Bemerkungen über die diesjährige Dresdner Kunstausstellung, in Briefen

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Autor: Z.
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Titel: Bemerkungen über die diesjährige Dresdner Kunstausstellung, in Briefen.
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aus: Leipziger Kunstblatt, insbesondere für Theater und Musik
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1818
Verlag: F. A. Brockhaus
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Katalog der Ausstellung siehe Verzeichniß der am Augustustage den 3. August 1818 in der Königlich Sächsischen Akademie der Künste öffentlich ausgestellten Kunstwerke
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[581]
Bemerkungen über die diesjährige Dresdner Kunstausstellung, in Briefen.

Ich soll Ihnen schildern, welche Betrachtungen und Empfindungen in mir erwachen, indem ich jetzt die Ausstellung besuche? Gern; doch Sie müssen mich treu begleiten. Wir wollen kurze, aber öftere Besuche in diesen Sälen machen, um mit immer frischgeschärftem Auge hin zu kommen. Das allgemeine Fortschreiten der Schüler der hiesigen königl. Akademie ist auffallend und erfreulich; neben dem fruchtbringenden Fleiße der Meister, wächst und reift manche hoffnungsvolle Blüthe hervor. Doch zuerst wenden wir uns im mittlern Saale zu dem herrlichen Portrait des Pabstes, welches der sehr verdienstvolle Portraitmaler Vogel; Sohn des verstorbenen hiesigen Professors, für unsern König malte. Dies Bild übt eine furchtbare Gewalt aus, denn es schlägt alles nieder, was sich in seine Nähe wagt. Diese Klarheit, diese Bestimmtheit, diese überaus reinen und glänzenden Farben, müssen jedes Auge fesseln. Es ist höchst interessant, hierdurch, für das Portraitfach wenigstens, einen Begriff von dem zu bekommen, was die jetzige deutsche Künstlerschule in Rom leistet, und die Wahrheit und Vollendung dieses Gemäldes muß die Bewunderung jedes Unpartheiischen gewinnen. Die Behandlung erinnert an die Portraits des Leonardo da Vinci. Alles, bis aus die kleinsten Nebendinge, ist mit unglaublichem Fleiß ausgeführt; Kopf und Hände sind äußerst klar gehalten; Alles ist bestimmt und kantig darin gezeichnet, ohne hart zu seyn. Es ist nach keiner Magie malerischer Wirkung hier gestrebt; aber es ist das Wunderbare der höchsten naturgemäßen Wahrheit vollkommen erreicht. Daß weder der Kopf, noch die Gestalt vortheilhaft für malerische Darstellung sind, macht das Werk desto mehr zu einem Triumphe der Kunst. Sr. Heiligkeit sitzt auf dem reichverzierten Gold- und Purpursessel, in dem Costum, welches üblich ist bei der Audienzertheilung an ein gekröntes Haupt, neben dem mit Purpurrothen Damast bedeckten Tische, worauf Cruzifix und Breviar ruhen. Grüner Damast bildet den Hintergrund, er ist so behandelt, daß ein Engel in diesem Gewebe eine Krone über das Haupt des Pabstes hält; ein reichdurchwürkter Teppich liegt unter den mit den purpursammtnen Pantoffeln bekleideten Füßen. Die ganze Stellung ist aus dem Leben gegriffen. Wer vor diesem Bilde steht, bewundert die täuschende Wahrheit der verschiednen Stoffe, den trefflichen Faltenwurf, durch welchen das weiße Untergewand die Knie bezeichnet, die Purpurglut des Sammtes etc.. Wer nicht Künstler ist, vergißt es ganz von dem Kopf und den Händen zu sprechen, und hierin liege das höchste Lob; denn da sie eben so täuschend wahr dargestellt sind, wie die Stoffe, so vergißt man, daß sie ein Werk von Menschenhänden waren. Nichts ist vernachläßigt, nichts aufgeopfert bei diesem Bilde; doch ist es unläugbar wahr, daß dies der Haltung und Ruhe etwas schadet. Freudiges Anerkennen lohne dem wackern jungen Künstler, dessen ernstes Streben nach treuer Wahrheit schon im Norden und im Süden ihm Ruhm erwarb. Möchte er nur ins Künftige seinen Fleiß nicht zu sehr aufs Einzelne richten und etwas mehr nach malerischer Wirkung des Ganzen trachten.

Nur ein Gemälde hält die gefährliche Nähe dieses Portraits aus, ohne zu erliegen, dies ist aber auch der kühne, frommbegeisterte Johannes der Täufer, der sich vor keinem Pabst zu scheuen braucht. [582] Gustav Baumgarten, der talentvolle Zögling des Prof. Hartmann, erfand und malte ihn, und berechtigt durch dies Bild zu den höchsten Erwartungen. Technischer Werth der Malerei, gründliches Studium der Anatomie, vereinen sich hier mit reinem Gefühl und seelenvollen Ausdruck. Es ist Brustbild. Johannes wendet den Kopf und blickt aufwärts. Mit der nervigen Rechten hält er das Kreuz, die linke Hand, deren Zeigefinger sich, gleich dem Auge, fragend empor richtet, berührt mit den Knöcheln das Kreuz. Diese Wendung ist überaus sinnig und ausdrucksvoll. Hoher edler Ernst, einfach stille Größe spricht aus dem Ganzen. Dies dunkle, glühende Auge, die Harmonie dieser reinen Züge, die weiße Mäßigung bei seltner Kraft, bezeichnen in diesem Johannes so treffend den ächten ersten Priester des Christenthums. Nichts ist übertrieben, nichts phantastisch, alles einfach, kühn und groß. Soll man einen Wunsch aussprechen, so ist es der, daß der rothe Mantel und die ganze untere Hälfte des Bildes nicht zu sichtbarlich aufgeopfert wären, um einzig den Kopf herauszuheben, und daß die Schattentöne des Fleisches nicht zu sehr ins Graue spielten. Es ist sehr schwer, den untergeordneten Partieen eines Gemäldes Kraft und Wärme zu geben, ohne sie zu sehr hervortreten zu lassen.

Noch ein anderer Schüler des Prof. Hartmann, Fr. Thomè, macht auch seinem Meister wahre Ehre durch das treffliche Portrait No. 322, welches eine freundlich sinnige Frau in mittlern Jahren vorstellt. Es ist mit sprechender Wahrheit, schönem Farbenschmelz und mit geübter Hand gemalt, kräftig und weich zugleich.

Es ist recht interessant, hier vier Portraits junger Künstler zu sehen, in welchem jeder sich selbst malte, und welche alle vier mit treuem Fleiß, Lust und Wahrheit ausgeführt sind. Ein blühendes Colorit und eine zwanglos gemüthliche Anordnung zeichnen das von Leskow besonders vortheilhaft aus, so wie eine leichte geniale Anordnung das von Ferdinand Flor.

Der Knabe, welcher mit Seifenblasen spielt, und eben dem emporschwebenden bunten Gaukelbild so sehnsüchtig und neugierig nachblickt, ist reizend erfunden und mit recht zartem Gefühl gemalt von Georgy in Leipzig; man sieht, daß dieser Künstler dem rühmlich bekannten Kindermaler Vogel ernstlich nachstrebt; er kann ihn in der saubern und schönen Behandlung der Nebendinge vielleicht bald übertreffen, und in dem seelenvoll kindlichen Ausdruck ihm gleich kommen; nur möge er suchen die bunten Tinten des zarten Fleisches immer mehr zu verschmelzen. Das männliche Portrait von Rentsch gemalt, ist vortrefflich, weich und kräftig zugleich. Die Portraits, welche Adolph Schütz malte, sind nicht ohne Talent aufgefaßt; aber es fehlt ihnen jene anspruchslose Naivetät, welche der Portraitdarstellung erst Reiz und Wahrheit gibt. Die Natur will zart belauscht seyn, das Unsichtbare des geistigen Menschen soll uns kenntlich werden in der Darstellung der sichtbaren Hülle, das Ewige muß durchschimmern, sonst hat der Künstler nur Vergängliches gemalt, und sein Bild altert früher als das lebende Original.

Ueberdem drängt sich mir bei diesem sowohl, als bei den recht hübsch gemalten andern Portraits in diesem Saale, unter denen ich nur das von Sattler noch nenne, die Bemerkung auf, daß sich die Schüler doch gewöhnlich am meisten durch ihre Behandlung der Hände verrathen. Die Gruppe nach Gyps in Oel gemalt von Richter, einem Schüler Matthäi’s ist auffallend schön.

Das kleine Oelgemälde von Louis Schnorr in Wien, wo man aus dämmernder Nacht in ein offnes Fenster hineinsieht, und in dem hellerleuchteten Zimmer ein liebliches Mädchen sitzt und schreibt, welche ein Ritter belauscht, der von außen auf einen Baum kletterte, hat etwas recht Phantastisches und Sinniges, nur tritt uns das helle Innere des Zimmers viel zu nah und der nächtliche Vorgrund weicht zu sehr zurück.

