BLKÖ:Szilágyi, Virgil

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 42 (1880), ab Seite: 171. (Quelle)
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Szilágyi, Virgil (ungarischer Landtagsdeputirter, geb. zu Étská im Torontaler Comitate am 24. November [172] 1824). Aus der siebenbürgischen Adelsfamilie Szilágyi von Székely-Földvár. Sein Vater Andreas war Hofrichter. Den ersten Unterricht erhielt der Sohn im Elternhause. mit 11 Jahren kam er auf die öffentliche Schule zu Holdmezö-Vásárhely, wo er 1839 das Gymnasium beendete. Als im Herbst letzteren Jahres seine Eltern nach Pesth übersiedelten, hörte er daselbst die philosophischen Studien. Noch während derselben, im November 1840, verlor er seinen Vater durch den Tod. 1841 begann er die juridische Laufbahn, aber eine schwere Krankheit zwang ihn, dieselbe zu unterbrechen. Im Februar 1842 begab er sich nach Holdmezö-Vásárhely, wo er bei einem Advocaten, einem Freunde seines verstorbenen Vaters, Beschäftigung fand. Daselbst setzte er seine Studien fort und unterzog sich dann zu Pesth, später zu Kecskemét den Prüfungen. Während des Landtages 1844 befand er sich in Preßburg, von da kehrte er nach Holdmezö-Vásárhely zurück, wo er den Kanzleidienst wieder aufnahm und auch bei der königlichen Tafel den Eid als Notar ablegte. Nachdem er im Jänner 1846 die Advocatenprüfung gemacht hatte, widmete er sich anfangs der Advocatur, erhielt aber noch im März desselben Jahres die Stelle eines Ehrennotars im Csongrader Comitate und im August wurde er zweiter Subnotar. Im Bewegungsjahre 1848 rückte er zum ersten Subnotar vor und blieb in diesem Amte bis zum August 1849. Hierauf lebte er als Advocat in Pesth und betheiligte sich an dem von Csaszár [Bd. III, S. 47] redigirten „Pesti Napló“ als Mitarbeiter, beschäftigte sich auch sonst mit literarischen Arbeiten, deren weiter unten Erwähnung geschehen wird. 1852 übernahm er die Redaction des „Értesitő“, führte sie aber nur während der Monate Februar, März und April, denn schon am 1. Mai trat er die Redaction des „Budapesti Vizhang“ an, die er bis zum Herbst des folgenden Jahres behielt, in welchem die Vereinigung dieses Blattes mit „Délibáb“, d. i. Luftspiegelung, erfolgte. Nun kehrte er wieder zum „Értesitő“ zurück. Seine journalistischen Debuts, mit denen er immer, doch ohne Erfolg den Anlauf nahm, berühmt zu werden, machten ihn weit im Lande bekannt, und als mit dem Umschwung der politischen Verhältnisse im Kaiserstaate die Berufung des 61er Landtages, des ersten seit den Bewegungsjahren 1848 und 1849, erfolgte, gelang es auch ihm, ein Mandat zu erhaschen und den Sieg über seinen Mitbewerber, den Dichter Maurus Jókai zu erringen. Doch dazwischen spielte folgende Episode: In der Sitzung des Pesther Gemeinderathes vom 9. März 1861 wurde Virgil Szilágyi, welcher in demselben seit 1848 die äußerste Linke vertrat, in seiner Anwesenheit der Gesinnungslosigkeit beschuldigt. Es geschah dies gerade zur Zeit seiner Candidatur für den Reichstag. Es hatte sich nämlich das Gerücht verbreitet, in der Pesther Polizeidirection befänden sich Acten, welche bewiesen, daß Szilágyi im Jahre 1859 um die Concession und Subventionirung eines gouvernementalen Blattes in magyarischer Sprache unter dem Titel „Der 2. December“ sich beworben habe und abschlägig beschieden worden sei. Am Tage vor der Sitzung war die Erklärung von ihm erschienen: daß er die Candidatur in der Josephstadt annehme, die gegen ihn ausgestreuten Verdächtigungen aber umso mehr verachte, als man ihm für den Fall seines Zurücktretens von der Candidatur die [173] vollständige