BLKÖ:Schuppanzigh, Ignaz

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 32 (1876), ab Seite: 215. (Quelle)
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Schuppanzigh, Ignaz (Tonkünstler, geb. zu Wien im Jahre 1776, gest. ebenda 2. Mai 1830). Sein Vater war Professor an der Wiener Real-Akademie; der Sohn widmete sich im Anbeginne nur aus Liebhaberei der Musik, allmälig aber, da er ein vortrefflicher Violinspieler geworden, wählte er diese Kunst zu seinem Lebensberufe und blieb ihr bis an sein Ende treu. Die Concerte im Augarten datiren aus ziemlich früher Zeit. Schon im Jahre 1781 gab Mozart in demselben (am 26. Mai) ein Concert. Nun folgten bald mehrere. Zu großer Beliebtheit gelangten sie, als der Vice-Präsident Franz Bernhard Ritter von Keeß sich der Augarten-Concerte annahm. Keeß selbst dirigirte sie, in jedem Sommer fanden deren zwölf Statt. Nicht mehr so glänzend waren sie, als zu Anfang der Neunziger-Jahre der Violinspieler Rudolph die Direction übernahm. [216] Der Adel, der hauptsächlich dem Kaiser Joseph zu Gefallen den Augarten besuchte, verlor sich nach dem Ableben des Kaisers allmälig aus demselben. Die Concerte verloren alle künstlerische Bedeutung, bis Schuppanzigh kam, der sie von Neuem zu heben suchte. Schon im Jahre 1795, als noch Rudolph dirigirte, hatte S. mit Morgen-Concerten im Augarten begonnen, später führte er die Unternehmung dieser Morgen-Concerte allein. So haben sich diese Aufführungen, welche an Donnerstagen Früh um 8 Uhr, mitunter gar schon um 7 Uhr begannen, allmälig gehoben, ohne zwar die frühere Bedeutung wieder zu gewinnen, jedoch immer noch einigen künstlerischen Einfluß behaltend. Und das war S.’s Verdienst, welcher Beethoven’s Ouverturen hier vorzutragen pflegte. Die Mitwirkenden waren mitunter Namen, die später künstlerische Bedeutung erlangten, so Mayseder [Bd. XVII, S. 195], Linke [Bd. XV, S. 215], Pechatschek [Bd. XXI, S. 410], Czerny [Bd. III, S. 105][WS 1], die Harfen-Virtuosin Müllner-Gollenhofer [Bd. XIX, S. 416] u. A. Schuppanzigh selbst dirigirte Orchesterstücke, trug als Virtuose Concerte von Viotti, Kreuzer, Rode vor, was jedoch seine schwache Seite war, und so hielten sich diese Augarten-Morgen-Concerte noch einige Jahre durch S.’s Bemühungen. Da sie aber eben Mode waren, kamen sie auch wieder aus der Mode. Ihre Blüthezeit waren die J. 1800–1805, dann wurden sie mit immer schwächerem Erfolge bis 1812 fortgesetzt, verloren sich allmälig ganz und nur am 1. Mai jeden Jahres fand im Augarten ein Morgen-Concert Statt und das bis in das Jahr 1847. Schuppanzigh selbst dirigirte dieselben bis etwa um das Jahr 1816. In der Zwischenzeit nahm S. einen ehrenvollen Antrag des kais. russischen Botschafters Fürsten Rasumoffsky [Bd. XXV, S. 6] an, in seine Dienste zu treten. Der Fürst war ein großer Musikfreund, spielte selbst mit großer Fertigkeit die Geige und bildete das bald in der Musikwelt berühmt gewordene Musik-Quartett, das aus dem Fürsten, aus Schuppanzigh und den Viola- und Violinspielern Weiß und Linke bestand. Hören wir, was ein Fachmann, der wackere Gaßner, darüber berichtet: „Wie bekannt“, schreibt er, „war Beethoven im fürstlichen Hause so zu sagen Hahn im Korbe; Alles, was er componirte, wurde dort brühwarm aus der Pfanne durchprobirt und nach eigener Angabe haarscharf, genau, wie er es ebenso und schlechterdings nicht anders haben wollte, ausgeführt; mit einem Eifer, mit Liebe, Folgsamkeit und einer Pietät, die nur solch glühenden Verehrern seines Genius entstammen konnte, und einzig blos durch das tiefste Einbringen in die geheimsten Intentionen; durch das vollkommenste Erfassen der geistigen Tendenz gelangten jene Quartettisten im Vortrage Beethoven’scher Tondichtungen zu jener universellen Berühmtheit, worüber in der ganzen Kunstwelt nur eine Stimme herrschte.