Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 48 (1883), ab Seite: 141. (Quelle)
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Turinský, Franz (čechischer Poet, geb. zu Podiebrad in Böhmen, am 16. November 1796, gest. zu Prag am 4. September 1852). Der Sohn bürgerlicher Eltern, erhielt er seine erste Ausbildung in seiner Vaterstadt, dann ging er nach Prag, wo er Philosophie und die Rechte studirte und durch die damaligen Vertreter der nationalen Richtung und Dichtung Hybl, Hanka [Bd. VII, S. 301], Chmela, Macháček [Band XVI, S. 200], Tomsa [Bd. XLVI, S. 117] u. A. in die čechische Literatur und Poesie eingeführt wurde. Nach Abschluß der Rechtsstudien im Jahre 1820 trat er in den Staatsdienst und fungirte [142] zunächst als Gerichtsactuar zu Libochović im Leitmeritzer Kreise, hierauf als Justitiär zu Mikulov in Mähren. Nach mehrjähriger Thätigkeit an letzterem Orte wurde er nach Saar im Iglauer Kreise an der böhmischen Grenze übersetzt, worauf er als Ober-Justitiar nach Libochović zurückkam. Bei der neuen Gerichts-Organisation im Jahre 1849 erfolgte seine Ernennung zum Kreisrichter in Pürglitz. Seit längerer Zeit kränkelnd, begab er sich im Sommer 1852 nach Königgrätz; um sich einigermaßen zu stärken, beabsichtigte er nach Olmütz und dann nach Wien zu reisen; aber auf ärztlichen Rath stand er von diesem Vorhaben ab und wendete sich nach Prag, wo jedoch seine Schwäche bald so zunahm, daß er bettlägerig wurde und endlich auch in den ersten Tagen des September im Alter von 56 Jahren seinem Leiden erlag. Seine Leiche wurde von Prag nach Königgrätz überführt und auf dem Friedhofe daselbst beigesetzt. Schon während seiner Studienjahre beschäftigte sich Turinský mit schriftstellerischen Arbeiten. Vornehmlich auf dem Gebiete der Lyrik thätig, veröffentlichte er seine Gedichte bereits 1816 in Hybl’s „Rozmanitostý“, dann im „Zvěstovatel“, in den „Rozličnosty“, im „Časopis česk. Muzeum“ u. s. w., und J. Jungmann nahm bei der Zusammenstellung seines Volksbuches „Slovesnost“ etliche Stücke des jungen Dichters in dasselbe auf. Indeß blieb der größere Theil der lyrischen Dichtungen Turinský’s damals in Handschrift, nur einige wurden nach seinem Tode in der belletristischen Zeitschrift „Lumír“ abgedruckt. Dagegen gelangten mehrere seiner dramatischen Dichtungen durch die Presse in die Oeffentlichkeit, und zwar zunächst: „Angelina. Truchlohra ve 4 dějství“, d. i. Angelina. Trauerspiel in 4 Aufzügen“ (Königgrätz 1821, J. H. Pospišil, 8°.), dies Werk erregte bei seinem Erscheinen namentlich durch die schwungvolle Sprache Aufsehen und galt zu jener Zeit mit Pollak’s [Bd. XXIII, S. 78] Dichtung: „Vznešenost přírody“, d. i. Erhabenheit der Natur, als ein wahres Musterstück der neueren ćechischen Poesie. Der durch seine zahlreichen Uebersetzungen von Opernlibretten und Dichtungen Goethe’s und Schiller’s bekannte S. Macháček [Bd. XVI, S. 200] übertrug 1827 dieses Drama Turinský’s ins Deutsche, und das Original erschien 1840 in zweiter Auflage. Auf „Angelina“ folgte: „Virginie. Truchlohra ve 4 dějství“, d. i. Virginia. Trauerspiel in 4 Aufzügen (ebd. 1841, 8°.), und zuletzt erschien: „Pražané roku 1648. Dramatická báseň v pateru dějství“, d. i. Die Prager im Jahre 1648. Dramatische Dichtung in fünf Aufzügen (Prag 1848, Selbstverlag, 8°.). Auch mehrere dramatische Arbeiten hat Turinský im Manuscript hinterlassen, so: „Záviš Vítkovec z Růže“, d. i. Zawis Vitkovec von Rosenberg, Trauerspiel in 5 Aufzügen, von welchem ein Bruchstück im Jahre 1822 in den „Rozličnosty“, dem belletristischen Beiblatte der „Prazské noviny“, zum Abdruck gelangte; ferner „Vladika Mirovit“, d. i. Der Vladika Mirovit, Trauerspiel in 5 