« 1. Stunde Hermann von Bezzel
Einsegnungs-Unterricht 1909
3. Stunde »
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2. Stunde.
Lied 153, 7–10. Psalm 23.


Gebet: O Herr Jesus Christus, der Du aus lauter väterlicher göttlicher Güte und Erbarmung vom Kreuz her all die Deinen zu Dir riefest, damit sie unter dem Kreuz ihr Leben wieder finden und durch das Kreuz dasselbe bewähren und bewahren, verleihe Deinem Volk gnädiglich die Güte, daß es in Deiner Erbarmung immer fester gründe und durch Deine Gnade Angst und Sünde siegreich überwinde. Damit Du nicht vergeblich gerufen habest, erbarme Dich unser! Daß Dein Ruf unser Herz erfülle, erbarme Dich unser, daß Dein Ruf unser Heil, Segen und Leben werde, gib uns Deinen Frieden! Amen.













 Der Herr Jesus hat auf dieses quälende Mißtrauen, das der ersten Berufung entgegen der böse Feind in unsrer Seele erweckte, vom Kreuz her den Ruf an uns alle ergehen lassen: Kehrt wieder, die ihr euch verlaufen habt! Kommt und seht wie freundlich der Herr ist! Er hat aus lauter Güte und ewigem Erbarmen der Gemeinde, die Sein Vater ins Dasein gerufen und die ihr Dasein um ein törichtes Linsengericht falscher Selbständigkeit preisgegeben hatte, die Wahrheit Seiner Liebe und den Ernst Seiner Treue ins Herz gegraben. Hinfort kann niemand mehr sagen, daß er an Gottes Treue zweifeln dürfe; denn Er ließ sich’s Sein Bestes kosten. Konnte der Feind dem ersten Ruf der Schöpfung das Wort entgegenhalten, Gott habe für sich etwas gesucht und gewollt, und konnte dieses böse Wort in uns allen zu großen Spielraum gewinnen, so ist dem 2. Wort, da Gott nicht nur nichts für sich wollte, sondern sich Seines eingeborenen Sohnes, des ewigen Wortes, entäußerte, kein Mißtrauen mehr entgegen zu stellen. Hier kann von Selbstsucht und Eigenliebe und Eigenwahl nicht die Rede sein. Also hat Gott die Welt, die mißtrauensvolle, die ungetreue, die zweifelvolle geliebt, daß Er Seine Ehre daran und Seinen Sohn in den Tod gab, auf daß, wo die erste Berufung| nicht Glauben fand, die 2. um so mehr von einer armen, betrogenen Welt erfaßt, ins Herz genommen und erfahren würde, daß man endlich einmal sehe, so gewiß es reine Liebe ist, die den Ruf vom Kreuz hat kommen lassen, so gewiß ist es reine Liebe, die uns einst ins Dasein rief. Aber mit meinem Katechismus sage ich und in meinem Leben erfahre ich’s und aus meinem Leben bestätige ich’s: Der hl. Geist hat mich durchs Evangelium berufen. Die Berufung, welche mich vom Karfreitag zum 6. Schöpfungstag und vom 6. Schöpfungstag zum Karfreitag führt, ist die des hl. Geistes. Dieser hl. Geist sah es in mir, wie schwer und hart, wie groß und bitter die Arbeit meines Lebens und Glückes sei. Er weiß es, daß ein Menschenleben aufs Glück angelegt ist und daß das Glück und das Leben einander suchen, daß aber bei so vielen Menschen das Leben am Glück und dieses an jenem vorübergeht. Er sieht es, wie so viele tausend Menschen das Glück da suchen, wo es niemals weilen kann noch weilen darf, und wie das Glück einsame Wege zieht, auf denen ihm nur wenige begegnen. Da macht Er sich auf, der getreue Tröster, der es nicht tragen kann, daß bei so reichen Gaben die Heimat verlassen und vereinsamt und bei so reichen Tischen die Gäste ausbleiben sollen; macht sich auf und ruft in die Welt das Evangelium und durch das Evangelium: „Kommt, es ist alles bereit“. Kommt, es ist alles bereit, so wollen wir in dieser Stunde dem Ruf des hl. Geistes, des getreuen Freundes unsres Lebens, der sich, ehe wirs wußten, mit unserm seufzenden, sehnenden, verlangenden Geiste vermählte und verband, folgen. Wir wollen daran denken, daß, ehe wir uns regen und ein Wort sagen und uns selber erfassen konnten, dem seufzenden Menschengeist, der geängstigten Kreatürlichkeit in uns, dem Sehnen, das immerdar währt, ein hl. Geist geantwortet hat: „Komm, ich will dich zu Jesu und durch Jesum zu dem Vater führen!