Außerordentlich zart und schön behandelt ist eine kleine Aquarellzeichnung von Stölzel jun., die heilige Cecilie nach Carlo Dolce vorstellend. Es sind überhaupt mehrere gute und einige höchst verfehlte Copieen nach Galleriegemälden hier; doch um Copieen nach alten Meistern gehörig beurtheilen zu können, wäre es zu wünschen, daß sie abgesondert von den vielen bunten Gemälden nach der Natur, in einem eignen Zimmer ausgestellt seyn könnten. Copieen sind Echoklänge der Vergangenheit; sie können rein und zart, treu und verdienstlich, oder rauh und täppisch, plump, verfehlt und schülerhaft seyn (es gibt deren von allen diesen Sorten hier!) Echoklänge bleiben sie doch, und so sehr diese in der Einsamkeit den stillen Denker erfreuen und entzücken können, so wenig passen sie in den überfüllten, hundertstimmigen Concertsaal.

Doch es gibt auch noch viele brave Landschaften, Blumen etc. hier; von diesen, so wie von den andern erzähle ich Ihnen in meinem nächsten Briefe noch recht viel. Jetzt aber ahne ich Ihre Ungeduld, etwas von den Meisterwerken des Professorzimmers zu hören. Fern sey es aber von mir Laien, zu wagen, über diese irgend ein Urtheil zu fällen! Dies vermag ich nicht. Aber es glückte mir neulich dort ein langes Gespräch einer buntgemischten Gesellschaft zu belauschen; dies theile ich Ihnen treulich Wort für Wort hier mit. Möge es für Sie, mein Menschenkundiger [583] Freund, wieder zum Gemälde werden, so wird es Ihnen Alles besser schildern als meine einseitigen Ansichten dies vermöchten. Ich selbst redete gar nicht mit, sondern ergötzte mich nur an dieser Ausstellung, die jeder unbewußt von seinen eignen Geist und Herzen gab.

Hier folgt die treue Abschrift.

[585]
Gespräch in dem Professorzimmer.

Der Kunstfreund: Wie reich ausgestattet ist dies Jahr dieses Zimmer! Wahrlich ein erfreulicher Anblick, so viele brave Meister aus mannichfaltigen Wegen nach dem hohen Ziele der Kunst streben zu sehen! Kaum weiß man, wo man zuerst verweilen soll! – Das sehr bedeutende Werk des verdienstvollen Hartmann, der dies Jahr die ganze Ausstellung ordnete, ziehe mich doch am mächtigsten an. Tritt zurück, Julie, um dies große Gemälde seiner vollen Haltung zu sehen. Welche Wirkung, welche Kraft und Harmonie!

Julie: Herrlich! Seit langer Zeit sahe ich nichts in so großem Style! Aber, Väterchen, erkläre mir nur den Gegenstand! Wie ist es möglich, daß dieser kraftvolle junge Held, den ich fast für einen jugendlichen Herkules halte, nicht fertig wird mit diesen drei wundersamen Knaben? Obgleich ihre schlanken, hohen Gestalten durch Gymnastik sehr geübt scheinen, so sind sie doch der Farbe nach so mädchenhaft zart, daß seine stärkere Manneskraft wohl siegen müßte, wenn er nur wollte.

Der Kenner: Mein Gott, Fräulein, sehen Sie denn nicht, daß dies Hylas ist, welchen die Nymphen rauben, indem er aus der Quelle schöpfen will? Trefflich gezeichnet und meisterhaft gemalt ist Alles in diesem Bilde! Hylas knieend, wendet sich unwillig empor, als ob er Herkules zu Hülfe rufen wollte. Wie kräftig ist dieser edle Kopf, der sich seitwärts wendet, wie schön gezeichnet diese seitwärts gesenkte und rückwärts gebogene Brust! Seine aufgehobne, linke Hand, welche die Spitze der Gruppe bildet, ist sie nicht vollendet schön? Wie kunstvoll geordnet sind die Stellungen der eben aus den tiefen Fluthen auftauchenden Nymphen! Die hinterste, welche von dem meerblauen Gewand umflattert ist, und welche so feurig seinen Arm umschlingt, bildet mit ihrer rasch herunterziehenden Wendung den Gegensatz zu der mittlern, welche, indem sie den Liebling mächtig umfaßt, so sehnsuchtsvoll zu ihm hinauf blickt. Die vordere, deren schönen Rücken wir bewundern, und deren Kopf ganz im Profile steht, scheint die kühnste; sie umklammert sein Kniee und seine Hüfte, und macht ihm jeden Widerstand unmöglich. Wie schön gemalt sind alle diese Körper, wie hebt sich jeder hervor, wie stimmt dies verschiedene Colorit zu so einer vollkommenen Harmonie!

Der Dichter: Ja, dieser Farbenaccord des Colorits, voll dem die lebenwarme, männlich schöne Farbe des Hylas der Grundton ist, zieht mich am meisten an. Das Rosige der entferntern lüsternen Eunica, das zarte bläuliche Weiß der schönen ernsten Malis in der Mitte, das warmerglühende Perlenweiß der verwegnen Nychea vorn, stimmen gut zusammen. Aber, wie ganz anders hatte ich mir dies Bild gedacht! Ist dieser Heldenjüngling der liebliche zarte Hylas, der kaum dem Knabenalter Entwachsne? Sind diese Amazonenengestalten, die weichen, Liebefordernden und Liebespendenden, Lustathmenden Wellengebilde? Ernst und fast schmerzlich blicken sie empor: hierin liegt wohl etwas Edles, aber den süßen Liebreiz, der dabei um alle ihre Züge spielen sollte, vermisse ich doch zu sehr, und am meisten bei den scharfen Linien der Nychea. Nur zu Kampf und Ringerspiel scheinen diese Körper [586] gebildet; hier ist an kein weiches Anschmiegen zu denken. Immer dachte ich mir bei Hylas „halb zog sie ihn, halb sank er hin;“ hier aber gilt Kraft gegen Kraft. Recht lieblich ist das langflatternde, mit weißen Grasblumen bekränzte Haar der Malis, die ohnehin am seelenvollsten ist; der Schilfkranz Nychea’s wäre passend, wenn ich-mich mit diesem Kopf überhaupt versöhnen könnte. Aber die moosige Felsenwand, die duftige Ferne, das üppige Schilf und die Kräuter und Blumen vorn, das spiegelnde tiefe Wasser, dies thut mir wohl, darauf ruht mein Auge aus von den Gestalten, die ich weder dichterisch, noch irdisch zu nennen weiß, und nicht elementarisch finden kann!

Ein alter Professor: O über das Geschwätz! Sie sind akademisch richtig und brav, und damit Punctum! Als ob nicht mehr dazu gehörte, so einen Hylas zu malen als ein Knäblein, wie der Herr da meint.

Der Krittler: Unstreitig; wenn ich nur erst ergründen könnte, wie das rechte Knie der vordern Nymphe sich so seitwärts wenden kann, da man sie von hinten sieht. – –

Julie: O bitte, Väterchen, sieh dies holde Familienbild daneben, so recht Vater und Tochter zusammen! Das liebe schöne Mädchen, wie gut steht ihr das enganschließende Gewand, was aus paille in Lilas schimmert! Ich möchte den zarten Ausdruck ihrer Physiognomie selbst mit dem Accorde dieser Farben vergleichen. Der Vater aber, der ist voll Feuer und Kraft! Wie heftig er ihre herabhängende rechte Hand faßt, während sie die linke so sanft auf die väterliche Schulter legt!

Der Kunstfreund: Es ist der Prinz Radzivil mit seiner holden Tochter, von unserm wackern Kügelgen gar meisterhaft gemalt.

Die Dame: Aber das hohe Haargeflecht der Prinzessin kleidet doch so einem jungen Gesichtchen nicht recht; indeß, die Mode verlangt es.

Der Krittler: Hätte nur der weiße Ermel andere Falten! das Eingesunkene desselben auf dem Vorderarme stört mich.

Der Kenner: Mich keinesweges; es macht sich oft in der Natur eben so. Welch’ ein schönes Bild hängt aber hier daneben, No. 472. Diese herrliche Beleuchtung, die sich so auf der Stirne concentrirt, während alles Uebrige des lebensgroßen Kniestückes in ein kräftiges und klares Helldunkel zurücktritt, diese läßt den gewesenen Schüler Grassi’s errathen, Moritz Retzsch, der selbst zum Meister reifte. [589] Der Kunstfreund: Es ist das Portrait des Generals Le Coq, eben so ähnlich, als köstlich gemalt. Wie sinnig ist es auch, daß er hier die Hand, gleichsam Treue schwörend, auf das Postament der kolossalen Büste unsers geliebten Königs legt, als Repräsentant der Truppen, die man in weiter Ferne im Hintergrunde erblickt. Recht schwierig war es, diese weiße Marmorbüste in so tiefes Helldunkel zu bringen; des bewirkt die dunkelgrüne Draperie.

Die Dame: Nichts geht doch über den schönen, goldnen Ehrensäbel, den der General in der Hand hat; der ist aber auch in Paris gearbeitet. Wenn man ihn nur ganz sähe!

