Die Kunstausstellung in Dresden betreffend (1805)

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Autor: Unbekannt
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Titel: Die Kunstausstellung in Dresden betreffend.
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aus: Archiv für Kunstfreunde und Kunstliebhaber.
IV. Stück, S. 101–121
Herausgeber: Walther
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Erscheinungsdatum: 1805
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Erscheinungsort: Dresden
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
Kurzbeschreibung: Katalog der Ausstellung siehe: Verzeichniß der am Friedrichstage im Jahre 1805 in der Churfürstl. Sächsischen Akademie der Künste öffentlich ausgestellten Kunstwerke
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[101]
IV.
Die Kunstausstellung in Dresden betreffend.




Auszug eines Schreibens
an einen Freund in Königsberg, die Ausstellung der Dresdner Kunstakademie am 5. März 1805 betreffend.

Ich glaubte nicht, dass ich Ihnen noch einmal von hier aus schreiben würde. Meine leztere Zuschrift vom 28. Febr. werden Sie vermuthlich richtig erhalten haben, worin ich Ihnen von meinem angenehmen Aufenthalt allhier Nachricht gab. Von ohngefähr machte ich Bekanntschaft mit einigen würdigen und berühmten Künstlern der hiesigen Kunstakademie, von denen ich erfuhr, dass am 5. März, wie gewöhnlich, an des Churfürsten Namenstage, eine Ausstellung von Gemählden vor sich gehen würde.

Sie kennen schon meine Achtung für diese Akademie, und meine Liebe zu Künsten und Wissenschaften, um zu begreifen, dass ich deswegen meinen Aufenthalt gern verlängerte. Das Verzeichniss der diesmaligen Kunstwerke enthält 420 Nummern. Glauben Sie aber ja nicht, dass dieses lauter Meisterstücke sind; es wäre auch nicht möglich! In der That schreckte mich beym ersten Blick das Verzeichniss zurück, weil es mit Schülerarbeiten anfängt; so wie bey den meisten Schulaufzügen [102] die Septimaner vorausgehen und die Primaner mit den Schullehrern zuletzt folgen. Ich will Ihnen daher die Einrichtung dieses Verzeichnisses selbst hierher setzen.

1.) Die Meissner Zeichenschule, nebst den Stücken der Porzellanmanufaktur. 2.) Die Leipziger Schule. 3.) Von Schülern der Schulanstalt des Schulraths Günther, welche mit der Akademie in keiner Verbindung steht. 4.) Von Schülern des Hofbaumeisters und Professors Hölzer; nebst den übrigen Schülern der Akademie. Diese füllen 28 Seiten. 5.) Von S. 29 bis 32 stehen die Kunstwerke der Professoren und Mitglieder der Akademie etc. Nebst einem Nachtrage von Schülern der Neustädter Polizeyschule. Dieses Verzeichniss wird mit 4 gl., so wie der Eintritt mit 2 gl. bezahlt. Ein Namenregister würde dieses Verzeichnis brauchbarer machen.

Erwarten Sie keine ausführliche Beschreibung aller dieser Kunstarbeiten. Ich übersende Ihnen blos einige Bemerkungen über die vorzüglichsten Kunstwerke dieser Ausstellung, die meinen ganzen Beyfall erhalten haben.

Zugleich muss ich noch bemerken, dass unter der Menge von Schülern sich viele auszeichnen, die für die Zukunft viel versprechen.

Nun zur Hauptsache! und zu den versprochenen Bemerkungen, die ich mit aller Empfindung für das Schöne, Ihnen mit Vergnügen mittheile.

