Textdaten
<<< >>>
Autor: Heinrich Pröhle
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Doktor Faust (Kreuznach)
Untertitel:
aus: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten, S. 51–63
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Tonger & Greven
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans eines Exemplares der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung Berlin, Signatur 19 H 104 auf Commons; E-Text nach Deutsche Märchen und Sagen
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[51]
Doktor Faust (Kreuznach).

Johann Georg Salellicus Faust, der Schwarzkünstler genannt, war 1507 Rektor des Gymnasiums zu Kreuznach. Es ist dies fast das einzige, was wir mit Sicherheit von ihm wissen. Man würde ohne diese Nachricht die Sage von Faust zu denjenigen rechnen, denen gar keine geschichtliche Wahrheit zu Grunde liegt. Die Nachricht, daß Faust Rektor in Kreuznach gewesen sei, wird jedoch mit so glaubhaften Einzelheiten erzählt, daß wir nicht daran zweifeln können, er habe wirklich gelebt. Doch darüber später!

Faust war der Sohn von Landleuten, nach einigen aus dem schwäbischen Städtchen Keittlingen, nach andern aus Kneitlingen im Braunschweigischen, wo nach einigen Erzählungen auch Eulenspiegel geboren sein soll. Noch andere berichten, daß er zu Soltwedel oder zu Roda geboren sei. Zu Wittenberg hatte er viele Blutsfreunde. Sein Oheim war dort ein wohlhabender Bürger. Der war ohne Kinder und nahm Faustum zu seinem Erben an. Da hat er denn Theologie studieret, ist aber von diesem gottseligen Fürnehmen abgegangen und hat Gottes Wort gemißbraucht.

Sehr bald war er Magister worden und hat sechzehn Magistern in Fragen und Antworten obgesiegt. Sogar Doktor der Theologie ist er geworden. Gleichwohl ist er in böse Gesellschaft geraten und hat ein ruchloses [52] Leben geführt, wie es denn ein wahres Sprichwort ist: „Was zum Teufel will, das läßt sich nicht aufhalten.“ Begab sich dann also gen Krakau in Polen und fand auf dieser Hochschule seinesgleichen, die mit chaldäischen, persischen, arabischen und griechischen Worten, Figuris, characteribus, coniurationibus und incantationibus umgingen oder wie sonst solche Beschwörung und Zauberei genannt werden mag.

Nach dieser Zeit kam er wieder mit bösen Absichten in einen Wald bei Wittenberg, wo er sich überhaupt am meisten aufhielt und in dessen Nähe er endlich auch starb. Da machte er am Abende zwischen 9 und 10 Uhr mit einem Stabe etliche Zirkel und beschwor den Teufel. Der erhob im Wald einen solchen Tumult, als sollte alles zu Grunde gehen. Viele Bäume legten sich auf die Erde, sodann wurde eine Musik von lieblichen Instrumenten gehört. Endlich aber ist der Teufel mit großem Geplärr selbst erschienen.

Der Geist hatte den Namen Mephistopheles. Der hat versprochen, Faust vierundzwanzig Jahre in allem zu Willen zu sein, falls derselbige sich ihm mit seinem eigenen Blute verschreiben würde. Das ging Faust in einem der Gespräche, die er später mit Mephistopheles hatte, ein. Er forderte aber noch, daß der Teufel stets in Gestalt eines Franziskaner-Mönches erscheine, und vorher einige Zeichen geben solle, damit er ihn nicht erschrecke.

Darauf erschien in Doktor Faust’s Stube ein Löwe und ein Drache, die stritten miteinander, aber der Löwe wurde von dem Drachen besiegt.

Darauf rannte ein Stier gerade auf Faust’s Stirn los, fiel aber vor ihm auf die Kniee und verschwand.

Zuletzt erhob sich ein lieblich Orgelspiel, erst das Positiv, dann die Harfe, Laute, Geige, Posaune, alsdann Krummhörner, Querpfeifen und dergleichen, ein jegliches mit vier Stimmen, also daß Doktor Faustus nicht anders gedachte, denn er wäre im Himmel, da er doch bei dem Teufel war.

Wenn nun Faust einen guten Wein haben wollte, so holte ihm der Teufel solchen aus des Kurfürsten Keller oder vom Bischof von Salzburg. Die warmen Speisen holte er von allen umliegenden Herrschaften. Die Kleider für Faust und seinen Famulus Wagner stahl Mephistopheles bei Nacht in Nürnberg und Augsburg.