Aufzügen; – „Chorinsky“, Trauerspiel; – „Alžběta Přemyslidna“, d. i. Elsbeth, die Přemyslidin, Trauerspiel; – „Przěmysl Otakar“, Trauerspiel. Alle diese Stücke zeichnen sich durch schwungvolle Sprache aus, aber ihr überwiegend lyrischer Charakter macht sie weniger zur Aufführung geeignet und läßt sie mehr als Buchdramen erscheinen. Während seiner Krankheit, vornehmlich in seinen letzten Lebenstagen [143] vertraute Turinský den ihn besuchenden Freunden, welche Hindernisse ihm bei der Herausgabe seiner dramatischen Arbeiten in den Weg gelegt wurden. Für Kotzebue’s Mörder, den Jüngling Sand, empfand er eine so große Sympathie, daß er mit ein paar Freunden dessen Grab in Mannheim aufsuchte. Er wurde deswegen zur Verantwortung gezogen, entging aber durch Hilfe seiner Freunde den weiteren Folgen, die bei den damaligen Verhältnissen sehr unangenehm für ihn hätten ausfallen können. Als Mensch wie als Beamter war Turinský in hohem Grade geachtet. Als Mensch in der Gesellschaft beliebt, erhob er sich durch sein poetisches Gemüth über das Niveau der Gewöhnlichkeit; als Richter in hohem Grade rechtlich, war er insbesondere der Beschützer alter Leute, denen ihre Kinder bezüglich des den Eltern gebührenden Ausgedings Hindernisse in den Weg legten und die übernommenen Verpflichtungen zu schmälern oder sonst zu beanständen versuchten. Seiner Gerechtigkeit wegen war er so bekannt, daß von weitem die Leute kamen, um seinen Rath einzuholen. Ueberall, wo er in amtlichem Berufe wirkte, hat sich sein ehrenvolles Andenken erhalten. In den Bewegungen des Jahres 1848 stand er unter den Vorkämpfern für die Rechte und die Selbstständigkeit seines Volkes; er wurde auch von der nationalen Partei als Candidat für den Landtag in Aussicht genommen, mußte aber zuletzt seinem Gegencandidaten, dem Dr. Hamm aus Komotau, weichen. 1862 begingen einige nationale Heißsporne die mit befremdlicher Pietät in Scene gesetzte zehnjährige Feier seines Todes; aber eine Abtheilung Windischgrätz-Dragoner machte dieser Demonstration ein rasches Ende. Die in Zeitschriften zerstreuten Gedichte Turinský’s hat dessen jüngster Sohn Moriz, dem Wunsche des verewigten Vaters gemäß, gesammelt herausgegeben, sie sind in dem von Kober verlegten Sammelwerke „Národní bibliotéka“, d. i. Nationalbibliothek, erschienen. Unser Dichter verheiratete sich zweimal, zuerst mit einer verwitweten Vilímek, die ihm zwei erwachsene Töchter ins Haus brachte, deren eine mit dem damaligen Magistratsrathe Ignaz Streit, späteren Präsidenten des k. k. Oberlandesgerichtes in Prag und Freiherrn sich vermälte. In zweiter Ehe verband er sich mit Elsbeth geborenen Viravska, die er mit sieben unmündigen Kindern als Witwe zurückließ.

Wenzig (Joseph). Blicke über das böhmische Volk, seine Geschichte und Literatur... (Leipzig 1855, Brandstetter, 8°.) S. 142. – Jungmann (Joseph). Historie literatury české, d. i. Geschichte der čechischen Literatur (Prag 1849, F. Řiwnáč, schm. 4°.). Zweite von W. W. Tomek besorgte Auflage, S. 643. – Růže. Almanah na rok 1860. Sestavili i vydali Frant. Schwarz a E. H. Lipnicky, d. i. Rosen. Almanach auf das Jahr 1860. Zusammengestellt und herausgegeben von Franz Schwarz und E. H. Lipnicky (Prag, Pospišil, 12°.) S. 129–150: „František Turinský“, von K.(arl) S (abina?) – Slovník naučný. Redaktoři Dr. Frant. Lad. Rieger a J. Malý, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Lad. Rieger und J. Malý (Prag 1872, I. L. Kober, Lex.-8°.) Bd. IX, S. 659. – Světozor (Prager illustrirtes Blatt, Fol.) 1874, Nr. 28.
Porträt. Holzschnitt ohne Angabe des Xylographen nach einer Zeichnung, welche Joseph Mukařovský auf Grund einer Photographie abgenommen, im obengenannten „Světozor“.