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Vöhringen
mit Röthenmühle und Beurener Thal. – Siegelhaus.

Gemeinde II. Klasse mit 1572 Einw. wor. 4 Kath. – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Bochingen, O.A. Oberndorf, eingepfarrt.

Der ansehnliche, ziemlich regelmäßig gebaute Ort hat eine freundliche, wenig geschützte Lage in dem ganz leicht eingesenkten Mühlbach-Thälchen, das hier gleichsam beginnt und erst unterhalb des Dorfs etwas tiefer einschneidet. Etwa 1/4 Stunde südlich vom Ort erhebt sich eine meist für die Waldkultur benützte Keuperterrasse, während der übrige Theil der Markung, welcher vorzugsweise dem Feldbau dient, eine etwas wellige, ziemlich fruchtbare Ebene bildet.

| Von den Gebäuden nennen wir:

Die mitten im Ort gelegene Pfarrkirche; sie ist Eigenthum der örtlichen Stiftung und mit Ausnahme des von der frühern Kirche stehen gebliebenen Thurms und Chors, im Jahr 1774 in einem modernen Rundbogenstyl neu erbaut; der viereckige, massive Thurm ist mit einem spitzen Zeltdach gedeckt und enthält in seinem untersten mit einem doppelten Kreuzgewölbe versehenen Stockwerke, welches die Stelle des Chors vertritt, ein Fenster aus der Übergangsperiode von dem romanischen in den germanischen Baustyl, in dem obersten Stockwerke aber germanische Fenster mit reichem Maaswerke in den spitzen Bogentheilen. Das Innere der Kirche ist gut erhalten und enthält einen interessanten Taufstein, an dessen Untersatz, welcher der romanischen Bauperiode anzugehören scheint, Löwen und Hunde dargestellt sind, während der obere Theil des Taufsteins aus der spät germanischen Periode stammt. Auf dem Thurme hängen drei interessante Glocken, von denen eine auffallend groß und schön tönend ist; sie trägt oben eine weitläufige Umschrift, die wegen Unzugänglichkeit nicht gelesen werden kann. Unten am Rande steht: anno domini 1486. Jar. Jesus. Maria. S. Lucas, S. Marcus, S. Mateus, S. Johannes. Die gleiche Inschrift hat auch die mittlere Glocke und auf der kleinsten stehen die vier Evangelistennamen in alten Majuskeln.

Der im Jahr 1831 angelegte ummauerte Begräbnißplatz liegt außerhalb des Dorfs an der Straße nach Rosenfeld.

Das Pfarrhaus, in der Nähe der Kirche mit freier Aussicht gelegen, ist alt, übrigens wohnlich hergestellt; die Unterhaltung desselben hat die Stiftungspflege.

Das geräumige Schulhaus enthält drei Lehrzimmer und die Wohngelasse für einen der Schulmeister und den Lehrgehilfen; der andere Schulmeister wohnt in seinem eigenen Hause und erhält Hausmietheentschädigung von Seiten der Gemeinde.

Das schon ziemlich alte Rathhaus steht an der Hauptstraße.

Ein Gemeindebackhaus und Waschhaus wie auch ein Schafhaus sind vorhanden.

Der Ort ist reichlich mit Trinkwasser versehen, welches 8 Rohr- und 15 Pumpbrunnen liefern; auch die Markung ist sehr quellenreich und der durch den Ort fließende Obbach (Mühlbach) entspringt 1/8 Stunde südlich vom Ort in dem sog. Urbrunnen (im Munde des Volks Murenbrunnen), der nahe seines Ursprungs durch einen 1/2 Stunde südwestlich vom Dorf im Augstbrunnen (auch Tiefenbrunnen genannt), entspringenden Bach und durch den von Wittershausen| herkommenden Bach namhafte Zuflüsse erhält, so daß er schon im Ort eine Mühle mit zwei Mahlgängen und einem Gerbgang und 1/4 Stunde unterhalb des Dorfs die Röthenmühle mit zwei Mahlgängen und einem Gerbgang zu treiben im Stande ist. Der Bach verursacht nicht selten Überschwemmungen. Eine schwefelhaltige Quelle, welche früher häufig, namentlich gegen die Krätze gebraucht wurde, entspringt 1/2 Stunde südlich vom Ort im Kelterthal und fließt in den Rohrbach, der sich im Beurener Thal mit dem Rindelbach vereinigt. Die Brunnen im Ort haben zum Theil hartes Wasser und die Hülsenfrüchte wollen in demselben nicht weich kochen, was jedoch bei dem Wasser aus dem sog. Erbsenbrünnlein nicht der Fall ist. Periodisch fließende Quellen sind mehrere vorhanden. In der Flur Breitenfurt an der Straße nach Sulz ist eine Quelle, deren Wasser für Menschen und Vieh nachtheilig seyn soll. Früher bestanden im Rindelbachthal hinter dem Schloßberg zwei Weiher, der obere und untere See genannt, welche längst in Wiesengrund umgewandelt sind; auch unterhalb des Orts ist ein kleiner Weiher abgegangen, von dem die an seine Stelle getretenen Wiesen noch die Benennung „Weiherle“ haben.