Zurücknahme der Anschuldigung versprochen habe. In der Sitzung aber brachte er vor, daß in Folge dieser Erklärung seine Gegner die betreffenden Actenstücke einfach in den Pesther Blättern hätten veröffentlichen wollen, daß dies aber von der Polizeidirection, welcher die Blätter noch immer vor der Ausgabe zugestellt werden müssen, nicht gestattet worden sei, daher möge der Gemeinderath eine Beschwerde und Bitte um endliche Reactivirung des 1848er Preßgesetzes an den Tavernicus richten. Sz. konnte offenbar den actenmäßigen Sachverhalt nicht in Abrede stellen, suchte aber eine Ausflucht in dem Vorwande, daß er in der Vorbringung dieser persönlichen Angelegenheit vor den Gemeinderath die Absicht sehe, durch die Autorität des letzteren einen ungesetzlichen Druck auf die Freiheit der Wähler zu üben, und er daher, eben weil diese Anschuldigungen hier vorgebracht würden, es unterlasse, sich darüber zu rechtfertigen, was er sonst wohl im Stande wäre. Er begnüge sich vielmehr: sich auf sein Selbstbewußtsein und seinen bekannten Charakter zu berufen. Durch einen Vermittlungsantrag Gräfl’s wurden denn auch in dieser Debatte weitere Persönlichkeiten abgeschnitten und die oberwähnte Adresse an den Tavernicus ohne nähere Bezeichnung der zu Grunde liegenden Veranlassung beschlossen. Und nun wurde ihm noch in derselben Sitzung, in welcher man ihn der Gesinnungslosigkeit zieh, Dank und Anerkennung zu Protokoll votirt! Dieser Zwischenfall, der andere Wähler denn doch bedenklich hätte machen müssen, und zwar umso mehr, als ein völlig intacter Charakter wie Maurus Jókai als Bewerber dastand, scheint gerade die entgegengesetzte Wirkung ausgeübt und Szilágyi’s Wahl gesichert zu haben. So hatte er denn erreicht, wonach er gestrebt, aber nicht zu seinem Segen, denn mit seiner Rede in der 25. Sitzung des Repräsentantenhauses, am 18. Mai, in welcher er für den 'Beschluß' sprach [zum Verständniß der politischen Situation siehe die Biographie des Abgeordneten Paul Jámbor [Bd. X, S. 60]], erlitt er eine vollständige Niederlage. In einem zweistündigen Vortrag stellte er die Geduld des Hauses auf eine peinliche Probe [vergleiche S. 175: Zur parlamentarischen Charakteristik Szilágyi’s]. Seine Rede gipfelte in einem langathmigen Versuche des Nachweises: daß das auf schwachen Füßen stehende Oesterreich kein Postulat mehr für die Erhaltung des europäischen Friedens sei!! Dieses Musterstück politischer Oratorik ist in dem Werke: „Der ungarische Reichstag 1861“ (Pesth 1861, Osterlamm, 8°.) Bd. I, S. 237–259, und auch im Separatabdruck „Országgyülési bézéd. Tartotta 1861 május 18“ (Pest 1861, Müller Gyula, 8°., 17 S.) zu lesen, wo es überdies das Mißgeschick hat, zwischen den Reden Lonyay’s und Paul Somssich’s, zwei bemerkenswerthen Vorträgen, eingekeilt zu stehen. Bald nach dem Schlusse des Reichstages wurde Szilágyi, auf dem dringende Inzichten hochverrätherischer Umtriebe lagen, verhaftet, und nach durchgeführter Untersuchung das Urtheil gefällt, daß er wegen des Verbrechens des Hochverraths, verübt durch Betheiligung an Handlungen, welche die Losreißung Ungarns von dem einheitlichen Staatsverbande des Kaiserthums Oesterreich bezielen.... nebst Verlust des Adels für seine Person und des akademischen Advocatengrades mit schwerem Kerker in der Dauer von [174] zehn Jahren zu bestrafen sei. Er trat seine Strafe an, wurde aber bald in Folge einer von Seiner Majestät erlassenen Amnestie auf freien Fuß gesetzt. Er nahm seine Advocatenpraxis wieder auf und betrieb sie auch zwei Jahre lang, als dieselbe im November 1864 mittels eines an die k. Curie