor dem Einfachen der Natur hegen, und daher den Wein ungemischt trinken, während die alten Griechen ihn mit so und so viel Theilen Wasser versetzten. Daher verläßt auch der Himmel vorzugsweise keinen Deutschen, weil er so viel Respekt vor der edelsten Gabe des Himmels, vor dem Rebensafte zeigt, und sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, mit den einfachsten Mitteln die möglichst größesten Wirkungen an sich und Andern hervorzubringen. Man betrachte nur eine Gesellschaft Deutscher vor, während und nach einer tüchtigen Mahlzeit! Vorher bewegen sie sich durch, unter und gegen einander wie steife leblose Marionetten, die ein verborgener Lenker am Drahte zieht, damit sie sich verbeugen, die Hände ausstrecken, die Lippen öffnen oder sich um ein paar Zoll von ihrem Platze fortschieben. Man betrachte sie während der Mahlzeit! Allmählich bildet sich ein Glorienschein um ihre Häupter, sie sehen wie verklärte Engel aus, sie lächeln einander wie die Seligen zu, und auf dem höchsten Stadium sind sie förmlich in einen Lichtschimmer getaucht, der sie wie eine Strahlenatmosphäre einhüllt und aus allen Poren ihres mit Trank und Speise redlich angefüllten Körpers zu dringen scheint. Und nach der Mahlzeit – hier versagt mir die Feder ihren Dienst. Man drückt einander die Hände, man umarmt, man küßt sich, man sagt sich die

[138] schönsten Liebesworte, man declamirt, man lacht, man tanzt, man singt, die Decke des Zimmers ist gesprengt, und herab lächeln wohlgefällig die Engel des Himmels, die immer ihre Freude daran haben, wenn Glück, Frieden und Verträglichkeit unter den Menschen herrschen.

In jüngster Zeit ist man jedoch noch weiter gekommen, man ißt und trinkt nicht mehr, um zu essen, zu trinken und guter Dinge zu sein, man ißt einer Idee zu Ehren, und hat diesen Mahlzeiten den Namen von Zweckessen gegeben, d. h. man ißt zu einem Zweck, obgleich Andere behaupten, man schütze einen Zweck vor, um zu essen, und man sollte daher von Essenzwecken statt Zweckessen sprechen. Was man jedoch von solchen Verleumdungen zu halten habe, das wissen Diejenigen am besten, die einer Idee, einem Zwecke das große Opfer bringen, ein brüderliches Mahl zu halten, und den Gaumen, der von den vielen Toasten und Lebehochs trocken zu werden droht, mit Wein anzufeuchten.

Der Zweckesser unterscheidet sich von sehr vielen seiner Mitmenschen, namentlich aber von allen Leinwebern, durch ein auch im gewöhnlichen Leben vollmondartig strahlendes Antlitz, durch vergnüglich und menschenfreundlich blickende Aeuglein, durch ein zierlich, reputirlich und appetitlich gewölbtes Bäuchlein, zuweilen selbst durch ein Näslein, welches, statt in eine Spitze, in eine etwas röthlich gefärbte Kugelform ausläuft. Im Sprechen schnalzt er unwillkührlich mit der Zunge, als untersuche er die Bestandtheile einer delikaten Speise, oder Jahrgang, Stoff und Werth einer vorzüglichen Weinsorte. Daß die Zweckessen ihm auf’s gedeihlichste anschlagen, ist freilich hieraus ersichtlich, aber er ist es sich selbst schuldig, durch Trank und Speise seinen Leib zu stärken und zu kräftigen, der ja sonst den vielen Zwecken und Ideen, denen sich der Zweckesser opfert, auf die Dauer keinen Widerstand leisten könnte. Zweck und Idee zehren bekanntlich am menschlichen Körper, daher sind die Zweckessen erfunden, damit der Schaden, den der Zweck für sich allein am Körper anrichtet, durch das Essen wieder ausgeglichen werde.



