Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Schulek, Johann
Band: 32 (1876), ab Seite: 144. (Quelle)
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Schulek, čechisch Šulek, Bohuslav (slavischer Schriftsteller, geb. zu Sobotiste in der Neutraer Gespanschaft Ungarns 20. April 1816). Ein Sohn des Sobotistaer Pastors Johann Schulek, dessen Lebensgeschichte S. 147 folgt. Bis zum zwölften Jahre besuchte er die Ortsschule und machte sich insbesondere die lateinische Sprache eigen. Nun begab er sich nach Preßburg, um an dem dortigen evangelischen Lyceum die Studien fortzusetzen; auch hatte der dortige Verein der slavischen Jünglinge – Hodza, Hurban [Bd, IX, S. 436], Karl und Ludwig Štúr gehörten zu demselben – sich die Pflege der nationalen Sprache und Cultur zur Aufgabe gemacht. Schulek wirkte wacker mit; man schrieb und dichtete, sang und declamirte in slovakischer Sprache, und jedes Mitglied suchte neben der Muttersprache noch eine oder mehrere seines Stammes zu erlernen. In diesen Zusammenkünften faßte S. den Gedanken, ein nationaler Schriftsteller zu werden. Neun Jahre brachte S. in Preßburg zu, wo er den philosophischen, Rechts- und theologischen Studien oblag. Zugleich trieb er Botanik und wurde mit dem Botaniker Gustav Reuß [Bd. XXV, S. 356] bekannt, der einige Jahre zuvor der Erste die slovakische Flora in ihrer Muttersprache herausgegeben hatte. Seine Absicht, nach Deutschland zu gehen, um an einer dortigen Hochschule seine Studien zu beenden, wurde durch die Kränklichkeit seines Vaters vereitelt, denn er kehrte nun in’s Elternhaus zurück und unterstützte seinen kränkelnden, alternden Vater im Schul- und Predigtamte bis zu seinem Tode. Doch das immer mehr überhandnehmende Gebrechen der Taubheit machte ihn unfähig, auf theologischem Felde fortzuwirken. So begab er sich denn nach dem Tode des Vaters zunächst nach Slavonien zu seinem Bruder Michael, der in Brod als Arzt thätig war. Dort erlernte er während des Jahres 1838 die croatische Sprache und machte sich nach achtmonatlichem Aufenthalte daselbst auf den Weg nach Agram, wo er im Spätsommer 1839 ankam. Dort, nun 22 Jahre alt, trat er als Lehrling in eine Druckerei. Drei Jahre arbeitete er in jener des Fr. Župan; bei Tag setzte, bei Nacht las er und schrieb auch mancherlei für die damals erscheinende deutsche Zeitung „Croatia“. Im Jahre 1841 versuchte er bereits in croatischer Sprache zu schreiben. Indessen [145] wurde er mit mehreren croatischen Notabilitäten, u. A. auch mit Ludwig Gaj [Bd. V, S. 58], bekannt, der ihn als Factor in seine Druckerei nahm. Anläßlich einiger Artikel, welche S. für die in Gaj’s Verlage erschienenen „Narodne Novine“ und die „Danica“ geschrieben, übertrug ihm Gaj im Jahre 1843 die Redaction der letzteren, welche er bis 1846 führte. Nebenbei arbeitete er an dem umfassenden Werke einer „Bibliographia illyrica“, welche alle auf der illyrischen Halbinsel im Drucke erschienenen Werke umfaßte. Eine damals, 1844, von ihm verfaßte Flugschrift: „Šta namčravaju Iliri?