Der alte Professor: Warum nicht gar! – Etwas stärker impastirt wünschte ich die Farben in dem Kopfe; so machte es unser seliger Graff, da trat es zur Leinwand heraus. .Doch das Bild ist brav und macht mir den Künstler recht lieb.

Die Dame: Ach! sehen Sie einmal das hübsche junge Frauenzimmer in dem doch fast gar zu leichten Negligé, mit den Rosen in den Haaren! Die muß ich bestimmt kennen – irre ich mich nicht, so tanzte sie auf dem letzten Balle den Walzer mit dem Officier, der hier auch wieder neben ihr sitzt. Ob sie nur in dem Büchschen ihren Schmuck haben mag?

Der Kunstfreund: Verzeihen Sie Gnädigste, die beiden Bilder gehören ja gar nicht zusammen! Es ist eine Pandora, vom Prof. Pochmann gemalt, und ein Portrait von ebendemselben. – Doch wie ist unser Adelbert so verloren im Anschaun! Mit trunkner Lust hängt sein Auge an dem Johannes dem Täufer unsers Kügelgen.

Der Dichter: Ja wohl, Freund, möchte ich den Eindruck dieses Bildes einen seligen Rausch nennen! Welch ein wundersam tiefes Seelengemälde! Könnte wohl ein Bösewicht, oder ein Ungläubiger diesen Feuerblick aushalten? Würde ein jugendlich Leichtsinniger nicht erschüttert und bekehrt werden durch die Himmelsflamme, welche dieses Bild durchglüht! Wie er so gerad auf uns hinblickt, dieser gottbegeisterte Johannes mit den brennenden Augen, den kräftig schönen Zügen, welche aus den reichgelockten, dunkelbraunen Haupt- und Barthaar sich so kühn herausheben! Er zeigt mit der Rechten auf das Kreuz, und Flammen umwehen es! Nicht Einzelne, die Menschheit scheint er zurechtzuweisen!

Der Kenner: Es ist kein Wunder, daß dies Bild Sie so ergreift; den schönen Ausdruck abgerechnet, ist es auch meisterhaft verstanden und ausgeführt. Hier ist gründliche Kenntniß der Anatomie und jede Muskel, jede Sehne, ist gehörig gespannt und gewendet. Herrlich gemalt ist es auch; das muß der Neid gestehen! Wie schmelzen die Farben in dunkler Glut so schön, und doch auch so wahr in einander! Hier ist nichts Buntes, nichts Gefärbtes; man glaubt den glühenden Pulsschlag zu fühlen, der diese Lebenswärme hervorbringt. Wie wohlthuend ist das Grün des Gewändes zum Ganzen! Alles ist aufs Höchste ausgeführt; und doch ist nicht so glatt und ängstlich, wie ich es nun einmal nicht leiden mag, sondern kühn und frei. Es ist nur eine halbe Gestalt, aber sie ist im großen Styl und bewährt den Meister.

[590] Julie: Lieber Vater, zu diesem Bilde führe mich einmal recht spät Abends, wenn die sinkende Sonne golden leuchtet, wenn wir beide ganz allein davor stehen! Dann wird es mir erst wohl werden dabei. Jetzt ist mir das Herz so voll, und ich möchte weinen; aber es ist nicht Schmerz – die Worte sind so arm! – Recht schön ist wohl auch dieser Christuskopf desselben Meisters; ich verstehe ihn nur nicht ganz. Sag mir nur, warum er, von dem alles Licht kam, in so tiefes Dunkel gehüllt ist? Warum diese Stirn mich immer unwillkürlich an einen jugendlichen Jupiter erinnert, und warum mir stets das Verhältniß von Kinn und Bart im Vergleich mit der obern Hälfte des Kopfes so klein vorkommt? Das liegt gewiß nur an mir!

Der Kunstfreund: Wohl nicht ganz an Dir allein, mein Kind! Indeß betrachte ihn nur oft und aufmerksam, da wird er Dir lieber werden. Er ist mit seltnem Fleiß ausgeführt. Doch sieh, warum stampft unser Professor dort so mit dem Fuße? Was ärgert ihn nur?

Der alte Professor: Ey, Gott besser’s! Das wird ja heut zu Tag immer toller! Seh man einmal das Kreuz im Walde, von dem genialen Kopf, dem Friedrich! Ist das Natur? Ist das Wahrheit? Wenn haben sich denn jemals die Wolken so symmetrisch arrangirt, rechts gerade wie links! Und die Baume all’ dazu!

Der Dichter: Entzückend schön ist es aber doch, dies hohe ernste schwarze Kreuz mit den Dornen umwunden, welches mitten auf dem steilen Felsblocke emporragt, von schlanken Tannen und Fichten umgeben. Die wundersame, Glorienartige Klarheit des Himmels darüber, das tiefe, und doch so durchsichtige Dunkel, welches sich über alles Irdische ergießt, die rundgewölbte Form des ganzen Gemäldes, alles zieht mich zauberisch an! Ich möchte das Gefühl, welches es erweckt, fast musikalisch nennen; aber es ist keine Composition; es ist das Wehen des Abendwindes durch die volltönende Aeolsharfe! –

Julie: Still, still, lieber Schwärmer, Sie vertreiben sonst unsere Begleiter noch ganz, und setzen sich selbst in übeln Credit. Mein kleiner Liebling hier, das niedliche Seestückchen von Friedrich findet vielleicht selbst vor strengern Augen Gnade. Ist es nicht eine wahre kleine Romanze? Die See schimmert und funkelt; das Schiff entflieht; das Mädchen sitzt auf der Mitte des Rasenhügels am Ufer, und weht mit dem Tuche ein Lebewohl nach. Das kleine Bildchen ist so überaus einfach und doch so lieb.

Der Kenner: Es hat auch das Verdienst, daß die Töne von See und Luft, von Nebelformen und Wellengeflimmer täuschend wahr aufgefaßt sind.

Der Kunstfreund: Hier hängen ja recht die Werke der seelenverwandten Künstler beisammen! Seht doch diesen Luther des wackern, einfachen, sinnigen Veit Hanns Schnorr in Leipzig. Dies Bild hat mehr Kraft, als ich an allen frühern Werken dieses Künstlers fand, und ist mit tiefer historischer Wahrheit aufgegriffen. Auf dem starren unerschütterlichen Granitfelsen, den keine Blume, kein Gräschen umspielt, steht im geradlinigen, schwarzen Talar der Luther und betet mit gefalteten Händen; der Himmel über ihm ist so hell und klar, aber nördlich kalt, ohne Schimmer, ohne Wolkenpracht. Und doch ist der Luther so warm und innig in seiner Frömmigkeit, und meint es recht treu damit, das fühlt man! Unser Professor schüttelt wieder den Kopf; aber mag es als Gemälde noch so sonderbar seyn, bedeutend und durchdacht ist dies kleine Bild gewiß, und ganz seinem Geiste gemäß ausgeführt.

Der alte Professor: Ja, ja, der Luther ist in der Welt mit seinem Kopf durch vieles durchgefahren, nun gar am Ende durch den Felsen noch! Nur Schade daß die Beine sind drin stecken geblieben! –

Die Dame: Das Kind, was da oben hängt, sollte diesen Sommer nur recht fleißig baden, es hat eine kränklich gedunsene Farbe, und sieht so altklug aus!

Der Kunstfreund: Doch ist es ähnlich und recht brav gemalt von dem geschickten Prof. Rösler. Die Nebendinge sind auch recht gut in Haltung, und sorgfältig ausgeführt. Das männliche Portrait desselben Meisters ist treffend und wahr gemalt.

Die Dame: Aber, mein Gott, die dicke Dame hier läßt ja ihr armes Kind ganz vom Schoos fallen, so sehr schaut sie auf uns!

Der Kenner: Dies Heruntergleiten des Kindes hat mir bei diesem Portrait, welches Prof. Matthäi malte, schon längst weh gethan. Das Köpfchen des Kindes ist herrlich; aber die übrige Stellung thut nicht wohl. Die Mutter ist mit diesem dunkelgrünen Gewand und purpurnem Shawl schön geschmückt, gut beleuchtet und gemalt; nur das unmütterlich Sorglose stört. Dies Bild gefällt mir indeß immer besser, als das andere desselben Meisters.

Der Dichter: Was, dies soll eine Sappho seyn? Mit dieser kalten, festen Ruhe, dieser welken Farbe? Diese scharfgeschloßnen Lippen sollen je von süßen Liedern übergeströmt seyn! Wahrlich, hier wird niemand dem Phaon zürnen!

Die Dame: Das Kleid mit den kurzen flatternden Spitzenermeln ist doch recht hübsch gemacht; wenn ich nur wüßte ob es weiß oder grau wäre?

[591] Der Krittler: Wären nur die Arme wenigstens idealer; dies hätte doch wohl der Meister sich erlauben können? Das übrige ist Portrait, da ist nichts zu sagen.