herabgelangten Statthaltereierlasses mit dem Bedeuten eingestellt wurde, daß sich die allerhöchste Gnade nur auf die Freilassung seiner Person, nicht aber auf die Wiederherstellung seiner Rechte als diplomirter Advocat erstrecke. Der geringe Erfolg, den Szilágyi auf dem Reichstagsparket und mir seinen subversiven Tendenzen erreicht hatte, veranlaßte ihn nun zu dem Versuche, auf einem anderen Gebiete Lorbeeren zu pflücken, und so wurde er politischer Missionär, ob im Solde Bismarck’s oder aus freiwilliger Bewunderung des preußischen Staatsmannes, ist nicht bekannt. Als nämlich im Jahre 1868 Gerüchte von schwebenden Allianzverhandlungen zwischen Preußen und Oesterreich und Preußen und Rußland im Umlauf waren, bemerkte man in Pesth eine ziemlich lebhafte Agitation, welche für Preußen und seine Tendenzen Propaganda machte. General Haug, der einstige Wiener Flüchtling und nachmalige preußische Agent, suchte die bedeutenderen Wiener Blätter für die großpreußische Idee zu gewinnen und begab sich von Wien nach Pesth, um auch da den politischen Boden nach dieser Richtung aufzuackern. Indessen war Virgil Szilágyi in Berlin in seiner Weise thätig, indem er von dort aus Berliner, Wiener und Prager Briefe im preußischen Sinne an ungarische Blätter schrieb. Als es auch mit diesem politischen Missionswesen nicht mehr verfangen wollte, da man der Verdeutschung Posens durch Preußen gedenkend, bald die Ueberzeugung gewann, daß sich dasselbe auch die lohnende Aufgabe der Entnationalisirung der Magyaren stellen würde, warf er sich der Kirche an den Busen, und so wurde der ehemalige Führer der Extremsten im 61er Reichstage der Vertrauensmann des ungarischen Episkopats. In dieser Eigenschaft wollte er im November 1869 im Interesse katholischer Volksschulen eine Versammlung in Pesth abhalten. Aber trotz der Anstrengungen von Seite der Geistlichkeit und der in größerer Anzahl versammelten Weiber nahm die Debatte doch keinen geregelten Gang an. Szilágyi plaidirte unter Lärmen und Zischen, und die Versammlung mußte wegen unaufhörlichen Tobens nach zwei Stunden resultatlos aufgehoben werden. Am Abend wurde ihm dann eine ungeheuerliche Katzenmusik gebracht. Seit dieser Zeit ist von besonderen Thaten Szilágyi’s nichts zu hören. Kehren wir nun wieder zu seiner publicistischen und schriftstellerischen Thätigkeit zurück. Für den „Pesti Napló“ schrieb er Anfangs der Fünfziger-Jahre mehrere Leitartikel und besorgte die Abtheilung Ausland in demselben. Von seinen darin gedruckten Artikeln ist „Az angol aristokratia“, d. i. Englands Aristokratie, und „Hazánk és Fiume“, d. i. Ungarn und Fiume, erwähnenswerth. Im Feuilleton erschienen novellistische Arbeiten, wie: „Szent Jakab napja“, d. i. Der St. Jakobstag, „Kék domino“, d. i. Der blaue Domino; im „Délibáb“ 1854 brachte er Theaterbriefe und im „Budapesti Viszhang“ u. a. die Erzählungen; „Nyári lak“, d. i. Eine Sommerwohnung, und „Pókody ur vendégszeretete“, d. i. Des Herrn Pókody Gastfreundschaft. Von [175] seinen im Buchhandel erschienenen Werken sind bekannt: „Éjszakamerika s a pyrenaei félsziget története a 16., 17. és 18. században“, d. i. Nordamerika und die Geschichte der pyrenäischen Halbinsel im 16., 17. und 18. Jahrhundert (Pesth 1851); – „Szelid fajdalmok“, d. i. Gelinde Schmerzen. Zwei Bände (Pesth 1853); – „A végzet utai“, d. i. Wege des Schicksals, Zwei Bände (ebd. 1855); – „A törvénykezés javításról“, d. i. Von der Verbesserung des Gerichtswesens (Pesth 1866, A. Kugler, 8°.); – „A katholikus autonómia kérdéséhez“, d. i. Zur Frage der katholischen Autonomie (Pesth 1869, Aigner, 8°.).

