Ersch-Gruber:Büsching (Anton Friedrich)

Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste
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Section 1, Theil 13 (1824), ab S. 385. (Quelle)
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BÜSCHING (Anton Friedrich), zuletzt kön. preuß. Oberconsistorialrath und Director des Gymnasiums im grauen Kloster zu Berlin, war am 27. Sept. 1724 zu Stadthagen geb. und unter 9 Geschwistern der einzige, der zu einem reifern Alter gelangte. Sein Großvater war ein sehr verdienter Prediger zu Stadthagen gewesen, sein Vater aber, der daselbst als Advokat lebte, besaß bei guten Anlagen und Kentnissen einen heftigen Charakter, ergab sich dem Trunk und andern Unordnungen und machte dadurch die Seinigen unglücklich. Büsching besuchte die Stadtschule seines Geburtsortes, erhielt aber nur in der untern Klasse einen leidlichen Unterricht. In der obersten Klasse war es so schlecht bestellt, daß er sie zuletzt ganz verließ und dafür den Privatunterricht des Superintendenten Dr. Hauber, des Predigers Edler und noch eines originellen Gelehrten, Namens Zell, benutzte. Durch den hochverdienten Hauber wurde er auch zu echter praktischer, von allem Sektengeist entfernter Religiosität und einer frommen bescheidenen Denkungsart geleitet; die Lehren der Weisheit und Tugend, welche Hauber jeden Sonntag Abend einem Kreise von gutgearteten jungen Leuten auf eine väterliche Weise ertheilte, wurzelten bei ihm tief. Durch die Abschriften, die er für seinen Vater oft selbst in der Nacht fertigen mußte, wurde er zur Arbeitsamkeit gewöhnt und die abschreckenden Wirkungen der väterlichen Unmäßigkeit stimmten den Sohn frühzeitig zur Nüchternheit. Zuletzt nöthigte der harte Vater ihn im J. 1743 sein Haus zu verlassen, und B. ging, von mehren wohldenkenden Personen unterstützt, nach Halle auf die lateinische Schule des Waisenhauses, die er mit Nutzen ein Jahr lang besuchte. Ostern 1744 bezog er die Universität Halle, um Theologie zu studiren, fand einen großen Gönner an Siegmund Jacob Baumgarten, von dessen Lehrstunden er keine versäumte, benutzte aber auch den Unterricht des Philosophen Georg Friedrich Meier, des Mathematikers und Physikers Krüger und des Theologen Knapp. Mit einigen jungen Freunden von ernster Denkart, dem nachher berühmten Semler, Krause, Barkhausen und besonders mit Muthmann, der später Hofprediger in Leiningen wurde, hielt er gemeinschaftliche fromme Übungen. Seinen Unterhalt erwarb er durch Corrigiren und Unterrichten auf dem Waisenhause. Im J. 1746 wurde seine erste Schrift: Introductio in epistolam Pauli ad Philippenses mit Baumgarten’s Vorrede gedruckt. Nach einer 4jährigen akademischen Laufbahn wurde er Magister und eröffnete exegetische Vorlesungen über den Jesaias und nachher über das neue Testament. Im J. 1748 trug ihm der dänische geheime Rath von Lynar den Unterricht seines ältesten Sohnes an, der bei seinem Großvater, dem Grafen Reuß zu Köstritz, erzogen wurde. B. folgte diesem Rufe sehr gern und kam dadurch in Verbindung mit mehren Personen höhern Standes; auch wurde seine Correspondenz jetzt schon sehr ausgebreitet. Mit dem gräflich reußischen Rath von Geusau zu Köstritz, einem vielgereisten Manne von großer Gelehrsamkeit und Welterfahrung, lebte er in genauer Freundschaft. Im J. 1749 wurde der Graf von Lynar von seinem Hofe als Gesandter nach St. Petersburg geschickt und entschloß sich, seinen ältesten Sohn nebst dessen Hofmeister Büsching mit dahin zu nehmen. Vor dieser Reise verlobte sich Büsching schriftlich mit der Schwester seines Jugendfreundes Dilthey zu Stadthagen, um, wie er