“ d. i. Was bezwecken die Illyrier? ließen aber die Jungcroaten in Belgrad erscheinen. Es war dieß die erste nationale, politische Flugschrift in Croatien, welche zu jener Zeit nicht geringes Aufsehen machte. Nun gab er heraus und schrieb sie zum größten Theile auch selbst die politische Zeitschrift: „Branislaw“, welche gleichfalls in Belgrad gedruckt wurde, weil die damalige scharfe ungarische Censur in Agram den Druck des Blattes daselbst nicht möglich machte. In dieser Zeitschrift machte S. die Croaten mit allen Ränken der Magyaren bekannt, warnte die Nation vor den ihr drohenden Gefahren und gab zugleich die Mittel an, wie diesen vorzubeugen sei. Der Einfluß des Blattes war groß und ausgiebig. Im Jahre 1846 übernahm er die Redaction der von Gaj herausgegebenen „Narodne Noviny“. So betrat er denn das heimische Gebiet der croatischen Journalistik, welche er auf einen zeitgemäßen Standpunct erhob. Das Blatt brachte einflußreiche Artikel und begann eine entschiedene Polemik gegen Kossuth’s „Pesti hirlap“, der die Croaten auf das Heftigste angriff. So war es Schulek’s wesentlichstes Verdienst, die Stimmung der Croaten allmälig dahin gebracht zu haben, daß sie im Jahre 1848 Front gegen die Magyaren machten, als diese auf eigene Faust König spielen und alle im Ungarlande zerstreuten und mit demselben völkerrechtlich verbundenen Völker mir nichts dir nichts unter Einen Hut bringen und magyarisiren wollten. Bis zum Juli 1849 führte S. die Redaction, nun wurde das Blatt officielles Organ und S. trat von seinem Posten ab. Müde der aufreibenden Arbeit – denn S. mußte das Blatt fast ganz allein besorgen – hatte er zunächst die Absicht, sich von der Journalistik ganz zurückziehen, aber seine Freunde drangen in ihn, nun ein neues Blatt zu gründen, welches das Organ der liberalen Partei sein sollte, und so entstand das Blatt: „Slavenski jug“, d. i. der slavische Süden. Aber schon das 4. Heft wurde strafgerichtlich mit Beschlag belegt und im Jahre 1850 dasselbe ganz verboten und sein Erscheinen eingestellt. Am 2. Februar d. J. ernannte die Agramer Commune S. zum Ehrenbürger, das war die Antwort der Commune auf das obige Verbot, eine Antwort, die um so deutlicher klang, als S. der erste Protestant war, der Aufnahme in dieselbe gefunden. Für den ersten Augenblick hielt S. von aller Politik sich fern und beschäftigte sich mit anderen Arbeiten, so schrieb er: „Naputak za one, koji uče ditky čitati“, d. i. Anleitung für Jene, so Kinder im Lesen unterrichten (Agram 1850); – „Austr. državni ustav“, d. i. Die österreichische Verfassung (ebd. 1850), und ein kleines Lesebuch für Anfänger in croatischer Sprache. Aber, um der immer näher herankommenden Reaction entgegenzuarbeiten, kehrte S. zur Journalistik zurück und begann noch 1850 die Herausgabe der „Jugoslavenske [146] Novine“, d. i. der südslavischen Zeitung, welche aber bald dasselbe Loos ereilte, wie vordem sein Blatt: „Der slavische Süden“. Da also auf journalistischem Gebiete sich seine Aussichten immer mehr verschlimmerten, warf er sich, indem der Mangel eines croatischen Wörterbuches mit jedem Tage fühlbarer wurde, auf eine Bearbeitung desselben und ließ es auch unter dem Titel: „Rěčnik němačko-hrvatski“, d. i. Deutsch-croatisches Wörterbuch (Agram 1855–1860, Franz Župan) im Drucke erscheinen und war noch sonst literarisch thätig, so z. B. übersetzte er im Jahre 1852 für die Landschulen in Istrien ein Lesebüchlein, betitelt: „Hundert kleine Erzählungen“, schrieb im Jahre 1856 eine croatische Botanik, die erste in dieser Sprache, welche unter dem Titel: „Biljarstvo za vise gimnazije“ zu Wien im Drucke erschien und welcher im Jahre 1859 ein zweiter Theil (bei Karl Albrecht in Agram) folgte, auch übersetzte er Zippe’s Naturgeschichte in’s Croatische, schrieb zahlreiche naturgeschichtliche, philologische