Die Einwohner sind im Allgemeinen fleißige, gesunde Leute, die nicht selten ein Alter von 70–80 Jahren erreichen; sie treiben Landwirthschaft und ihre Vermögensumstände gehören zu den mittelmäßigen des Bezirks. Der begütertste Bürger besitzt 40 Morgen Felder, der sogenannte Mittelmann 20–25 Morgen und die ärmere Klasse 1–2 Morgen; auch die ärmsten genießen die Benützung von 11/8 Morgen Allmanden. Gegenwärtig erhalten 20 Personen Unterstützung von Seiten der Gemeinde. Von den Gewerben sind, außer den gewöhnlichsten Handwerkern, die schon angeführten Mühlen, vier Schildwirthschaften, drei Krämer, eine Ziegelhütte und eine Harzsiederei zu nennen.

Die große Markung, von der etwa 2/5 mit Wald bestockt ist, hat im Allgemeinen einen fruchtbaren Boden, der jedoch in nassen Jahrgängen ergiebiger ist als in trockenen; er besteht vorzugsweise aus den Verwitterungen des Muschelkalkdolomits (Malmboden) und südlich vom Ort aus einem schweren Thonboden (Verwitterung des Keupermergels).

Auf dem Walde Tanau besteht ein Stubensandsteinbruch und im engen Walde ein Werksteinbruch; beide sind Eigenthum der Gemeinde. Eine Lehmgrube befindet sich an der Ziegelhütte. Töpfererde wird in dem Walde Tanau gegraben.

| Was die klimatischen Verhältnisse betrifft, so ist die Luft wegen der nahen Waldungen und der vielen Thäler häufig neblig und auch den Sommer über bei Nacht etwas kühl; Frühlingsfröste sind häufig und schaden der Obstblüthe, wie sie auch dem Anbau von feineren Gewächsen entgegen wirken. Die Ernte tritt nur etwa sechs Tage später ein als in den unteren Mühlbachorten. Schädliche, mit Hagelschlag verbundene Gewitter sind gerade nicht selten.

Die Landwirthschaft wird mit Anwendung verbesserter Pflüge gut betrieben und die Ertragsfähigkeit des Bodens durch kräftige Düngungsmittel erhöht. In dreizelglicher Flureintheilung werden die gewöhnlichen Getreidearten, besonders viel Weizen, Dinkel und Haber gebaut, während man in der zur Hälfte angeblümten Brache viele Kartoffeln, dreiblättrigen Klee, Luzerne, Reps, Hanf, Flachs zieht. Im Durchschnitt rechnet man bei dem Dinkel und Weizen den achtfachen, bei dem Haber den sechsfachen Ertrag der Aussaat. Ein kleiner Versuch mit Hopfen hatte bis jetzt guten Erfolg. Der geringste Preis eines Morgens Acker wird zu 100 fl., der mittlere zu 300 fl. und der höchste zu 600 fl. angegeben. Von den Getreideerzeugnissen werden über den eigenen Verbrauch alljährlich etwa 300 Schffl. Weizen, 400 Schffl. Haber und 50 Schffl. Gerste auf der Schranne in Sulz abgesetzt.

Der Wiesenbau ist ausgedehnt und liefert im Allgemeinen ein gutes Futter, nur einige nasse Stellen im Beurener Thal und an dem Ursprung des Mühlbachs geben saures, weniger nahrhaftes Futter. Die durchgängig zweimähdigen Wiesen, von denen nur wenige Morgen bewässert werden können, ertragen 25–30 Ctr. Heu und 12–15 Ctr. Öhmd per Morgen. Die Preise eines Morgens Wiese bewegen sich von 70–600 fl.

Die Obstzucht ist stets im Zunehmen begriffen, obwohl das Obst nicht gerne geräth; man pflanzt späte Mostsorten und Zwetschgen. Die Jungstämme werden theils von den Einwohnern selbst nachgezogen, theils aus der Gemeindebaumschule bezogen, über welche ein Baumwarth gestellt ist, der auch die Bäume auf der Markung zu setzen hat. Das Obst bleibt im Ort.

An einem südlichen Abhang gegen das Kelterthal wurden im Jahr 1834 8–10 Morgen zu Weinbergen angelegt, die aber, weil der Ertrag die Mühe und Auslagen nicht lohnte, nun bis auf ungefähr zwei Morgen vermindert wurden. Früher soll hier der Weinbau in größerer Ausdehnung getrieben worden seyn und am Fuß des Bergs stand eine Kelter, die auch im Landbuch von 1623 angeführt wird.

| Die Weide ist nicht ausgedehnt und wird nur für Schafe, welche die Ortsbürger laufen lassen, benützt, was der Gemeinde etwa 300 fl. und die Pferchnutzung 600 fl. einträgt; es werden theils Landschafe, theils Bastarde gehalten und der Verkauf der Wolle wie der Abstoß der Schafe geschieht meist auf den Schafmärkten in Sulz.