sagt, sich vor der heftigsten aller Leidenschaften in diesem Alter sicher zu stellen und einen Gegenstand seiner geschäftlosen Gedanken zu haben. Er correspondirte mit seiner Verlobten täglich, und schickte die Briefe zweimal in jeder Woche ab. Am 1. Dec. 1749 trat die Gesellschaft die Reise von Köstritz an, blieb einige Wochen zu Berlin, und sowol hier als in Danzig, Königsberg, St. Petersburg und andern Orten machte Büsching die Bekanntschaft vieler berühmten und gelehrten Männer. Er lernte auf dieser Reise das Mangelhafte der beiden wichtigsten unter den damals vorhandenen Erdbeschreibungen, von Hübner und Hager, durch die Erfahrung kennen und entschloß sich deshalb, selbst eine neue Erdbeschreibung zu liefern. Im August 1750 reiste er mit seinem Zögling zu Wasser nach Itzehoe, dem eigentlichen Wohnort des Grafen, zurück. Hier lebte er eine Zeitlang im Umgang mit achtungswerthen Familien, predigte wie schon vorher zu St. Petersburg mehrmals, und fing die Ausarbeitung seiner großen Erdbeschreibung an, welcher er 1752 eine Statsbeschreibung von Holstein u. Schleswig, als Probe und Ankündigung vorhergehen ließ. Michaelis 1752 legte er seine Hofmeisterstelle nieder, begab sich von Soroe zu seinem Freunde Hauber nach Kopenhagen und blieb bei ihm fast 2 Jahre, mit seiner Erdbeschreibung beschäftigt. Hauber’s Bibliothek und Landkartensamlung, noch mehr aber die Bibliotheken des Grafen Berkenthin und des russischen Gesandten, Baron v. Korff, der Büschingen sehr schätzte und liebte, lieferten ihm die nöthigen Hilfsmittel. Auch schrieb er mit Hilfe von Haubers Sohn und gelehrter Tochter eine Monatschrift: Nachrichten von dem Zustande der Wissenschaften und Künste in den dänischen Reichen in 2 Bdn. (1754–56), wodurch er sich in Dänemark so beliebt machte, daß man seine Abreise von Kopenhagen sehr ungern sah. 1754 begab er sich indeß über Hamburg und Stadthagen nach Halle, um hier die Geographie von Teutschland auszuarbeiten und nebenbei statistische Vorlesungen zu halten. Kaum aber hatte er damit angefangen, als ihn der Minister von Münchhausen als außerordentlichen Professor der Philosophie mit 200 Thlr. Gehalt nach Göttingen berief. Er kam am 27. August 1754 zu Göttingen an, nachdem er auf der Durchreise zu Hanover mit dem berühmten Hofrath und Bibliothekar Scheidt eine genaue Freundschaft errichtet hatte. Obgleich er hier theologische und geographische Vorlesungen hielt, so blieb doch sein Hauptgeschäft die Ausarbeitung seiner Erdbeschreibung, welche durch mehre Umstände, besonders durch den Reichthum der göttinger Bibliothek und die ihm von der hanöverschen Regirung ertheilte Postfreiheit ungemein begünstigt wurde, weshalb Büsching auch einen Ruf nach [386] Dänemark ausschlug. Er heirathete nun auch am 21. März 1755 seine Jugendfreundin Christiane Dilthey, ein Frauenzimmer von sehr tugendhaftem Charakter und ausgezeichneter Bildung, die, wie Büsching selber, die Freundschaft vieler achtungswerthen Personen der höhern Stände genoß, auch kaiserl. gekrönte Dichterin und Ehrenmitglied der göttinger teutschen Gesellschaft war[1]. – Neben seiner philosophischen Professur war B. auch zum Adjunct der theologischen Facultät ernant worden und er durfte nach dem Tode des Kanzlers Mosheim im J. 1755 auf eine theologische Professur rechnen. Unterdessen hatte er sein zeitheriges theologisches System geprüft, und sich mit Verlassung der Baumgartenschen Grundsätze, für folgende Ansicht entschieden: „Man müsse diejenigen Stellen der Bibel aufsuchen, welche die Hauptwahrheiten der Religion in ausdrücklichen Worten enthielten, diese müsse man für göttlich gewisse Sätze halten, und davon sorgfältig die Schultheologie, die Folgerungen, über welche die gelehrtesten Forscher selbst verschiedener Meinung wären, als problematisch und weniger wichtig unterscheiden.