Von Herr Anton Graff, Professor und Hofmahler allhier: Der regierende Fürst Reuss von [103] Greitz, als General in K. K. Uniform, in ganzer Figur, Lebensgrösse, in Oel. Dieser Fürst lebt gleichsam im Bilde; und was noch mehr ist, so steht derselbe so frey und ungezwungen mit entblösstem Haupte da, sein Casquet in dem rechten gesenkten Arm und Hand haltend, wie im Begriff hervor zu treten. Die ihm umgebende Landschaft ist glücklicher Weise, sehr wohl in die hierzu passendeste Luftperspektive gesetzt, wodurch die höchste Täuschung vollkommen erreicht worden ist. Dieses Letztere kann man mit Recht, ein Wagestück der Mahlerkunst nennen; welches wenigen Künstlern alter und neuer Zeiten so geglückt ist. Selbst der grosse Tizian wagte es nicht – indem er durch dunkle Hintergründe, seine Figuren hervorstechend machte – welches jedesmal zwar leichter, aber doch niemals die übereinstimmende Wahrheit der Natur überträgt. Daher ist in diesem Gemählde eine Uebereinstimmung des Ganzen bewirkt, welches nur dem geübtesten Pinsel eines Graff möglich zu machen ist. Verzeihen Sie, dass ich über diesen Punkt einiges Licht verbreitet, da es in jeder Rücklicht äusserst interessant ist, wenn es, wie hier, so glücklich erreicht worden. Besonders noch, da schon mehrere Künstler hierinnen Schiffbruch erlitten haben, wenn sie etwas ähnliches liefern wollten.

Das zweyte Stück von gleichen Verdiensten stellet ein Portrait eines Liefländischen Edelmanns, Herrn von Tiesenhausen vor, welches beweisst, dass der Künstler im Stande ist, mehrere dergleichen wichtige Kunstwerke zu liefern. Es ist gleichfalls in [104] Lebensgrösse in ganzer Figur, stehend gemahlt; wie er mit seinem rechten Ellbogen, die Hand in den Busen haltend – sich auf einen Stein stüzt und in seiner linken Hand ein Stöckchen, und den Hut unter dem Arme trägt. Er ruhet zu gleicher Zeit mit auf seinem linken Fuss und hat den rechten darüber geschlagen. Sein Anzug ist blau mit grauem Unterkleide, in Stiefeln. Ueberhaupt giebt Herr Graff seinen Portraiten, schon durch eigene natürliche Stellungen, einen vorzüglichen Werth. Der ganze Körperbau dieses schönen jungen Mannes zeiget sich in einer augenblicklichen Ruhe.

Noch ein drittes Gemählde von ihm, welches den Grossbritannischen General-Lieutenant von Miron in rother Uniform mit blauen Aufschlägen im Brustbild vorstellt, verdient wegen getreuer Nachahmung der Natur, alle nur mögliche Achtung. So wie Herr Graff überhaupt so glücklich ist, den männlichen Charakter im besten Lichte vollkommen darzustellen.

Vom Herrn Direktor und Professor Schenau.

Dieses Oelgemählde stellt die Verbindung des Antiochus mit der Stratonice vor. Des Antiochus Arzt schrieb seine Krankheit einer verheimlichten Liebe zu. Sein Vater, der König Seleucus, liess daher alle Damen vor seinem Krankenbette vorübergehen, während der Arzt ihm an den Puls fühlte. Als die schöne Stratonice vorbey gieng, änderte sich sein Befinden plötzlich, und der König gab sie ihm daraus aus Grossmuth zur Gemahlinn. – Diese in jedem Betracht [105] angenehm vorgestellte Scene, so oft sie auch von jeher Künstler zum Gegenstand ihrer Werke wählten, ist sicherlich eines der vorzüglichsten Stücke dieses praktischen Meisters. Es wird schwerlich einem andern gelingen, diesen kranken Jüngling, so passend darzustellen. Man würde sehr unrecht thun, wenn man alle Vollkommenheiten in seinen Werken vereinbaret finden wollte. Er ist dennoch der Lairesse unserer Zeiten, besonders wegen des Reichthums seiner grossen Composition; wegen der sehr angenehmen Darstellungen, wo das mahlerische Feuer des Meisters mit einer gewissen Delicatesse vereinbart, sich dem Auge darstellet. Ueberhaupt ist er jezt in grossen Compositionen glücklich. Z. B. werden Sie sich noch aus Meusel’s neuen Miscellaneen eines seiner schönen Stücke erinnern: Die Geburt der Pandora etc. nach dem Hesiodus, das er noch besizt.