[53] Nun wollte Doktor Faust sich verheiraten. Das hintertrieb aber der Teufel, weil der Ehestand ein gottseliger Stand ist. Er versprach, ihn durch viel schnöde Unzucht und Wollust dafür schadlos zu halten, wie er ihm denn kurz vor seinem Ende sogar die Helena aus alter Zeit und aus dem Volke der Griechen herbeizauberte.

In der ersten Zeit kam eines Tages der Teufel ihn zu besuchen. Wiewohl es aber im Sommer war, so ging doch eine so kalte Luft von ihm aus, daß Doktor Faust meinete, er müßte erfrieren.

Diesmal aber nannte der Teufel sich Belial und wollte dem Doktor Faust die höllischen Geister vorstellen, die bereits draußen standen.

Einer nach dem andern mußte nun zu Faust in die Stube hinein, wie er war. Da war auch Lucifer, der war rot wie ein Eichhörnchen und hatte den Schwanz hinter sich emporgereckt, wie die Eichhörnchen pflegen.

Der Geist Asterot kam in Drachengestalt und ging auf dem Schwanze aufrecht hinein.

Anubis hatte einen Hundskopf, sonst war er schwarz und weiß, im schwarzen weiß und im weißen schwarz getüpfelt, hatte Füße und hängende Ohren wie ein Hund und war vier Ellen lang.

Zuletzt verschwanden sie wieder.

Nach einiger Zeit verlangte Faustus in die Hölle geführt zu werden. Da erschien ihm Beelzebub und hatte einen beinernen Sessel auf dem Rücken, der ringsherum geschlossen war. Darauf saß Doktor Faust und fuhr also davon. Wie heftig auch die Hölle brannte, so empfand doch Doktor Faust keine Hitze, sondern nur ein Maienlüftlein. Er sah aber auf dem Grunde der Hölle im Feuer viel stattliche Leute, Kaiser, Könige, Fürsten und Herren. Etliche durften sich auch erlaben, badeten und tranken aus einem kühlen Wasser, das da floß. Zuletzt trug Beelzebub Faustum in seinem Sessel wieder aus der Hölle.

Auch zu dem Himmel und zu den Gestirnen fuhr Faustus einmal auf, denn er war ein Kalendermacher geworden und wollte die Gestirne sehen. Da sah er im Julius hier Gewitter, dort schönes Wetter, hier Hagel, dort Regen.

Einstmals war Kaiser Karolus V. zu Innsbruck. Dahin verfügte sich auch Doktor Faustus.

[54] Er wurde von einem Grafen wohl empfangen und zu Tisch geladen. Da fragte Kaiser Karolus, wer er sei. Da ward ihm angezeigt, es wäre der Doktor Faustus.

Als nun die Tafel aufgehoben war, ließ Kaiser Karolus Faustum in ein Gemach fordern. Hier verlangte er von ihm eine Probe der schwarzen Kunst und verhieß ihm bei seiner kaiserlichen Krone, es solle ihm deswegen nichts widerfahren.

Darnach verlangte der Kaiser den großen Alexander und seine Gemahlin zu sehen, wie sie im Leben gewesen seien.

Nach einiger Zeit that Doktor Faustus die Thür auf. Alsobald ging Kaiser Alexander hinein in aller Gestalt, wie er im Leben gehabt, mit rotem Bart und strengem Angesicht, als ob er Basiliskenaugen hätte. Bald darauf kam ihm sein Gemahl entgegen. Beide verneigten sich vor dem Kaiser.

Der Kaiser aber gedachte: „Ich habe oft gelesen, daß Alexanders Gemahlin eine große Warze im Nacken gehabt.“ Er ging hin, um zu sehen und fand die Warze im Nacken der Gemahlin Alexanders.

Nachdem Faustus in der Gegend von Eisleben gewesen war, reiste er wieder etwas mehr südwärts, weil er Geschäfte in Erfurt hatte. Da spazierte er eines Abends mit seinen Freunden vor dem Thore und es begegnete ihnen ein Wagen mit Heu. Da ging aber Faust im Fahrwege und sagte, weil er trunken sei, so müsse ihm der Bauer mit dem Fuder Heu ausweichen.

Als das der Bauer nicht wollte, verblendete er ihn. Diesem erschien aber Doktor Fausti Mundwerk so groß wie ein Zuber. Auch vermeinte er zu sehen, wie Doktor Faust zuerst die Pferde und dann den Wagen mit dem Fuder Heu verschlang.