Die Pferdezucht, welche sich mit einem gewöhnlichen starken Landschlag beschäftigt, ist nicht bedeutend; die Stuten werden auf die Beschälplatte nach Sulz geführt.

Von namhafter Ausdehnung ist die Rindviehzucht, welche durch vier von der Gemeinde in einem besonderen Gebäude aufgestellte Schweizerfarren veredelt und nachgezüchtet wird. Mit Vieh wird ein lebhafter Handel auf benachbarten Märkten getrieben.

Schweinezucht ist unbedeutend und der Bedarf an Ferkeln wird meist von Außen bezogen.

Die von unbemittelten Familien der Milch wegen getriebene Ziegenzucht ist im Zunehmen begriffen. Die Bienenzucht ist von einigem Belang.

Durch den Ort führt die Vicinalstraße von Sulz nach Rosenfeld, von der eine weitere nach Binsdorf abzweigt, überdieß gehen Vicinalstraßen nach Bergfelden und eine über Bochingen nach Oberndorf; von letzterer geht eine Vicinalstraße nach Wittershausen ab.

Die Gemeinde besitzt 2000 Morgen Waldungen, von deren in 700 Klaftern bestehenden Ertrag jeder Bürger 1 Klafter erhält; der Rest wird als Langholz verkauft, was der Gemeindekasse etwa 3 bis 4000 fl. einträgt.

Die Allmanden tragen der Gemeinde 290 fl. jährlich ein.

Vöhringen kommt erstmals vor im Jahr 772, da das Kloster Lorsch einen hiesigen Grundbesitz erhielt (in pago Alemannorum in Faringer marca Cod. Laur. nr. 3299). Das Kloster Alpirsbach bekam 1095 bei seiner Gründung von seinen Stiftern ein Gut und Leibeigene (in Ueringen), welche Schenkung 1125–27 erneut und am 12. April 1101 von P. Paschalis II. bestätigt wurde (Wirt. Urk.-Buch 1, 315. 363. 328). Dem Kl. Reichenbach wurde um 1120 eine hiesige Hube (in Feringen) zu Theil (Wirt. Urk.-Buch 2, 409).

Kirchensatz und Zehnte waren ursprünglich gräflich Sulzisch, sodann Geroldseckisch (1420 vorübergehend gräflich Zollerisch. Reiner, Geneal. des Hauses Hohenzollern 48).

Vom 6. Merz 1463 ist eine Dotationsurkunde der hiesigen Pfarrei. An dem Zehnten hatte Württemberg schon frühe lehensherrliche| Rechte; ihre Antheile, welche sie hievon von Württemberg zu Lehen trugen, veräußerten die Gut (4/5) und die Ungericht (1/5) im Jahr 1436 an Henslin Schweicker von Sulz.

Zu der Gemeinde gehört, außer der schon angeführten Röthenmühle:

Beurener Thal – Siegelhaus, ein einzeln stehendes Haus, 3/4 Stunden südöstlich von dem Mutterort in dem Beurener-Thal an der Straße von Sulz nach Rosenfeld gelegen.

Auf einem südlich vom Ort gelegenen freistehenden Berge, die Burghalde genannt, stand eine Burg, von der noch Graben und Wall sichtbar sind.

Auf dem Schloßberg, einer Bergspitze zwischen dem Beurenerthal und dem Rindelbachthal, sind noch Graben und Wall der ehemaligen Burg Beuren vorhanden. Im Jahr 1578 erscheint als Besitzer Hans Jakob von Stotzingen zu Geislingen; um 1600 saß allhier Wolf Stählin von Stocksburg; 1623 war die Burg bereits „gemeinen Flecken zuständig.“ Am Fuß des Schloßbergs, an der Stelle, wo das Beurenerthal – Siegelhaus steht, soll der längst abgegangene Ort „Beuren“ gestanden seyn.

Durch den Ort führte eine von Sulz herkommende Römerstraße, von der man in jüngster Zeit bei Anlage der neuen Straße durch das Beurener Thal noch das wohlgefügte Pflaster aufdeckte.

Beuren erscheint schon 786 unter den Orten, wo Graf Gerold das Kloster St. Gallen beschenkte (Wirt. Urk.-Buch 1, 34). Die Burg theilte die Schicksale von Rosenfeld; übrigens hatte noch 1384 Graf Eberhard der Greiner von Württemberg hiefür an den Höppeler 2000 Pfund Heller zu bezahlen (Lichnowsky, Habsburg 4. Nr. 1890).

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