Das zweyte Stück: Die Macht der Beredsamkeit. Phryne war nach dem Pausanias von dem strengen Gerichtshofe der Heliasten zum Tode verurtheilt. Der Redner Hyperides liess sie selbst vor ihre Richter treten – entschleyerte sie bey seiner Vertheidigungsrede – und die Richter sprachen sie frey. Von gleichem Werth, wie die beyden folgenden: als

Drittens: Amor, der sich bey dem Schmetterlingfangen in die Finger gerizt hatte. Nach einer Idee des Dichters Kleist.

Viertens: Psyche, welcher die Ameisen beystehen, da ihr die Venus zur Strafe auferlegt hatte, [106] verschiedene Sämereyen, die durch einander gemengt waren, auseinander zu lesen.

Auch seine Schüler versprechen viel Gutes für die Zukunft.

Von Herrn Grassi, Direktor und Professor der Akademie.

Er besizt ein grosses Talent in Erreichung der weiblichen Grazie. Ein Verdienst, welches sowohl den Meister, als auch vorzüglich seine Werke auf die späteste Nachwelt bringen wird. Als Beweis dient das Portrait einer jungen Fürstinn Czartorinska in einer forteilenden Stellung, ein Kniestück. Diese brunette Dame hat einen so sanften Blick in ihren Augen, welcher aus dem Bilde zaubert. Mit ihrem rechten Arm hält sie ihren fliegenden rothen Mantel an ihren Leib; so wie ihr linker sich erhebt, ihn auch zu fassen. Das Unterkleid ist paille. Dieser Kopf mit aufgelockten schwarzbraunen Haaren, ist eines van Dyck’s würdig. Der übrige Körper ist weniger gelungen. Aber dieses Gemählde als Portrait, war eigentlich nicht für die Ausstellung bestimmt. Dann folgt:

Das Brustbild der regierenden Herzoginn von Sagan in altspanischer Tracht, mit einem stehenden Kragen. In diesem schönen Gesichte zeiget sich ein wahrer Zauberpinsel des Meisters. Im ganzen Kopfe findet sich etwas Einziges in seiner Art; nämlich die reflectirte Beleuchtung der Schatten, durch welche die vollkommene Klarheit der feinen Haut, über das ganze Gesicht verbreitet wird. Ferner:

[107] Das Portrait des Russischen Fürsten Trubetzkoj, in ganzer Lebensgrösse, wie er sich an ein Piedestal anlehnt und in einem schwarz seidenen Kleide da stehet. Den rechten Arm herabsenkend, in welchem er seinen Hut in der Hand hält. Ausser der sprechenden Aehnlichkeit, hat dieses Bild noch grosse mahlerische Vorzüge. Jedoch wünschte ich, dass der Künstler den rechten anstatt den linken Fuss zum Standbein gewählt, und hierdurch mehr Contrast in seine Figur gebracht hätte; nachdem der ganze Körper ohnehin sich auf das linke Bein gestemmt hat. Jedoch ist diese Stellung immer natürlich.

Desgleichen gefiel mir von ihm ein Mädchen von ohngefähr zwey Jahren als Psyche; welches eine Prinzessin von Coburg seyn soll. Ein schönes Kind, mit Anmuth eine Taube mit ihren beyden Händen an ihre Brust drückend, indem andere Tauben herum flattern. Ausser einem modernen Röckchen ist sie ganz unbekleidet, und steht auf einer blumenreichen Wiese in freyer Landschaft.

Von Tischbein, Director und Professor der Leipziger Schule.

Dieser hat, wegen andern wichtigen Geschäften, nicht Zeit gehabt, ein nach seiner erprobten Geschicklichkeit, vollkommenes Hauptstück zu liefern. Indessen ist ihm das sich hier befindliche Portrait sehr wohl gerathen, woraus man schon den grossen und praktischen Mahler erkennen kann.

[108]

Vom Herrn Professor Klengel.