Quellen zur Biographie. Ostdeutsche Post (Wiener polit. Blatt) 1861, Nr. 150, im Feuilleton: „Virgil Szilágyi“. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1862, Nr. 73, Abendblatt. – Wiener Zeitung, 1862, Abendblatt, Nr. 255; Das militärgerichtliche Urtheil gegen Virgil Szilágyi. – Ungarns Manner der Zeit. Biographien und Charakteristiken hervorragender Persönlichkeiten. Aus der Feder eines Unabhängigen (Prag 1862, A. G. Steinhauser, 12°.) S. 190. – Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1861, S. 1185 und 1186.– Magyar irók. Életrajz-gyüjtemény. Gyüjték Ferenczy Jakab és Danielik József, d. i. Ungarische Schriftsteller. Sammlung von Lebensbeschreibungen. Von Jacob Ferenczy u. Jos. Danielik (Pesth 1856, Gust. Emich, 8°.), Bd. I, S. 556. Zweiter (den ersten ergänzender) Band, S. 418. – Jelenkor. Politikai és társas élet Encyklopaediája, d. i. Die Gegenwart. Politische und literarische Encyklopädie (Pesth 1858, G. Heckenast, gr. 8°.) S. 183. – Nagy (Iván), Magyarország családai czimerekkel és nemzékrendi táblákkal, d. i. Die Familien Ungarns mit Wappen und Stammtafeln (Pesth 1860, Moriz Ráth, 8°.) Bd. X, S. 717.
Zur parlamentarischen Charakteristik Virgil Szilágyi’s. Der 1861er ungarische Land- – oder wie es Vielen zu schreiben beliebt – Reichstag, der das durch die Revolution von 1848 zerrissene Band zwischen Ungarn und seinem Könige wieder knüpfen sollte, zog die Aufmerksamkeit der politischen Welt in hohem Grade auf sich. Wenn man die Reden jener Versammlung mit Aufmerksamkeit durchliest, so macht man einerseits einen ganzen Cursus transleithanischen Staatsrechtes durch und kommt andererseits schließlich zur Frage: ob denn alles Blutvergießen der Jahre 1848 und 1849 nöthig gewesen, da der niedergeworfene Staat nun mehr Rechte verlangte und auch erhielt, als ihm in jenen Tagen der allgemeinen Bewegung zu fordern in den Sinn kam. Ein aufmerksamer Publicist betrachtete damals die einzelnen Mitglieder der Landtagstafel und entwarf eine Reihe zutreffender Silhouetten, welche für die Geschichte des Reichstages und seiner Paladine historischen Werth behalten. Anläßlich Virgil Szilagyi’s hebt er seine Silhouette, die er mit manchem biographischen Beiwerk ornamentirt, mit folgendem Ausruf an: „Ein Glas Zuckerwasser, wenn ich bitten darf…. Es ist Virgil Szilágyi, von dem ich sprechen will. Man kann füglich nicht kürzer von ihm sprechen, als er selber zu sprechen gewohnt ist, und nachdem er sich bisher dadurch ausgezeichnet hat, daß er am meisten Zuckerwasser getrunken und dadurch dem Auditorium der Magen säuerlich geworden, so lasse man auch mir ein Glas zukommen... denn geht ja auch das Zuckerwasser auf Regimentskosten und man weiß noch nicht einmal, wer es bezahlen wird. Es ist ein sauberer kleiner Großmann mit gekräuseltem Kopfe und frischem schwarzen Barte. Freilich zeigte er mit seiner zweistündigen Rede nicht sowohl Gedanken als Lungenkraft, und seitdem haben auch andere Sprecher bewiesen, daß es keine besondere Kunst sei, langweilig zu werden. Doch all diesem menschlichen und gemeinsamen Loose zum Trotze knüpft sich ein eigenthümliches Interesse an Szilágyi’s erstes Auftreten in dem merkwürdigen Parlamente, welches entweder das letzte, oder der Beginn glorreicher Jahrhunderte sein wird. Daß das Portentum der Pesther Stadt, der Cicero der Philister und Eisenfresser ein ganz gewöhnlicher Mensch sei, kann man keineswegs sagen. Ein gewöhnlicher Mensch muß Etwas, sogar viel lernen, erfahren und thun, bis die bleischweren Flügel der Fama seinen Namen einigermaßen emportragen. Ihm eilt die [176] Fama voraus, er ist de facto ein berühmter Mann, und es ist lediglich die Frage: quo jure? Er verdankt seinen Ruf lauter Staatsstreichen, warten wir zu, daß er sich legitimire. Zuvörderst können wir sagen, daß er zu Allem geboren ward, er ist