Der Bauer lief in der Angst zum Bürgermeister. Als der aber ankam, standen Pferde und Wagen da wie gewöhnlich. Ueber den Bauern wurde viel gelacht.

Doktor Faustus fing einen Wucher an, rüstete sich gemästete Schweine zu und verkaufte sie, eins für sechs Gulden, jedoch mit dem Beding, daß der Sautreiber in kein Wasser mit ihnen schwemmen sollte. Darauf zog Doktor Faust wieder heim. Als sich nun die Säue im Kot umwälzten [55] und besudelten, trieb sie der Sautreiber in die Schwemme. Alsbald verschwanden sie und es schwammen lauter Strohwische empor. Der Käufer mußte also mit Schaden abziehen, denn er wußte nicht, wie es zugegangen war, noch wer ihm die Schweine zu Kauf gegeben hatte.

Einst kam Doktor Faust zur Winterszeit an den Hof des Fürsten von Anhalt. Bei Tafel forderte er die Frauenzimmer auf, daß sie sich wünschen sollten, was sie nur möchten. Da antworteten sie, sie wünschten, daß es Herbstzeit wäre und sie Trauben und Obst genug zu essen hätten. Das versprach Faust alles in einer halben Stunde herbeizuschaffen.

Er nahm zwei silberne Schüsseln und setzte sie vor das Fenster hinaus.

Nach einer halben Stunde griff er vor das Fenster und langte die Schüsseln wieder hinein. Darin waren rote und weiße Trauben, desgleichen in der andern Schüssel Äpfel und Birnen, doch von fremder entlegener Landesart.

Sie aßen aber von den Trauben und dem Obste mit Lust und großer Verwunderung.

Der Fürst von Anhalt konnte nicht umhin zu fragen, welche Bewandtnis es mit dem Obst und den Trauben gehabt. Da antwortete Doktor Faustus:

„Gnädiger Herr, Euer Gnaden sollen wissen, daß das Jahr nach den beiden Zirkeln der Welt geteilet ist, und wenn es bei uns Winter, ist es anderswo Sommer. Denn der Himmel ist rund, und wenn die Sonne bei uns so steht, daß wir die kurzen Tage und den Winter haben, so haben sie in Indien Sommer und Obst und Früchte. Darum habe ich meinen fliegenden Geist dahin gesandt, der gar geschwind ist und sich versetzen kann, wohin er will, der hat mir dies Obst und Trauben erobert.“ Solchem hörte der Fürst mit großer Verwunderung zu.

Während der Fastnacht war Faust wieder in Wittenberg und trieb sein Wesen mit den Studenten. Am Fastnachtsdienstag bewirtete er vier Magister und zwar mit Hühnern, Fischen und Braten, aber nur schmal. Er sprach:

„Die Ursach, daß ich Euch mit so geringer Speise traktieret und Ihr kaum den Hunger gebüßt habt, ist diese, daß ich drei Flaschen, eine fünf, die andere acht und wieder eine acht Maß haltend, vor zwei Stunden in [56] meinen Hof gesetzt und meinem Geist befohlen habe, ungarischen, italienischen und hispanischen Wein zu holen. Desgleichen habe ich fünfzehn Schüsseln in meinen Garten gesetzt, die bereits mit allerlei Speisen versehen sind, die ich aber erst wieder warm machen muß.“ Zugleich befahl er seinem Famulo Wagner, einen Tisch zu decken. Er hatte aber die Speisen von der Potentaten Höfen holen lassen, welche auch die Fastnacht feierten.

Am Aschermittwoch kamen die Studenten wieder. Da nahm Doktor Faustus eine Stange und reckte sie zum Fenster hinaus. Alsbald kamen allerlei Vögel daher geflogen und die sich auf die Stange setzten, die mußten bleiben. Als er nun ein gut Teil Vögel gefangen hatte, halfen die Studenten ihm würgen und rupfen: Lerchen, Krammetsvögel und vier wilde Enten.

Nach dem Essen zogen sie in den Mummenschanz. Da trugen sie Gewänder wie weiße Hemden, erschienen aber bald ohne Kopf, bald mit Eselsköpfen unter den anderen. Als es dann zu Tische ging, hatten alle ihre menschlichen Köpfe wieder.