Ein Sturm in einer Landschaft in Oel, zeichnet sich besonders aus. Dieser wilde Gegenstand der befruchteten Natur, stellet sich hier dem Auge getreulich dar. Ferner:

Ein nächtlicher Mondenschein, über eine schöne fruchtbare Gegend, welche allen nur möglichen Reitz einer kühlen Sommernacht gewährt. Etwas mehr Luftperspective würde diesen äusserst schönen Gegenstand noch anmuthiger dargestellt haben. Uebrigens verliert dabey, in Ermangelung desselben, das Ganze gar nichts. Ich halte es nur mit jenem grossen Meister, welcher sagte: „Der Künstler muss wissen, wann es Zeit ist, an seinem Werke aufzuhören.“ Dann

Ein Untergang der Sonne. Dieser äusserst delicate Gegenstand der schönsten Naturbegebenheiten, (welchen die Kräfte unserer Farben freylich nicht ganz gewachsen sind); doch hat der Künstler hierbey alles mögliche geleistet. Durch eine verständige Abstufung des Ganzen, hat er eine sehr angenehme Wirkung in sein Gemählde gebracht. Eine Wirkung, welche durch eine votreffliche Aufthürmung leichter Gewölke über den Hügel, wo die Sonne untergeht, um ein merkliches vermehrt wird.

Die gegenwärtige Ausstellung hat in diesem Fache wirklich schöne Gegenstände; so dass es mich wundert, dass hiesige vermögende Einwohner, nicht, nach ihrer eigenen Empfindung und ihres Vergnügens halber, welches ihnen zugleich die grösste Ehre machen würde, wenigstens nur nach und nach von erwähnten Kunstwerken [109] sich etwas eigen zu machen suchen. Schon der Patriotismus sollte dieses bewirken! Die schönsten Sachen gehen daher alle in andere Länder.

Von Herrn Professor Adrian Zingg.

Zwey Landschaften: der Giebichenstein bey Halle. Zeichnungen nach der Natur.

Von diesem vortrefflichen Künstler brauch’ ich Ihnen nichts weiter zu sagen, nachdem Sie ihn schon rühmlichst aus seinem schönen neu herausgegebenen Kupferwerke kennen. Auch manche von seinen Schülern zeigen grosse Talente in dieser Kunst.

In der Baukunst sind ebenfalls schöne Zeichnungen ausgestellt.

Von Hrrn. Pochmann, Mitglied der Akademie.

Das Portrait der Demoiselle Christ, Tochter des Schauspielers, in historischer Stellung; auf einem Lehnstuhl sitzend, in weisser Kleidung mit grünem Schawl, mit dem rechten Arm, auf die Stullehne gelehnt, in der linken Hand ein Buch haltend, welche herabgesenkt auf ihrem Schoosse liegt. Dieses schöne Portrait hat, ausser einer richtigen Zeichnung und kräftigem Kolorit, das grosse Verdienst einer trefflichen Haltung im Ganzen.

Das zweyte Gemählde stellt die grosse Dichterinn Sapho vor, wie sie vom Amor begeistert wird. Lebensgrösse, ganze Figur. Sappho in einer Landschaft unter Bäumen auf einem erhabenen Erdhügel sitzend und in die Höhe blickend, hält mit ihrer [110] rechten Hand eine Rolle auf ihrem erhabenen rechten Schenkel ruhend, indem der linke Fuss ausgestreckt ist. In der linken Hand hält sie einen Griffel. Weiss gekleidet mit blauem Mantel. Hinter ihr lispelt ihr der kleine Amor ins Ohr, auf den Himmel zeigend, auf welchen sie aufmerksam hinblickt, – Dabey muss ich Ihnen melden: dass dieses Gemählde schon verkauft worden ist, ehe es der Künstler geendiget hatte. Dieses giebt zwar wenig Versicherung über die Würde von dessen höherer Kunst, welche dieses Gemählde im Ganzen besizt. Daher ich Sie versichern kann, dass sowohl Erfindung überhaupt, als richtige Zeichnung vereinbart mit einem dauerhaften markigten Kolorit, die Eigenschaften dieses schönen Gemähldes ausmachen.

Von Vogel, Mitglied der Akademie.