“ Seine Freunde, namentlich Hauber und Scheidt, riethen ihm, mit diesen neuen Ansichten so lange zurückzuhalten, bis er wirklich Professor der Theologie sey, aber B. hielt es für ehrlicher, vorher damit aufzutreten. Er übergab daher der theologischen Facultät zu Göttingen seine Inauguraldisputation: Epitome Theologiae e solis sacris litteris concinnatae et ab omnibus rebus et verbis scholasticis purgatae, dispurtierte über dieselbe öffentlich am 7. August 1756 und wurde Doctor der Theologie. Gleich darauf ließ er diese Abhandlung als ein dogmatisches Lehrbuch in Octav (Lemgo 1757), mit einigen vorher unterdrückten Stellen erscheinen und fügte noch einen Anhang von problematischen Aufgaben bei, wohin er viele Lehrsätze rechnete, die zeither in der Theologie als erwiesene Sätze gegolten hatten. Dies hatte die Folge, daß der Consistorialrath Götten zu Hanover ihn bei dem Minister von Münchhausen, dessen Beichtvater und Rathgeber in theologischen Angelegenheiten der göttinger Universität er war, der Heterodoxie beschuldigte. Der Minister, zwar nicht von Büsching’s Irrthum überzeugt, aber von seiner abweichenden Lehre unangenehme Folgen für seine Lieblingstochter, die Göttinger Universität, fürchtend, befahl B. im Januar 1757, sich der theologischen Vorlesungen, besonders der dogmatischen, voerst zu enthalten und nichts Theologisches drucken zu lassen, was er nicht vorher an den geheimen Rath nach Hanover zur Censur eingeschickt habe. Büsching vertheidigte sich zwar gegen dieses Verfahren; da aber auch sein ehemaliger Lehrer Baumgarten sich gegen ihn erklärte und man ihn in Hanover immer mehr verläumdete, so entsagte er förmlich allen Ansprüchen auf eine theologische Lehrstelle. Dagegen wurde er 1759 ordentlicher Professor der Philosophie; auch erhielt er von dem Minister oft Geschenke, und die günstige Lage, worin er sich für seine literarischen Arbeiten in Göttingen befand, bewog ihn, mehre auswärtige Anträge abzulehnen. Im December 1760 aber nahm er den Ruf als Prediger an die lutherische Petersgemeinde zu St. Petersburg an, und reiste im Juni 1761 mit den Seinigen zu Wasser dahin ab. Er wurde sehr gut aufgenommen und fand ein[WS 1] weites Feld für seine Thätigkeit, besonders durch Anlegung einer neuen Schule, die er mit unermüdeter Anstrengung zu einer blühenden Anstalt erhob. Er genoß dabei das Wohlwollen des alten berühmten Feldmarschalls Münnich, welcher Patron der Gemeinde war und ihn selbst der Kaiserin Katharina sehr empfahl. Als er aber, nach zweijähriger Leitung der Schule, sich vom Kirchenconvent die immerwährende alleinige Direction derselben hatte versichern lassen, bildete sich allmälig eine Partei gegen ihn; er erfuhr allerlei Kränkungen, besonders durch den ihm jetzt abgeneigten Feldmarschall, und faßte daher im J. 1765 den raschen Entschluß, sein Predigtamt niederzulegen. Vergebens suchte ihn seine Gemeinde zurückzuhalten; selbst den Antrag der Kaiserin, mit einem von ihm selbst zu bestimmenden Gehalte in die Petersburger Akademie einzutreten, schlug er aus, um ohne alle gewisse Aussichten auf eine Versorgung nach Teutschland zurückzukehren. Er hatte zu Petersburg vier Jahre in einer höchst merkwürdigen Epoche, unter drei Regirungen, Elisabeth’s, Peter’s III. und Katharina’s verlebt und war mit den wichtigsten Männern in nähere Verbindung gekommen; wie Münnich, Bestuchef, Woronzow, Panin, Rumánzow, Lestocq, der berühmte