Am lustigsten ging es am Fastnachtsdonnerstage zu. Da setzten die Studenten dem Faust einen gebratenen Kalbskopf vor. Als ihn nun einer von ihnen zerlegte, fing der Kalbskopf an zu schreien: „Mordio, o Weh, was zeihst Du mich? was hab’ ich gethan?“ Da erschraken die Studenten, verzehrten aber doch lachend mit Doktor Faust die Mahlzeit.

An diesem Tage richtete auch Faust einen Schlitten zu in Gestalt eines Drachen. Auf dem Haupte des Drachen saß Doktor Faustus und auf den Rücken setzten sich die Studenten. Auch sah man vier verzauberte Affen auf dem Schwanze, die gaukelten gar lustig. Der eine blies auf der Schalmei und der Schlitten lief von selbst wohin sie wollten. Es schien ihnen aber, als gingen sie in der Luft.

Es waren jedoch nicht bloß die vier Magister, sondern auch viele andere Studenten, darunter etliche Fremde aus Ungarn, Kärnthen, Polen und Oesterreich, die zu Wittenberg mit Doktor Fausto viel umgingen. Diese stellten die Bitte an Faust, als die Leipziger Messe anfing, er möchte mit ihnen dahin ziehen. Etliche unter ihnen hatten auch Vertröstung auf Gelder aus der Heimat daselbst zu empfangen. Als sie nun in Leipzig hin und wieder spazierten, gingen sie auch vor Auerbachs Weinkeller vorbei.

[57] Da waren etliche Schröter, die wollten ein großes Weinfaß von sechzehn bis achtzehn Eimern aus dem Keller schroten, konnten es aber nicht herausbringen.

Da sprach Doktor Faustus: „Wie stellt Ihr Euch so läppisch!“

Herr Auerbach aber sprach zu seinen Gesellen und auch zu Fausto: „Welcher von Euch das Faß allein herausbringen wird, dessen soll es sein.“

Da ging Faustus in den Keller, setzte sich auf das Faß wie auf ein Pferd und ritt es also schnell aus dem Keller, worüber sich jedermann verwunderte.

Dieses Faß gab er seinen Wandergesellen zum besten. Die luden sich noch viele gute Freunde aus der Stadt dazu und hatten doch viele Tage lang an dem Weine zu schlemmen. –

Einstmals ritt Doktor Faust auf einem wunderbaren Pferde zwischen Prag und Erfurt hin und her, um an einer Gasterei teilzunehmen. Als er von Prag wieder nach Erfurt zurückgekehrt war, richtete er selbst dort eine Gasterei an.

Die Gäste waren aber schon versammelt, da klopfte er mit dem Messer auf den Tisch, und kam einer zur Stube hereingetreten, als ob er sein Diener wäre, der fragte:

„Herr, was begehrt Ihr?“ Doktor Faustus forschte: „Wie behend bist Du?“ Er antwortete: „Wie ein Pfeil.“

Faustus sagte: „Geh wieder hin, wo Du hergekommen bist,“ schlug nach einer kurzen Weile wieder mit dem Messer auf den Tisch und fragte wieder den Diener, der jetzt kam: „Wie schnell bist Du?“ Er antwortete: „Wie der Wind.“

„Du bist auch noch nicht zu gebrauchen,“ sagte Faust, schlug wieder auf den Tisch und es kam ein Geist, der war so schnell als die Gedanken des Menschen. „Nun recht,“ sprach Faustus, „Du wirst’s thun.“

Er stund auf, ging mit ihm hinaus und befahl ihm, welche Speisen er für seine lieben Gäste holen sollte.

Der Geist aber brachte sechsunddreißig Speisen ohne das Obst, Confect und Kuchen.

Alle Becher aber, Gläser und Kannen wurden ledig auf den Tisch gesetzt.

[58] Jeder brauchte nur zu sagen, was er trinken wollte. Dann setzte Doktor Faustus das Trinkgefäß vor’s Fenster und sogleich war es voll desselben Getränkes, so frisch, als wenn’s eben aus dem Keller käme. –