Dieser für die glückliche Nachahmung der jugendlichen Natur äusserst empfindsame Künstler, hat sich diessmal in Rücksicht seiner vorherigen Mahlereyen selbst übertroffen; wie viele Personen diese Bemerkung machten. Und zwar erstlich durch einen zwölfjährigen Knaben, welcher an einem mit Büchern und Schreibezeug belegten Tische sizt, um emsig sich zur Schule vorzubereiten. Dieses Gemählde ist in Lebensgrösse fast ganze Figur; welche in einer vorwärtsgebeugten Lage zum Schreiben gerichtet ist. Schon der schöne Contrast der Hände, nebst der Wendung seines Körpers, ist allein der Natur sehr getreu; aber [111] noch überdieses durch eine sanfte Beleuchtung des Tageslichts, in eine richtige Haltung gebracht.

Das zweyte Gemählde stellt einen Knaben vor, welcher seine jüngere Schwester in einen Garten begleitet. Leztere trägt ein Körbgen mit Blumen am Arme. Auch dieses zeigen die ganzen Verdienste des Künstlers in glücklicher Nachahmung der zarten Natur.

Von Herrn de la Rive Godefroy aus Geneve.

Ansicht um Presinge, dem Wohnort des Künstlers, zwey Stunden von Geneve.

In dieser Landschaft sieht man in der Ferne den Montblanc. Ihr gebührt der erste Rang in diesem Fache. Vorzüglich in der Luftperspective herrscht eine Vollkommenheit, welche bey den meisten Landschaften vermisst wird. Kein mahlerischer Geist ist im Stande, eine vollkommenere Zusammensetzung der gewählten Gegenstände zu erfinden, welche ein solches harmonisches Ganze ausmachen, als uns hier die Natur selbst gewährt hat. Durch dieses, mit der angenehmsten Beleuchtung vereinbaret, hat der geübte Pinsel des Künstlers ein solches Meisterwerk bewirkt. Desgleichen auch durch die ländliche Ausstaffirung durch Figuren und Vieh, welche wohl angebracht, und im Geschmack eines Berghem ausgeführt sind.

Die zweyte Aussicht des Montblanc ist der ersten würdig. Obgleich dieser Gegenstand bey Unbekannten dieser Art Natur, nicht gleiche Wirkung machen wird. Die goldene Reverberation der gegen den Untergang sich neigenden Sonne an diesem kahlen Schnee- und [112] Eisgebirge, ist eben der glüklichste Zeitpunkt um diesen kalten Gegenstand der Natur mit der benachbarten Fruchtbarkeit dieser reizendesten Gegend harmonisch darzustellen. Jeder aufrichtige Kenner muss gestehen, dass diese schwere Aufgabe hier zu einem schönen Ganzen erreicht worden ist.

Von Demoiselle Friedrich, Mitglied der Akademie.

In ihrer bekannten schönen Manier, der Natur sehr getreu, ein Blumenstraus in einer Vase, auf dem Vorgrunde Pfirschen; nebst einem Glas mit einem Laubfrosche, welcher auf den Raub einer Fliege lauert. Noch könnte sie dem Froschglase eine Lassur geben, wodurch die Lichtstrahlung und Stärke des Glases mehr ausgedrückt werden würde; wovon sie schon meisterhafte Proben gegeben.

Von Hrn. Fr. Matthäi, Mitglied und Professor honorarius der Akademie zu Florenz.

Semir und Semira. Aus Gessner’s Gemählde der Sündfluth. Lebensgrösse, ganze Figuren, in Oel.

Dieses in jeder Rücksicht sehr ausdrucksvolle Gemählde, hat noch überdieses ein ganz eigenes Verdienst, dass diesen jungen Künstler sein Aufenthalt in Italien, bey dem Genusse der dasigen Kunstwerke glücklicherweise dahin bewogen hat, seine vorige Manier in die kräftige Italiänische der grössten Meister abzuändern, und uns in diesem Gemählde, den wahren [113] historischen Stil darzustellen, welcher wirklich nicht, wie Nichtkenner glaubten, an Härte grenzt.

Ein Beweis von seinen Talenten ist dieses, wie bereits in diesem Archiv, 2. St. S. 155 angeführt wurde, dass er im verwichenen Jahre von der Akademie in Florenz, den ersten Preis der Mahlerkunst erhalten. Was wird dieser junge Mann noch in Zukunft leisten! – Da er noch überdieses bey Abzeichnung der Churfürstlichen Antiken zu Beckers Augusteum allen andern Zeichnern vorzuziehen ist; wodurch er den nach ihm arbeitenden Kupferstechern eine glücklichere Bahn gezeigt hat, wie die ausgestellten Blätter hinlänglich beweisen.

