BLKÖ:Taaffe, Eduard Graf
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Taaffe, die Grafen, Genealogie | ||
Band: 42 (1880), ab Seite: 294. (Quelle) | |||
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Geschlechte entstammend, dessen Genealogie Seite 298 dargestellt wird. Der jüngere Sohn des Grafen Ludwig, Präsidenten des obersten Gerichts- und Cassationshofes [s. d. S. 308] und Bruder des Grafen Karl [s. d. S. 307][WS 1]. Nachdem Graf Eduard an der Hochschule seiner Vaterstadt Wien das Studium der Rechte beendet und als einer der Ersten die neu eingeführten Staatsprüfungen abgelegt hatte, trat er im Jahre 1852 in den kaiserlichen Staatsdienst. Rasch die unteren Rangstufen bei der niederösterreichischen Statthalterei, bei der Bezirkshauptmannschaft in Wiener-Neustadt und der Statthalterei in Ungarn, dann in Böhmen zurücklegend, stieg er schon 1861 zum Statthaltereirath und Leiter der Kreisbehörde in Prag auf. Am 28. April 1863 zum Landeschef im Herzogthum Salzburg befördert, blieb er auf diesem Posten bis zum 8. Jänner 1867, an welchem Tage er sich zum Statthalter von Oberösterreich erhoben sah. Als dann im März desselben Jahres in Vorbereitung des Ausgleichs mit Ungarn die Aufhebung des Staatsministeriums[WS 2] und in Cis- wie Transleithanien die Bildung besonderer Ministerien für das Innere und für Cultus und Unterricht erfolgte, ward er von Sr. Majestät dem Kaiser in das Cabinet Beust berufen und am 7. März 1867 nach Belcredi’s Sturz zum Minister und Leiter des Ministeriums des Innern ernannt. Nach Beust’s Erhebung zum Reichskanzler am 23. Juni 1867 übernahm er am 27. Juni den Posten des Ministerpräsidenten-Stellvertreters. Als solcher wirkte er bis zum 30. December 1867, an welchem Tage das Bürger-Ministerium Giskra-Herbst unter dem Minister-Präsidenten Fürsten Carlos Auersperg ans Ruder kam. In diesem Cabinet übernahm er an Stelle des Innern, welches an Dr. Giskra überging, das neu errichtete Ministerium für Landesvertheidigung und öffentliche Sicherheit und wirkte nun an dem Zustandekommen des ersten Ausgleichs mit Ungarn wie der ganzen Verfassung des Jahres 1867 mit. Nach dem Rücktritte des Fürsten Carlos Auersperg am 24. September 1868 trat er sofort die interimistische Leitung des Minister-Präsidiums an, wurde aber am 17. April 1869 unter Belassung in seinem Amte als Minister für Landesvertheidigung und öffentliche Sicherheit zum definitiven Minister-Präsidenten erhoben. Immer sichtbarer entfalteten sich nun die Keime des Zerfalls des Bürger-Ministeriums. Dasselbe spaltete sich in eine Mehrheit (Brestel, Giskra, Hasner, Herbst, Plener), welche die Befreiung des Reichsrathes von dem lähmenden Einflusse der Landtage, kurz eine Wahlreform auf Grund directer Wahlen als Programm aufstellte, und in eine Minderheit (Berger, Potocki, [295] Taaffe), die ein autonomistisches System befürwortete. Beide Ministerparteien legten ihre Ansichten in besonderen Denkschriften nieder, welche, zunächst nur für den Monarchen bestimmt, auf Befehl desselben veröffentlicht wurden, ehe er noch eine Entscheidung in der Sache getroffen. Die Wirkung dieser Publication war eine sensationelle, denn diese Errungenschaft der Oeffentlichkeit hatte man, weil eine solche noch nie vorgekommen, auch nicht für möglich gehalten. Zugleich mit Ueberreichung jener Denkschriften war aber von der Mehrheit wie von der Minderheit im Ministerium die Enthebung vom Amte erbeten worden. Nur die Demission der letzteren Partei wurde von Sr. Majestät dem Kaiser angenommen und Graf Eduard Taaffe mit Berger und Potocki am 15. Jänner 1870, in Gnaden und unter Anerkennung ihrer mit treuer Hingebung geleisteten