Der Zweckesser ist eben so gut wie der Journalist, Publizist und politische Zeitungsschreiber darauf angewiesen, den Gang der Zeitereignisse genau zu verfolgen, um möglichst alle acht Tage einen Zweck und somit auch zu Gunsten des Zwecks ein Essen zu haben. Er schlägt in der Welt-, Kunst-und Literaturgeschichte nach. Auf den künftigen Montag fällt der Geburtstag irgend eines berühmten Dichters, Componisten, Gelehrten, Philosophen, Künstlers, Erfinders u. s. f. Man erinnert im Tagblatt daran, wie sehr dieser Tag verdiente, durch ein Zweckessen gefeiert zu werden, ja wie man damit die Absicht verbände, dem gefeierten Verstorbenen ein Denkmal zu eressen und zu ermahlzeiten. Man fertigt eine Subscriptionsliste an und schickt sie den Berufenen und Ausgewählten in’s Haus. An Zweckessern fehlt es gegenwärtig in keinem Städtchen Deutschlands. Das Zweck-, Ehren- und Erinnerungsmahl findet am Montage wirklich statt. Toast folgt auf Toast, Rede auf Rede, Gedicht auf Gedicht. Man ißt freilich nicht wenig, aber man trinkt auch um so mehr, weil die schwere Pflicht gebietet, nach jedem Toast, nach jedem Spruch, nach jedem Lebehoch anzuklingen und das Glas zu leeren. Die Köpfe werden heller, die Herzen wärmer, man wird sich des großen Zwecks, für den man schmaust, immer deutlicher. Der Vorsitzende ergreift den geeigneten Moment, und bringt die Errichtung einer Statue in Vorschlag, womit sich die Gesellschaft eben so sehr, als den Gefeierten ehren würde. Allgemeine Zustimmung. Man schlägt ein Comité vor, zu dessen Wahl, welches aus den tüchtigsten Zweckessern besteht, auch alsogleich geschritten wird. Ein in das Comité Gewählter klingt mit dem Messer an das Glas – allgemeine Stille. „Meine Herren!“ beginnt er, „im Namen des Comité’s danke ich Ihnen für das Vertrauen, womit Sie uns beehrt haben. Wir werden uns unsres Auftrags nach bestem Einsehen und Gewissen zu entledigen suchen, und wie der große Mann, dessen Andenken wir heute feiern, stets auf dem Wege des Lichts seiner Zeit und allen Zeiten vorangeschritten ist, so soll man auch uns stets auf dem Wege des Fortschritts finden. Soll aber das mit Ihrem Vertrauen beehrte, mit Ihrer Vollmacht ausgerüstete konnte segensreich wirken, so werden wir, angesehen die hohe Wichtigkeit des Gegenstandes, an einen noch größeren Verein von Kräften, als bei der Kürze der Zeit heute zu versammeln möglich war, denken müßen, weßhalb ich heute über acht [139] Tage eine neue Versammlung, resp. Festessen, in Antrag bringe, wobei das Comité sich der angenehmen Pflicht entledigen wird, über seine Vorarbeiten den Theilnehmenden Rechenschaft abzulegen!“ Man kann sich denken, mit welchem allgemeinen Jubel, mit welcher nur zu gerechten Zustimmung dieser Antrag auf ein abermaliges Zweckessen begrüßt wird. Aber auch diesem zweiten Zweckessen wird noch ein drittes, ein viertes, fünftes u. s. f. folgen, da das Comité immer wieder Bericht zu erstatten oder wohl auch in einzelnen Fällen ein außerordentliches Zweckessen anzusagen hat. Und wie nun gar, wenn das Ehrenstandbild wirklich zu Stande kommt! Man hat mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß auch die jedesmalige Reinigung einer solchen Bildsäule zu einem Festessen eine sehr geeignete Gelegenheit bieten würde. Welche feine Wendungen, welche Ideenassociationen knüpfen sich nicht in mannigfachster Hinsicht an das bloße Wort „Reinigung“! Endlich lassen sich die Zweckessen noch auf die einfachste Weise in’s Unendliche vervielfältigen, wenn jedes neu erfundene Zweckessen in jedem nächsten Jahre als Erinnerungsfest an dem betreffenden Jahrestage wiederholt wird. Angenommen: es wären in dem ersten Jahre nur 12 Zweckessen gefeiert worden, so gibt dies im nächsten Jahre allein zwölf Erinnerungszweckessen; es werden aber bei einiger Aufmerksamkeit auf denkwürdige Personen und Ereignisse im Laufe des nämlichen Jahres noch zwölf neue Zweckessen hinzukommen; das gibt für das nächste Jahr schon 24 Erinnerungszweckessen, die man auch wohl Zweck-Zweckessen oder Zweckessen-Zwecke nennen könnte, wozu mindestens abermals zwölf neue Zweckessen kommen, und so jedes Jahr in einfacher Progression fort. Es liegt auf der Hand, daß zuletzt kein Tag ohne Zweckessen und Essenszweck verstreichen kann, und die Theilnehmenden dann mit Recht von sich werden sagen können: sie hätten nicht umsonst gelebt, denn sie hätten ihr ganzes Leben durch nie ohne Zweck gegessen und nie etwas ohne Essen bezweckt.