Von Dan. Caffé.

Dieser zeigt sich als ein geübter Pastelmahler und Nachahmer der Natur in Portraits in der Mengsischen Manier ganz vorzüglich. Sowohl das Portrait des Kupferstechers Brückner; desgleichen jenes des Landkammerraths von Niebecker, Kniestück – und das Brustbild seiner Gemahlinn sind ein Beweis davon. Auch versteht er alle Arten von Atlas und Faltenwurf gut auszudrücken.

Von C. L. Kaaz aus Würtemberg.

Dieser würdige Künstler hat sich in seinen prachtvollen Landschaften ausgezeichnet:

Erstens: Der Morgen; eine Landschaft, worauf Landleute mit Musik zur Arbeit aufs Feld ziehen.

[114] Zweytens: Der Abend; eine Landschaft, worauf zwey Reiter nach einer Felsenburg reiten.

Er versezt uns in eine fruchtbare Gegend, und ahmt darin den grossen Caspar Poussin in seiner weit umfassenden Manier nach. Er liefert, verkannt wegen Kleinigkeiten, die jetzigen Gegenden Italiens in mahlerischem Sinne. Vorausgesezt, dass er durch Gewinnung mehrerer Zeit, gewiss das wenige Schneidende, wie auch den hierzu gehörigen Schmelz verbessern wird.

Von Moritz Retzsch, Schüler des Professor Grassi.

Ajax Oileus, der, als er den Umgang der Menchen floh, sich eine Schlange erzog, die ihm nachher immer begleitete. Er ist nackend gemahlt, mit einem Casquet oder Helm auf dem Haupte. Dieses Gemählde hat, ausser einigen Zeichnungsfehlern, ein vorzüglich angenehm warmes und kräftiges Colorit. Kurz, dieser junge Künstler verspricht in der Folge weit mehreres leisten zu können.

Eine Diana, Kniestück, Lebensgrösse. Auch dieses mit vieler Grazie und gefälligem Colorit dargestellte Bild, verdient alles Lob. Desgleichen auch seine akademischen Zeichnungen, welche diesem beygefügt sind.

Hier bleibt mir zu wünschen übrig, dass man harmonischer in der Aufhängung von Kunstwerken verfahren, [115] und keine Kupferstiche und Zeichnungen neben Gemählde aushängen möchte.

Desgleichen verdient auch sein Bruder August Retzsch, alle Achtung, wegen seiner Kenntnisse in Landschaftmahlen in Oel. Eine Gegend aus dem Hoflösnitzer Grunde bey Dresden, ist ihm gut gelungen.

Von Demoiselle Richter, einer würdigen Schülerinn der berühmten Künstlerinn Demoiselle Friedrich.

Diese hat sich besonders durch ein schönes Blumenstück ausgezeichnet, welches ein Geranium in einem Blumentopfe, nebst angebrachten Rosen und einem Körbchen Kirschen etc. darstellet. Ersteres wird durch die Richtigkeit der perspectivischen Ansicht in der veränderten Lage jedes Blättchens und dessen richtiger Färbung bis zur höchsten Täuschung gebracht. Kurz, alles ist der Natur vollkommen getreu, bis auf eine Fliege, welche die würdige Künstlerinn unausgearbeitet gelassen hat.

Von Demoiselle Freystein, Schülerin vom Professor Klengel.

Drey Landschaften, selbst erfunden und in Oel gemahlt. Eine kühne Manier in männlicher Kraft eines Ruisdaal macht das grosse Verdienst dieser Landschaften aus. Zu wünschen wär’ es, dass sie künftig ein grösseres Format wählen möchte, um die Wirkung des Lichts mehr anzubringen.

[116]

Von Arnold.

Zwey Körbchen mit Rosen in Wasserfarben. Diese sowohl, als seine vorherigen Blumenstücke, haben das eigene Verdienst der Leichtigkeit, welches in der Darstellung solcher Gegenstände ein höchstnöthiger Kunstgriff ist. Ueberdieses noch, versteht er die Zusammensetzung so vollkommen, dass ein Gegenstand des andern Reiz vermehrt, und überhaupt alles zusammen, einen einzigen Gegenstand ausmacht.