Dienste“, entlassen. Aber nicht lange sollte er sich der Ruhe des Privatlebens erfreuen, denn schon drei Monate später, am 12. April 1870, trat das Ministerium Hasner vom Schauplatze ab und Graf Potocki erhielt den Auftrag, ein neues Cabinet zu bilden, in welches Graf Taaffe als Minister des Innern wieder eintrat, zugleich die Leitung des Ministeriums für Landesvertheidigung und öffentliche Sicherheit übernehmend, welche er aber nur wenige Wochen führte, da er sie schon am 6. Mai in die Hände des mittlerweile zum Minister ernannten Freiherrn von Widmann legte. Das Ministerium Potocki-Taaffe blieb kein volles Jahr im Amte. Nachdem es schon im November 1870 seine Entlassung erbeten hatte, sah es sich am 4. Februar 1871 durch das Ministerium Hohenwart-Schäffle abgelöst. Später wurde Graf Taaffe zum Statthalter von Tirol ernannt und wirkte als solcher bis zum 15. Februar 1879, an welchem Tage er den durch Freiherrn von Lasser’s Tod erledigten Posten des Ministers des Innern unter der Minister-Präsidentschaft des Dr. von Stremayr wieder antrat. Nach der mit allerhöchstem Handschreiben vom 10. August g. J. angenommenen Demission des Gesammt-Ministeriums erhielt Graf Taaffe von Sr. Majestät dem Kaiser den Auftrag, ein neues Ministerium zu bilden, an dessen Spitze er auch am 12. August zugleich mit der Minister-Präsidentschaft die Leitung des Ministeriums des Innern übernahm. In dieser schwierigen Doppelstellung noch heule fungirend, hat er bei den immer höher fluthenden Wogen der zum Abschluß drängenden orientalischen Frage wiederholt Anlaß genommen, sich den Parteien gegenüber auszusprechen und die Zwecke seines parlamentarischen Vorgehens theils gegen die Angriffe, die er erfuhr, zu vertheidigen, theils immer näher zu präcisiren. Besonders that er dies in der Reichsrathssitzung vom 5. December 1879, in welcher er seine Stellung vom Jahre 1870 mit jener in der Gegenwart vergleichend, die ganze Situation von damals und jetzt beleuchtet, und der Lücke im Reichsrathe gedenkend, in welchem seit Jahren die Čechen gefehlt, ausruft: „Es hat sich mir eben die Nothwendigkeit dargestellt, daß, wenn wirklich ein echt parlamentarisches Leben in Oesterreich bestehen soll, das Parlament voll sein muß. Es müssen alle Elemente des Kaiserstaates versammelt sein und ihr Wort in die Wagschale legen können. Dadurch ist ein großer Schritt zur Bekräftigung des verfassungsmäßigen Lebens geschehen. [296] Man hat das Ministerium, welches sich eben diese Aufgabe gestellt, mit dem Namen eines Coalitions-Ministeriums bezeichnet. Nun eben dieses Coalitions-Ministerium will eine Versöhnung und Vereinigung der verschiedenen nationalen Parteien herbeiführen, es will mit einem Worte die Nationalitäten Oesterreichs vereinigen. Bei diesem Streben aber will ich nicht eine nationale Mehrheit, ich will im Parlamente Oesterreicher, ich will eine österreichische Mehrheit haben. Denn Oesterreich besteht ja eben aus verschiedenen Nationalitäten, deren Rechte aber eben auch gewahrt werden müssen. Diese werden, wenn sie nebeneinander stehen, ihrer Rechte sich bewußt und im Genusse derselben sind, mit Freuden brüderlich sich die Hand reichen und zum Wohle des großen und ganzen Oesterreich wirken. Auch ich theile die Ansicht des Vorredners, daß nicht regiert werden kann, wenn die Deutschen an die Wand gedrückt sind, aber auch die Slaven dürfen nicht an die Wand gedrückt werden, denn sie sind gleichberechtigte Factoren unseres Oesterreich und eben der Begriff der Nationalitäten, die in Oesterreich leben, die zusammen bilden den Oesterreicher, und wenn die Nationalitäten von den Nationalitäten gegenseitig und diese von der Regierung anerkannt werden, dann