Der Kunstfreund: Recht gut ist doch das Licht auf dem Kopfe concentriert und die emporgehobenen Augen sind auch nicht ganz undichterisch. Aber meine Julie weilt bei unsers biedern Veteranen Klengel Landschaften; wir müssen hören was sie uns darüber zu sagen hat, denn sie winkt uns fröhlich zu, hinzukommen.

[597] Julie: O kommen Sie, lieber Vater! Diese Landschaften unsers biedern, fleißigen Klengels muß man nicht so flüchtig betrachten; man muß sie genießen! Mir wird bei ihnen so heiter und wohl, wie in der Natur selbst, aus der sie treu gegriffen sind. Sehen Sie diese ganze Reihe kleiner Landschaften, jede in reizender Eigenthümlichkeit! Diese beiden, ein Morgen und ein Abend in Italien, in reiner Klarheit und zartem, rötlichschimmernden Duft: wie dort der Maulthiertreiber hinaus eilt in unermeßne Ferne, während sich vorn die kleine Heerde am kühlen Quell labt; hier das heimgekehrte Schiff in der fernen freundlichen Bucht ruht, und im Vorgrund neben dem Felsblock die Heerde schattigere Kühle sucht! Und hier, die drei noch kleinern heimischen Gegenden sind doch in ihrer Einfachheit so gar lieblich! Hier der ländliche Steg über den raschen Bach, über welchen eben das Landmädchen mit dem Korbe Heu auf dem Rücken, herüber kam, – wie frisch, wie lebendig ist die ganze Gegend, so wahr daß man glaubt jedes Bäumchen zu kennen! Darüber auf der andern kleinen Heimathsgegend mit dem so zart flockigen und duftigen Himmel, begegnet uns das niedliche kleine Mädchen wieder, neben dem im Gras liegenden Bruder stehend, der die Heerde hütet und sich eben nach einem sich verirrenden Lämmchen umsieht; Alles ist in ganz kleinem Maaßstab, so leicht hingeworfen, und doch so treu der Natur abgelauscht! Mein wahrer Liebling ist aber die dritte dieser kleinen Landschaften, mit dem graulich umzognen, schwülen Himmel, wo sich der steile Bergpfad so staubig hinaufzieht. Die mühsam erklimmte ihn der Wanderer, der sich jetzt eben für unsere Blicke in der Ferne verliert! Und hier unten, wo man tief im Gesträuch das einfache alte Thor sieht, da bäumt sich scheu das edle weiße Roß und sein Führer hat Mühe, es aus der Bergschlucht heraus zu bringen; ich könnte mir ganze Geschichten zu dem anmuthigen Bildchen hinzu träumen! –

Der Dichter: Ich gestehe es Ihnen, Julie, bei diesen Kleinigkeiten müssen Sie die Dolmetscherin der Natur seyn, wie Sie mir es so oft auf Spaziergängen werden, wenn ich so viel darin finden soll, wie Ihr zarter Natursinn heraus empfindet. Aber sehen Sie diese große Landschaft desselben Meisters, wie trefflich ist diese gedacht und ausgeführt! Ein mächtiger Hauch überströmt das Ganze und bewirkt einen ergreifenden Totaleindruck. Ein starkes Gewitter zog vorüber; links ist der Himmel noch tief umwölkt, rechts fängt das reine Blau wieder im sichtbar zu werden; die Bäume sind noch gebeugt von Regen und Sturm! Dieser war heftig; denn hier liegen große Aeste, die er abbrach, deren Laub eben anfängt herbstlich zu erglühen. Wie rührend und vielsagend ist der durch frühern Wetterstrahl getroffne, völlig abgestorbne Baum vorn, den der dunkle, üppig wuchernde Epheu umrankt und umgrünt, ihm zum Lohn der Stützung ein heiteres Hoffnungsgewand leihend. Sanft zieht sich die Anhöhe hinauf, und oben, nach dem reinen Himmelblau hinwärts geöffnet steht noch die alte, halb verfallne Kirchhofpforte; neben ihr senkt sich der schöne Regenbogen nieder, [598] der scheinbar die Erde berührt. Vorn aber da zieht sich der Weg entlang, und die zerstreuten Heerden und Wanderer sammeln sich wieder.

Der Kunstfreund: Ja wohl ist ächte Poesie in diesem trefflichen Gemälde, und so absichtslos, so ungesucht! Kaum scheint der Künstler daran gedacht zu haben, welche tiefe Deutung darin liegt; und das thut so wohl!

Der alte Professor: Er hatte auch genug zu denken, um dem Himmel einen so kräftigen und doch so klaren Ton zu geben, und alles so in Haltung zu bringen! Da sieht man den geübten Meister, der sich immer an unsers lieben Gottes Natur hielt, und sich es nie einfallen ließ, sich selbst eine erfinden zu wollen, wie es jetzt Mode ist.

Der Kenner: Möchte der wackere Künstler uns noch oft so reich beschenken, und möchte er doch aus den herrlichen Gegenden unserer sächsischen Schweitz uns einige recht überraschende Parthien mit der seltnen Wahrheit und Treue seines Pinsels hinzaubern. Er ist der wahre Theokrit unter unsern Landschaftsmalern, alle seine ländlichen Scenen sind voll Reiz und Leben; strebte er öfter, so wie hier, danach, der Natur ihre tiefern, charakteristisch bedeutenden Züge abzulauschen, so würde die Nachwelt ihn den Ruysdael unserer Zeit nennen. Aber sie übersahen alle noch die beiden kleinen Viehstücke von ihm, die wirklich trefflich sind. Feuer und Geist belebt darin jeden Pinselstrich.

Julie: Wie traulich und naiv ist die Gruppe hier geordnet! Die Hirtin am Flusse sitzend, die ihre benetzten Füße trocknet, und uns dabei so munter anlacht, ihre Kuh dicht neben ihr, sich fast über sie hinbeugend, und ihr treuer Hund auf der andern Seite, neben ihr sitzend und eben so gutmüthig wie sie aus dem Bild herausblickend. Wie treu und ehrlich meinen Alle es mit einander! O wahrlich, wenn ich an die Gruppen in unsern Salons denke, so beneide ich die glückliche Hirtin!

Der Krittler: Auf dem andern dieser Stücke ist aber doch die Luft fast zu blau, und der Baum so unbedeutend; Alles bildet nur einen Hintergrund für die unstreitig brav gemalten Thiere.

Der Kunstfreund: Diese sollen hier auch die Hauptsache seyn. Recht interessant ist es aber, bei den mancherlei Landschaften die hier neben einander hängen, zu beobachten, wie jeder Künstler die Natur mit einem so ganz verschiednen Auge sieht! Diese selbsterfundne Landschaft mit Felsenparthieen und Wasserfällen, von Klaß, hat gewiß viel Gutes. Die Gegend ist romantisch schön, der Ton in den Felsenmassen hat Wahrheit, das Gesträuch ist brav ausgeführt, und doch fehlt dem Ganzen der frische Lebensodem. Die Unveränderlichkeit drängt sich mir so wunderlich auf dabei; dies Wasser strömt nicht, dieser Himmel wird nie weder heller noch dunkler, es ist etwas Regungsloses und Todtes darin; das Festgehaltne hat wohl Gefälliges, aber der täuschende Zauber höherer Kunst fehlt.

Die Dame: Ach, diese Landschaften ennuyiren einen doch gewaltig! Ewig nur das liebe Rindvieh und die alltäglichen Bäume! Da lobe ich mir jene dort, die ist deliciös! Sehen Sie nur, da liegt unser Dresden, recht sprechend getroffen, und hier das Linkische Bad, die hübsche Promenade längst der Elbe, gegenüber Antons Garten, lauter Orte, wo man sich amusirte! Und alles so hübsch hell!

Der Kenner: Diese Ansicht von Dresden mit der umliegenden Gegend, von der Nordseite, in Wasserfarben gemalt von Hammer, hat unstreitig Werth, und die sprechende Aehnlichkeit, wie die gnädige Frau es nennt, ist besonders zu rühmen daran, so wie die überaus nette Ausführung. Die Ansicht ist von einem der Berge von oben herab genommen; daher die wunderliche Perspektive, in der sich der Strom zeigt. Doch haben solche strenge Portraits der Natur immer etwas Steifes, was hier besonders durch die höchst unangenehme Linie der neuangelegten Allee längst der Elbe, die man so von oben herab sieht, vermehrt wird. So etwas ist treue Erinnerungskarte, aber ächtes Kunstwerk ist es nicht. Köstlich ist dagegen die von demselben Künstler getuschte Mondscheinlandschaft.

Der Dichter: Ja wohl, wie duftig und verschmolzen ist hier Alles! Und wie glänzend spielt das Mondlicht auf den Wellen, wie hebt sich die dunkle Gestalt des Fischers vorn, der sein Netz trägt, so kräftig heraus! Weit schöner ist diese Sepialandschaft doch, als jene große von C. A. Richter.