Doktor Faustus spazierte einmal zu Köln mit einem seiner guten Bekannten, und wie sie mit einander von Mancherlei schwatzen, begegnet ihnen ein Pfaff, der eilte der Kirche zu und hatte sein Brevier, so fein mit silbernen Buckeln beschlagen war, in der Hand. Fausto gefiel das Büchlein wohl, dachte, du kannst bei einem anderen ein Gratias damit verdienen und sagte zu seinem Gesellen: „Schau, schau den Pfaffen, wie ein geistliches Gebetbuch hat er in der Hand, da Schellen die Responsorien geben.“ Dies erhört der Pfaff, sieht auf sein Buch und wird gewahr, daß es ein Kartenspiel ist. Nun hatte der Pfaffe eben gerade diesmal zu Hause gespielt und meinte, er habe in der Eil’ die Karten für das Brevier unversehens ergriffen, wirft’s deswegen aus Zorn von sich weg und geht brummend seines Weges. Faustus und sein Geselle lachten des Pfaffen, huben das Buch auf und ließen den Pfaffen gehen und ein ander Brevier kaufen. –

Einstmals kam Doktor Faustus in der Fasten gen Frankfurt auf die Messe. Da berichtete ihm sein Geist Mephistopheles, wie in einem Wirtshause vier Zauberer wären, die einander die Köpfe abhieben und zum Barbier schickten sie zu barbieren, um sie dann wieder aufzusetzen.

Faust ging also dahin solches auch anzusehen und fand die Zauberer schon zusammen, um die Köpfe abzuhauen und den Barbier bei ihnen, der sie putzen und waschen sollte.

Auf dem Tisch aber hatten sie ein Glasgefäß mit destilliertem Wasser.

Der vornehmste Zauberer unter ihnen aber zauberte dem ersten eine Lilie ins Glas, die grünte und blühte und er nannte sie Wurzel des Lebens.

Darauf schnitt er dem Ersten den Kopf ab, ließ ihn barbieren und setzte ihn hernach wieder auf. Da verschwand die Lilie und der Mann hatte seinen Kopf wieder.

So geschah es auch mit dem Zweiten und Dritten.

Da kam die Reihe an den vornehmsten der Zauberer. Seine Lilie blühte und grünte auch im Wasser, als man seinen Kopf barbierte und wusch in Fausti Gegenwart.

[59] Da ging Faustus hin, nahm ein Messer, hieb damit nach der Lilie und schlitzte den Blumenstengel von einander, dessen niemand gewahr wurde.

Da konnten die Zauberer ihrem Gesellen den Kopf nicht wieder aufsetzen und dieser mußte in seinen Sünden sterben. Die hochmütigen Zauberer wußten aber nicht, daß es Faust gethan hatte, denn er war klüger als sie. –

Am Christtage im Dezember, da Doktor Faust zu Wittenberg war, kamen viele adelige Frauenzimmer dahin, ihre Brüder, welche dort studirten, zu besuchen.

Die jungen Herrn von Adel hatten gute Kundschaft zu Doktor Faust. Er war etliche male zu ihnen gerufen worden, und wollte dies nun vergelten.

Da lud er sie nebst den Frauenzimmern in seine Behausung zu einer Nachmittagszeche. Es lag aber draußen großer Schnee.

Nun gab es in Doktor Fausti Garten ein lustig und herrlich Spektakel. In demselbigen Garten war nämlich kein Schnee zu sehen, sondern ein schöner Sommer mit allerlei Gewächs, daß auch das Gras mit allerlei schönen Blumen grünte und blühte. Es waren da auch schöne Weinreben mit allerlei Trauben behangen, nicht minder weiße, rote und fleischfarbene Rosen nebst vielen anderen schönen wohlriechenden Blumen, welches eine herrliche Luft zu riechen gab.

In einer fürnehmen Reichsstadt hatte Doktor Faustus viele stattliche Herren zu Tische geladen und doch nicht für sie zugerichtet.

Doktor Faustus wußte aber, daß an diesem Tage bei angesehenen Bürgern eine Hochzeit gefeiert wurde. Da machte er in ihrem Hause einen Sturmwind durch den Schornstein und löschte alle Lichter aus. Wie es nun dunkel geworden war, ließ er von den Geistern die schönsten Braten von dem Bratspieß nehmen und auf seine Tafel bringen. Alsdann machte er sich selbst auf und holte für seine Gäste den besten Wein aus Fuggers Keller.

Damit waren aber die Gäste noch immer nicht zufrieden und begehrten noch eigens ein Gaukelspiel von Doktor Faust, der sich dessen diesmal sehr ärgerte.

Da ließ er vor der Nase eines Jeden auf dem Eßtische eine Traube an einer einzigen Rebe wachsen. Nun mußte jeder seine Traube mit der [60] einen Hand und mit der andern das Messer zum Abschneiden halten. Bei Leibe sollte aber keiner zuschneiden.