Schriftsteller Etatsrath Müller u. a. Die Folge dieser Verbindungen waren viele höchst interessante Nachrichten über Rußland, die er theils späterhin in seinem historischen Magazin bekant machte, theils zurückzuhalten für nöthig fand. Für seine Gemeinde hatter er mit seiner gewohnten Thätigkeit sehr viel gewirkt, auch die Materialien zu seiner 1766 erschienenen Gschichte der lutherischen Gemeinden im russischen Reiche (2 Bde. 8.) mit vieler Mühe zusammengebracht. Vor seiner Abreise erhielt er reichliche Geschenke und zahlreiche Beweise von Liebe und Dankbarkeit. Am 13. Juni 1765 schiffte er sich zu Cronstadt ein und erst am 8. Juli landete er auf Rügen, nach einer beschwerlichen Seereise, auf welcher ihm sein jüngster Sohn, noch Säugling, gestorben war. Er nahm seinen Wohnsitz zu Altona, wo er glücklich und im Ueberfluß lebte, durch die Geschenke, die ihm von St. Petersburg fortwährend zuströmten[2]. Vergebens suchte ihn der Minister von Münchhausen wieder nach Göttingen zu ziehen, B. machte zu hohe Forderungen[WS 2]. Dagegen nahm er im Sommer 1766 auf den Antrag des berlinisch Ober-Consistorial-Präsidenten von Kessenbrink, mit dem er seit seinem Aufenthalte zu Köstritz in Verbindung stand, das Amt eines Directors der verbundenen berlinischen und köllnischen Gymnasien, nebst Sitz und Stimme im Oberconsistorium an, und begann seine Verrichtungen bereits Ende Octobers dieses Jahres. Von jetzt an lebte er, einige kleinere Reisen abgerechnet, ruhig zu Berlin, der gewissenhaften Besorgung seiner Ämter und den Studien, allgemein geachtet und von vielen gesucht, [387] aber so viel als möglich zurückgezogen. Um die seiner Aufsicht untergebene Lehranstalt machte er sich in einem hohen und seltenen Grade verdient, obgleich er an und für sich keine Neigung für den Schulstand fühlte[3]. Er fand bei seiner Ankunft alles im elendesten Zustande; die vorhandenen wenigen Lehrer waren meistens alt und stumpf, die Besoldung sehr dürftig[4], der Lectionsplan war mangelhaft, die Disciplin gesunken; das Schulgebäude glich einem schmuzigen Kerker, indem die Lehrzimmer einige Ellen tiefer als die Straße, und seit Jahrhunderten nicht neu übertüncht waren. Das Zutrauen des Publikums war so tief gesunken, daß die vereinigten Gymnasien bei ihrer Eröffnung in allen Classen zusammen nur 20 Schüler zählten. Büsching verlor den Muth nicht, er strebte mit nie ermüdender Ausdauer allen diesen Mängeln abzuhelfen, und es gelang ihm. Er verbesserte den Lectionsplan, führte die öffentlichen Prüfungen wieder ein, die wegen der gänzlichen Gleichgiltigkeit des Publikums aufgehört hatten und faßte für die meisten Zweige des Unterrichts Lehr- und Lesebücher ab, unter denen sein Entwurf der Bildhauer- und der Steinschneidekunst (jener Berlin 1772, dieser Hamb. 1774) und seine Geschichte der zeichnenden schönen Künste (Hamb. 1781), zugleich wichtige Geschenke für die gesammte literarische Welt waren. Er war täglich im Gymnasium und den beiden Vorbereitungsschulen desselben, unterrichtete selbst in der obersten Klasse und übernahm bereitwillig auch in den untersten Klassen Lehrstunden für verhinderte Lehrer. Auf seine eigenen Lektionen bereitete er sich höchst sorgfältig, oft einige Stunden lang vor, und wartete sie mit einer solchen Gewissenhaftigkeit ab, daß er, um nicht eine Lehrstunde zu versäumen, selbst eine Einladung der Königin, Gemalin Friedrichs II. ablehnte. Er trug gewöhnlich die Geschichte der Religionen, der Philosophie und der schönen Künste vor; in frühern Zeiten hielt er auch wöchentlich eine Lehrstunde über die politischen Zeitungen. Sein Vortrag war sehr