“ Während so viele Tausende über ein verfehltes Glück, über ein verlorenes Paradies klagen und träumen, läßt Er die ersten goldnen Säume eines ewigen Tages, der allein wert ist, gelebt zu werden, und einer ewigen Freude, die allein verdient genannt zu sein, und eines ewigen Reichtums, der allein die Gewähr voller Befriedigung in sich schließt, aufdämmern und aufleuchten. Es ist eine große, unverdiente und darum nie zu vergessende Treue, daß der hl. Geist mich durchs Evangelium berufen. Wie kann ich Ihm das danken? Ich meine, statt daß ich allerlei Fragen über Persönlichkeit und Art, über die Faßbarkeit und Greifbarkeit des hl. Geistes anstelle, will ich mich dankend einstellen und Ihm sagen: Du sollst mein Glück begründen, das ich brauche, zu dem ich geschaffen bin, in das| ich einkehren will, wenn mich die Welt betrogen, und will Ihm danken jetzt und immerdar. Es liegt in diesem „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem hl. Geist“ die Antwort eines armen, glücklosen und glückberaubten Menschenherzens für alle das Anerbieten des dreieinigen Gottes. Ehre sei dem Vater, der mich ins Dasein rief, und Ehre dem Sohn, der mein Dasein erlöst, und Ehre dem hl. Geist,der in wunderbarer Treue mit mir Freundschaft schloß. Warum? Ich war ja Gottes Feind! Erbarmung hat’s so treu gemeint.
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 „Der heilige Geist“ sagt die Kirche, sagt mein Herz und glaubt es treulich und meint es ehrlich „hat mich durchs Evangelium berufen.“ Das soll ich mir nie, nie rauben lassen. Und Er beruft, so sage ich, alle, Er beruft alle. Es ist Sein Königsrecht, daß Er in die Werkstätte dieser berufenden Heimlichkeit nicht Einblick tun läßt, es bleibt Ihm unverwehrt, den Weg, die Zeit, die Art, den Ort der Berufung zu wählen. Er kann, wie Er will und wann Er will, denn der Geist weht nach souveräner Kraft und Gabe, aber Er weht, Er macht froh, Er macht reich, Er ruft allen. Wann an mich der Ruf kam, das weiß ich, wann er an uns kam, das weiß ich auch, daß er immer wieder kommt, das traue ich. Die Tage, da in ein erstorbenes Leben, über ein Totenmeer der Windhauch des hl. Geistes wieder zieht, sind Tage der Verneuung und der Jugend, sind Tage, in denen das Leben erwacht. Jetzt spüre ichs und jetzt tröste ich mich, ich werde mit allen berufen, weil alle nach Glück begehren, ich werde mit allen versammelt, weil alle zur ewigen seligen Herrlichkeit im tiefsten Grunde ausschauen. Wo Er aber den ordentlichen Weg beschreiten darf, da geht Er ihn ohne sich den außerordentlichen zu verbauen und zu verschließen und wo Er auf den Wegen, auf denen Wollende zum Frieden gekommen sind, auch meiner Seele den Frieden geben will, da tritt Er ein und da will Er arbeiten. Der hl. Geist hat mich durchs Evangelium berufen. Das danke ich Ihm und dafür preise ich Ihn. Gott sei tausendmal Dank, daß diese wunderbare Gabe des hl. Geistes, dieser Reichtum von Liebe und Leben mein eigen sein soll und daß Er jeden Ort, da ich wirke und jede Zeit, in der ich noch wirken kann, ernstlich und eifrig dazu benützt, meine Seele mit Vertrauen zu Jesu und durch Ihn zu Gott zu erfüllen, daß er mir den Mut macht, meine Hände in die dargebotenen Heilandshände zu legen und mir die Kraft gibt, meinen Namen unter die Verheißungen zu setzen