Nun ging Faust aus dem Gemache. Da wich allmählig der Zauber von ihnen und sie sahen, daß sie sich einander an den Nasen hielten, auch eben im Begriff waren sich dieselben abzuschneiden. –

Doktor Faustus hat auch einmal in der schwäbischen Stadt Heilbronn gelebt. Auf einen Tag, da er sich einen guten Rausch getrunken hatte mit seinem Freunde und Hauswirte Braeunle, trieb in der Abendzeit der Kuhhirt die Kühe an Braeunle’s Wohnung vorüber.

Auch andere Tiere waren noch in der Heerde, denn diese machten nicht nur ein entsetzliches Gebrüll, sondern auch ein Geblöke und ein Geplärr, als ob Kühe, Schafe und Ziegen durcheinander gingen.

Dem Doktor Faustus war das sehr zuwider. Er sprach einige Worte, da verstummten die Tiere und bekamen sogar die Maulsperre, worüber die Viehmägde gewaltig erschraken. –

Einstmals ging Doktor Faustus mit Braeunle und anderen Bürgern von Heilbronn nach Weinsberg. Sie ließen sich dort eine Mahlzeit zurichten und machten sich erst spät auf den Heimweg. Faust blieb in Weinsberg zurück.

Als sie ankamen, wurde in Heilbronn soeben das Thor geschlossen.

Da liefen sie, was sie nur konnten, als sie aber in der Stadt waren, da fragte einer: „Wo trinken wir noch ein Mäßlein Wein?“ Ein andrer sagte: „Wenn nur der Faust da wäre, da würde es lustig werden, da ginge ich auch gern mit“. Da kam aber eben der Faust daher, trat wieder zu ihnen, schon war er in der Stadt so gut als die andern und fragte: „Gelt denn, wo trinken wir noch ein Mäßlein Wein?“ –

Auch in Wien ist Doktor Faust einst gewesen. Da kam ihm die Lust an auf der Donau zu schiffen. Er ging also hinaus und fragte, ob nicht ein Schiff nach Regensburg abgehen würde. Da bekam er die Antwort: „Am andern Tage“, worauf er heimging und am andern Tage wiederkam.

Da sah er, daß man einen großen Haufen Pferde vor das Schiff spannte. Er fragte, was das bedeuten solle.

Die Schiffer antworteten: „Die Pferde sollen das Schiff hinaufziehen“.

Darauf lachte er sehr und sagte, solcher Torheit bedürfe es nicht. Man könne das Schiff ohne Pferde viel leichter hinaufbringen.

[61] Die Schiffer fragten ganz zornig, wie er das machen wolle.

Faust antwortete, er hätte einen Affen, der solle alles allein hinaufschaffen. Da antwortete der Schiffsherr, er solle sie nicht zum Besten haben, sonst würde es ihm übel ergehen. Faust aber zog fünfzig Thaler aus der Tasche und sagte: „Wer Lust zu wetten hat, der setze ebensoviel Geld dagegen“.

Ein reicher Kaufmann, der mitfahren wollte, sagte zu Faust, ihm müsse es wohl nicht sauer werden, das Geld zu verdienen, sonst nähme er es gewiß besser in Acht.

Faust antwortete: „So er Mut hätte, sollte er doch selbst mit ihm wetten“.

Da sagte der Kaufmann zu den Schiffern: „Ich sehe wohl, diesem Manne wird das Geld zu warm in der Tasche, ich will ihm etwas davon abnehmen“.

Darauf setzte er fünfzig Thaler dagegen. Den Schiffern mußte er sogar noch fünf Thaler bezahlen, damit sie nur ihre Pferde ausspannten.

Da spannte Faust seinen Affen ein, der zog das Schiff so geschwinde stromauf, daß sich alle verwundern mußten.

Am meisten aber verwunderte sich der Kaufmann, weil er seine fünfzig Thaler an Faust verlor.

Es war im 24. Jahre des Bündnisses zwischen Faust und dem Teufel, als seine Freunde, welche meistens Studenten waren, erst von ihm erfuhren, daß er sich dem Teufel verschrieben habe und daß er nur noch einen Tag leben werde. Er hatte sie zu sich berufen, um ihnen dies zu bekennen. Auch wollte er sie noch ermahnen oder doch seine tiefe Reue sehen lassen. Sie sollten aber bei ihm bleiben, bis er tot wäre.

