Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 39 (1879), ab Seite: 138. (Quelle)
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Stoiber, Ernst (Componist, geb. zu Hüttendorf im V. U. M. B. in Niederösterreich am 12. December 1833). Sein Vater, Oberlehrer in Hüttendorf und ein tüchtiger Musiker, ertheilte ihm den ersten Unterricht in Gesang, Violine, Clavier, Flöte und Orgel. Schon mit acht Jahren konnte S. letzteres Instrument bei Schulmessen handhaben. Mit neun Jahren wurde er vom Oberlehrer von Mistelbach Joseph Gspann im Generalbaß unterrichtet, und die Resultate eines zweijährigen Fleißes waren: einige Tantum ergo, Offertorien, eine [139] Messe, alle figuraliter, ein Requiem, dreistimmig, sowie freies Präludiren und Fugiren. Mit zwölf Jahren trat er als Fürst Dietrichstein’scher lauretanischer Stiftling ins Seminar bei den PP.“ Piaristen in Nikolsburg ein, wo er hauptsächlich als Organist fungirte. An dem in der oberen Stadtpfarrkirche wirkenden Organisten Kafka ein vorzügliches Musterbild vor Augen, bildete er sich zum praktischen Musiker heran. Durch längeres körperliches Leiden jedoch an Fortsetzung seiner Studien gehindert, entschloß er sich, denselben zu entsagen, und wandte sich nach der Hauptstadt Wien, woselbst er an ein Mitglied der k. k. Hofcapelle empfohlen war. Vollständig mittellos, mußte er sich Freunde und Gönner suchen, und um sein Leben zu fristen, aß er mit vielen Studenten, die heute bedeutende Stellungen einnehmen, bei den Ursulinerinen und Minoriten aus einem Töpfchen, was man ihnen reichte. Allmälig erhielt er einige Clavierstunden, wodurch für das Nöthigste gesorgt war. Um aber ein bestimmtes Ziel, die Lehrbefähigung zu erreichen, entschloß er sich, die Präparandie bei St. Anna zu besuchen. Hier unter Anleitung tüchtiger Männer, wie Ferdinand Schubert [Bd. XXXII, S. 27], Pichler, Hirsch, Janauschek, und an Seite der Hofcapell-Mitglieder Erl [Bd. IV, S. 71][WS 1], Staudigl [Band XXXVII, S. 251] und des Hof-Organisten Sechter [Band XXXIII, S. 250], welche an der Spitze des Vereins zur Beförderung echter Kirchenmusik standen, war es ihm gegönnt, Haydn’sche und Mozart’sche Messen in vollendeter Ausführung zu hören. Indessen bemühte sich einer seiner Gönner, auf eine sichere Stellung für ihn hinwirkend, ihm einen Posten als Beamter bei der ersten österreichischen Sparcassa zu verschaffen, und am 24. Februar 1854 trat Stoiber als Praktikant in dieselbe ein. Der Musik aber bewahrte er auch im Amt die alte Neigung und behielt demnach die bereits übernommene Organistenstelle bei den Minoriten in der Alservorstadt auch fernerhin bei. Später supplirte er Eder bei den Schotten, aus welcher Zeit nachstehender Vorfall bemerkenswerth ist. Eder, der oft an schönen Nachmittagen sich suppliren ließ, zog sich dadurch den Unwillen des Capellmeisters Ziegler zu, der ihm, wenn er konnte, eine Falle zu legen suchte. An einem hohen Festtage geschah es nun wieder, daß Stoiber in der Vesper Eder’s Stelle vertrat. Ziegler, des Letzteren Ausbleiben voraussehend, hatte die große Vesper von Abbé Vogler aufgelegt, die sonst nur als Vorlage für Concursspiel bei der k. k. Hofcapelle dient. Nichts Arges ahnend, erkannte Stoiber erst, nachdem er einige Tacte gespielt, die Situation. Ein so schweres Tonstück vom Blatte vorzutragen, ist keine geringe Aufgabe, aber es war eine Eder gelegte Falle, und es galt vielleicht dessen Zukunft. Stoiber nahm daher sein ganzes Können zusammen und glattweg ohne die geringste Störung, welche Ziegler’s verhaltenen Unmuth hätte entladen können, ging die Vesper zu Ende. Er selbst aber wurde von allen Seiten, ja sogar von Ziegler beglückwünscht, unter Ausdrücken des Bedauerns, daß es nicht ein Concursspiel um die bald daselbst erledigte Organistenstelle gewesen. Nun trat er die Organistenstelle bei den Piaristen in der Josephstadt an, wo er im Vereine mit Professor Köhler, dem Pfarrer Krottenthaler und Chorregenten [140] Stetter wesentlich