Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 1 (1856), ab Seite: 166. (Quelle)
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Barth, Joseph (Oculist, Anatom und Kunstkenner, geb. zu Malta 18. Oct. 1745, gest. zu Wien 7. April 1818). Sein Lieblingsstudium war Anatomie, das er in Malta begann, in Rom fortsetzte, wo er im Heil. Geistspitale practizirte. Mit dem Commandeur des Malteserordens, Smitmer, kam B. nach Wien, wo er unter den berühmten Aerzten Störck und van Swieten (s. d.) sein Talent besonders ausbildete. Nebst der Anatomie betrieb er das Studium der Augenheilkunde. 1773 wurde er öffentl. Lehrer der Augenheilkunde an der Wiener Universität. Einen Ruf nach Pavia lehnte er ab, und nahm zu Wien die Professur der Augenheilkunde und Anatomie, sowie den kais. Rathstitel an. Nicht nur als Arzt groß, stand er auch als Menschenfreund leuchtend da. Den später berühmt gewordenen Kupferstecher Thom. Benedetti (s. d.) hatte er als schwer kranken Knaben in sein Haus aufgenommen, gepflegt, geheilt, ausbilden lassen, und ihn zum Erben eines großen Theiles seines Vermögens eingesetzt. Er behandelte in einer eigenen Privatanstalt dürftige Augenkranke unentgeltlich. Nach einer gelungenen Augencur an Kaiser Joseph II. ward er Leibaugenarzt und erbaute unter dessen Schutz das anatomische Amphitheater, das erste in Wien, wozu er aus eigenen Mitteln, insbesondere durch Hingabe eines großen Theils seiner eigenen kostbaren medicinisch-chirurgischen Büchersammlung, eine Bibliothek begründen half. Seine „Anfangsgründe der Muskellehre“ (Wien 1786, 46 Taf., neue Ausg. 1819, 53 Taf., Fol.) ist ein vortreffliches Studienwerk. Barth war – insbesondere in seinen späteren Jahren – ein Sonderling. Ergötzlich ist die Silhouette, welche der alte Gräffer von ihm entwirft: „In seiner Wohnung in der Waggasse, wo mitten in einem Garten sein Haus stand, da sah man ihn als Sansculotte umhergehen, blos in einem schwarzen weiten Oberrocke, einer Art Kutte; der Hut ohne Boden. Von unten und von oben freie Luft. In seinem Hause in der Heugasse unterhielt er eine künstliche Hühnerausbrütungs-Anstalt auf egyptische Manier, da spazirte er mutternackt einher.“ Seine anatomisch-pathologische Präparaten-Sammlung kaufte Kaiser Joseph für 2000 St. Ducaten und schenkte sie der medicinischen Facultät. B. war großer Kunstfreund und Kunstkenner. Die schönsten Bronzen, Götterbilder, Laren, Opfer- und Hausgeräthe, alles antik, meistens im besten Stile gearbeitet und mit edler Patine bedeckt, befanden sich in ziemlichem Durcheinander in seiner Wohnung. Er hatte den berühmten Torso: Ilioneus, den man für den jüngsten Sohn der Niobe hielt, nach Gräffer in Prag auf einem Steinmetzplatz, nach Andern im Garten einer Bierschenke, wo er auf einer Kegelbahn zum Verstecke für den Kegelbuben diente, aufgefunden. Von dem Gastwirth hatte Barth diesen Torso um sechs Siebzehner gekauft und ihn 1815 an den damaligen Kronprinzen Ludwig von Baiern um 6000 Stück Ducaten verkauft. Der berühmte Statuarius Fischer ersetzte Kopf und Arme, welche fehlten, durch Gypsabgüsse. (Die merkwürdige Geschichte dieses Torso siehe: Frankfurter Conversationsblatt 1855, Nr. 126 u. 127: „die Schicksale des Ilioneus.“) Sein Widerwillen gegen die Poeten spricht sich besonders in einer Antwort aus, die er Karoline Pichler gab: „Ich mag die Dichter nicht leiden, weil sie die Wahrheit verfälschen, doch,“ setzte er hinzu: „Sie sind eine vernünftige Frau, und wissen wohl, daß ich Sie damit nicht meine.“ [167] Nun aber, erwiederte Karoline Pichler, wenn nun Ihr Tommaso (das war Benedetti’s Vorname) Anlage zum Dichter hätte, würden Sie ihn daran hindern wollen? – „Wie, rief B., und wenn er Anlage zum Stehlen hätte, sollte ich ihn einen Dieb werden lassen?“ – Böttigers Mittheilungen über Barth, der dessen freilich seltsame Lebensweise und Ansichten in bald lächerlichem bald hämischem Lichte darstellte, im „Stuttgarter Morgenblatte“ 1813, sind rücksichtslos und unbescheiden.

Frankl (L. A.), Sonntagsblätter. II. Jahrg. (Wien 1843) S. 79: „Charakteristik“ von Gräffer. – Ebendas. S. 269: „Silhouette“ von Karoline Pichler. – Handschriftliche Mittheilungen von seinem Pflegesohn Benedetti. – Gräffer (Frz.), Kleine Wiener Memoiren (Wien 1845, Fr. Beck, 3 Bde.) II. Bd. S. 238. – Sein Porträt: „Joseph Barth, k. k. Rath und Leiboculist ...,“ gez. von Ant. Richter jun. in Wien, Laurens sc. Berolini 1804, in Form einer Camée, mit einer von der Schlange umringelten Lancette.