und zu sprechen: Das ist auch mir geschrieben. Gott sei Dank, daß der werte hl. Geist, der da ist ein Erbarmer aller, die Ihm trauen, so einsichtig und eingehend auf mich wirkt und bei mir einkehrt. Ich darf es glauben, ich kanns Ihm trauen, es ist gewißlich wahr. Er beruft mich und so wie Er auf dem| geordneten Weg durch das Wort, mit dem sich die Geschichte aller meiner Väter vermählt hat, beruft und wie Er dasselbe labende, lockende, werbende, evangelische Wort an mich kommen läßt, das meine Väter hat vertrauensvoll überwinden lassen, im schweren, ernstlichen und einsamen Kampf, und so wie Er diesem alten, oft gehörten, oft gebrauchten, noch öfter überhörten Wort immer wieder Jugendkräfte gibt, die stark genug sind, ein Leben vom Tod zu erlösen, so will Er mit mir Armen es ernstlich meinen; denn von dieser allumfassenden Berufung durch das evangelische Wort sehe ich hinüber auf die Herrlichkeit und Gabe, die mir zuruft: es ist ernst gemeint. Ach, mögen andre in der Berufung die Möglichkeit erblicken, daß es nur ein Schein sei und so ihr Herz aufs neue bedrücken und betrüben, mögen andere mit der bösen, bangen Frage in die Berufung treten: Ists denn wahrlich so gemeint, darf ichs ganz glauben, liegt kein Irrtum vor? Habe ich auch recht gehört? Gilt das mir oder war es ein schwerer Traum? Sage ihnen: Deine Berufung ist ernst, Sein Wort steht nicht auf Schrauben. Man weiß es nicht, sonst würde man es nicht tun, was man der Gemeinde Großes entzieht, wenn man an der Ernstlichkeit und Kraft und Lauterkeit des Wortes, daß der hl. Geist an uns wirkt, zweifelt. Wie wenn man eine Schar von Blinden mit gebrochenen Stäben an einem Abgrund aufstellt – ein Schritt – und sie sinken in die Tiefe, so ist unser armes Volk, wenn ihm das Wort seines Gottes genommen und die Ernstlichkeit der Berufung des hl. Geistes verdächtigt ist. Wir aber glauben an den hl. Geist und seinen Ernst. Wir sagen es uns tausendmal vor, so viel Gegenstimmen auch laut werden: Ich bin ja doch Dein liebes Kind, Du meinst es ernst und in dieser Ernstlichkeit und Ehrlichkeit und Treulichkeit des hl. Geistes, in dieser Wunderbarkeit unsres Herrn Jesu jauchzt meine Seele auf. Wahrlich, Du bist treu, Du führst mich recht.
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 Wenn bei der dritten Berufung, bei der Berufung durch den hl. Geist, die – wie wiederholt gesagt wurde – zu Jesu Kreuz und zur Gottestat hinführen will, der Zweifel einsetzte, und der Zweifel die Oberhand gewänne, so wären wir die elendesten unter allen Kreaturen. Hier muß es Dinge geben, über die man sich nicht zurückdrängen lassen, eine Linie, jenseits derer man nicht mehr bleiben darf; hier muß eine Ernstlichkeit und eine Treulichkeit statthaben, die da spricht: Hier und nicht weiter. Schwestern, wer nicht an die Ernstlichkeit der Berufung des hl. Geistes glaubt, der muß einst an diese Ernstlichkeit glauben, wenn es zu spät ist. Wir wollen mit allem, was wir sind und was in uns ist, ganz streng und starr und wahr sagen: Ich bin berufen, berufen, wie meine Väter alle und ich bin zu| Ihm aus lauter Güte gezogen und niemand und nichts soll mich von Ihm scheiden. Weil der Abend näher ist als der Morgen und weil die Arbeit des Lebens oft die heimliche Weisheit des hl. Geistes zu begraben und zu übertönen sucht, muß ich meiner Seele jetzt oft sagen: Sei getrost, Jesus lebt; sei getrost, Er will dir helfen. Gott schenke uns diesen ganzen Reichtum Seiner Gnade, diese volle Ernstlichkeit Seiner Liebe, daß wir nicht mehr zweifeln, wie ernst und wahr wir berufen sind. Und wozu sind wir berufen?