werden auch alle gute Oesterreicher sein“. Diese oftmals von großem Beifall begleitete Rede kann wohl als des Minister-Präsidenten Programm betrachtet werden, dessen strenge Aufrechthaltung und Verwirklichung bei jenen Nationen, welche sich bisher als nicht vollberechtigt oder in ihren historischen Rechten bedrückt ansehen, in Folge ihres Strebens, von dem Versäumten in Bälde so viel als thunlich zu erringen, auf nicht geringe Schwierigkeiten stößt. Namentlich die deutsche Partei im Parlamente, die es in eigenthümlicher Verkennung ihrer nächsten Interessen unterließ, sich die Führerschaft zu wahren, welche sie seit dem Austritt der Čechen aus dem Reichsrathe ohne Einsprache geübt, und sich im richtigen Bewußtsein ihres culturellen Uebergewichts nun mit einem Mal in ihren vitalsten Interessen bedroht wähnt, namentlich sie verfolgt mit Argusblicken jeden Schritt und Tritt des Ministers, und weil sie selbst, freilich durch eigene Schuld, in eine Minderheitsstellung gerathen, will sie in allen Handlungen des Ministeriums nur eine Unterdrückung des Deutschthums in Oesterreich sehen und stellt Alles, was zu Gunsten einer anderen Partei geschieht, als gegen das Deutschthum gerichtet dar. Der Graf hatte sich alle Mühe gegeben, Männer aus den Reihen der deutsch liberalen Partei für sein Cabinet zu gewinnen und durch eine Coalition der Parteien eine parlamentarische Mehrheit zu schaffen, welche den praktischen und wirthschaftlichen Fragen sich widmend, das Ministerium ohne Rücksicht auf die nationalen Gegensätze hätte unterstützen sollen. Alle seine Versuche aber scheiterten gerade an dem Widerstande der deutsch liberalen Partei, die jahrelang gewohnt, allein zu regieren, nun, da gleichberechtigte Factoren zugleich mit ihr ans Ruder gelangten, nicht mitthun wollte. Unter solchen Verhältnissen trat denn an das Ministerium, dem es auf die Festigung des Cardinalpunktes ankam: allen Nationen im Kaiserstaate gerecht zu werden, die Nothwendigkeit heran, sich die Mehrheit zu nehmen, wo es sie eben fand. Die gegenwärtige, nicht aus der deutschen Partei [297] gebildete Mehrheit wehrt sich natürlicher Weise mit aller Kraft dagegen, das errungene Steuer aus der Hand zu geben, und geht dabei energischer und zielbewußter zu Werke, als zuvor die deutsche Partei, die eben nie die Führung des Staatsschiffs hätte aufgeben sollen. So hat sich denn die Situation im Kaiserstaate zu einem Kampfe der nationalen Parteien gestaltet, unter denen die deutsche, weil sie der numerischen Ueberlegenheit der anderen im Momente sich nicht gewachsen fühlt, die Begriffe Partei und Nation – ob mit Absicht oder in wirklicher Besorgniß, wer kann es sagen – verwechselnd, ihre Bekämpfung als politische Partei als eine Bekämpfung des Deutschthums in Oesterreich betrachtet, welche Ansicht aber bisher aller vernünftigen Gründe entbehrt und angesichts des Verhältnisses, in welchem Oesterreich zu Deutschland steht, nur das Ergebniß einer vorgefaßten Meinung ist. In diesem Kampfe, der sich freilich auf den ersten flüchtigen Blick als ein Nationalitätenkampf darstellen mag, bei schärferer Beobachtung aber sich als das zeigt, was er wirklich ist, als ein innerer politischer Parteienkampf, ist es nun die Aufgabe des Ministeriums, über den Parteien sich haltend, sein Programm zur Durchführung zu bringen. Dieses besteht aber zuvörderst darin, ebenso wie die Deutschen in Oesterreich schon selbst alles thun, daß sie von den andern Nationen nicht an die Wand gedrückt werden, auch die letzteren hinwiederum von den Deutschen nicht an die Wand drücken zu lassen, überhaupt, um es kurz zu sagen, im Kaiserstaate nicht nationale Parteien. sondern eine