Diese Studenten und guten Herren, als sie Faustum gesegneten, weinten und umfingen einander.

Doktor Faustus aber blieb in der Stube. Und als die Herren sich zur Ruhe begaben, konnte keiner recht schlafen. Es geschah aber zwischen 12 und 1 Uhr in der Nacht, daß gegen das Haus her ein großer ungestümer Wind sich erhob, welcher das Haus von allen Seiten umgab, als ob er es zu Boden reißen wollte.

[62] Die Studenten sprangen aus den Betten, huben an einander zu trösten, wollten aber nicht aus der Kammer, in der sie schliefen.

Endlich hörten sie ein gräuliches Pfeifen und Zischen, als ob das Haus voller Schlangen und Nattern wäre. Indem geht bei Doktor Faust die Stubentür auf.

Er fängt an um Hilfe zu schreien, aber bald wird es still. Am andern Morgen machten sie sich erst in Fausti Stube. Da war alles mit Blut bespritzt, aber der Leib lag draußen auf dem Mist.

Die ganze Sage von Faust haben einige für eine bloße Erdichtung zur Verunglimpfung des Häretikers Faustus Socinus gehalten. Andere hingegen behaupten, die Mönche, welche durch Johann Fausts Erfindung der Buchdruckerkunst ihren Verdienst vom Abschreiben der Bücher gänzlich eingebüßt, hätten die neue Erfindung aus Rache als Teufelswerk verschrieen und dem Namen Faust durch die Erdichtung eines Doktor Faust, der sich dem Satan verschrieben habe, einen Schandfleck anheften wollen.

Gegen dergleichen Einwendungen würde sich nun auch wenig sagen lassen, wenn es eben nicht gewiß wäre, daß der Doktor Faust, welcher sich für einen Zauberer ausgab, in Kreuznach Rektor gewesen ist.

Es schrieb nämlich Tritheim am 20. August 1507 aus Würzburg an einen Freund, Georg Sabellicus Faustus, welcher sich einen Erz-Zauberer zu nennen gewagt habe, sei ein prahlerischer Vagabund, den man durchpeitschen solle, damit er sich künftig hüte, so verruchte kirchenschänderische Dinge öffentlich zu betreiben. Die Titel, die er sich beilege, könnten nur seine Verrücktheit und seinen Wahnsinn beweisen. Tritheim fährt fort: „Sieh da, wie weit die unbesonnene Torheit eines Menschen sich bis zum Wahnsinne versteigen kann, daß er sich der Zauberei rühmt, da er doch, ohne alle rechte Bildung, sich vielmehr für einen albernen Menschen, als für einen Magister hätte ausgeben sollen. Aber ich kenne seine Schlechtigkeit gar wohl. Als ich im vorigen Jahre aus der Mark Brandenburg heimkehrte, traf ich denselben Menschen in Gelnhausen, wo man mir in der Herberge allerlei frivole Streiche, deren er mit vieler Keckheit sich rühmte, erzählte. Sobald er meine Anwesenheit erfuhr, machte er sich aus dem Staube und konnte durch nichts bewogen werden, vor mich zu treten. Einige Priester aus der Stadt überbrachten mir, er habe in Vieler Gegenwart [63] ausgesagt, er besitze eine solche Kenntnis und ein solches Gedächtnis, daß, verschwänden mit einem Male sämmtliche Werke des Aristoteles und Plato mit ihrer Philosophie gänzlich aus der Menschen Gedanken, er sie wieder durch sein Genie, wie ein anderer Esra, und mit größerer Eleganz wiederherstellen wolle. Darauf kam er nach Würzburg und soll daselbst in großer Gesellschaft ebenso gewindbeutelt haben: des Heilands Wunder seien eben nicht so zu bewundern; auch er könne Alles machen, was Christus gethan, so oft und wann er wolle. In diesem Jahre (1507) kam er auch nach Kreuznach, und versprach ruhmredig unerhörte Dinge, indem er sich für den vollkommensten Alchymisten aller Zeiten ausgab, und Alles zu wissen und zu können behauptete, was man nur wolle. Da gerade die Rektorstelle am Gymnasium daselbst vacant war gab man sie ihm auf Empfehlung Franz von Sickingens, eines Mannes, der viel auf Geheimkünste hält. Aber er verübte so schändliche Greuel, daß er bei Nacht und Nebel der wohlverdienten Strafe entfliehen mußte“.