lebhaft, lehrreich und angenehm. Wöchentlich einmal versammelte er die Gymnasiasten und ein anderes Mal die übrigen Schüler in dem großen Hörsaal, und sprach zu ihnen über gute Sitten, Lebenweisheit und Religion, wie ein Vater zu seinen Kindern. Oft erzählte er von berühmten oder doch edeln Männern, die durch eine treu gebrauchte Jugend sich emporgearbeitet hatten, oft auch ganz unbefangen von sich selber. Arbeitsamkeit mit Redlichkeit war die beständige Losung seiner Moral. Sein Beispiel wirkte mittelbar auch auf die übrigen Gymnasien zu Berlin, die während seines dortigen Aufenthalts insgesamt neues Leben erhielten. Für die äußern Verhältnisse seiner Lehranstalt sorgte er mit großem Eifer. Sie erhielt während seines Directorats sehr bedeutende Geschenke, die sich auf mehre tausend Taler beliefen. Um Erbauung neuer Schulgebäude wendete er sich 3 Mal unmittelbar an den König Friedrich II., zuletzt im Anfang des Jahrs 1786, wurde aber jedes Mal abgewiesen. Groß war daher seine Freude, als der Neubau aus dem Vermächtniß eines reichen Kaufmanns, Siegmund Streit[5], dennoch unternommen werden konnte. Er wurde unter seiner Leitung in den J. 1786 bis 1788 vollendet, und nach Besiegung vieler Hindernisse konnte B. im Okt. des letztern Jahrs seine eigne neue Wohnung beziehen. Aber schon im Mai vorher hatte, wahrscheinlich in Folge seiner überspannten Thätigkeit bei dem neuen Bau, seine letzte langwierige Krankheit begonnen. Fünf Jahre lang war sein Zustand außerordentlich abwechselnd. Oft schien seine Wiederherstellung nahe; dann gönnte er sich keine Ruhe mehr und fing sogleich wieder an zu unterrichten, bis neue Anfälle ihn fesselten. Aber selbst unter den härtesten Leiden war er unausgesetzt thätig und im Geist immer im Gymnasium gegenwärtig. Am 31. Mai 1791 erbat er sich den Oberconsistorialrath Gedike, bisherigen Director des Friedrichwerderschen Gymnasiums, zum Mitdirector. Dieses Gesuch wurde ihm bewilligt, ohne daß er, auf Gedikes ausdrückliches Verlangen, etwas an seiner Einnahme verlor. Im Frühling 1793 schien nochmals sein Zustand sich zu bessern, bald aber verschwanden alle Hoffnungen und er starb in der Nacht zum 28. Mai, nachdem er, von seiner feierlichen Einführung am 29. Mai 1767 an gerechnet, die Direction des Gymnasiums gerade 26 Jahre lang geführt hatte. Sein Leichnam ward, seinem Willen gemäß, ohne Gepränge und Begleitung, um Mitternacht in seinem Garten neben seiner ersten Gattin beerdigt. Diese hatte er unvermuthet am 22. April 1777 durch einen Stickfluß verloren; sein Schmerz darüber war überaus groß und er ehrte ihr Gedächtniß in einer kleinen, 5 Bogen starken Schrift, die zu Berlin 1777 erschien und manchen rührenden Zug seiner Liebe zu ihr enthält. Er heirathete indeß im Dec. 1777 die zweite Gattin, eine Tochter des Predigers Reinbeck zu Berlin, welche ihn überlebte. Er hatte von der ersten Gattin sieben, von der zweiten sechs Kinder; von allen waren bei seinem Tode nur drei Söhne, zwei aus der ersten und einer[6] aus der zweiten Ehe noch am Leben. – Büsching war ein Mann von sehr lebhaftem und feurigem Temperament, schnell im Entschluß und That, standhaft, muthig, freimüthig und offenherzig, mäßig in allen Dingen, genügsam und mit den Leitungen der Vorsehung völlig zufrieden. Frömmigkeit und Arbeitsamkeit waren Hauptzüge seines Charakters; die Arbeit war ihm zu einem Lebensbedürfniß geworden; wozu er mehr Trieb, als zu irgend einem sinnlichen Vergnügen fühlte und er äußerte gegen das Ende seines Lebens in einem öffentlichen Programm, daß selbst ein Himmel ohne Geschäfte nicht für ihn seyn würde. Seine Gewissenhaftigkeit [388] war ungeheuchelt, war ihm natürlich geworden und zeigte sich in allen seinen Verhältnissen und Geschäften. Alles, was ihm oblag, richtete er als von Gott ihm auferlegte Pflicht mit Willigkeit und Eifer aus, wenn er auch für sich keine entschiedene Neigung dazu hatte; selbst das Sterben sah er als ein Geschäft an, bei dem er sich pflichtmäßig benehmen und den Seinigen durch sein Beispiel noch nützlich werden müsse[7]. Er liebte die Menschen und war zu jeder Aufopferung für das allgemeine Wohl bereit; guten Menschen, die in nähern Verhältnissen mit ihm standen, war er mit Wärme ergeben. Die Lebhaftigkeit seiner Gefühle dauerte bis ins Alter aus, und noch in seinen letzten Leiden zeigte er große Theilnahme an den Begegnissen seiner Freunde und der jüngern Welt. Die ihm eigne Ruhmbegierde bekämpfte er aus Gewissenhaftigkeit, und leitete sie nach den Vorschriften des Christenthums. Seine Freimüthigkeit bewies er in mehren Schriften und selbst in einigen Vorstellungen an den König Friedrich II., der nicht ohne ein Gefühl von Achtung für ihn gewesen zu seyn scheint. Im geselligen Umgange war er, nach seinem eignen Geständniß, zu lebhaft und vielversprechend und deshalb sehr zur Eingezogenheit geneigt. In seinen zahlreichen Schriften zeigte sich B. als einen Mann, dem es allein um die Sachen und nicht um den Ausdruck zu thun war. Sein Vortrag ist ohne Eleganz, wortreich, oft weitschweifig und pleonastisch. Er beförderte seine Schriften ohne langes Feilen und Überarbeiten zum Druck. Der Umschwung, welchen der Geschmack und die schöne Literatur der Teutschen während seines ersten Auftretens erhielten, hatte keinen merklichen Einfluß auf ihn gehabt. Auf einen klassischen Ausdruck im Lateinischen machte er eben so wenig Anspruch und faßte theils deshalb, theils um allgemeiner gelesen und verstanden zu werden, seine Schulprogramme in teutscher Sprache ab. Seine Schriften, deren Anzahl über hundert steigt, theilen sich in theologische, mit Einschluß der kirchenhistorischen, pädagogische, historisch-geographische und biographische. In der Theologie hatte er die lobenswerthe Richtung angenommen, das Christenthum möglichst von menschlichen Zusätzen reinigen und es in seiner Lauterkeit darstellen zu wollen. Dies war der Zweck seiner bereits oben erwähnten Epitome und auch seiner Harmonie der Evangelisten (die 4 Evangelisten mit ihren eigenen Worten zusammengesetzt und mit Erläuterungen versehen, Hamb. 1766. 8.), worin er jedoch den Ansichten seines Lehrers Hauber zu unbedingt folgte. Aus jener Richtung entstand bei ihm auch das Bestreben, das ehemalige unbedingte Ansehen der symbolischen Bücher zu schwächen. Die dahin abzweckenden „allgemeinen Anmerkungen über die symbolischen Bücher der evangelisch-lutherischen Kirche,“ Hamb. 1770, 2te verbesserte Ausgabe 1771, fanden an Joh. Melchior Göze einen eifrigen Gegner[8]. Noch am Abend seines Lebens und unter veränderten Umständen erklärte er sich in seiner „Untersuchung, warum und durch wen der freien evangelisch-lutherischen Kirche die symbolischen Bücher zuerst aufgelegt worden,“ Berlin 1789. 8. freimüthig gegen die verbindende Kraft derselben[9]. Als Exegeten des alten Testaments zeigte er sich durch seinen Auszug aus Vitringa’s Kommentar über den Jesaias, Halle, 1749–51, 2 Bde. gr. 4., eine seiner ersten literarischen Arbeiten. Unter seinen kirchenhistorischen Schriften ist, neben einer schon erwähnten, vorzüglich zu nennen die „neueste Geschichte der Evangelischen beider Confessionen im Königreich Polen und Großherzogthum Lithauen. Halle, 1784–87, 3 Thle. 4.); die Geschichte der jüdischen Religion (Berlin, 1779. 