zu dem Gelingen der Aufstellung der prachtvollen Bukow’schen Orgel in der Stiftskirche beitrug. Nach Vollendung dieses Werkes übernahm Professor Köhler die Ueberwachung und Pflege desselben, sowie die Organistenstelle; Stoiber aber, unter des späteren Hofcapellmeisters Rotter [Bd. XXVII, S. 166] Direction, die Organistenstelle am Hof zu den sieben Chören der Engel. Während dieser Zeit ging die prachtvolle Kirche Altlerchenfelds ihrer Vollendung entgegen, auch die Orgel war aufgerichtet und Stoiber oft Gelegenheit geboten, vor hohen und höchsten Persönlichkeiten dieses Instrument in seiner ganzen Klangfülle zu Gehör zu bringen. Die Folge davon war, daß ihm die Chorregentenstelle am Schottenfelde angetragen wurde, welche er auch annahm und durch fünf Jahre versah. Damals 26 Jahre alt, der jüngste Chorregent Wiens, errichtete er eine Musikschule, die sich besonderen Zuspruchs erfreute, so daß sie in Zeit von zwei Jahren eine Anzahl von 60–80 Knaben und Mädchen heranbildete, welche ein Repertoire von nahezu 100 drei- und vierstimmigen Kinderchören zu bewältigen im Stande waren. Als um diese Zeit eine gesteigerte Thätigkeit der verschiedenen Wiener Männergesangvereine begann, übernahm er 1864 auf einige Jahre die Chormeisterstelle der „Wiener Liedertafel“, während er gleichzeitig den „Leopoldstädter Sänger-Verein“ gründete. Nach fünfjähriger Thätigkeit als Chorregent am Schottenfelde kam er in gleicher Stellung an die italienische Nationalkirche, in welcher er zwei Jahre verblieb und Beethoven’- und Schumann’sche Messen, ferner größere Passionswerke zur Aufführung brachte. Durch Ueberanstrengung hatte er sich ein Hals- und Nervenleiden zugezogen, woran er mehrere Jahre litt, so daß er sich, um seine Gesundheit herzustellen, einstweilen von allen Vereinen fernhielt. Indessen wurde durch den Rücktritt Förchtgott’s die Gesangsprofessur im „Vereine zur Beförderung echter Kirchenmusik“ erledigt und Stoiber dieselbe übertragen. Durch 13 Jahre wirkte er auf diesem Posten, anfänglich im Gesangunterricht, später im Orgelspiel; als dann 1872 eine Prüfungs-Commission für Befähigung der Lehrer ernannt werden sollte, fiel die Wahl auch auf ihn, und versieht er heute noch die Stelle eines Prüfungs-Commissärs. Den Posten als Chormeister des „Wiener Männer-Sängerbundes“ legte er nach zehnjähriger Dienstleistung nieder. Zur Zeit wirkt er in musikalischer Richtung noch als Chormeister zweier Männergesangvereine, des „Kaufmännischen“ und des „Guttenbergbundes“, ist überdies Ehren-Chormeister von fünf Männergesangvereinen und Ehrenmitglied vieler anderer. Am 6. April 1879 wurde Stoiber’s 25jährige Thätigkeit als Musicus in Wien gefeiert, und aus diesem Anlaß eine Festschrift veröffentlicht. Bei diesem Feste kamen folgende neue Compositionen Stoiber’s zum Vortrag: „Das hohe Lied“ und Schubert’s Lied: „Auf den Wassern zu singen“, von Stoiber harmonisirt. Als Componist war er thätig auf dem Gebiete der Kirchenmusik und auf jenem des weltlichen Liedes für Chöre und einzelne Stimmen. Hier folgt eine Uebersicht seiner Compositionen, von denen mehrere auch gedruckt erschienen sind.

Uebersicht der Compositionen Stoiber’s. [Die noch nicht gedruckten und nur als Manuscript vorhandenen sind mit einem Stern (*) bezeichnet]. Op. 1. *Il Tantum [141] ergo, für Sopran, Alt, Tenor, Baß und Orchester. – Op. 2. *„Messe“ wie oben. – Op. 3. *„Requiem“, für Sopran, Alt, Baß und Organon. – Op. 4. *„Variationen“, für Clavier. – Op. 5. *„Zwei Offertorien“, vierstimmig mit Orchester. – Op. 6. *„Präludien“ für die Orgel. – Op. 7. *„Fünf Lieder“, für eine Singstimme und Clavier. – Op. 8 a) Passions- und b) Osterlied a) unisono mit Orgel, b) für Sopran, Alt, Tenor und Baß und Orgel ad libitum. Beide als Beilage einer Zeitschrift. – Op. 9. *„Vater unser“, sechsstimmiger Männer-Chor. – Op. 10. „Ave Maria“, für eine Singstimme und Orgel. – Op. 11. „Wenn die Hoffnung nicht wär’“, gemischter Chor. Dieses und das vorige als Beilagen