BLKÖ:Szapáry, Julius Graf

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Szántó, Stephan
Band: 41 (1880), ab Seite: 165. (Quelle)
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Szapáry, Julius Graf (Staatsmann, geb. in Ungarn am 1. November 1832). Ein Sohn des Grafen Joseph aus dessen Ehe mit Anna Baronin Orczy und nicht Orsay, wie sie in E. M. Oettinger’s „Moniteur des Dates 27ième Livraison“ S. 102 genannt wird. Kaum großjährig (1856), wurde Graf Julius bereits als landwirthschaftlicher Organisator rühmlich genannt; wenige Jahre später, 1861, erfolgte seine Wahl zum Deputirten für Szolnok, aber schon beim Eintritt des Provisoriums zog er sich von den öffentlichen Geschäften zurück. Nachdem er die nächsten Jahre in Zurückgezogenheit verlebt, betrat er 1865 wieder die politische Laufbahn. Er wurde zunächst in die Siebensechziger-Commission des Reichstages gewählt, welche die Präliminarien des Ausgleiches festzustellen hatte. Nacheinander war er dann Obergespan-Stellvertreter des Heveser Comitates, königlicher Commissär daselbst, Ministerialrath im Ministerium [166] des Innern und Staatssecretär im Ministerium der Communicationen. Seine Berufung auf den letzteren Posten im August 1870 erregte im Lande einiges Befremden. „Der Graf“, hieß es, „nun Nachfolger Hollan’s, war früher königlicher Commissär in einem renitenten Comitat, dann Ministerialrath im Ministerium des Innern und auch Vertreter der Regierung, als das Oberhaus in einer denkwürdigen Sitzung über den Municipalgesetz-Entwurf hinweggaloppirte, aber daß er von der Technik, daß er vom Communicationswesen etwas verstehe, hat er noch niemals bewiesen. Daß Minister keine Fachmänner sind, dies kommt in constitutionellen Staaten vor, aber daß auch die eigentlichen Leiter des Ressorts, die Unterstaatssecretäre, vom Gegenstande nichts verstehen, ist schon seltener und dürfte in keinem Lande so häufig vorkommen, wie in Ungarn. Es scheint, daß man hier die beste Meinung von den Fähigkeiten der Menschen hat; die Regierung hält jedes ihrer Mitglieder für ein Universalgenie; warum soll der tadellose Cavalier, der feine Weltmann, der königliche Commissär und nonchalante hohe Beamte im Ministerium des Innern, Graf Szapáry, nicht einmal zur Abwechslung Staatssecretär des Communications-Ministeriums werden können?“ So sprach die öffentliche Meinung, als Graf Szapáry seinen neuen Posten antrat, und sie verzeichnete mit wahren Worten den Eindruck, den die damaligen Verhältnisse des politischen Lebens auf jeden Unbefangenen machten. Thatsächlich blieb der Graf nur kurze Zeit in diesem Amte, denn schon im Mai 1871 legte er dasselbe nieder. Am 5. März 1873 trat er in das Cabinet als Minister des Innern, als solcher der vierte seit 1867, dem Jahre des beginnenden Ausgleiches; Béla Baron Wenckheim, Paul Rainer und Wilhelm Tóth waren seine Vorgänger. In dieser Stelle kam ihm seine administrative Kenntniß, da er schon im Ministerium des Innern gedient hatte, trefflich zu Statten. Er waltete seines Amtes mit viel Umsicht und Energie. Sein Hauptaugenmerk war auf die Trennung der Administration von der Politik gerichtet, weil er darin den richtigen Weg erkannte, manchen Uebelständen des alten Systemes abzuhelfen, die bedenklichsten desselben ganz zu beseitigen. Als im December 1878 die Reconstruction des Cabinets Tisza stattfand, übernahm er in demselben die Stelle des Finanzministers. Damals schrieb der gut unterrichtete Berichterstatter B der „Allgemeinen Zeitung“: „Finanzminister wird Graf Julius Szapáry; er war bereite einmal Minister des Innern und versah diesen Posten, da er genügende Kenntnisse in der Administration und auch viel Thatkraft besitzt, recht gut. Die öffentliche Meinung