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Trichtingen
mit zwei Mühlen.

Gemeinde III. Kl. mit 642 Einw. wor. 21 Kath. – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Harthausen, OA. Oberndorf, eingepfarrt.

Der ziemlich große, etwas weitläufig gebaute, freundliche Ort, liegt 21/2 Stunden südlich von der Oberamtsstadt in einem Flachthälchen am Fuß der Keuperterrasse, die sich hier über die Muschelkalkebene| ziemlich steil und durch Thälchen, Schluchten etc. vielfältig durchzogen, erhebt. Gegen Norden und Osten durch Berge geschützt hat der Ort eine gegen Westen und Süden offene, angenehme Lage, die jedoch nicht gesund genannt werden darf, indem einerseits die zur Reinigung der Luft viel beitragenden Ostwinde keinen Zutritt haben, andererseits die Ausdünstung der Gewässer viele Nebel verursacht, welche öfters längere Zeit über dem Ort sich lagern. Auch führt das Trinkwasser, das hinreichend vorhanden ist, viele Gypstheile, was mitunter der Grund von den nicht selten bei den Einwohnern vorkommenden Kröpfen und des früheren Kretinismus seyn mag. Letzteres Übel hat sich seit etwa 20 Jahren, in Folge der besseren ökonomischen Lage und der moralischen Hebung der Einwohner sehr vermindert. Mehrere reiche Wasserquellen liefern dem durch den Ort fließenden Hardtsteigbach, der sich an dem westlichen Ende des Dorfs mit dem Trichtenbach vereinigt, namhaften Zufluß. Die beiden Bäche treten übrigens bei starken Regengüssen etc. schnell aus ihren Betten, so daß sie z. B. in den Jahren 1819 und 1852 nicht nur die in der Thalebene stehenden Häuser gegen 4′ hoch in Wasser setzten, sondern auch das ganze Wiesenthal überschwemmten. Etwa 1/2 Stunde nordwestlich vom Ort liegt der 31/2 Morgen große Egelsee, auf dessen Grund man, als er in den 1820ger Jahren zur Hälfte ausgetrocknet war, Versuche auf Torfgewinnung machte, welche sich jedoch nicht lohnten. Die etwas erhöht am westlichen Ortsende stehende Pfarrkirche, welche Eigenthum der örtlichen Stiftungen ist, trägt zur freundlichen Ansicht des Dorfs vieles bei; sie war ursprünglich im germanischen Style erbaut, ist aber im Laufe der Zeit sowohl in ihrem Äußeren als Inneren styllos verändert worden. Der einfache, jedoch alte, mit einem Zeltdach gedeckte Thurm ist viereckig und das untere Stockwerk desselben vertritt die Stelle des Chors. Auf dem Thurme hängen drei Glocken, von denen die größte von Christian Kurtz in Reutlingen 1823 gegossen wurde, die mittlere trägt eine unverständliche Umschrift und die Jahrszahl 1478 und auf der kleinsten stehen die vier Evangelistennamen in alten Majuskeln. Die mit einem Kreuzgewölbe gedeckte Sacristei ist der älteste Theil der Kirche. Der Taufstein ist im germanischen Geschmack gut ausgeführt und in dem Langhaus befindet sich ein Glasgemälde mit der Umschrift: Hans Müller zue Trichtingen und Anna Schneckin seine Hausfraw haben dis Fenster machen lassen. Anno 1652. Ein weiteres Glasgemälde mit der Jahrzahl 1654 befindet sich im Chor der Kirche.

Der ummauerte Begräbnißplatz liegt um die Kirche.

| Das nahe bei der Kirche gelegene Pfarrhaus, welches im Jahr 1561 erbaut wurde, befindet sich in gutem baulichen Zustande und ist Eigenthum des Staats, der es im Bau zu unterhalten hat.

Das im Jahr 1842 erbaute Schulhaus enthält zwei Lehrzimmer, die Wohnung für den Schulmeister und ein Zimmer für den Lehrgehilfen.