Der Kunstfreund: Seyn Sie nicht unbillig, Adelbert! Sie dürfen höchstens sagen, daß sie Ihnen mehr Eindruck macht, weil das Bräunliche der Sepia schon so passend ist zu Nachtstücken, die ohnehin farblos sind. Aber betrachten Sie jene Ansicht von Außig in Böhmen genauer, so werden Sie viel Schönes darin finden. Das Ganze ist mit ungemeiner Leichtigkeit behandelt, ganz in des verstorben Zingg Manier, aber weicher und angenehmer, als dieser pflegte zu arbeiten. Nur die Gruppe vorn wünschte man daraus hinweg.

Julie: Diese Einsiedelei mit dem Madonnenbildchen, in der Landschaft von Günther, ist doch recht hübsch gedacht, wenn nur das Ganze nicht so einzig grün, grau und weiß wäre.

Der Kunstfreund: Dennoch ist diese immer weil besser, als die französirende Telemachscene daneben. – Jetzt nur einen Blick auf dies kleine sorgfältig [599] ausgeführte Bataillenstück, eine Scene aus der Schlacht von Mosaisk vorstellend. Ein uns bis jetzt unbekannter Künstler, der im Gefolge des jetzigen Fürsten von Leuchtenberg der Schlacht selbst beiwohnte, malte dies; er heißt Adam. Ich verstehe nicht viel von dieser Art von Kunstwerken; aber ich finde Ausdruck, Feuer und Wahrheit in diesen Gruppen.

Der alte Professor: Unläugbar, nur machen sich die vielen langen Reihen von Cürassierbrigaden, die wir alle nur im Rücken sehen, und die trotz der Haubitzen, die unter sie fliegen, so ununterbrochne Linien bilden, gar nicht malerisch; so was mag militärisch genommen recht löblich und nothwendig seyn; wir Künstler sehen aber lieber Natur als Dressur. Gemalt ist das kleine Ding aber recht brav.

Die Dame: O sehen Sie doch diese Landschaften hier! Die sind wohl recht gelehrt? Da ist so unendlich viel krauses und wirres Zeug darauf. Und doch dächte ich, ich wollte wetten, ich hätte sie schon neulich bei dem Confiturier gesehen, als er den Tafelaufsatz besorgte. Wahrhaftig, da hätten sie sich gut conservirt! – Oder, sind sie vielleicht gestickt? Das wäre interessant!

Der Kunstfreund: Ach Gott bewahre! Sie sind leider gemalt von dem unermüdlichen Ritter von Brenna, der mit beispielloser Ausdauer uns alljährlich heimsucht mit seinem bunten Gemengsel von römischen Ruinen, mit Weihnachtsbäumen, Wollsäcken statt Wolken, Affen statt Menschen, nachgemachten Kinderspielzeug statt Thieren, und dies alles zusammen: italienische Ansichten nennt. Seine Arbeiten sehen sich alle so ähnlich, daß ich fast glauben möchte, es kämen alle Jahre dieselben wieder! An ganz alten Hautelissetapeten scheint der gute Mann den Styl gelernt zu haben, doch sein Fleiß ist wahrlich rührend! Dies anzusehen ermüdet aber wirklich, und ich schlage vor, da überdem noch manches Werk erwartet wird, daß wir lieber jetzt heimkehren, und uns das Wort geben, uns alle über 8 Tage um diese Stunde wieder hier einzufinden, denn es hat einen eignen Reiz, etwas so in Gesellschaft zu sehen und die Meinungen darüber auszutauschen.

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* *

Der Vorschlag wurde angenommen, und Sie können leicht glauben, daß ich mir Tag und Stunde wohl merkte, um mich pünktlich auch wieder als stummer Zuhörer einzufinden.

Sie kamen und ich belauschte folgendes:

Zweite Gespräch im Professorzimmer:



[601] Julie: Ah, da sind ja unsere Freunde schon, und wie ungewöhnlich! Alle scheinen einmüthig in freudigem Entzücken übereinzustimmen! Selbst unser Adelbert stehe Arm in Arm mit dem alten Professor an das Fenster gelehnt. Geschwind, Väterchen, laß uns sehen, was dieses Wunder bewirken konnte!

Der Kenner: Sie werden aufhören, es ein Wunder zu nennen, liebes Fräulein, wenn Sie sehen, welch tadellos treffliches Werk uns so anzieht. Solcher Vollendung gegenüber gibt es keine Meinungen mehr; wer hier nicht entzückt wäre, der besuche nie einen Kunstsaal wieder! Treten Sie hieher, ganz ins Fenster, damit das Spiegelglas Sie nicht blende, und nun betrachten Sie diese himmlische Copie von Correggio’s weltberühmter Nacht, die unser trefflicher Seydelmann verkleinert diesen Sommer in Sepia zeichnete, damit Raphael Morghen sie darnach in Kupfer steche. Welche Klarheit und Kraft, welche Treue in der zartesten Auffassung der Charaktere, welche Abstufung von dem höchsten Licht, welches hier blendend klar ist, bis zum tiefsten Schatten, der doch bei aller Dunkelheit durchsichtig bleibt! Und dabei welche wundervolle Zartheit und Vollendung in der Behandlung! Wahrlich, diese Aufgabe konnte einzig dieser Meister so lösen, und kommt der Kupferstich nur einigermaaßen dieser Zeichnung gleich, so wird es eins der ersten Blätter im Reiche der Kunst.

Der Kunstfreund: Wie unendlich schöner ist das Kunstgebilde, wenn jede Gattung in ihrer Eigenthümlichkeit bleibt! Mich entzückt diese Zeichnung in diesem für die Sepiamanier passenden Maaßstabe, weit mehr, als die ungeheuer großen Zeichnungen, die der seltne Künstler aufgefodert wurde, in der Größe der Originalgemälde seit mehreren Jahren zu fertigen. So schön und brav diese auch waren, so fühlte man doch etwas Unzweckmäßiges dabei; hier aber ist alles befriedigend. Die Farben selbst sind in diesem wundersamen Gemälde Correggio’s nur die Dienerinnen von Licht und Schatten; um so schöner konnte daher hier die Uebertragung in die Zeichnung gerathen.

Der Dichter: Dieser Nacht gebühren die vollsten Kränze, denn hier muß jede Kritik verstummen! –

Die Dame: O sehen Sie doch, wie reizend angezogen die Dame da oben ist! Die herrlichen Perlen, mit denen Sie ihr dunkles Sammtkleid schnürte, und der Spitzenkragen, der zackig aus dem weitausgeschnittnen Kleide hervorsteht, diesen mögte man haben! Und wie kleidsam und geschmackvoll ist Alles! Der Orange-Shawl ist gewiß ächt, ob man gleich die Kante leider nicht sieht.

Der Kenner: Dies Kniestück, welches Prof. Matthäi malte, ist auch das Portrait einer der geschmackvollsten Frauen. Es ist trefflich gemalt, obschon es den Reiz des Originals nicht erreicht. Recht schön hebt sich das dunkle Haar heraus auf dem hellgrünen Vorhange, aber man würde diesen Haaren wohl einige darüber hinspielende Lichter wünschen; doch Künstler sind damit stets geplagt, weil Unkundige dann das Haar für heller halten! Die zarten Fleischtinten gewinnen sehr durch das dunkle Gewand!

Der Krittler: Wärmer könnten diese Tinten [602] wohl um einen Ton seyn; mich stören an diesem wirklich schönen Portrait nur die beiden Daumen: denn es ist doch sonderbar, daß diese an beiden Händen pünktlich einerlei Stellung gegen den Zeigefinger bilden, obschon die Lage der Hände verschieden ist. –

Julie: Sitzt oder steht denn das junge Frauenzimmer dort in der großen Landschaft? Recht unbequem muß ihre Stellung auf jede Weise seyn, darum steht sie auch wohl so düster und verdrüßlich aus!

Die Dame: Mein Gott, wie ungeschickt hält sie aber die Guitarre, an welche sie eben das Band befestigt! Ihr graues Kleid ist doch auch entsetzlich enge; ein Paar Falten könnte es schon haben! Und der Strohhut, der neben ihr liege, das ist ja eine wahre Mütze! Nein, hier läßt sich nichts für die Toilette profitiren.

Der alte Professor: Darüber wollten wir uns trösten, wenn nur die beiden herabgesenkten Arme nicht so gar fatale Linien bildeten! Sie sind an und für sich nicht hübsch und diese wunderliche Symmetrie der Stellung macht sie gar häßlich. Dabei ist das Fleisch so kalt, daß ich hieran wirklich nicht den Prof. Rösler erkannt hätte.

Julie: Da müssen Sie doch gestehen, daß das lebenwarme Köpfchen daneben, von dem wackern Pochmann ansprechender ist?

Der Kenner: Niemand wird diesem Künstler ein treffliches Colorit absprechen. Dies und die ungemeine technische Fertigkeit, die er besitzt, geben jedem seiner Gemälde einen künstlerischen Werth, wenn auch die höhern dichterischen Foderungen unbefriedigt bleiben. Treffend ähnlich sind auch seine Portraits immer.