und historische Artikel für verschiedene Journale, darunter im „Neven“ eine „Geschichte des Agramer Bisthums“, und eine historische Abhandlung: „Serben und Croaten“; im Kirchenblatte „Katolicki list“ veröffentlichte er den geschichtlichen Aufsatz: „Die dalmatisch-croatisch-slovenischen Primase“ u. a. Aber ungeachtet seiner fleißigen literarischen Thätigkeit wurde er doch bald gewahr, daß er von ihr allein nicht im Stande war, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, er begann also, bald vierzigjährig, ein Brotstudium, und zwar studirte er die Rechte und trat 1857 bei einem Advocaten in die Kanzlei, um sich mit der Gerichtspraxis bekannt zu machen, jedoch gab er dabei die literarische Beschäftigung nicht ganz auf. So übernahm er im Jahre 1858 die Redaction des sehr vernachlässigten landwirthschaftlichen Blattes und führte dieselbe durch einige Jahre mit solchem Erfolge, daß ihm eine slavische Landwirthschafts-Gesellschaft in Anerkennung seiner ersprießlichen Wirksamkeit eine goldene Feder mit ehrenvollem Begleitschreiben übersandte. Um diese Zeit betheiligte er sich auch an der Gründung des politischen Blattes „Pozor“, d. i. der Beobachter, in welchem seine Artikel: „Von der Grenze“, „Aus Dalmatien“, „Von der Murinsel“ nicht geringes Aufsehen erregten. Eine im nämlichen Jahre herausgegebene Flugschrift über die croatisch-serbische Verfassung fand solchen Abgang, daß innerhalb 14 Tagen 2000 Exemplare verkauft wurden. Die Kreutzer Gespanschaft ernannte ihn in Folge dessen zum Ehrenmitglied in ihrer Skuptschina, und die Agramer Gespanschaft in Gemeinschaft mit der Stadt Warasdin empfahlen ihn dem croatischen Landtage zum Archivar des dreieinigen Königreichs, zu welcher Ernennung es aber in Folge der damaligen politischen Verhältnisse nicht kam. Im Jahre 1864 schrieb S. auf Wunsch der croatischen Hofkanzlei ein Büchlein über Nutzen und Pflege der Waldungen im Küstenlande, welches auch als Lehrbuch in der Kreutzer Forstschule angenommen wurde. Im Jahre 1865 legte er die Redaction des landwirtschaftlichen Blattes nieder und wendete sich wieder der Politik zu, die Redaction des „Pozor“ übernehmend, in welchem er insbesondere darauf hinwirkte, daß die Croaten nicht in den österreichischen Reichsrath gingen. Jedoch schon im folgenden Jahre wendete er der Politik neuerdings den Rücken und verlegte sich wieder auf wissenschaftliche Studien, arbeitete für die Mittel- und höheren Schulen eine wissenschaftliche [147] Terminologie aus, welche sich zu einem ganz umfangreichen Werke von 80 Bogen ausdehnte. Als darauf der Ausgleich zwischen Ungarn und Croatien zu Stande kam, gab S. eine Schrift über croatisches Recht heraus, wovon in wenigen Wochen eine neue Auflage nöthig wurde. Zuletzt verlegte er sich auf das Studium der Darwin’schen Theorie und beschenkte der Erste mit einem Ergebnisse derselben die croatische Literatur. S. war bereits Alles: Student, Setzer, Redacteur, Journalist, Schriftsteller aus allen Fächern, Agitator nach jeder Windrichtung, Sprachforscher, Naturforscher, und genießt seit 1867 die etwas zweifelhafte Ehre, das Doctordiplom der philosophischen Facultät der Rostocker Hochschule zu besitzen. Welche Rolle er demnächst spielen wird, weiß Gott: er ist jetzt 60 Jahre alt.

Ilirska čitanka za gornje gimnazije, d. i. Illyrisches Lesebuch für Obergymnasien (Wien 1860, Schulbücher-Verlag, gr. 8°.) Bd. II, S. 254.