Von Stamm.

Eine gebirgige Landschaft mit Hirten und Heerde, en l’Eau oder blos durchsichtigen Wasserfarben gemahlt, welches von längerer Dauer ist, als en Gouache. In dieser eigenen Art hat es noch keiner weiter gebracht, als dieser Künstler. Diese gebirgige Landschaft mit weiter Aussicht und angenehmer Abwechselung von allen hierzu gewählten Gegenständen und mit sehr artigen Figuren geschmückt, ist in einer angenehmen Färbung, und was bey dieser Manier das merkwürdigste ist, in einem kräftigen, warmen Ton dargestellt, welchen man mit den Oelfarben gleich findet.

Von C. Focke.

Eine Parthie aus dem Lager bey Dresden, mit Soldatengruppen und einem Marketenderzelte; in Oel. In diesem Stil zeigt der junge Künstler Talente eines erfinderischen Geistes, verbunden mit einem angenehmen Vortrage und gefälliger Mannigfaltigkeit. Es scheint blos, ihm noch an einer pikanten Beleuchtung [117] zu mangeln, durch welche ein grösserer Effect in seinen Gruppen bewirkt werden würde.

Von C. A. Günther.

Eine Landschaft, worin ein hoher Wasserfall zwischen Felsen herabstürzt, mit umliegenden angenehmen Parthien und einer weiten Aussicht. In Wasserfarben en Gouache.

Diese ist mit einer leichten und lockern Behandlung sehr wohl gerathen; nur vermisst man etwas mehr Luftperspective darin.

Von Herrn Hofbildhauer Pettrich.

Tanzende Kinder um einen Kandelaber. Ein Hautrelief von carrarischem Marmor. Dieses schöne Stück verdient alle nur mögliche Achtung in Rücksicht der Erfindung und fleissigen Ausarbeitung; besonders aber in der wahren Darstellung des zarten Alters der Kinder. Ferner

Ein Sarcofage im Modell, in Gyps. Eine schlafende junge Frau, mit einem Mohrenkopf in der rechten Hand, und die linke auf das Haupt gelegt. Edle Simplicität im Anzuge und unschuldige Hingebung in den Todesschlummer ist hier sehr gut ausgedrückt.

Ein dergleichen Modell von Gyps, welches eine sitzende Artemisia auf den Arm gestützt und in die Höhe blickend vorstellt; ganz nach antiker Art.

Beyde zu Trauermonumenten bestimmt.

Wie es scheint, findet die Bildhauerkunst auf deutschem Boden nicht das Gedeihen, welches sie doch so [118] sehr verdient, und so wie man sie jetzt in Frankreich und Italien zu schätzen weiss.

Von Kühne.

Ein stehendes Kind, welches durch die beygefügten Attribute die Unsterblichkeit anzeigen soll, in natürlicher Grösse, von Carrarischem Marmor. Man sieht bey diesem wohlgerathenen Kinde die Fortschritte dieses Künstlers in seiner Kunst. Gewährte man ihm einige Aufmunterung, so würde er es viel weiter bringen.

Nach der Aeusserung vieler würdigen Männer, bin ich selbst der Meynung, dass nur grosse Künstler aus ihrem Schlummer zu wecken sind, anderen aber, welche Fähigkeiten besitzen, deren Talente im Aufkeimen begriffen sind, um ihnen einen erquickenden Stoff zum Wachsthume und zur Aufmunterung in der Kunst zu geben, eben nicht nöthig ist, Pensionen oder Jahrgehalte zu ertheilen, ausgenommen zu Reisen. Denn diese Begünstigungen befördern öfters den Schlummer in der Bestrebung nach Ehre, und vermindern die Anstrengung nach höherer Kunst. Mehrere wohl besoldete Künstler und Professoren halten es nicht einmal der Mühe werth, in einem ganzen Jahre, etwas für die Ausstellung zu liefern. Unter verschiedenen Arten von Vorwänden lassen einige schon mehrere Ausstellungen vorbey gehen, ohne das Geringste von ihren Arbeiten und Fortschritten in der Kunst sehen zu lassen. Bedenket man, wie viel ansehnliche Summen der Staat hierzu verwendet! [119] Die Bequemlichkeit mancher Lehrer bey ihren wenigen Schülern, geht so weit, dass sie dieselben viele Monate lang in die Churfürstliche Gemähldegallerie schicken, um sie nicht nach ihren Fähigkeiten, sondern nach ihrem Willen daselbst kopiren zu lassen; ob es gleich anerkannt und durch das Beyspiel erwiesen ist, dass dieses der ganz unrechte und irrige Weg ist, um zu einem bestimmten Zweck zu gelangen.

