Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 40 (1880), ab Seite: 65. (Quelle)
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Strobl, Joseph (Germanist, geb. in Wien 6. August 1843). Ein Sohn des Wiener Buchbindermeisters Georg Strobl. Er besuchte das Gymnasium bei den Schotten in Wien, an welchem zu seine Zeit ausgezeichnete Lehrkräfte wirkten, wie der jetzige Prälat Othmar Helferstorffer in der lateinischen Sprache, Hugo Mareta der Germanist, Sigism. Gschwandtner, Mathematiker. Im Jahre 1861 bezog er die Wiener Hochschule, wo er sich unter Bonitz [Band II, S. 53], Boller [Bd. II, S. 31][WS 1], Vahlen, Tomaschek und Mussafia [Bd. XIX, S. 475][WS 2], sprachwissenschaftlichen Studien widmete. Vor allen aber zog ihn Franz Pfeiffer [Band XXII, S. 169] an, und die schon im Gymnasium erwachte Liebe zur Muttersprache und ihrer Geschichte wurde unter einem Manne wie Pfeiffer nur noch mächtiger in ihm rege. Die Art und Weise Pfeiffer’s gewann diesem besonders die Herzen seiner Zuhörer, bald wurden aus Lehrer und Schüler Freunde, welches [66] schöne Verhältniß der 1868 erfolgte Tod des berühmten Germanisten nur zu bald löste. Um das unter so günstigen Verhältnissen begonnene Studium in entsprechender Weise fortzusetzen, begab sich Strobl im Jahre 1870 an die Berliner Hochschule, wo er ein Semester Müllenhoff hörte. Der Aufenthalt in Berlin wirkte auch entscheidend für die Wahl seines künftigen Berufes. Er übernahm das Lehramt für deutsche Sprache, Geographie und Geschichte an der landwirthschaftlichen Lehranstalt Francisco-Josephinum in Mödling nächst Wien und versah es bis 1875, worauf er an dienen errichtete Universität Czernowitz in der Bukowina als außerordentlicher Professor der deutschen Sprache und Literatur berufen wurde. Es befremdete damals allgemein, daß man für ein so wichtiges Fach, wie es die deutsche Sprache und Literatur gerade in Czernowitz ist, nicht sogleich einen Ordinarius ernannte, doch zeigte es sich in der Folge, daß diese außerordentliche Professur für Strobl nur die Vorstufe zur ordentlichen war, denn schon im Jahre 1877 zeichnete ihn die philosophische Facultät in Czernowitz durch Verleihung des philosophischen Doctortitels aus, worauf im Herbst 1878 seine Ernennung zum ordentlichen Professor daselbst erfolgte. In seinem, dem sprachwissenschaftlichen, speciell germanistischen Fache war er bisher auch schriftstellerisch mehrfach thätig. Nach Franz Pfeiffer’s Ableben betheiligte er sich an der Herausgabe der „Germania“, und zwar an deren XIV. und XV. Bande mit Bartsch zugleich, zog sich aber von derselben Ende 1870 gänzlich zurück. Selbstständig ließ er erscheinen: „Das Melker Marienlied aus Franz Pfeiffer’s Nachlass in photographischer Nachbildung herausgegeben und eingeleitet“ (Wien 1870, Wilh. Braumüller); – „Heinrich von Neustadt Apollonius. Von Gotes Zuokunft[WS 3]. Im Auszuge mit Einleitung, Anmerkungen und Glossar herausgegeben“ (Wien 1875, ebd.); – „Berthold von Regensburg. Vollständige Ausgabe seiner deutschen Predigten. II. Band mit Einleitung, Anmerkungen herausgegeben“ (Wien 1879, ebenda), die Herausgabe des ersten Bandes hatte 1862 Franz Pfeiffer besorgt. Strobl schloß aber mit der Herausgabe des zweiten, welche zum Theil auf hinterlassene Abschriften Pfeiffer’s fußt. In Sammelwerken erschienen von ihm: in den „Sitzungsberichten der k. k. Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Classe“: „Reisebericht über die in Niederösterreich angestellten Weisthümer-Forschungen“ [Bd. LXI (1869), S. 341 u. f.]; – „Das Spielmannsgedicht von St. Oswald“ [Bd. LXXXIV und LXXXVII (1877)]; – „Berthold von Regensburg und der Schwabenspiegel“ [Bd. XCI (1878), S. 205]; – in der „Germania. Vierteljahrschrift für deutsches Alterthum“: „Ueber die Quelle von Hartmanns Gregorius“ [Heft XIII, Seite 188]; – „Zu Wolfram’s Willehalm“ [Heft XV, Seite 94]; – „Angelsächsische Studien I. Zum sogenannten Cädmonischen Exodus“ [Heft XX, Seite 292], Strobl weist darin nach, daß dieses theilweise nach dem 2. Buche Mosis bearbeitete Gedicht fälschlich dem angelsächsischen Mönche Cädmon zugeschrieben wird, daß es vielmehr ein an der Scheide des siebenten und achten Jahrhunderts nach dem Muster der alten angelsächsischen Heldenlieder [67] und in der Absicht, diese zu verdrängen, abgefaßtes Gedicht sei, das erst später durch Interpolationen entstellt ward; – außerdem ebenda eine Anzahl von Recensionen, darunter über H. Gradl: „Lieder und Sprüche der beiden Meister Spervogel“ (Prag 1869); – in der von M. Haupt[WS 4] herausgegebenen „Zeitschrift für deutsches Alterthum“: „Drei Gedichte von der Würdigkeit des Priesters“ [Heft XVI, Seite 467]; – in der von E. Steinmeyer herausgegebenen „Zeitschrift für deutsches Alterthum und deutsche Literatur“: „Zu den Fundgruben“ [Heft I, Seite 70; Heft XXII, S. 250], darin liefert er den Nachweis, daß eine Anzahl der von Hoffmann in dessen „Fundgruben für Geschichte deutscher Sprache und Literatur“ abgedruckten Predigten in den Jahren 1210–1221 in Oesterreich oder Bayern verfaßt sei; – in dem von Steinmeyer herausgegebenen „Anzeiger für deutsches Alterthum und deutsche Literatur“: „Ueber Zingerle: Reiserechnungen von Ellenbrechtskirchen“ (Heilbron 1877), [Heft III, S. 269]; – „Ueber Eilhart von Oberge, herausgegeben von Franz Lichtenstein“ [Heft V, Seite 227]; – in der „Jenaer Literatur-Zeitung“, herausgegeben von A. Klette: „Ueber Friedrich Zarncke: Der Graltempel“ [1877, S. 656]; – in der „Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und öffentliches Leben“: „Ueber drei Romanzen Uhland’s“ [1864, Nr. 22 und 24], darin weist er die Quellen zu den drei ersten Romanzen im Cyclus „Sängerliebe“, nämlich zu „Rudello“, „Durand“ und „Der Castellan von Couci“ nach; ebenda auch mehrere kleine Anzeigen; – in der „Wiener Zeitung“: „Franz Pfeiffer, Nekrolog“ [1868, Nr. 150]; wovon auch eine kleine Anzahl Separatabdrücke, bestimmt zu Geschenken für Freunde des Verstorbenen, abgezogen wurde; – und in der „Zeitschrift für österreichische Gymnasien“: „Ueber die Entstehung der Kudrunstrophe“ [1876]. Während seiner Lehrtätigkeit an der landwirthschaftlichen Lehranstalt Francisco-Josephinum zu Mödling vermälte sich Strobl daselbst im Jahre 1871 mit Marie Bauer.

Neue freie Presse, 12. September 1875, Nr. 3969: „Universität in Czernowitz“.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: [Bd. II, S. 53].
  2. Vorlage: [Bd. XIX, S. 474].
  3. Vorlage: Zuckunft.
  4. Vorlage: H. Haupt.