Da jedes weltgeschichtliche Ereigniß Anspruch darauf hat, durch ein Erinnerungsmahl gefeiert zu werden, so läßt sich ohnehin jeder Tag durch ein Zweckessen besetzen. Die Einführung der Censur oder der Inquisition oder der Hexenprozesse, die Entdeckung Sibiriens, die Erfindung der Knute oder des Spießruthenlaufens – alle diese schönen Dinge haben so gut ihre Verehrer wie die Preßfreiheit, von der wir träumen, wie von der künftigen deutschen Flotte und noch andern Dingen, die wir hier nicht nennen können. Ausserdem ergreife man jede vorübergehende Gelegenheit am Schopfe, z. B. einen durchreisenden berühmten Virtuosen, die Anwesenheit eines gefeierten politischen Dichters oder eines modernen Religionsstifters – denn ohne Zweckessen kann bei uns eine neue Religion nicht in’s Werk gesetzt werden – den Besuch eines spanischen Bildhauers oder französischen Malers. In letzterm Falle müssen alle diejenigen Zweckesser requirirt werden, welche sich aus dem Meidinger oder Mozin einige französische Phrasen gemerkt haben; auch ist von der französischen Höflichkeit zu erwarten, daß der gefeierte Fremde dem Vortrage eines deutschen Festgedichts, obschon er davon kein Wort versteht, sein Gehör schenken und seinen Beifall nicht versagen wird. Er wird während des Vortrages gnädigst seinen Kopf schütteln, er wird für die in dem deutschen Gedichte ausgesprochenen Gesinnungen seinen Dank ausdrücken und schlüßlich äußern, daß er von dem Gedichte um so mehr erbaut und gerührt sei, je weniger er davon verstehe. Unter andern wird er vielleicht in seiner Dankrede sagen: „Meine Herren! Man hat uns häufig die Deutschen als grob, unhöflich und plump geschildert; nachdem ich jedoch die Deutschen in ihrem eigenen Lande kennen gelernt, muß ich diesem Vorurtheile widersprechen, und gestehe mit Freude, daß es kein höflicheres, den Franzosen geneigteres Volk gibt als das deutsche. Selbst die wenigen deutschen Vocabeln, die ich mir zum täglichen Gebrauch auswendig lernte, kam ich anzuwenden nie in Verlegenheit, da ich überall Leuten begegnete, welche ihr Französisch sprachen oder wenigstens radebrechten. Wo ich eine Theatervorstellung besuchte, gab man mir aus überzarter Höflichkeit eine Uebersetzung oder Bearbeitung aus dem Französischen zum Besten. Auf den Paradetischen der Damen legte man mir zu Ehren die Oeuvres von Eugen Sue und Georg Sand aus; man sprach mit mir von Rousseau und Voltaire statt von Göthe und Schiller.“

„Je vornehmer die Cirkel waren, in die man mich aufnahm, desto mehr erinnerten mich Meubles, Kleidung und Sitte an die Metropole der europäischen Civilisation, an Paris. In den Schaufenstern der Buch- und Kunstläden erblickte ich die neuesten Erzeugnisse der französischen Kunst, Literatur und Musik. So bin ich auf den Gedanken geführt worden, daß Deutschland eigentlich ein Departement von Frankreich sei, und wohl darf Frankreich von Deutschland erwarten, daß dieses das Maaß seiner Höflichkeit vollmachen und uns fürs erste mit der freiwilligen Abtretung der Rheingrenze erfreuen werde. Alles Uebrige bliebe dann uns überlassen. Das höfliche und vorurtheilslose Volk der Deutschen lebe hoch!“

[140] Der Franzose hat sich jedoch verrechnet; einige nationale Gerichte trennen uns für immer von Frankreich und werden unsere Selbstständigkeit retten: das preußische Gericht: Schinken mit Sauerkraut und Erbsen, die sächsischen Schweinsknöchelchen, die bayerischen Spanferkel und Dampfnudeln u. s. w. Welcher geistreiche Kopf hätte wohl auch einen gegründetern Anspruch auf ein Zweckessen, als der erste Erfinder und Bereiter der menschheitbeglückenden Dampfnudeln?