Das alterthümliche in schönem Holzbau aufgeführte Rathhaus, das noch eine Küche enthält, befindet sich in gutem Zustande. Ein Armenhaus und vier Gemeindewaschhäuser sind vorhanden.

Durch Vicinalstraßen nach Böhringen, Leidringen und durch eine auf die Staatsstraße von Rosenfeld nach Oberndorf ist dem Ort sein Verkehr mit der Umgegend hinlänglich gesichert.

Die im Allgemeinen geordneten und fleißigen Einwohner, welche sich vorzugsweise durch Feldbau und Viehzucht ihr Auskommen sichern, befinden sich in mittelguten Vermögensverhältnissen; der begütertste Bürger besitzt 50 Morgen Felder und 10 Mrg. Waldungen, der sog. Mittelmann 20–25 Morgen Felder und 1–2 Mrg. Waldungen und die minder bemittelte Klasse 1–4 Morgen. Gegenwärtig erhalten 6–8 Personen Gemeindeunterstützung. Von Gewerben sind außer den nöthigsten Professionisten 1 Schildwirthschaft, 2 Krämer und die unterhalb des Orts gelegenen zwei Mühlen (die obere mit zwei Mahlgängen und einem Gerbgang, die untere Mühle mit zwei Mahlgängen und einem Gerbgang nebst Hanfreibe) zu nennen. Die auf der Markung befindlichen zwei Steinbrüche, der eine im Keuperwerkstein, der andere im Stubensandstein angelegt, geben mehreren Personen Gelegenheit zu Arbeit und Verdienst; der Stubensandsteinbruch liefert auch Schleifsteine.

Die ziemlich große Markung, von der übrigens ein namhafter Theil mit Wald bestockt ist, hat im Allgemeinen einen fruchtbaren schweren Boden, der sich hauptsächlich für den Dinkelbau sehr gut eignet, während der Haber und die Gerste weniger gut in demselben gedeihen; er besteht auf dem größeren Theil der Markung aus einem schweren Thon (Verwitterung des Keupermergels), westlich vom Ort aber tritt theils ein fruchtbarer Diluviallehm, theils ein Malmboden (Verwitterung des Muschelkalkdolomits) auf. Die ziemlich eben liegenden Feldgüter werden in dreizelglicher Eintheilung sehr fleißig gebaut, überhaupt hat sich die Landwirthschaft im Allgemeinen seit der besseren Benützung des Düngers und der Einführung verbesserter Pflüge etc. wesentlich gehoben. In der zu 1/4 angeblümten Brache zieht man dreiblättrigen Klee und Kartoffeln. Der durchschnittliche| Ertrag eines Morgens beträgt an Dinkel 6–8 Schffl., an Gerste 3–4 Schffl., Haber 4–5 Schffl. Die Preise der Güter bewegen sich bei den Äckern von 40–300 fl. und bei den Wiesen von 60–400 fl. per Morgen. Von Handelsgewächsen baut man viel Hanf, der ziemlich gut gedeiht, wenig Flachs, Reps, Kraut etc. Die Felderzeugnisse reichen nicht nur für den eigenen Bedarf, sondern es können noch ziemlich viele, namentlich Dinkel nach Außen verkauft werden.

Der Wiesenbau läßt noch manches zu wünschen übrig, indem derselbe theils durch Entwässerung, theils durch Bewässerung mehr gehoben werden könnte. Der durchschnittliche Ertrag der durchgängig zweimähdigen Wiesen wird zu 18–25 Ctr. Heu und 8–10 Ctr. Öhmd per Morgen angegeben.