Der Dichter: O Julie, kommen Sie hieher! Dies Bildchen wird Sie entzücken! Sehen Sie, welch’ eine ganz neue Bahn unser ehrwürdiger Klengel hier betrat, und mit welchem Glück! Diese kleine Dorfschule gehört doch zu den lebenvollsten Darstellungen, die ich je sah!

Julie: O wie hübsch! – Du armer kleiner Junge, der du hier in der Mitte zur Strafe knieen mußt und so bitterlich weinst! Und ihr kleinen Schelme, die ihr hinter dem Rücken der Spinnmeisterin so allerlei vornehmt! Wie fleißig sind die größern dort um den Schulmeister her; dort hängt auch die alte Violine an der Wand und die Notenblätter und Kalender; der große Kachelofen, die zerbrochnen Fensterscheiben, der Mehlsack auf der Ofenbank, das Mädel seitwärts an dem Waschfaß, die Hauskatze sogar, alles gibt ein treues Bild der Umgebungen dieser ländlichen Kinderwelt.

Der Kenner: Und wie trefflich ist das Ganze in Haltung! Alles in so einen kräftigen Farbenton und so weich und verschmolzen dabei! Das Hauptlicht, welches aus dem Fensterchen mitten im Hintergrunde hereinströmt, würde nicht ganz zugereicht haben. Da wußte der erfahrne Meister ein schmales Streiflicht durch ein Seitenfenster im Vorgrund zu gewinnen; ohne die Wirkung des Totaleindrucks im mindesten zu stören, hellt dies die Reflexe auf, und so bleibt Alles im niedern Stübchen im klaren Dämmerlicht. Welche Mannichfaltigkeit ist in den Stellungen dieser Kinderschaar, und wie wahr und zwanglos sind alle! Wahrlich, dies Bildchen könnte kühn neben einem Mieris seine Stelle behaupten!

Die Dame: Mir gefallen nun die Miniaturen daneben weit besser. Welch’ ein superbes Diadem trägt hier die junge Herzogin von Coburg-Saalfeld, und wie herrlich ist ihr Teint!

Der Kunstfreund: Hier kann ich wieder nicht ganz beistimmen. Wie kann man einem jugendlichen Köpfchen so eine schwerfällige Diamantenlast aufbürden, die nichts als reich ist! Und warum aus dieser unstreitig trefflich gemalten Miniature so einen wunderlichen Accord von Blüthenweiß der Haut, Atlasweiß, Diamantenweiß und Spitzenweiß bilden, daß es ist, als wolle der Künstler uns scherzend weiß machen, Malerei bedürfe der Farbe nicht! Weit schöner, und wirklich ganz ausgezeichnet finde ich das Portrait des regierenden Herzogs, ihres Gemahls, und das des genialen Grassi. An dieser Wahrheit des Colorits und dieser wundervoll zarten Ausführung erkennt man es, daß Prof. Schreuel Grassi’s Schüler war. Auch die beiden lieblichen Copieen nach Grassi theilen jene Verdienste, so viel Vorwürfe auch jeder Zeichner wohl dieser Hygiäa machen wird. Wir haben hier keinen Miniaturmaler, der diesem geschickten Künstler gleich käme.

Der Kenner: Wir wollen aber doch auch das zweite Fenster nicht übersehen. Diese Kreidezeichnung, welche der bescheidne Prof. Krüger nach dem köstlichen kleinen Madonnenbild von Gimigniani auf der königl. Gallerie fertigte, verdient wahrlich Beachtung. Sie ist mit unaussprechlichem Fleiße äußerst zart gearbeitet; es ist sehr Schade, daß sie nicht etwas kräftiger gehalten ist, besonders müßte der Vorhang im Hintergrunde weit dunkler seyn, da würden erst diese schöngezeichneten Gestalten sich herausheben. Möge der Kupferstecher, der danach arbeiten sols, dies nicht versäumen.

Julie: Dies himmlische kleine Bild ist immer mein Liebling gewesen; es erinnert so sehr an die Werke aus Raphaels früher Jugendzeit. – Aber welch’ eine allerliebste Landschaft ist hier in Kupfer gestochen! So viel Kraft und Leben sah ich selten in einem Kupferstich.

Der Kunstfreund: Und selten sah ich dich [603] Farbenfreundin so mit Lust bei einem verweilen! Dies Blatt nach Poelenburg ist aber auch von dem kenntnißreichen Inspector Frenzel gar herrlich gestochen. Uebersieh die beiden kleinen Blätter von Veith, die zu der neuen grossen Encyclopädie bestimme sind, nicht, denn sie sind wirklich ganz allerliebst; die kleine Alpenwirthschaft hat wahren Kunstwerth.

[605] Der Kenner: Es freut mich doch, daß es mir gelungen ist, Sie alle hier so herum zu führen, ohne daß Sie einen einzigen Blick auf jene Wand warfen, wo nun das neue große historische Gemälde unsers braven Rösler’s ausgestellt ist. Jetzt wenden Sie sich um, und genießen Sie recht voll und ungestört den Eindruck, den dies höchst verdienstvolle und ausgezeichnete Werk auf Sie machen wird. Es ist ein glücklicher Gedanke, recht zur malerischen Ausführung geeignet, die Hussiten vor Naumburg darzustellen, und zwar in dem Augenblicke, wo Procopius den Viertelsmeister Wolf versucht, indem er ihm befiehlt, seine eignen Kinder zu nennen, damit er diese als Opfer für die Befreiung der Stadt tödten lasse. Als er sie nicht nennen will, droht er den Vater zu tödten; da eilen, von kindlicher Liebe getrieben, die Kleinen ängstlich hervor, den Vater zu umklammern, und verrathen so sich selbst.

Der Kunstfreund: Welches Leben! Wie reich und wie voll Geist und Ausdruck ist dies Bild! Wahrlich, dieser Künstler ist geschaffen zur großen historischen Composition, in welcher man heut zu Tage so selten wahre Meister findet. Hier ist nichts ängstlich, nichts unbeholfen, nichts abgemessen, sondern alles leicht und frei und kühn, die Gestalten drängen sich in schöne Gruppen, die wohlgeordnet sind und doch ganz zufällig scheinen. Ueberall ist Gefühl vorherrschend und nicht die kalte Berechnung, die stets nur Todtes zu schaffen vermag. Hier ist Natur und Wahrheit, mehr nach ächt malerischer Wirkung strebend, als nach dem plastischen Effekt, den viele neuere Künstler vorzuziehen scheinen; alles hat Kraft und Leben, obwohl freilich nicht ganz die Rundung, die jene erreichen, und durch die treffliche Klarheit des Helldunkels kommt alles in Haltung. Wie richtig ist es gefühlt, daß hier der Procopius und seine hinter ihm stehende Kriegerschaar so ganz die Mitte des Bildes einnehmen und die Kinder von beiden Seiten sich ordnen: so bildet sich das Ganze völlig zwanglos pyramidalisch. Und wie weise ist auch die vollste Kraft dadurch in der Mitte, wie concentrirt sich das Licht auf den seitwärts gewendeten, schön gemalten Hals des Feldherrn!

Der Dichter: Dieser Procopius ist überhaupt herrlich gehalten; bei so viel Kraft und kriegerischer Wildheit, blickt doch so ächte Menschlichkeit und Religiosität durch des rauhe Aeußere; ja, ich möchte behaupten, man sieht ihm und dem edlen Krieger, der ihm zunächst steht, es an, daß sie für eine aufgeklärtere Religion kämpfen, so wie hingegen aus den Blicken der untergeordneten Hussitenschaar rechts neben Procopius, wilder Fanatismus leuchtet, zu welchem bei dem Volke jeder Religionszwist wird. Und doch, selbst diese, die den armen Kleinen so furchtbar mit ihren wunderlichen Spießen und Streitkolben drohen, sind nicht so schlimm; es macht nur dem rohen Volk einen Spaß, den Kindern Todesangst einzujagen, sie thun es mehr aus Schabernack, als ernstlich. Die zur Linken des Procopius aber, die sich ihre Ansichten über den Vorfall mittheilen, welche interessante Köpfe sind dies! wie sprechend und feurig, und dabei doch wie trefflich im Halbschatten gehalten, so daß [606] sie ganz zurückweichen gegen die Hauptgestalten. Dieser Viertelsmeister, der mit bittend gefalteten Händen vor ihnen steht, ist so rührend in seiner schlichten Bürgerlichkeit, und contrastirt mit seiner Demuth und stillen innern Kraft so schön gegen die sich äußernde der Krieger.

Julie: O wie könnt ihr Männer immer nur von diesen Männern sprechen und nicht zuerst die holden, unaussprechlich rührenden Kinder erwähnen! Wie reizend sind die beiden fast zehnjährigen Mädchen, die zwischen dem Viertelmeister und Procopius stehen, mit grünen Zweigen in den Händen, zwei Engelgleiche kleine Lichtgestalten! Die vordere, die wir im Profil sehen, mit den blonden Locken und dem wunderschönen Lila-Gewand, ist doch mit dem süßesten Reiz überhaucht! Ich sah noch nie diese Farbe so als Hauptton im Vorgrund eines Gemäldes angebracht; aber ich finde sie herrlich, und in ihrem eigensten Sinn mit dem zart Rührenden der Scene so ganz übereinstimmend. Die nonnenhaft verhüllte Kleine daneben im weißen Klostergewand, die mit den unschuldigen Augen so still und resignirt aussieht, ist doch ein wahrer Engel!