1. Daß wir wieder Vertrauen fassen.
2. Daß wir Treue geloben.
3. Daß wir Treue bewahren.

 Das sind die Grundgedanken, die mich nun auf meine weitere Arbeit überleiten, auf den Begriff des Berufs.

 Wir sind vom hl. Geist berufen, erstlich, daß wir Vertrauen fassen. Jedes einzelne Wort der Schrift nicht, weil es Jahrhunderte vor uns gesprochen ist, als veraltet ansehen, sondern fest glauben, was einmal der Menschheit gesagt wurde und was durch den Mensch gewordenen Sohn Gottes durch das in Christo verleiblichte Wort besteht und verwirklicht wurde, das gilt auch mir. Dieses Vertrauen müssen wir fassen, wenn es heißt: Ich habe dich je und je geliebt. So galt es nicht dem Jeremias und nicht dem Volk, das aus Babel heimzieht und nicht den Frommen in Israel allein, sondern mir, als wäre ich dabei gewesen. Ja, weil ich dabei war und bin, wenn der Heiland sagt, daß er alle zu sich ziehen will, so ist das auch mir gesagt und ich will das Vertrauen nicht ferne lassen, daß Er mir kein eigenes Wort erfindet, wenn ich die bereits gesprochenen vernichte, und will es meiner Seele oft sagen, wenn es ihr wie eine Wolke über den Himmel hinzieht. Das Wort ist die Wahrheit, nicht: es enthält sie. Würde es die Wahrheit nur enthalten, so wäre es stückweise, ephemer, für eine Zeit und eine Zeitepoche; aber so schließt das Wort die ganze Wahrheit in sich. Außer ihm liegen keine Reste der Wahrheit. Alles, was wahr ist, empfängt von ihm Bedeutung, Wert und Kraft. Ich will jetzt mit ganzem Ernst sagen, daß Er mir ein vertrauenswertes Wort zugesprochen hat, auf das ich bauen und ihm ganz trauen darf. Er wolle mit Seiner ganzen Treue, mit Seinem ganzen Trost also an mir handeln, daß ich vertrauen lerne und das einzelne Wort, über dem der Heiland gebetet: „Nicht allein für sie, sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben“ ins Herz fasse, und so mein Herz mit Ewigkeitswahrheiten und Werten und Gütern sättige und erfülle. Ich wills meinem Herrn und Heiland festiglich glauben| und ja nicht zweifeln, Er werde aufs allertreuste das Wort, das Er dem Menschenherzen zusprach, auch mir gelten lassen. Das ist das Eine.