Kurz, allen diesen stark eingerissenen Uebeln bald abzuhelfen, und unserer Kunstwelt einen erwünschtern Ruhm und Vollkommenheit in höherer Kunst zu geben – wäre es unumgänglich nöthig, nachfolgende Abänderung zu treffen, wie auch beygefügte Hülfs- und Aufmunterungsmittel in Thätigkeit zusetzen:

1.) Alle Pensionen (worunter aber keineswegs die Besoldungen der Professoren und übrigen bey der Akademie angestellten Lehrer mit gemeynt sind!) hören auf. 2.) Das hiervon einbehaltene Geld würde folgendermassen bestens verwendet:
a. Man lasse es öffentlich anzeigen, dass ein jeder Künstler, in welchem Fache der Kunst er sich nur immer hervor thun möge, versichert seyn könne, dass bey künftigen Ausstellungen sein Kunstwerk ihm nach dem wahren Werthe abgekauft werden solle. Wobey man auch für jedes Fach passende Aufträge vorschreiben könnte.
b. Auch den weniger avancirten jungen Leuten, welche Spuren von Genie zeigen, sollen verhältnissmäsig

[120]

zur Aufmunterung, ihre Arbeiten baar bezahlt werden.
c. Allen denen, welche von Jahr zu Jahr weitern Fortgang in ihrer Geschicklichkeit zeigen, soll über dieses noch etwas von den Ueberschussgeldern als Prämie zugetheilt werden.
d. Endlich und in Erwägung, dass von der besten Gattung der Kunstwerke etwas Annehmliches erkauft worden wäre, so könnte man höhern Orts dergleichen zu Geschenken sich bedienen, um auch dadurch Landeskinder durch ihre Arbeiten im Auslande bekannter zu machen.

Dieser Vorschlag enthält viel Gutes. Dass aber, wie schon erwähnt, doch wegen der Einziehung der Besoldungen hierin eine Ausnahme zu machen, ist gerecht und billig; besonders bey grossen verdienstvollen Künstlern, welche bey der Akademie grau, und deren Hände und Augen dabey schwach geworden sind. Diesen darf man ihre Besoldungen nicht entziehen, um sie in ihrem Alter, das auf eine verdienstvolle Jugend folgt, nicht Mangel leiden zu lassen. Auch würde ich sehr anrathen, armen talentvollen Kindern, bis zu einem gewissen Alter, ein kleines Monatsgeld zu bewilligen.

Dabey muss ich noch erinnern, dass der ehedem in einem Kunst-Journale,[1] zur Aufnahme dieser [121] Kunstakademie gethane Vorschlag, und zwar ohne Kostenaufwand, für die Künstler in allem Betracht immer noch sehr vortheilhaft seyn würde, und sich mit den hier gethanen Vorschlägen sehr gut vereinigen liesse; nämlich die Errichtung einer Galerie des Modernes; wovon aber niemand etwas wissen will.

Dass es jedoch, trotz den unvollendeten Einrichtungen der Akademie, hier Künstler von Bedeutung giebt, davon werden Sie sich aus obigem sattsam überzeugen. Ich habe sogar, um meinen Brief nicht zu weitläuftig zu machen, manchen verdienstvollen Künstler noch weglassen müssen. – –





  1. Siehe Meusels neue Miscellaneen artistischen Innhalts für Künstler und Kunstfreunde, 6tes Stück, S. 791, gr. 8. Leipzig, 1797. oder:
    Schreiben aus Hannover, den 1. Juli 1797, die Dresdner Kunstakademie betreffend.