Vereinigung derselben zu einer von jedem Stammesunterschiede absehenden, also eben eine österreichische Partei zu bilden und zur Geltung zu bringen. Zur Vervollständigung dieser Lebensskizze ist nur noch Weniges beizufügen. Der Graf versah in seiner Stellung als Landespräsident von Salzburg auch die Würde eines Ober-Curators der Salzburger allgemeinen Sparcasse; als Statthalter von Tirol das Amt des Vorsitzenden der k. k. Grundlasten-Ablösungs- und Regulirungscommission für Tirol und Vorarlberg, des Präsidenten der k. k. Lehen-Allodificirungs-Landescommission, des Vorsitzenden der k. k. Grundsteuer-Regulirungscommission für Deutsch-Tirol, des Vorsitzenden des k. k. Landesschulrathes für Tirol und Vorarlberg, des Präsidenten der k. k. Finanz-Landesdirection für Tirol und Vorarlberg und des Vorsitzenden der k. k. Landesvertheidigungs-Oberbehörde für Tirol und Vorarlberg; er war Mitglied der Landesvertretung für das Königreich Böhmen aus dem Wahlkörper des Großgrundbesitzes; seit 1874 ist er lebenslängliches Mitglied des Herrenhauses des österreichischen Reichsrathes. Im März 1867 wurde er geheimer Rath, am 30. December desselben Jahres Großkreuz des Leopoldordens und im April 1878 Ritter des goldenen Vließes; auch ist er vom Großherzog von Hessen und König von Preußen decorirt und seit 24. Mai 1850 Ehrenritter des souveränen Johanniter-Ordens.
Taaffe, Eduard Graf (Staatsmann, Ritter des goldenen Vließes, geb. in Wien am 24. Februar 1833). Einem alten irischen- Hahn (Siegmund). Reichsrath-Almanach für die Session 1867 (Prag 1867, G. Karl J. Satov, kl. 8°.) S. 149. – Derselbe für die Session 1873/74, Seite 94. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, kl. Fol.) Bd. L (1868) S. 73; – Bd. LII (1869) S. 368 und 369; – Bd. LXIII, 15. März 1879, S. 195: „Graf Eduard Taaffe, österreichischer Minister [298] des Innern“. – Ueber Land und Meer. Allgemeine illustrirte Zeitung (Stuttgart, Hallberger, kl. Fol.) 1867 (Bd. XVIII) S. 466; – 1879 (Bd. XLI) S. 443. – Sarkady (István), Hajnal. Arczképekkel és életrajzokkal diszített Album“, d. i. Die Heimat, Bilder und Biographien-Album (Wien 1867, Leopold Sommer, 4°.) Blatt 25. – Tagesbote aus Mähren, 1868, Nr. 2: „Die Männer der neuen Aera“ [diese Ministerskizzen machten die Runde durch die meisten Journale]. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1867, Nr. 74: „Die Familie Taaffe“. – Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 19. Februar 1879: Nr. 50, S. 725; – Nr. 201, 20. Juli, S. 2941: „Correspondenz aus Wien 17. Juli“; – Nr. 208, 27. Juli, S. 3041: „An der Schwelle des neuen Reichsraths“; – Nr. 214, 2. August: „Correspondenz aus Wien 29. Juli“; – Nr. 224, 12 August: „Taaffe oder Hohenwarth“; – Nr. 282, 9. October: „Correspondenz aus Wien 6. October“; – Nr. 341, 7. December: „Aus Oesterreich 5. December“; – 1880, 4. Jänner, Nr. 4, S. 45: „Correspondenz aus Wien 2. Jänner“; – Nr. 60, 29. Februar: „Politisch-Kirchliches aus Oesterreich“; – Nr. 83, 23. März: „Das Coalitionsministerium Taaffe“; – Nr. 105, 14. April: „Die Erfolge des österreichischen Reichsraths“.
- Porträte. 1) Unterschrift: „Gróf Taaffe Eduard (Cs. k. Belügyminister)“. Jos. Marastoni[WS 3] (lithogr.) 1867 (4°.); – 2) Unterschrift: „Ed. Graf Taaffe, k. k. österreichischer Minister des Innern“. Originalzeichnung von Fritz Kriehuber (in „Ueber Land und Meer“, Band XVIII, Nr. 29); – 3) Unterschrift: „Graf Eduard Taaffe, k. k. österreichischer Minister des Innern“. Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen (in „Ueber Land und Meer“. Bd. XLI, Nr. 23); – 4) Lebensgroßes Brustbild, nach dem Leben photographirt, Wien, bei Oskar Kramer, 1870. 35 fl.