8.) hat die Aufgabe nicht befriedigend gelöst. Auch als ascetischer Schriftsteller ist er mit einer Samlung von Leichenreden, betitelt: der Christ bei den Särgen, aufgetreten. – Als pädagogischer Schriftsteller hat er sich besonders durch mehre Lehrbücher für den Schulunterricht verdient gemacht, von denen die meisten in der Folge durch noch zweckmäßigere verdrängt worden sind, einige aber bleibenden Werth behaupten. Seine Programme waren meistens kurz und ohne vielen Fleis ausgearbeitet, weil er glaubte, daß Schriften dieser Art mit zu wenig Aufmerksamkeit gelesen würden; doch wirkten sie manches Gute, wegen der zweckmäßigen Wahl ihres Inhalts und ihres herzlichen Tones. Als theoretische Schrift im Gebiet der Pädagogik ist sein „Unterricht für Informatoren und Hofmeister,“ (zuerst 1760, 5te Aufl. Altona 1794) eine sehr praktische und verdienstliche Anweisung zu nennen. – Die wissenschaftliche Erdbeschreibung wurde durch B. gewissermaßen erst begründet und er behauptet als Geograph den ersten Rang unter den Schriftstellern seiner Zeit, nicht allein in Teutschland, sondern auch im Auslande. Seine neue Erdbeschreibung erschien bei Bohn zu Hamburg seit 1754 und die ersten Theile wurden noch bei seinem Leben zum 8. Mal aufgelegt. Er selbst vollendete das Werk nicht, ob er gleich den Beginn desselben um 40 Jahre überlebte, es wurde aber von andern fortgesetzt. Seine Arbeit umfaßt Europa und den kleinern Theil Asiens, und geht bis zur ersten Abtheilung des 5. Bds., welche 1768 zum 1. Mal erschien. Büschings Name wurde dadurch in ganz Europa berühmt; seine Erdbeschreibung wurde in fremde Sprachen übersetzt. Ein Auszug aus derselben, den er selbst veranstaltete, wurde in den J. 1762 bis 1785 6. Mal gedruckt. Sein Hauptverdienst besteht in der genauen, möglichst vollständigen und richtigen örtlichen Beschreibung der einzelen Länder, wobei er unermüdeten Forschungsgeist und Samlerfleis bewiesen hat. Dagegen vermißt man bei ihm den philosophischen Blick auf das Ganze der Erde und die Resultate, die aus der Vergleichung der natürlichen Beschaffenheit ihrer einzelen Theile hervorgehen. Sein Hauptaugenmerk war die sogenannte politische Geographie, und er wagte es zuerst, genauere Nachrichten über den Zustand mancher Länder bekant zu machen, die man bisher als Statsgeheimnisse sorgfältig verborgen gehalten hatte. Zwei andere höchst verdienstliche Unternehmungen waren sein „Magazin für die Historie u. Geographie der neuern Zeiten,“ (Hamb. und vom 7. Theile an, Halle [389] 1767–1788.) 22 Bde. 4., nebst einem Registerbande von Benj. Gottfr. Weinart; und seine wöchentl. Nachrichten von neuen Landcharten, geograph. statistischen u. histor. Büchern u. Sachen, Berlin 1773–1787. 15 Jahrgänge 8. Das Magazin enthält eine Menge sehr wichtiger Aktenstücke und konnte nur von einem Manne unternommen werden, der in so bedeutenden Verbindungen stand und so viel selbst gesehen und erfahren hatte. Die wöchentlichen Nachrichten waren sehr schätzbar, als das damalige einzige periodisch-kritische Blatt dieser Art. Büsching’s Reisebeschreibungen nach Rekahn und nach Kyritz enthalten bei weitem mehr, als der Titel verspricht. Noch lieferte er eine Topographie der Mark Brandenburg (1775) und mehre andre geographisch-statistische Schriften, insonderheit die später von Normann umgearbeitete Vorbereitung zur allg. Länder- u. Statenkunde. – In das Gebiet der Biographie gehören außer verschiedenen kleinern Schriften Büschings, vornämlich seine „Beiträge zu der Lebensgeschichte denkwürdiger Personen, insonderheit gelehrter Männer“ (Halle 1783–1789. 