Der Kenner: Sie fühlen sehr richtig, liebes Fräulein; denn der Künstler dachte sich auch unter diesen beiden lieblichen Gestalten die Schutzengel dieser Kinder, darum umfließt sie höhere Klarheit und ein stiller Schimmer, darum haben sie allein grüne Zweige in den Händen.

Julie: O das ist schön! Wie ausdrucksvoll sind auch die Kinder des Viertelsmeisters! Der reizende Blondkopf, der sich ihm zunächst anschmiegt, das schöne größere Mädchen, welches in so namenloser Angst die Hände ringt, das schüchterne, interessante Kind, welches neugierig und ängstlich zugleich, hinter ihm vorblickt, das braungelockte, welches sich liebend an seine Brust legt! – O ich begreife, wie Bertha keines zurückbehalten konnte, denn welches hätte sie hier vorziehen sollen! – Welche Wahrheit und welcher innig tiefe Ausdruck ist in dem dunkellockigen Kinde, welches im dunkeln Gewand mit darübergeworfnen weißen Sterbekleidchen auf der andern Seite vorn kniet und so flehentlich bittet. – Dieses weiß so ganz, was Alles von dieser Bitte abhängt; ee ist nicht eben schön zu nennen, aber es spricht zur Seele; ich möchte weinen, wenn ich es recht ansehe. Wie rührend contrastirt dagegen der kleine Knabe mit den schönen weißblonden Locken in dem kurzen Sterbekleidchen, der dicht dahinter steht! Er ist so gar kindlich naiv; seine ganze Stellung spricht dies aus. Die bloßen Beinchen stehen so gerad und dicht neben einander; mit den Händchen zeigt er auf sich, als sagte er: „bin auch da!“ Innig liebevoll umfaßt ihn sein ängstliches Brüderchen. Dahinter dies zarte kleine Mädchen in weißer Nonnentracht, gibt sich wie ein schuldloses Lämmchen hin; fromm und schüchtern scheint die holde Kleine schon vor den rohen Blicken der wilden Schaar fast zu vergehen, und senkt bebend ihre Augen. Recht lieb sind alle die Kleinen, die man Reihenweise seitwärts sieht; nur über den hübschen närrischen Jungen vorne muß ich lachen. Der steht mit seinem tüchtigen, dunkelgrünen Wamms und seinen Stiefeln gar fremdartig unter der zarten weiß, gekleideten Kinderschaar, wo alle übrigen bloße Füßchen haben. Er faltet zwar seine Händchen auch bittend, aber ich weite darauf, ihm macht das Soldatenwesen Freude und er zöge selbst lieber mit den Hussiten!

Der Krittler: Ja, der kam nun wohl auch nur deshalb zur grünen Jacke, weil der Künstler eine dunklere Gestalt in dem Vorgrunde brauchte! Indeß, so etwas übersieht man schon! Was ich aber nicht übersehen kann, und worüber wohl Fräulein Julie nur aus Zartgefühl schwieg, das ist der fatale kleine Junge, der hier zwischen den andern auf dem Rasen sitzt und sich einen Dorn aus dem Fuße zieht; seine Stellung ist unangenehm. Es gehörte freilich hier ein kleineres Kind hin, das fühlte der Meister, er hätte es aber anders machen sollen! Der zusammengepreßte Junge ist mir ein störender Fleck in dem braven Gemälde. Etwas ausgeführter und gerundeter könnte wohl auch diese ganze Seite des Bildes seyn, um mit der andern, kräftigern in Harmonie zu treten.

Der Kenner: Man versichert, der Künstler werde diese Ausführung noch hinzufügen, er habt das wahrhaft große Werk nur noch nicht ganz beenden können. Die Anordnung der Farben gefällt mir ungemein darin. Es war eine schwierige Aufgabe mit den vielen weißgekleideten Kindern; er löste sie trefflich, nichts ist weder monoton noch störend. Der dunkelglühende Purpur des kurzen Mantels, den Procopius über seinen schweren Wappenrock geworfen hat, macht den wahren Farbenkern des Ganzen. Einen schönen, sanften Accord bildet die über seinem Haupte hinwehende Hussitenfahne, mit eingesticktem Kelch und Hostie in ihrer blaßröthlichen Farbe mit dem schräg über befindlichen hellem Lilagewand. Die Beleuchtung ist so genommen, als ob die Sonne seitwärts schon etwas tief stände; der Himmel ist sehr düster; nur ein Sonnenblick beleuchtet das Ganze.

Der Dichter: Wie bedeutend ist dies und der zart angedeutete doppelte Regenbogen, der sich im Hintergrunde über die gute Stadt Naumburg hinwölbt!

Julie: Ich hätte doch selbst Vertrauen zu diesem Procopius, so drohend auch seine Rechte das [607] Schwert faßt, so gebieterisch er die Linke gegen Wolff ausstreckt! Ich sehe im Geist schon den nächsten Moment, wie da der edle Krieger gerührt der Heimath gedenken wird, wie er sich setzt und der kleine, unschuldige Blondkopf seinen schönen, Stärkeathmenden Nacken umschlingt, während er das zarte Mädchen an die unter dem Panzer so menschlich klopfende Brust schließt, und andere mit den stählernen Spitzen seines Wappenrocks spielen; wie der Wolf freudig gerührt, dankend auf die Knie stürzt, und die Hussiten Zweige des sie überwölbenden Kirschbaumes abbrechen, um die kleinen Gäste zu erfreuen!

Der Kunstfreund: Ohne es zu wissen, sprichst du, meine Julie, hier das höchste Lob des wackern Künstlers aus, der mit jedem Jahre so auffallende Fortschritte macht. Denn es ist eine schöne Eigenheit eines historischen Gemäldes, daß, je lebendiger es aufgegriffen ist, um so deutlicher unsere Phantasie auch schon den nächsten Moment sich daraus neu gestalten sieht, so gut wie sie den vergangnen auch darin erkennt. Höchst erfreulich ist es, so ein gelungnes, reiches großes Werk eines lebenden Künstlers zu sehen.

Der alte Professor: Amen, ja, dass unterschreibe ich! Ich liebe ohnehin sehr die Mittelstraße, die der Rösler geht, sowohl zwischen Idealisieren und Verwirklichen, als zwischen einem zu kalten und einem zu glühenden Farbenton. Der Mittelweg ist immer der wahrhaft goldne, möge er es für ihn und für alle braven Künstler, die es heilig mit der Kunst und redlich mit den Menschen (die Kunstgenossen nicht etwa ausgenommen!) meinen, in jedem Sinne des Wortes werden! –

[657]
Bemerkungen über die diesjährige Dresdner Kunstausstellung.
(Beschluß.)

Eine unerwartete kleine Reise hielt mich mehrere Wochen ab, Ihnen noch einmal über unsere Kunstausstellung zu schreiben. Jetzt wird sie bald geschlossen; ich füge daher meinem frühern Brief nur noch einige flüchtige Bemerkungen hinzu. In das Professorzimmer sind noch zwei Portraits, lebensgroße Kniestücke, gekommen, über welche ich wohl die Meinungen der Gesellschaft, welche ich früher belauschte, hören möchte. Ich glaube daß der Kenner gewiß entzückt seyn würde von beiden Gemälden, in denen sich Professor Matthäi als Meister bewährt. Darstellungen von Personen in reifern Jahren scheinen ihm noch weit trefflicher zu gelingen, als ganz jugendliche.

Auf dem einen Bilde sehen wir einen sinnigen Denker freundlich gen Himmel blicken; das Buch mit den lateinischen Erinnerungssprüchen, welches er in der Rechten hält, sinkt auf sein Knie; man fühlt, wie das Gelesene und Erlebte einen reinen Accord in seiner Seele bilden; milde Klarheit ist der Charakter des ganzen Gemäldes. Der Hintergrund ist landschaftlich; das warme Abendgrau des Himmels ist sehr wohlthuend für die überaus wahren Fleischtinten des Kopfes. Es ist ganz meisterhaft, wie gerundet, lebenathmend, kühn, und doch so weich verschmolzen dieser gemalt ist. Das graue Kleid, welches so behaglich und zwanglos sitzt, stimmt trefflich zu dem Stillgemüthlichen und Anspruchlosen des Ganzen. Eben so ist Stellung und Ausführung der Hände ganz der Natur abgelauscht. Gleich diesem trefflichen Bilde wohlthuend für Sinn und Auge, ist das Seitenstück, welches eine edle Matrone darstellt, die mütterlich wohlwollend auf uns blickt. Sie sitzt unter einem gewölbten Bogengange; das Licht scheint aus einem Seitenfenster von oben herab zu fallen und conzentrirt sich trefflich auf dem sorgfältig ausgeführten Kopfe. Wahrheit und Leben ist in jedem dieser sprechenden Züge. Die Behandlung der Farben erinnert an die des berühmten seeligen Graff, aber der Styl ist höher und edler, die Ausführung schöner; man fühlt daß es ein Historienmaler ist, der sich hier dem Portraitmalen hingiebt. Alles ist ungesucht und einfach in diesen beiden Gemälden. Wie passend und ehrwürdig ist dies faltenreiche, schwarze Gewand mit dem breiten Sammetgürtel, dem altdeutschen weißen Kragen und dem tiefen Spitzenhäubchen. Es ist überaus selten, Portraits zu sehen, die, so wie diese, gleich fern von kalter Steifheit und von gefallsüchtiger Eitelkeit sind, wo Natur und Kunst so ganz harmonisch verschmelzen.