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 Und dann, ich will Ihm Treue geloben. Für all das Mißtrauen, damit ich Ihn quälte und mich und mein Leben zerstörte, für all den Kleinglauben, da ich, der ich Vollbesitzer hätte sein können, als ein Taglöhner die Brosamen auflas und für all die Zweifelsucht, da ich so dürftig durchs Leben ging, während es mir so reichlich winkte und leuchtete: für alles das will ich jetzt hingehen und Ihm Treue geloben. Dieses Gelübde der Treue und dieses Versprechen, Ihm mein Leben ganz zu eigen zu stellen bis in den Tod, hängt so wenig von äußeren Umständen ab, als Er, ohne irgendwie auf Umstände Rücksicht zu nehmen, mir die Treue hält und mit Seinem Wort und Seinem Werk zu mir kommt. Der mich an Sterbebetten Sein Wort hat erfahren lassen und auf den Höhen des Lebens Sein Wort mir nicht versagt und der mich um den Abend in das Tal geleitet, ehe der letzte Berg erstiegen ist, und in allen Verhältnissen und Umgebungen immer wieder Gnade, Friede, Erbarmung spendet, verlangt von mir eine aus allen Verhältnissen heraus sich erhebende, in allen Verhältnissen sich bewährende Treue. Er will, daß ich die Verhältnisse bestimme, damit sie mich nicht umstimmen; Er begehrt, daß ich das Leben in Seiner Kraft beherrsche, damit es mich nicht ohne Seine Kraft regiere. Er nimmt kein Gelübde an, das an Bedingungen gebunden ist, aber bedingungslose Eide gefallen Ihm wohl. Wenn ein Mensch sich aufmacht zu dem größten aller Entschlüsse zu schreiten, den das ärmste Kind fassen, über den der stärkste Mann nicht hinausgehen kann, wenn ein Mensch, dessen sich sein Tröster im Elend, in der Schmach und in der Schande nicht geschämt hat, Leid, Schmach und Schande um des Trösters willen wagt, wenn ein also Berufener den Ruf aller Orten zu hören und auf ihn allerwegen zu gehorchen kräftiglich verspricht, so hat die Berufung ihren zweiten Zweck erreicht. Wir wollen uns fragen, ehe wir jeder in seiner Weise einen neuen Lebensabschnitt beginnen, ob es wirklich bei allem, was uns bewegt und erfaßt, unser Ernst sei, durch dick und dünn Ihm nachzugehen, ob wir Ihn vor den Menschen bekennen wollen und in Ihm das Bekenntnis unseres Lebens suchen werden, ob Er der Regent und die Kraft unsres Lebens bleiben solle. Wir wollen den Ernst der Gelübde gründlich fassen; begeisterte Gelübde sind noch lange keine Geistesgelübde und keine geistgefälligen; und die erregte Hitze des Fieberkranken ist sehr lebhaft, aber nicht gesund. Wir wollen nicht in schwärmerischer Weise ein Haus bauen, luftig und hoch, das der erste Sturmwind abdeckt| und die ersten Wassergüsse einstürzen, sondern wir wollen langsam und bedächtig Stein auf Stein legen, bis wir endlich sagen dürfen: „Ich weiß, an wen ich glaube, und ich glaube an den, den ich kenne.“ Das wird das zweite Werk der Berufung an uns sein, die Bedächtigkeit des Lebensentschlusses, die Stille der Lebenshingabe, der Ernst aller guten Treue und aller Zuversichtlichkeit. Wir wollen ganz einfach, ganz schlicht das versprechen, was wir eben haben; Leben, Güter und Gaben, alles sei Gott zum Opfer gestellt. Wir wissen, daß wir uns der Freiheit begeben und gebunden werden, wir legen das Selbstbestimmungsrecht hin und lassen uns verpflichten. Es muß uns klar sein, daß wir von uns selber frei werden müssen, um einem anderen Herrn und König anzu[g]ehören; aber indem wir die Kosten langsam überschlagen, wandeln sich die Kosten in Rechte und die Pflichten in Gnade und wir merken wohl: der Mensch, der sich auf Dich verläßt der beherrscht die Zeit und gewinnt die Ewigkeit. Wir klügeln und zählen und rechnen und es ist gut so – ob wirs auch haben hinauszuführen. Es ist weise, aber indem wir langsam und einsam rechnen, haben wir alles gewonnen.