„Meine Herren!“ könnte etwa der Hauptzweckesser und Haupttoastbringer das Festmahl einleiten: ,,wir feiern heute eine der wichtigsten Erfindungen, womit die Menschheit gesegnet worden ist, zugleich eine ächt nationale Erfindung, die Erfindung der Dampfnudeln. Wenn es auch wahr seyn sollte, was man hier und da lesen kann, daß der Dampf zuerst von Engländern, Franzosen und Nordamerikanern im Großen, z. B. bei Dampfmaschinen, Dampfschiffen, Dampfspritzen, Dampfgeschützen u. s. w. angewendet worden ist: so hat doch ein Deutscher das Verdienst, die segensreichen Wirkungen des Dampfes zuerst erprobt zu haben, indem er Nudeln durch Dampf bereitete und so der Erfinder der berühmten Dampfnudeln geworden ist.“

Dieser Schritt mußte geschehen, ehe man daran denken konnte, Dampfmaschinen, Dampfschiffe, Locomotiven u. s. f. zu erfinden, und sie werden mir daher Recht geben, wenn ich behaupte, daß die Dampfnudel innerhalb der Entwickelung menschlicher Thätigkeiten eine weltgeschichtliche Stellung einnimmt. Auf dem durch die Dampfnudeln vorgezeichneten Wege werden unsre Nachkommen fortschreiten, sie werden für die Schriftsteller die so höchst nothwendigen Dampffedern, für die Virtuosen die monströsen Dampfklaviere, für die Schneider die Dampfnadeln, für die Clienten die Dampfprozesse, für die Maler die Dampfpinsel, für die Diplomaten die Dampfnoten, für die kleinen Knaben die Dampfsteckenpferde und für die kleinen Mädchen die Dampfpuppen erfinden. Der unbekannte großherzige Erfinder der Dampfnudeln lebe hoch!“

Ich füge nichts weiter hinzu. Unsere deutschen Zweckesser werden wissen, was sie zu thun haben.


H. Marggraff.




[141]


Der Gourmand.


Einem alten Gourmand im Traume
Erschien die bessere Welt,
Ein Jeder träumt sie wohl anders,
Die seine war so bestellt:

5
Da liefen gebratene Hasen

Auf einem Feld von Salat,
Da strichen geschmorte Fasanen
Auf sauerkrautener Saat,
Da sah aus porcellanenen Auen

10
Gesulzter Keuler Haupt,

Und Rostbeef war zu schauen,
Die Stirn mit Lorbeer umlaubt.
Manch’ Bächlein von Oel und Essig
Erglänzte in rosigem Schein,

15
D’rinn schwammen gesott’ne Forellen

Und tauchten sich Saiblinge ein.
Da hingen von duftenden Bäumen
Citronen und Austern zugleich,
Und waren die üppigsten Spargel

20
Das Gras im Pflanzenreich.

Da sah man romantische Felsen
Von Punsch à la glaçe geballt,
Von Champignons manch’ Wäldchen,
Von Morcheln manchen Wald.

25
Und mitten durch die Landschaft,

Da floß ein breiter Po,
Der war von lauter Purpur,
Burgunder und Bordeaux,
Und d’rüber eine Brücke

30
Von Mandelteig gebaut,

Die führte zu einem Schlosse,
Wie man’s wohl selten schaut.
Es war ein riesenhaftes
Strasburger Pastetenhaus,

35
Die Gänselebern und Trüffel,

Die sahen zum Fenster heraus.
Das Dach mit rothen Krebsen
Und Hummern war gedeckt,
Indianische Vogelnester,

40
Die hatten sich d’runter versteckt.

Und rings erbrausten Fontainen
Von gold’nem Champagnerwein,
Und murmelten frische Quellen
Von Markobrunner d’rein.