einer pädagogischen Zeitschrift. – Op. 12. „Frühlings-Lager“. Cantate für Männer-Chor, Soli und Orchester. – Op. 13. *„Zwei Männer-Chöre“. – Op. 14. „Präludien und Cadenzen“, für die Orgel. Als Beilage einer pädagogischen Zeitschrift. – Op. 15. *„Ave Maria“ und „Pater noster“, für eine Singstimme mit Orgel- oder Harmonium-Begleitung. – Op. 16. *„I. Pange lingua“, „II. Tantum ergo“, für gemischten Chor mit zwei Clarinetten und zwei Fagott. – Op. 17. *„III. Tantum ergo“, für vier Männerstimmen. – Op. 18. „Versetteln und eine Fuge“, für die Orgel. Als Beilage einer pädagogischen Zeitschrift. – Op. 19. *„Zwei Salon-Stücke“. für Clavier. – Op. 20. *„Drei Kinderlieder“, für eine Singstimme und Clavier. – Op. 21. *„Drei Sonaten“, für Clavier. – Op. 22. *„Tantum ergo“ und „Vater unser“, vierstimmiger gemischter Chor. – Op. 23. *„Ave Maria“ und „Pater noster“, für eine Solostimme mit Orgel. – Op. 24. *„Violin-Duette“. – Op. 25. *„Drei Fugen“, für die Orgel. – Op. 26. *„Zwei Clavierstücke“. – Op. 27. *„Drei Terzette“, für Sopran, Alt und Baß. – Op. 28. *„Antiphonen“. für das Frohnleichnamsfest. – Op. 29. *„Zwei Vespern“, für vierstimmigen Chor, Soli u. Orgel. – Op. 30. „Gute Nacht“ (Ständchen), vierstimmiger Männer-Chor (Wien, Wessely). – Op. 31. „Frühlingsglaube“ („Die linden Lüfte sind erwacht“), vierstimmiger Männer-Chor (Wien, Kratochwill). – Op. 32. „Frühlingsgruß“ („Leise zieht durch mein Gemüth“), und „Das Veilchen“ („Ein Veilchen auf der Wiese stand“), zwei Solo-Quartette (Wien, Kratochwill). – Op. 33. „Wann und Wo?“ („Es wird dereinst ein Röschen blühn“), Männer-Chor mit Tenor-Solo (Wien, Kratochwill). – Op. 34. *„Drei vierhändige Märsche“. – Op. 35. *„Zehn Equale“, für drei und vier Posaunen. – Op. 36, Nr. 1: „Ständchen“, Männer-Chor mit Solo-Quart, . – Nr. 2 „Zu deinen Füßen will ich ruhn“. Bariton-Solo mit Brumm-Chor. – Nr. 3: „Abschied“. Chor im Volkston (Wien, Kratochwill). – Op. 37. Sechs Chöre im Volkston (dem niederösterreichischen Sänger-Bunde gewidmet): Nr. 1. „Es steht in meinem Garten“, – Nr. 2: „Frühlingsmahnung: Heda, holla aufgemacht!“, – Nr. 3: „Mein Schatz hat mich verlassen“. – Nr. 4: „Was fang’ ich an? Ach, wo ich gerne bin“, – Nr. 5: „Ich hab’ im Traum geweint“. – Nr. 6: „Ich liebe, was fein ist“ (Wien, Schreiber und Kranz). – Op. 38, Nr. 1: *„Zarte Liebe spricht in Farben“, und Nr. 2: „Gefunden“, zwei Lieder für eine höhere Singstimme und Clavier. – Op. 39, Nr. 1: „Zwiegesang“, und Nr. 2: „Weil wir doch scheiden müssen“, zwei Männer-Chöre oder Quartette (Wien, Wessely). – Op. 40. „O trockne diese Thräne nicht“, Baritonsolo mit Brumm-Chor (Eigenverlag). – Op. 41. „Grüß dich Gott, du holder Schatz“, Tenor-Solo mit Chor und Brummstimmen (Wien, Wessely). – Op. 42. „Ich darf dich nicht lieben“, Männer-Chor (Eigenverlag). – Op. 43. „Stille Nacht“. Männer-Chor. – Op. 44. „Liebesglück“, Männer-Chor (Selbstverlag). – Op. 45, Nr. 1: „Waldeszauber“, und Nr. 2: „Mein Sehnen“, Männer-Chöre (Selbstverlag). – Op. 46. „Silbernes Bächlein“, Männer-Chor (Selbstverlag). – Op. 47. „Seemannslied“, Männer-Chor mit Solo-Quartett oder kleinem Chor (Selbstverlag). – Op. 48. „Der Abend“, Männer-Chor (Selbstverlag). – Op. 49. „Sängerlust“, Männer-Chor mit Solo-Quartett oder kleinem Chor (Selbstverlag). – Op. 50. „Die Lerchen“, Männer-Chor (Selbstverlag). – Op. 51. „Fest-Hymne“, Männer-Chor mit Harmonie- oder Clavierbegleitung (Selbstverlag). – [142] Op. 52, Nr. 1: „Liebchen, wache auf“, und Nr. 2: „Wenn’s winterlich stöbert“. Solo-Quartette (Eigenverlag). – Op. 53. „Keine Sorg’ um den Weg“, Männer-Chor (Selbstverlag). – Sämmtliche im Eigenverlag erschienenen Compositionen sind bei Gutmann in Wien, im Opern-Theater in Commission.
Quellen zur Biographie. Musiker-Courier. Wochenschrift für die musikalische Welt (Wien, 4°.) II. Jahrg (1879), Nr. 23: „Ernst Stoiber“.
Porträt. Ebenda. Lithographie von Ig. Eigner.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: [Bd. IV, S. 21].