Ueber die andern Zimmer habe ich Ihnen noch Einiges mitzutheilen; doch muß ich mich auf allgemeine Bemerkungen einschränken. Im mittlern Zimmer sind, seit ich Ihnen schrieb, noch zwei größere Oelgemälde eigner Erfindung von jungen Künstlern hinzugekommen. Das eine, Kniestück in Lebensgröße, stellt Magdalenen vor, mit aufgelöstem Haar, Reuethränen vergießend, das Kreuz umschlingend, um welches der Dornenkranz, von Passionsblumen umrankt, gewunden ist. Remy, Schüler des Prof. Kügelgen malte diese Magdalena. In der Idee des Bildes ist recht viel Lobenswerthes; es wäre aber wohl zu wünschen, daß die Magdalena schöner und zarter gehalten wäre. Das andere: Achilles und Thetis, von Thomé, Schüler des Prof. Hartmann, steht in der technischen Ausführung weit höher; die [658] Idee ist aber bei weitem nicht so befriedigend. In dieser, ihren Sohn wehmüthig liebkosenden Thetis, ist nichts, was die erhabne Göttin, oder die rührende Mutter verriethe; nur der meerblaue, zarte Schleier bezeichnet sie einigermaßen. Zeichnung, Colorit und Faltenwurf sind brav; aber alles scheint nur durch Reflexion entstanden, es gibt weder dem Geist noch dem Herzen etwas.

Recht ausgezeichnet brav ist ein Portrait nach der Natur in Oel gemalt von Baumann, und die Kopie des Genius des Ruhmes nach Annibal Caracci von C. Müller. Im landschaftlichen Fache finden wir viel Ausgezeichnetes; besonders sind die Landschaften von K. Gottfr. Traug. Faber und die von Joh. Theod. Eusebius Faber sehr schön. Sowohl des erstern Obstlese bei Leubnitz, als sein wallendes Kornfeld hinter Recknitz, mit der Ansicht nach der sächsischen Schweiz, und sein Kirchhof sind trefflich ausgeführt. Der andere hat eine seltne Zartheit und Leichtigkeit in der Behandlung ganz kleiner Landschaften; seine Arbeiten sind reizende Cabinetsstücke. In Farbenton und Wahrheit der Beleuchtung zeichnen sich beide Faber sehr rühmlich vor allen andern jungen Landschaftsmalern hier aus. Karl Graff hat viel Leichtigkeit und Gefälliges; aber sein Farbenton ist mehr ideal, als wahr, er ist sich auch in allen seinen Arbeiten gar zu ähnlich. Rothe zeigt in seiner Landschaft, wo ein Engel dem Abel die heilbringenden Kräuter für seinen kranken Vater überreicht, recht viel Gefühl und Innigkeit. Die Viehstücke von Leschner sind brav, und zeigen Anlage zu niederländischer Farbenkraft. Unter den Blumenstücken zeichnet sich ein Strauß Wiesenblumen in einem Wasserglas, en gouache gemalt von Moritz Tettelbach, ungemein vortheilhaft aus. Es ist nicht möglich, in diesem Fache zarter, wahrer und mit mehr Grazie und Geschmack zu malen. Die Zusammenstellung ist wunderschön, keine Farbe schadet der andern; alle stimmen zu einem lieblichen Ganzen, worauf jedes Auge mit Wohlgefallen ruhen muß, statt daß wir auf manchem andern Blumenstück nur ein Zusammendrängen der buntesten Farben sehen, die das Auge fast verwunden. Alles ist hier reich und üppig grünend, aber nichts überladen; die zarten herabfallenden Ranken, die kleine Schnecke, die auf jenem Blatte sich wiegt, mit ihren Fühlhörnern in die Luft hinaustastend, der grünschillernde Käfer, der nach dem eben herabgewehten gelben Blütenstaub hineilt, die reizenden wilden Rosen, die mit ihrer zarten Farbe den Mittelpunkt des Straußes ausmachen, und die so aufgeblüht sind, daß wir fürchten ein Athemzug könnte sie entblättern: Alles ist der Natur abgelauscht. Die höchste Vollendung der Ausführung ist hier mit der zartesten Leichtigkeit, die bei Blumen so ungemein reizend ist, vereinet. Es ist ein wahres Meisterwerk und der bescheidne Künstler verdient laute Anerkennung. In den Vögeln und Blumen des Herrn Friedrich bewundern wir die Farbenpracht und die fleißige nette Ausführung. Die Johannisbeerästchen von Th. Richter sind mit großer Leichtigkeit hingeworfen. Diese Leichtigkeit gehört zu der zarten Poesie der Blumensprache, und ist Allen, die sich diesem Fache widmen, sehr zu empfehlen. –

Im zweiten Zimmer finden wir diesmal eine reiche Auswahl von wunderschönen Porzellan; Form und Malerei ist trefflich daran. Sehr unbefriedigend sind dagegen die Zeichnungen der Meißner Zeichnenschule; es herrscht ängstliche Kleinlichkeit in ihnen, sie sind weder in einem reinen freien Styl, noch mit Seele ausgeführt, sondern scheinen noch ganz der mittlern Zeit des 18ten Jahrhunderts anzugehören. Ganz verschieden ist der Geist der Leipziger Kunstakademie; hier ist Reinheit des Styls und ein schönes wetteiferndes Streben nach Freiheit, und Sicherheit mit Gefühl verbunden, sehr bemerkbar. Der wackere Schnorr hat hierbei ausgezeichnete Verdienste. Nur sind die Zeichnungen hier weit vorzüglicher, als die in Oel gemalten Portraits, die alle sehr geist- und leblos sind.

Das Oelgemälde von Louis Schnorr, welches den Engel darstellt, der den träumenden Joseph weckt, hat wohl viele Mängel; aber es zeigt von ächtem Genie und tiefem Gefühl. Die Köpfe und Gestalten sind edel und schön, der Faltenwurf ist großartig. Die auf ihrem Lager im Hintergrund schlummernde Maria, die das Jesuskind so innig an sich schließt, ist lieblich, der eben erwachende Joseph vorn, recht ausdrucksvoll; die auf dem Regenbogen schwebende Lichtgestalt des Engels, phantastisch. Ist gleich vieles noch unbeholfen, so sieht man doch ausgezeichnete Anlagen darin.

Die Landschaften des Dr. Carus haben wieder viel Dichterisches. Mondscheinscenen gelingen ihm besonders. Sowohl in der kleinen Mondscheinlandschaft, als in der großen, wo Marius auf den Trümmern Carthago’s dargestellt ist, bewundern wir den düstern Ernst des Farbentones bei großer Reinheit und Durchsichtigkeit. Es ist Sinn und Bedeutung in jedem Gemälde dieses gemüthvollen Dillettanten; man fühlt, daß ihm jede Naturerscheinung Hieroglyphe eines höhern Geistes wird.

Der Chronometrische Pfeil, der als Zeiger einer Achttaguhr für einen Salon bestimmt, und von dem Uhrmacher Weiße erfunden ist, nimmt sich schön, einfach und edel aus. Er ist von vergoldeter Bronze 3 Fuß 2 Zoll lang, und kann unmittelbar an die Wand befestigt werden.

[659] Die Arbeiten der Kunst- und Industrieschulen in beiden Seitenzimmern liefern viel Erfreuliches, was regen Fleiß und gute Leitung beweist. Die Studien und Arbeiten des jungen Bildhauers Pettrich, Schüler des Prof. Pettrich sind vielversprechend.

Mehrere der jungen Künstler, die auf der Gallerie arbeiten, scheinen den Weg, für den sie Talent haben, richtig gefunden zu haben, indem sie kleine, höchstausgeführte Gemälde glücklich und treu copiren, und sich so mehr das Fach der niederländischen Meister wählen, welche wie Mieris, Gerhard Dow etc arbeiteten; hierin zeichnen sich die Herren Beck und Klaß besonders aus.

Viel Gutes ließe sich noch erwähnen, viel Stümperhaftes belachen; doch Sie wünschten ja nur eine Uebersicht unserer Ausstellung; zu dieser hoffe ixh, ist das Gesagte hinreichend. Bedeutend und erfreulich verdient sic gewiß genannt zu werden.

Z.