45
Ein Riese stand an dem Thore,

Johannisberger genannt.
Er scherzte mit einem Mamsellchen,
Gar männiglich bekannt,
’War Fräulein Anisette,

50
Das niedlich süße Kind,

Und stutzten noch in der Gesellschaft
Drei Pagen von spanischem Wind. –
Und wie er nun all’ diese Fülle
Mit Kennerauge erblickt,

55
Da pries er der Seligen Wonne,

Und war zum Himmel entzückt.
Und plötzlich ertönt eine Stimme,
Und sagte, dein sei diese Welt,
Doch Ein’s mußt zu nennen du wissen,

60
Was ihrem Schmucke noch fehlt.

Da rief er, berauscht von dem Glücke,
(Längst hatte er d’ran gedacht)
Goddam! Téte de veau ist die Lücke!
Er rief’s – und ist d’rüber erwacht.


Fr. v. Kobell.

[142]

Für historische Vereine.



„Das war also die Burg Kaspars des Thoringers?!“ –





Das sind die Züge der unglücklichen Argula von Grumbach.





Das Grab des Ritters Feigo von Bomsen.

[143]


Die Liebeswerbung.


Zwei werben um ein Mägdlein schön –
Das Mägdlein spricht in Hulden:
„Vor meinem Fenster mögt Ihr steh’n
Und treulich Euch gedulden.

5
Und wer vom Platze nimmer weicht,

Dem wird zuletzt der Kranz gereicht –
Was thut man nicht aus Liebe!“

So stehen sie nun sonder Trug,
Die beiden wackern Jungen;

10
Der Eine gar die Laute schlug,

Der And’re hat gesungen.
Sie steh’n und harren sonder Wank,
Sie stehen tag- und mondenlang –
Was thut man nicht aus Liebe!

15
Der Winter kommt, es kommt der Reif,

Sie glänzen wie von Glase,
Sie frieren ein, sie frieren steif,
Voll Eis hängt ihre Nase.
Sie sind in Schnee wie eingescharrt,

20
Ihr Mantel wie ein Panzer starrt –

Was thut man nicht aus Liebe!

Der Frühlingssonne milde Gluth
Beginnt das Eis zu schmelzen;
In Strömen rinnt die Wasserfluth

25
Von ihren Winterpelzen.

Das Mägdlein spricht: „Nun geht nach Haus,
Ihr hieltet gut und wacker aus –
Was thut man nicht aus Liebe!“

Der Eine hört’s und läuft davon

30
Und hat sich rasch empfohlen

Und sagt: „Mamsell! den Liebeslohn
Will ich mir später holen.“
Der And’re spricht: „Jetzt wird es schön,
Jetzt will ich con amore steh’n –

35
Was thut man nicht aus Liebe!“


Er steht und steht, bis gar ein Strauch
Umwachsen seine Glieder.
Da beugt mit zartem Liebeshauch
Die Maid sich zu ihm nieder:

40
„Nimm hin den Kranz, mein Held so kühn!“

Er aber flüstert aus dem Grün:
„Was thut man nicht aus Liebe!“


H. M.

[144]

Naturgeschichte.


Homo saltatrix scenica. Homo cantator. Var. tenore.
Familie der Elateren (Springkäfer). Familie der Canoren oder Singvögel.
Zu Deutsch:      Die Tänzerin. Zu Deutsch:      Der Tenorist.
Kennzeichen:      Ungeheuer leichtes Wesen. Kennzeichen:      Steht auf der Bühne beinahe fortwährend in zärtlichen Verhältnissen zur Prima donna, was meistens der Bassist, der wirklich abscheuliche Tirann, nicht leiden will; er siegt aber zuletzt doch ganz heroisch oder unterliegt auf eine höchst bedauernswerthe Art, während er sich immer zwischen dem kleinen c und dem eingestrichenen b bewegt. (Unser Bild gibt ihn en civil im Concert.)
Fundort:      Auf Hoftheatern. Aber auch außerm Theater. Fundort:      Gar nie in Wirths- oder Gasthäusern und bei Trink- und andern Gelagen, denn es ist erschrecklich, wie er sich wegen seiner Stimme in Acht nehmen muß.
Zweck:      Durch Pas machen und das Bestreben, die beiden großen Zehen so weit als möglich von einander zu entfernen, den menschlichen Körper auf der höchsten Stufe künstlerischer Schönheit zu zeigen. Zweck:      Seinen vom Compositeur in Musik gesetzten Liebesschmerz und Heldenmuth singen.



München, Verlag von Braun & Schneider.Papier und Druck von Fr. Pustet in Regensburg.