hätte es gut aufgenommen, wenn er wieder das Portefeuille des Innern erhalten haben würde, oder allenfalls jenes des Handels, wie er es selbst gewünscht, da er auch schon unter Andrássy im Handelsministerium gewesen. Wider Willen mußte er jedoch, wie es scheint, das Finanzministerium übernehmen, obwohl er nicht einmal jene Kenntnisse des ungarischen Finanzwesens besitzt, welche sein Vorgänger Széll, als derselbe das Finanzministerium übernommen, besessen hat. Graf Szapáry ist übrigens eine gern gesehene sympathische Persönlichkeit, gegen die eben nur das einzuwenden ist: daß sie für den Posten, den sie einzunehmen berufen wird, wenig theoretische Kenntnisse und keine Erfahrung mitbringt“. [167] Der Graf verwaltete sein Portefeuille, und es gelang ihm, demselben das Vertrauen von außen zu gewinnen, denn er hat das Geld erhalten, das Széll verweigert wurde. Da trat das Pesther Oppositionsblatt „Magyar ország“, das es sich zur Aufgabe macht, alle wirklichen und vermeintlichen Mißbräuche der inneren Verwaltung aufzudecken, plötzlich mit der Beschuldigung gegen den neuen Finanzminister auf, daß derselbe kurz vor Einbringung des Budgets private Verkäufe von Grundentlastungsobligationen vorgenommen habe. Dieser Vorfall wurde nun von der Opposition zu einer cause célèbre hinaufgeschraubt. Bekanntlich versteht die Opposition im ungarischen Abgeordnetenhause die Kunst, überall etwas zu sehen, wo nichts ist, verliert aber darüber das Rechte aus dem Auge. Die Angelegenheit entwickelte sich immer weiter und entpuppte sich zuletzt als ein Parteimanöver, das weniger denjenigen, gegen den es in Scene gesetzt wurde, als das Ansehen des Landes schädigte. Es kam zu einer Herausforderung zwischen dem Grafen Szapáry und dem Abgeordneten Pazmandy, welche sich in eine Ehrenerklärung auflöste, in der zum Schlusse Abgeordneter Pazmandy sagt: „daß er nicht anstehe, seine volle Ueberzeugung auszusprechen, daß Graf Julius Szapáry seine amtliche Stellung nicht dazu benützte, um Gewinn zu suchen, und seine Pflicht, das Amtsgeheimniß zu wahren, nicht verletzt habe“. Die öffentliche Meinung verfolgte mit nicht geringem Mißbehagen einen Vorgang, der auf die parlamentarischen Zustände jenes Landes, welches sich stets des Alters seiner Verfassung rühmt und seine Vertreter mit denen des englischen Volkes auf gleiche Linie zu stellen liebt, ein gar trübes Licht wirft. Dergleichen Scandale hat die Geschichte des englischen Parlaments denn doch nicht aufzuweisen, wenn auch dort manchmal Dinge vorkommen, die gegen den parlamentarischen Anstand verstoßen. Graf Julius ist seit 30. Mai 1864 mit Caroline geborenen Gräfin Festetics de Tolna vermält, und sind aus dieser Ehe drei Söhne, Georg August Joseph (geb. 1865), Laurenz (geb. 1866) und Józsi (geb. 1867) vorhanden.

Presse (Wiener politisches Blatt) 26. August 1870, Nr. 235: „Correspondenz aus Pesth ddo. 24. August“ (Personalien). – Neue illustrirte Zeitung. Redigirt von Johannes Nordmann (Wien, Zamarski, kl. Fol.) 1873, Nr. 10. – Illustrirtes Wiener Localblatt, 1873, Nr. 71. – Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta) 7. December 1878, Nr. 340: „Correspondenz aus Pesth, 4. December“; – 14. Mai 1879, Nr. 134, ebenso 12. Mai; – 7. November 1879, Nr. 311; – 9. November 1879, Nr. 313, S. 4604 und 4605; – 11. November 1879, Nr. 315, S. 4629. – Az ország tükre, d. i. Der Reichsspiegel (Pesth, Fol.) 1862, Nr. 1.
Porträte. 1) Unterschrift: „Graf Julius Szapáry, ungarischer Minister des Innern“. Halke sc. In der „Neuen Illustrirten Zeitung“ (Wien, Zamarski) 1873, Nr. 10. – 2) Ueberschrift: „Graf Julius Szapáry“. Holzschnitt von Weix. – 3) Charge von Klič in dessen „Humoristischen Blättern“ 1. November 1874, Nr. 92.