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 Und nun soll es an der dritten Folge der Berufung nicht fehlen. Zur gelobten Treue kommt ihre Bewährung. Das soll mit ganzem Ernst, mit der frohesten und gewissesten Zuversicht, mit der Weisheit, die von oben her ist, unser Leben sein, daß wir die Treue auch halten; dann ist alle Wahl beschlossen; dann ist auch die Angst der Ungewißheit aus unserm Herzen genommen und wir sind auf einmal frei. Wir brauchen ja nichts andres, als treu zu sein. Tausende von Fragen, die den Ungetreuen quälen, sind dann weg, eine Menge von Bedenken, die dieses Leben so beschweren, ist im Keime erstorben. Alle diese Not, ob wir auch den rechten Weg gehen, und ob nicht ein anderer besser gewesen wäre, schwindet und schweigt. Man ist treu und begehrt immer treuer zu werden, und nun kommt eben diese urevangelische Lehre, diese Kraft, die Er dem Evangelischen darreicht, der nichts andres will, als was Sein Wort ihn heißt, und nichts andres zu empfangen begehrt, als was Sein Wort verheißt; nun kommt die Treue im Beruf. Aus der Berufung heraus bildet sich auf Grund des Vertrauens des Berufenen zu dem, der ihn ruft, aus dem Gelübde der Treue gegen den, der ihn sucht, dieses große Geheimnis, das der Herr wie ein Gefäß dem einzelnen Christenmenschen gibt und gönnt, damit seine Gelübde und seine Vorsätze und seine Anstrengungen nicht auf den Boden fallen und vergehen; und das Gefäß heißt man Beruf. Es ist als ob der Herr, wenn Er uns durch den hl. Geist berufen hat, Mitleid hätte mit| unsrer Verlegenheit, die nicht weiß, wo und wie sie Ihn allerwege ehren soll, und dieser Verlegenheit tut Er Abhilfe, indem Er das Wort in das Herz und die Kraft in die Seele und das Glück in unsern ganzen Tag hineinsenkt. Wir haben einen Beruf, zuerst den allgemeinen Christenberuf, den die hl. Taufe einem jeden Menschen vermittelt, und dann den besonderen Christenberuf, in dem dieser allgemeine immer wieder bewährt wird.
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 Zuerst rufen wir einander freudevoll zu: „Wir haben einen Beruf.“ Wer berufen ist und wer die Berufung erfuhr, der hat, damit das Gefäß nicht dem Dank und der Salbe nicht die Theke fehle, in der sie dargebracht wird, einen Beruf. Unser gemeinsamer Christenberuf ist einfach der: „Folge mir nach.“ „Denn dazu“, schreibt St. Petrus „seid ihr berufen.“ Wir wollen den gemeinsamen Christenberuf recht ins Herz fassen, damit der sonderliche in seiner ganzen Beleuchtung recht erscheint. Wir wollen den gemeinsamen Christenberuf ansehen, der lautet: „Folge mir nach!“ Ein einfaches Wort! Der Herr Jesus hat, als Er das Wort sagte, bloß ein einziges gebraucht in der Sprache, in der ers sagte, und dieses einzige Wort ist der Inbegriff aller Christenpflicht, ist zugleich das Gefäß, in dem die Christenpflicht geborgen, die Kraft, aus der heraus sie erfüllt und die Möglichkeit, innerhalb derer sie vollzogen wird. Folge mir nach! Man sieht leicht, daß der Herr hier nur eine Grundlinie zieht, das Wiesehr und das Wohin und das Wie geartet läßt Er ganz beiseite; Er gibt sich nicht mit Schilderungen ab, Er spricht jetzt nicht weiter von dem und von jenem, Er sagt ganz einfach: „Folge mir nach!