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und die ersten Wassergüsse einstürzen, sondern wir wollen langsam und bedächtig Stein auf Stein legen, bis wir endlich sagen dürfen: „Ich weiß, an wen ich glaube, und ich glaube an den, den ich kenne.“ Das wird das zweite Werk der Berufung an uns sein, die Bedächtigkeit des Lebensentschlusses, die Stille der Lebenshingabe, der Ernst aller guten Treue und aller Zuversichtlichkeit. Wir wollen ganz einfach, ganz schlicht das versprechen, was wir eben haben; Leben, Güter und Gaben, alles sei Gott zum Opfer gestellt. Wir wissen, daß wir uns der Freiheit begeben und gebunden werden, wir legen das Selbstbestimmungsrecht hin und lassen uns verpflichten. Es muß uns klar sein, daß wir von uns selber frei werden müssen, um einem anderen Herrn und König anzu[g]ehören; aber indem wir die Kosten langsam überschlagen, wandeln sich die Kosten in Rechte und die Pflichten in Gnade und wir merken wohl: der Mensch, der sich auf Dich verläßt der beherrscht die Zeit und gewinnt die Ewigkeit. Wir klügeln und zählen und rechnen und es ist gut so – ob wirs auch haben hinauszuführen. Es ist weise, aber indem wir langsam und einsam rechnen, haben wir alles gewonnen.

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 Und nun soll es an der dritten Folge der Berufung nicht fehlen. Zur gelobten Treue kommt ihre Bewährung. Das soll mit ganzem Ernst, mit der frohesten und gewissesten Zuversicht, mit der Weisheit, die von oben her ist, unser Leben sein, daß wir die Treue auch halten; dann ist alle Wahl beschlossen; dann ist auch die Angst der Ungewißheit aus unserm Herzen genommen und wir sind auf einmal frei. Wir brauchen ja nichts andres, als treu zu sein. Tausende von Fragen, die den Ungetreuen quälen, sind dann weg, eine Menge von Bedenken, die dieses Leben so beschweren, ist im Keime erstorben. Alle diese Not, ob wir auch den rechten Weg gehen, und ob nicht ein anderer besser gewesen wäre, schwindet und schweigt. Man ist treu und begehrt immer treuer zu werden, und nun kommt eben diese urevangelische Lehre, diese Kraft, die Er dem Evangelischen darreicht, der nichts andres will, als was Sein Wort ihn heißt, und nichts andres zu empfangen begehrt, als was Sein Wort verheißt; nun kommt die Treue im Beruf. Aus der Berufung heraus bildet sich auf Grund des Vertrauens des Berufenen zu dem, der ihn ruft, aus dem Gelübde der Treue gegen den, der ihn sucht, dieses große Geheimnis, das der Herr wie ein Gefäß dem einzelnen Christenmenschen gibt und gönnt, damit seine Gelübde und seine Vorsätze und seine Anstrengungen nicht auf den Boden fallen und vergehen; und das Gefäß heißt man Beruf. Es ist als ob der Herr, wenn Er uns durch den hl. Geist berufen hat, Mitleid hätte mit