“ Als im Jahre 1816 das berühmt gewordene Quartett entlassen wurde – die Spieler behielten jedoch ihr Gehalt – machte S. mehrere Jahre hindurch Reisen nach Norddeutschland, Polen und Rußland, aller Orten schöne Erfolge feiernd. Nach Wien 1823 zurückgekehrt, nahm er auf den Wunsch seiner Freunde und früheren Kunstcollegen die so lange entbehrten Quartett-Unterhaltungen wieder auf und das war die Glanzperiode des Schuppanzigh’schen Quartetts, denn im Jahre 1824 wurden [217] nicht weniger als fünfundzwanzig Stücke von Beethoven in Schuppanzigh’s Productionen gespielt. In den zwei Cyklen S.’s vom Jahre 1824 stellt sich das Verhältniß der Componisten so heraus, daß Mozart mit acht, Haydn mit zehn und Beethoven gleichfalls mit zehn Quartetten vertreten ist, eine Proportion, über welche man, wie Hanslick schreibt, mit Berücksichtigung der damaligen Zeit nur staunen kann. Diese Quartett-Soireen setzte S. bis an seinen Tod fort. Im schon genannten Jahre 1824 erhielt S. das Anstellungsdecret in der k. k. Hofcapelle und vier Jahre später, während Graf Gallenberg die Direction der Hofoper leitete, übernahm S. die Stelle des Musikdirectors im Hof-Operntheater, als welcher er, leider zu kurze Zeit, eine solche Thätigkeit entwickelte, daß die Tüchtigkeit dieses überhaupt gut geschulten Orchesters doch erst unter seiner Oberleitung zur verdienten Geltung gelangte. Aber bald ward seinem Leben die Grenze gesetzt. An einer Samstagtafel des bekannten Kunstfreundes Dr. v. Vivenot, mitten unter den Genüssen eines heiteren, von Kunstgesprächen gewürzten Mahles, traf ihn, als er eben eine Tasse Kaffee an den Mund setzte, der Schleimschlag, dem er am Morgen des dritten Tages unter schwerem Todeskampfe erlag. S. war erst 54 Jahre alt geworden. Wie wir aus Gerber erfahren, war S. auch Componist, jedoch von seinen Compositionen ist nur eine: „IX Variations pour 2 Violons sur une Pièce tirée du Ballet d’Alcinn“ (Wien 1799, Artaria) im Stiche erschienen. Was sein Violinspiel anbelangt, so war nicht das Solospiel seine Stärke; im Vortrage von Bravourstücken machte ihm seine Corpulenz leichte Behändigkeit etwas mühsam und seine kurzen dicken Finger befanden sich sehr unbequem in der Applicatur, doch liebte er es in jüngeren Jahren gern, als Solist aufzutreten, ohne jedoch besondere Erfolge zu erringen; als Orchesterdirector – anfänglich in den Augarten-Concerten, später im Hof-Operntheater – entwickelte er Feuer und Energie, und hatte sich das Orchester dieses Theaters, das immer zu den bedeutendsten der Residenz zählte, unter ihm sichtlich gehoben. Wo er aber eigentlich Großes leistete, war das Quartettspiel, da war er Meister, dem Niemand die Palme streitig machen konnte. Wenn er sein intimes Verhältniß zu Beethoven, den er wohl wie kaum ein Anderer seiner Zeit verstand und inne hatte, gern in den Vordergrund stellte und damit zu renommiren liebte, so muß dergleichen der Künstlereitelkeit zu Gute gehalten werden, was um so leichter geschehen kann, wenn dazu in der Tüchtigkeit des Betreffenden einige Berechtigung liegt. Schuppanzigh war mit der Schwester der nachmals als Bravour-Sängerin berühmt gewordenen Killitschky, später Schulz-Killitschky [s. d. S. 181] verheirathet.

Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliogr. Institut, gr. 8°.) Zweite Abtheilg. Bd. VIII, S. 99. – Gerber (Ernst Ludw.), Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler (Leipzig 1813, A. Kühnel, gr. 8°.) Bd. IV, Sp. 160. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. IV. S. 607. – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Julius Schladebach, fortges. von Eduard Bernsdorf (Dresden 1857, Robert Schäfer, Lex. 8°.)Bd. III, S. 538. – Allgemeiner musikalischer Anzeiger. Redigirt von I. F. Castelli (Wien, Haslinger, 8°.) I. Jahrg. (1829), S. 32. – Hanslick (Eduard), Geschichte des Concertwesens (Wien 1869. Braumüller, gr. 8°.) S. 70 u. f., S. 229 u. f. – Porträt. Mir ist nur eine in Farben ausgeführte [218] Caricatur Schuppanzigh’s (Wien 1810, 8°.), die sehr selten ist, bekannt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: [Bd. III, S. 104]