BLKÖ:Scherer, Johann Baptist Andreas Ritter von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 29 (1875), ab Seite: 207. (Quelle)
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Scherer, Johann Baptist Andreas Ritter von (Naturforscher, geb. zu Prag 24. Juni 1755, gest. zu Wien 10. April 1844). Die sämmtlichen Studien beendete S. in Prag und Wien unter Männern wie Mikan [Bd. XVIII, S. 263], Michelitz [ebenda S. 217], Barth [Bd. I, S. 166], Jacquin [Bd. X, S. 26], Stoll u. A. Frühzeitig zog ihn das Studium der Naturwissenschaften an, welches durch Jacquin’s Vorträge über Chemie eine bestimmte Richtung gewann. Dadurch trat er auch bald zu seinem Meister in ein [208] engeres Verhältniß. Ungeachtet dieser streng wissenschaftlichen Richtung, die sich auch zeitlich in einigen Arbeiten, deren weiter unten Erwähnung geschieht, kundgab. wendete sich S. dem ärztlichen Berufe zu, auf welchem sich ihm als Substituten des seiner Zeit so geschätzten Arztes Johann Ritter von Schreibers[WS 1] ein weites und zur Entwickelung seiner Fachkenntnisse dankbares Feld darbot. Reisen in’s Ausland, die er zu öfteren Malen, insbesondere auch in berühmte Badeörter, wie Karlsbad und Teplitz, unternahm, wo er die Natur und Eigenthümlichkeiten derselben beobachtete und durchforschte, vervollständigten seine theoretischen und praktischen Kenntnisse und gaben ihm Gelegenheit, mit bedeutenden Männern, wie z. B. mit Tissot in Lausanne, Verbindungen anzuknüpfen. Neben seinem praktischen ärztlichen Berufe blieb jedoch S. seinen theoretischen wissenschaftlichen Studien treu und veröffentlichte von Zeit zu Zeit die Ergebnisse seiner Beobachtungen und Forschungen. Als im Jahre 1797 die unter Kaiser Joseph II. aufgehobene Theresianische Ritterakademie durch Graf Saurau neu organisirt wurde, übernahm S. die Professur der Chemie an derselben, welche er durch sechs Jahre versah, bis er im Jahre 1803 einem Rufe als Professor der technischen Chemie an dem neuerrichteten polytechnischen Institute zu Prag folgte. Vier Jahre versah er das letztgenannte Lehramt, als an Stelle Jordan’s [Bd. X, S. 266, Nr. 4] seine Berufung als Professor der speciellen Naturgeschichte an der Wiener Hochschule erfolgte. Letzteres Lehramt bekleidete S. bis Ende des Jahres 1833, durch volle 26 Jahre, worauf er nach einer im Lehrfache zugebrachten 36jährigen Dienstzeit in den Ruhestand übertrat. Hand in Hand mit seiner lehramtlichen Thätigkeit geht seine fachwissenschaftliche schriftstellerische, die theils in mehreren selbstständigen Werken, theils in verschiedenen, in Fachblättern abgedruckten Aufsätzen besteht. Die Titel seiner Arbeiten sind: „Eudiometria seu methodus aeri atmosphaerici puritatem salubritatemve examinandi“ (Viennae 1782, 8°.), mit dieser Inaugural-Dissertation eröffnete S. seine schriftstellerische Thätigkeit; Priestley’s und Ingenhouß [Bd. X, S. 206] Arbeiten auf diesem Gebiete regten S. zu weiteren Forschungen in dieser Richtung an, und so entstand das größere Werk, dem obige Dissertation als Vorläufer voranging: „Geschichte der Luftgüte-Prüfungslehre für Aerzte und Naturfreunde“, 2 Bände (Wien 1785, 8°.); – „Versuch einer neuen Nomenclatur für die deutschen Chemiker“ (ebd. 1792, 8°.); – „Beweis, dass J. Mayow vor 100 Jahren den Grund zur antiphlogistischen Chemie gelegt hat“ (ebd. 1793); – „Beweis, dass Mayow und Pechlin den Grund zur neueren Theorie des lebenden Organismus gelegt haben“ (Wien 1802, 8°.); – „Versuche mit Pflanzen, hauptsächlich über die Eigenschaften, welche sie besitzen, die Luft beim Sonnenschein zu reinigen“, 3 Bde. (Wien 1786, 8°.), Uebersetzung des von Joh. Ingenhouß verfaßten französischen Originals; – „Chemische Abhandlungen von der Entstehung des Wassers aus der Verbindung des Grundstoffes der reinen und brennbaren Luft“ (ebd. 1790), gleichfalls eine Uebersetzung der Schrift: „De aquae origine ex basibus aëri puri et inflammabilis“ von dem Utrechter Professor Alexander Peter Nahuys; – „Ueber das Einathmen der Lebensluft in langwierigen Brustentzündungen“ (ebd. 1793); – „Von der Schädlichkeit der Lebensluft in langwierigen Brustentzündungen“ (ebd. 1793), in welch letzterer Schrift er die von [209] Ferro [Bd. IV, S. 200] in dem Werke: „Ueber die Wirkungen der Lebensluft“ ausgesprochenen Ansichten bekämpfte. Von seinen in Fachblättern veröffentlichten wichtigeren Abhandlungen sind anzuführen, und zwar in Jacquin’s „Collectanea austriaca ad botanicam, olierniam et historiam naturalem spectantia“, tom. I: seine „Observationes et experimenta super materia viridi thermarum carolinarum et toeplicensium regni Bohemiae 1786“; diese Untersuchung über die in den warmen Quellen von Karlsbad und Teplitz vorkommende Alge (Ulva thermalis) veröffentlichte S. später in deutscher Sprache in den Abhandlungen der k. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften (1786), aus welchen sie auch im nächsten Jahre in Dresden besonders gedruckt erschien; – tom. IV: „Scrutinium hypotheseos principii inflammabilis“, wovon K. Bretfeld eine deutsche Uebersetzung unter dem Titel: „Genaue Prüfung der Hypothese von Brennstoff“ (Prag 1793, 8°.) herausgab; – in den Abhandlungen der böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften außer der schon oben erwähnten Untersuchung über die Algen: „Ueber die Luftart in dem warmen Karlsbader Wasser“ (Bd. I, 1785); – „Eudiometrische Reise im Jahre 1786“ (Bd. III, 1787); – „Beschreibung einer eudiometrischen Geräthschaft auf physikalischen Reisen“ (ebd.); – „Ueber die Zuverlässigkeit der Eudiometrie“ (Bd. IV, 1789); – „Ueber die Gerbesäure in frischen und trockenen Pflanzenkörpern mit Hinsicht auf Färbekunst und Gerberei“ (Bd. I, 1804); – in J. Mayer’s „Sammlung physikalischer Aufsätze“: „Bemerkungen über die Prüfung der Luftgüte vermittelst des brennenden Weingeistes“ (Bd. II, 1792); – „Ueber Mayow’s Theorie der Wasserhosen“ (Bd. IV, 1794); – in dem vom St. Petersburger Professor Alex. Nik. Scherer herausgegebenen „Allgemeinen Journal der Chemie“: „Ueber die Identität der Gallussäure und des Gerbestoffes“ (Bd. X, 1803); – in Gilbert’s „Annalen der Physik“; „Ueber die mährischen Meteorsteine und ihre Incrustirung“ (Bd. XXXI, 1809); – in den Oesterr. medicinischen Jahrbüchern: „Chemische und physiologische Bemerkungen über den Saft der Ahornbäume und insbesondere des Feldahorns“ (1811). Scherer wurde zu dieser Arbeit durch die von J. Jacquin zur Zeit der Continentalsperre angestellten Versuche über Zuckerbereitung aus dem Ahornsafte angeregt; – „Ueber den Ursprung der Eingeweidewürmer“ (1815); – „Ueber Helminthographie“ (1816); – „Topologie der Eingeweidewürmer“ (1817), – und in Oken’s „Isis“: „Ueber das Problematische der Meteorsteine und Eisenmassen“ (1833), Scherer’s letzte Arbeit, welche früher Gegenstand eines Vortrages in der 1832 zu Wien abgehaltenen Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte war. Noch sei bemerkt, daß Scherer im Jahre 1795 Johann Ingenhouß„Miscellanea physico-medica“ herausgegeben hat. Es ist eine vielseitige, achtunggebietende Thätigkeit, welche uns in S. entgegentritt. Im Gebiete der Physiologie, Physik, vornehmlich aber der Chemie hat S. Verdienstliches geleistet, und bei Erklärungen solcher Naturerscheinungen, welche zu seiner Zeit noch für unerklärlich galten, großen Scharfsinn an den Tag gelegt. Ein Hauptverdienst Scherer’s ist auch die Förderung des Studiums der Chemie in den österreichischen Staaten, namentlich durch Heranbildung tüchtiger Schüler, welche [210] die Theilnahme für den bis dahin wenig berücksichtigten Gegenstand allmälig zu wecken verstanden. Fitzinger steht nicht an, zu sagen: „Scherer sei in gewisser Beziehung für Oesterreich das gewesen, was sein würdiges Vorbild Blumenbach für Deutschland war“. Scherer erreichte das seltene hohe Alter von 89 Jahren. Mehrere gelehrte Gesellschaften hatten ihn in den Schooß ihrer Mitglieder aufgenommen, und als im Jahre 1808 Kaiser Franz I. den Leopold-Orden stiftete, befand sich S. unter den Ersten, welche mit diesem Ehrenzeichen geschmückt wurden. Im Jahre 1811 erhielt S. für sich und seine beiden Brüder Joseph [s. d. Folg.] und Andreas, Oberstlieutenant in der Armee, den erbländischen Ritterstand.

Wiener Zeitung 1844, Nr. 137; Nekrolog, von Fitzinger [auch abgedruckt im „Neuen Nekrolog der Deutschen“, XXII. Jahrgang (1844), S. 355, Nr. 109]. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1833, 8°.) Bd. IV, S. 324 [nach dieser geboren am 26. Juni 1736). – Poggendorff (J. C.), Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften (Leipzig 1859, J. Ambr. Barth, gr. 8°.) Bd. II, S. 787. – Porträt. Göbel p., v. Radmansdorf lith. (Fol.).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Johann Ritter von Schreibers.