“ Wir wollen es auch herzlich gerne tun, weil wir ja nur dafür dankbar sein dürfen, daß Seiner Berufung ein Beruf folgt, daß Er uns Gelegenheit gibt, Ihn zu preisen. Was hülfe es mich, wenn ich in eitel Dank und Anbetung mich erschöpfte und mein Atem zerränne in einem nutzlosen Lob, und wie wäre es dem Herrn gefällig, wenn die Salbe auf der Erde verstreut würde und verduftete und Sein Fuß die Blüten unsres Lebens welk von hinnen wegstoßen würde? Was würde es mir fruchten? Ich wüßte nicht, ob der Dank Ihm gefiele und ob die Blüte, die Sein Fuß achtlos wegstreift, Sein Auge auch nur eine Minute ergötzt hätte, und darum gibt er mir den Beruf, daß ich frei von allen Redensarten und aller erträumten Begeisterung und allen Vorsätzen, denen die Kraft und das Mark gebrechen, einfach einen Weg gehe, den er jedem ganz deutlich zeigt, der auf Ihn sein Vertrauen setzt, und der Weg heißt Beruf der Nachfolge. Damit ist freilich einerseits eine große Enge gezogen, die wir nicht vergessen wollen. Wir dürfen| nicht selbst Schritte tun. Wir können nicht neben Seinen Fußspuren einherwandeln. Es ist uns nicht gestattet, daß wir gar von dem Weg abgehen, den Er unter Dornen und Tränen gebrochen hat, sondern wir müssen unsern Fuß sachte und behende, ernstlich und treu in die Spuren setzen, die Er gegraben hat, und müssen darum bitten, daß wir Seine Spuren nicht verlieren. So schreiten wir ganz ernst und treulich hin; so gehen wir vor Ihm, als wäre es nicht anders je gewesen; treten vor Ihn hin und sprechen mit alten Versen: Jesu geh voran auf der Lebensbahn. Ob die Lebensbahn abseits am einsamen Pfade in der Niederung weitergeht, oder ob sie auf sogenannte Höhen führt – auf sogenannte – wenn man nur Seinen Fuß sieht, wenn man nur Seinen Fußspuren folgt. Es kann keiner dem andern etwas Besseres wünschen und Größeres raten als: Folge Jesu nach! Er hat nicht da und dort Spuren hinterlassen, nicht irgend etwas deutlicher markiert; Er hat die Welt mit Seinem Weg bezeichnet. Er geht nicht aus der Welt, sondern in die Welt und durch die Welt und darum, meine Schwestern, wollen wir das recht uns ins Herz fassen: Jesu nach und ihm ganz einfach versprechen, daß wir Ihn alles bestimmen lassen, ob der Sonnenbrand uns trifft – Du bist mein Schatten über meiner rechten Hand – oder ob wir durch Schatten gehen müssen: Du bist Sonne und Schild. Wir wollen Ihm versprechen und geloben, ob es durch Tiefen geht, auch die Ströme sollen mich nicht ersäufen, oder ob man durch Flammen den Weg sich bahnen muß, die Feuer sollen mich nicht anzünden. Es ist die wunderbar große – ich möchte sagen – Sorglosigkeit des Christen, der tief aufatmend und zugleich laut aufjauchzend spricht: „Ich will Dir folgen, wohin Du gehst“; es ist der Beruf eines Menschen, dem Jesus seine Sünde reichlich und täglich vergibt, daß er wahllos, weglos, ziellos, Gehorsam übt und spricht: „Wo Du hingehst, da will ich auch hingehen.“ Und dieses „wo Du hingehst“, hat sogar eine Verheißung in sich, die man nicht immer beachtet; du kannst ja auch einen falschen Weg mir zum rechten machen, und kannst auch aus einem nicht gebotenen Weg den Weg der Pflicht gestalten; mir aber hilf, daß ich Dir Nachfolge. Auf diese Weise erlebt man Jesum auf dem Weg der durch alles Ungestüm gehenden Nachfolge und diesen Weg wolle Er uns lehren und zu dem allgemeinen Christenberuf aus Gnaden den besonderen bescheren.
Lied 283, v. 6.


Gebet: Alles, was Dir Dein Vater gibt, das kommt zu Dir und wer zu Dir kommt, den willst Du nicht hinausstoßen.
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Verleihe uns allen, daß wir in der Mühsal dieses Lebens den Pfad gehen, den Du gezeigt hast, und aus der Angst zur Freude des Gehorsams vollkommen erhoben werden und schenke uns die Freude und seligen Gewinn in Dir und Deinem Wort und reinem Wesen. Verleihe, daß ehe der Abend kommt, das Licht auf unsern Weg falle! Siehe, ob wir auf bösem Wege sind und leite uns auf ewigem Wege! Amen.















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