Die Obstzucht ist ziemlich ausgedehnt und hat sich durch eine im Jahr 1828 zu Ehren der verst. Königin Charlotte Mathilde angelegte Baumschule gehoben; es wurden aus derselben sehr viele Bäume verkauft, so daß 400 fl. Erlös der Stiftung als Kapital übergeben werden konnten. Auch die Jugend wurde in der Baumzucht unterrichtet und von dieser mehrere kleine Baumschulen angelegt, die noch bestehen. Weil aber der Verschluß von jungen Bäumen sich in neuerer Zeit sehr verminderte und die Kosten der Baumschule nicht mehr deckte, so mußte dieselbe von 1/2 Morgen auf 1/4 Morgen verkleinert werden. Man pflegt vorzugsweise spät blühende Mostsorten und Zwetschgen. Das Obst wird im Ort selbst verbraucht.

Die Schafweide wird theils verpachtet, theils mit Schafen, welche den Ortsbürgern gehören, beschlagen; sie trägt jährlich der Gemeindekasse mit Einrechnung des Pferchertrags 800–1000 fl. ein. Das Rindvieh wird nur noch im Herbst auf die Weide getrieben.

Die Pferdezucht ist ganz unbedeutend, dagegen die Rindviehzucht ziemlich gut und beschäftigt sich mit einer tüchtigen Landrace, welche durch 2–3 Landfarren unterhalten wird. Das Faselvieh hält die Gemeinde. Auf benachbarten Märkten wird Vieh verkauft.

Eigentliche Schweinezucht wird nur in ganz geringer Ausdehnung betrieben, daher man die meisten Ferkel auswärts aufkauft.

Die Bienenzucht ist gerade nicht von Bedeutung, doch hat sie einzelnen Bienenzüchtern schon einigen Nutzen gebracht.

Die Gemeinde besitzt gegen 300 Morgen gut bestockte Waldungen, deren jährlicher Ertrag in 144 Klaftern bestehend, theils an die Bürger vertheilt, theils verkauft wird, was der Gemeindekasse 3–600 fl. jährlich einträgt.

| Etwa 1/2 Stunde nordöstlich von Trichtingen befinden sich auf dem sog. Burgstall die letzten Reste einer ehemaligen Burg, in Graben und Wall bestehend.

In dem St. Wolfganger Thal stand 1/2 Stunde nördlich vom Ort die spurlos abgegangene St. Wolfgang-Kapelle, welche zum Kloster St. Gallen gehört haben soll.

Westlich vom Ort führt unter dem Namen „Hochsträß“ eine Römerstraße über den Trichtenbach; an der Übergangsstelle kommt der Flurname „Weil“ vor. Westlich von letzterem Punkt fand man schon römische Ziegel und Gefäße, auch will man ein gepflastertes Sträßchen aufgefunden haben, das von der Flur Weil in der Richtung gegen das Schloß Lichteneck führte.

Trichtingen kommt, als Truhtinga im Jahr 793 erstmals vor, unter Ortschaften, wo das Kloster St. Gallen Besitzungen, welche ihm ein gewisser Berthold geschenkt hatte, diesem gegen einen Jahreszins zurückgab (Wirt. Urk.-Buch 1, 44).

Der Ort gehörte zu Rosenfeld und theilte dessen Schicksale.

Im Jahr 1713 bekam die Gemeinde wegen des nordwestlich vom Dorfe gelegenen Waldes Bauberg Streit mit dem Augustinerkloster in Oberndorf, welcher erst 1727 durch Vergleich beendigt wurde. Dem Kloster blieb der links dem Schorren gelegene Theil des Waldes als freies Eigenthum, doch so, daß es daraus in den Pfarrhof zu Bochingen jährlich 12 Klafter Holz zu geben hatte; den rechts gelegenen Theil bekamen die Hofbauern als Lehen vom Kloster (Köhler, Oberndorf 25).

Im Jahr 1315 kommt vor „Fridrich der kilchherre von Trühtingen“ (Schmid, Mon. Hohenb. 199). – Hieher sind eingepfarrt die 49 evangelischen Einwohner in den Parcellen der benachbarten Orte Epfendorf und Hardthausen (O.A. Oberndorf).

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