6 Bde. gr. 8.) Es sind keine vollständigen Biographien, sondern wie der Titel besagt, mehr oder minder ausführliche, doch meistens hinreichende Beiträge zur Lebensgeschichte ausgezeichneter Menschen, die Büsching größtentheils persönlich und genau gekant hat, eines Geusau, Hauber, von Lynar, Gerhard Friedrich Müller, v. Stößler, Ramsay, Reinbeck, Scheidt, Christian v. Wolf u. A. Der 5te Band beschäftigt sich allein mit dem König Friedrich II. und stellt die Eigenthümlichkeit desselben fern von der damals allgemeinen Lobrednerei, mit so scharfen und unparteiischen Zügen dar, daß Viele auf den Verdacht geriethen, B. habe den König verkleinern wollen[10]. Im 6. Bde., den Büsching in seiner Krankheit schrieb, erzählt er sein eignes Leben, zwar mit bedeutender Breite, aber im Ganzen auf eine sehr lehrreiche und selbst anziehende Weise. Er gehört zu den einfachern und offenern Autobiographen, die uns keine Seite ihres Innern, wenigstens nicht absichtlich, verbergen. Dieses Werk bleibt die bedeutendste Quelle seiner Lebensgeschichte; früher hatte er bereits in seiner Geschichte der luther. Gemeinden im russ. Reiche, so wie in der oben erwähnten Schrift zum Andenken seiner ersten Gattin, manche Nachrichten aus seinem Leben mitgetheilt[11].

(Rese.)


  1. Eine Probe ihrer Gedichte hatte Büsching bereits 1750 und eine Sammlung derselben unter dem Titel: Übungen in der Dichtkunst 1752 unter ihrem Namen herausgegeben.
  2. Die Handwerker seiner gewesenen Gemeinde brachten für ihn 420 Rubel zusammen und die Gräfin Lestocq schenkte ihm, mit wahrhaft königlicher Freigebigkeit, im Laufe eines Jahres 1200 Rubel.
  3. Man hatte nicht lange vor seiner Anstellung zu Berlin den Entschluß gefaßt, das berliner und kölnische Gymnasium, von welchen zumal das letztere unter dem Rector Tobias Damm in den tiefsten Verfall gerathen war, im Local des erstern zu vereinigen. Den Mann, welcher die schwierige Erneuerung beider zu Stande bringen sollte, hatte man zuerst in dem Rector zu Halle, Joh. Peter Miller zu finden gehofft, als dieser aber eine theologische Lehrstelle zu Göttingen vorzog, wurde Büsching gewählt.
  4. Der Rector des berliner Gymnasiums, als der von allen am besten besoldete Leher, hatte damals eine jährliche Einnahme von 440 Thaler.
  5. Dem Andenken dieses seltenen Wohlthäters, der aus Berlin gebürtig war und 1775 zu Padua in Italien starb, hat Büsching eine kleine Schrift gewidmet.
  6. Der gegenwärtige Professor Joh. Gustav Büsching zu Breslau.
  7. Spalding sagt von ihm in der unten angeführten Schrift: Praestitit Büschingius civibus suis, et familieribus imprimis, ultimum hoc officium; ut eorum oculos et animos pasceret viri constanter morientis spectaculo.
  8. S. allgem. teutsche Bibliothek Bd. 14. S. 400–417.
  9. S. allg. lit. Zeit. 1789. Bd. III. S. 237.
  10. S. allgem. teutsche Bibliothek, Bd. 116. Stck. 1. S. 186 fgg.
  11. Andere Quellen über dasselbe sind: Georg Ludov. Spalding Oratio funebris de Büschingio, Berol. 1793. gr. 8 (Ein Auszug daraus im ersten Stück von Henke’s Archiv für die Kirchengeschichte). Erinnerung an Büsching’s Verdienste war das berlinische Schulwesen von Gedike (eine Einladungsschrift). Berlin 1795. 8. Büsching’s Leben im Supplementbande von Schlichtegroll’s Nekrolog für die Jahre 1790 bis 1793. Erste Abtheilung. S. 58 bis 146. Vgl. Meusel’s Lexikon der vom J. 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller, 1. Band. Allg. teutsche Bibliothek an vielen Orten.

Anmerkungen Wikisource

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  1. korrigiert – im Druck eine
  2. korrigiert – im Druck Foderungen