ein „hoch hinaus wollender, auf Schwierigkeiten erpichter“ Herr, nur daß es immer an Etwas gebricht, um das, was er in Angriff nimmt, vollends auszuführen. Der Spruch „quid valeant humeri“ ist für ihn ein todter Buchstabe. Er gab ein belletristisches Blatt heraus, urplötzlich, als Redacteur, ohne ästhetische Vorbereitung und ohne früher Mitarbeiter von der Pike auf gewesen zu sein. Es gelang ihm nicht. Er gab ein Gerichtsblatt heraus, urplötzlich, als Redacteur, ohne juridische Vorbereitung. Er brachte es zu keiner Anerkennung. Er führte einen berüchtigten Strafproceß, er bewirkte zwar die Lossprechung seines Clienten nicht, aber er fiel dem bereits verendeten „Systeme“ in die Flanken, und diese Heldenthat ist der größte Titel seiner eigenen Berühmtheit. Er richtete Casinos ein, wurde aber nicht zum Präses erwählt. Und als das Sonnenlicht die ersten Strahlen auf die Freiheit des Vaterlandes warf, wer wurde da der Held des Tages, als der Mann des radikalen Fortschrittes? Er erfocht die Zunftordnung; er trat dem „bereits überlebten, einstmals berühmten“ Franz Deák entgegen, gleich der Fliege, die auf des Löwen Nase sich niederließ und keine Furcht zeigte; er brachte die Meere in Aufruhr und beschwichtigte sie wieder, er war nahe daran, den ganzen Magistrat zu sprengen, aber in einem Augenblicke guter Laune ließ er ihm Gnade angedeihen. Seine unerhörten Reden veröffentlichten die mächtigen Zeitungen, und in der Provinz und in den Vorstädten ward mit Recht sein Name groß. So viel Größe aber duldet der Neid nicht. Die „knechtisch gesinnte Journalistik“ ersann Ränke wider ihn – und er, an Strohalme sich haltend, ließ von der Ziege sich das Zeugniß geben, daß er kein Kraut gefressen. Würdiger wäre es gewesen, Stillschweigen zu beobachten oder mit den Worten des Erlösers die Aufforderung zu machen, daß den ersten Stein aufhebe, wer sich ganz rein von jeder Sünde wisse. Da er aber um jeden Preis überall sein will, wo – Etwas ist, mußte er auch in den Landtag kommen. Und so ist es geschehen. Freilich hatte es ihm viel gekostet; ein Anderer, ich meine ein gewöhnlicher Mensch, möchte um einen solchen Preis nicht einmal Kaiser von China werden. Wer aber Etwas hat, kann draufgehen lassen. Nach so außerordentlichen landkundigen Antecedentien war die große Erwartung, womit man seiner maiden speech – Jungfernrede – entgegensah, gerechtfertigt. Wenn es wahr ist, was Jean Paul sagt: nur die Vernunft lehrt schweigen, das Herz lehrt reden, dann muß Szilágyi ein großes Herz haben, denn ungezweifelt hat er mehr geredet, als die Vernunft angerathen hätte. Wenn er etwas Neues oder längst ausgekrähte Dinge in fesselnder Weise vorgebracht hätte, würde er doch für einige Augenblicke Wirkung gethan haben. Und wie konnte er weiter mit so unzarten Händen die croatische Frage anfassen? Wie konnte er sich so tief in die Politik Englands, Frankreichs, Italiens, Brasiliens und Timbuktus einlassen, wovon er gleich mir nichts versteht? Zuletzt aber kann man auch Catalani. Alboni, Roger in einer dreistündigen Oper anhören, aber Szilágyi’s Stimme ist weder helltönend, noch schallend, noch metallisch, und die Modulation gesucht, gekünstelt. Le style c’est l’homme. Bei ihm kann man füglich sagen: der Mensch ist wie seine Stimme. Börne’s zänkische Geliebte schrieb demselben einmal einen Absagebrief, worin auseinandergesetzt war, daß sie ihn nicht liebe. Börne (wenn ich nicht irre, war er es) erwiderte Folgendes: „Meine Gnädige! Sie lieben nicht, aber ihr Brief ist vier Seiten lang und voll geschrieben“. Also ergeht es mir mit Virgil Szilágyi. Ich will ihn nicht verkleinern. Ich habe viel über ihn geschrieben. Er mag viel Talent haben, nur weiß ich nicht wozu? Er mäßige seine unruhige Ehrbegierde, lerne Knappendienste thun und studiren. Uebrigens hat ihn bei seinem Debut das Schicksal ereilt!