BLKÖ:Reichstadt, Napoleon Franz Joseph Karl Herzog von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Reichssiegel, Florian
Band: 25 (1873), ab Seite: 181. (Quelle)
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Reichstadt, Napoleon Franz Joseph Karl Herzog von (k. k. Oberst, geb. im Palaste der Tuilerien in Paris am 20. März 1811, gest. zu Schönbrunn nächst Wien am 22. Juli 1832). Sein Vater war Napoleon I., Kaiser der Franzosen, seine Mutter dessen zweite Gemalin Maria Luise, Erzherzogin von Oesterreich, Tochter des Kaisers Franz I. von Oesterreich. Die Niederkunft der Kaiserin war eine sehr schwere gewesen, da das Kind eine üble Lage hatte. Baron Dubois, der Leibarzt, hatte Sorge um einen glücklichen Ausgang. [182] Kurz vor der Katastrophe befahl der Kaiser, nachdem ihm Dubois seine Bedenken geäußert: „Behandeln Sie sie, als wär es eine Kaufmannsfrau aus der Straße Saint-Denis; das ist das Einzige, warum ich Sie bitte, vergessen Sie, daß sie Kaiserin ist“. – „Und wenn Gefahr des Lebens eintritt“, fragte Dubois, „soll ich dann die Mutter oder das Kind retten?“ – „die Mutter!“ erwiederte Napoleon lebhaft, „das ist ihr Vorrecht“. Diese Antwort gewann dem Kaiser die Sympathie der Frauen. Das Kind kam halbtodt zur Welt, einige Secunden lang hielt man es wirklich für todt. Endlich gewann es Leben. Der Kaiser von Oesterreich schickte den Fürsten Clary zur Beglückwünschung nach Paris und dieser legte dem „Könige von Rom“, denn diesen Titel hatte der Kaiser Napoleon seinem Erstgebornen verliehen, die Bänder aller Orden Oesterreichs auf die Wiege. Die Taufe fand in Gegenwart aller Bischöfe und der Deputirten aus allen Gegenden Frankreichs Statt. Der Kaiser von Oesterreich, Pathe des jungen Königs, ließ sich von dem Erzherzog Ferdinand, seinem Bruder, damaligen Großherzog von Würzburg, nachmaligen Großherzog von Toscana, vertreten. Die erste Erziehung des Prinzen wurde der Gräfin von Montesquiou, einer durch Geist und Bildung gleich ausgezeichneten Dame, anvertraut. Napoleon hing mit großer Liebe an seinem hoffnungsvollen Kinde. Als ihm Maria Luise das von dem berühmten Gerard gemalte Bildniß des Sohnes in das Lager an der Moskwa sandte, rief Napoleon, nachdem er das Bild lange mit Entzücken betrachtet, zu seiner Umgebung: „Meine Herren, hätte mein Sohn auch nur fünfzehn Jahre, er würde nicht blos im Bilde in der Mitte so vieler Braver sein!“ Nach der Katastrophe des Jahres 1814, als die Armeen der Verbündeten sich bereits der Stadt Paris näherten, verließ Maria Luise mit ihrem Sohne die Tuillerien und begab sich zuerst nach Blois, später nach Rambouillet. Als man den jungen König fortbringen wollte, sträubte er sich heftig dagegen, schrie laut und klammerte sich an die Draperien des Gemaches. Herr von Canisi, der diensthabende Stallmeister, mußte der Frau von Montesquiou beistehen, ihn in den bereitstehenden Wagen zu bringen. Nach der Thronentsagung des Vaters reiste er mit der Mutter am 25. April 1814 nach Wien und sollte Frankreich nicht wieder sehen. Das Reiseziel des jungen Königs war Schönbrunn. Durch den Vertrag von Fontainebleau, 11. April 1814, verlor der König von Rom seinen Königstitel und wurde Erbprinz der drei Herzogthümer Parma, Piacenza und Guastalla, welche nach dem Tode seiner Mutter in seinen erblichen Besitz kommen sollten. Nach der zweiten, zu Gunsten seines Sohnes gestellten Abdankung Napoleon’s ward der Sohn als Napoleon II. von den französischen Kammern zum Kaiser ausgerufen. Die Verbündeten aber führten den rechtmäßigen König Ludwig XVIII. wieder auf seinen Thron. Indessen blieb der junge Prinz unter der Aufsicht und Leitung der Frau von Montesquiou in Schönbrunn, welcher noch die Madame Sauflat und ihre Tochter beigegeben waren. Aus dieser Periode, welche übrigens von sehr kurzer Dauer war, erzählt man sich eine merkwürdige Frage des Prinzen. Als man ihm eines Tages den Besuch des berühmten Feldmarschalls Prinzen De Ligne ankündigte, fragte der Prinz: „Ein Marschall ist dieser?“ [183] – „Ja“, erwiederte man ihm; – „Ist es Einer von denen, die meinen Vater verlassen haben?“ rief der Prinz. Nachdem der Exkaiser Napoleon Elba verlassen hatte, verlangte er seine Gemalin Maria Luise und seinen Sohn zurück. Es findet sich kein geschichtliches Document vor, welches eine Antwort auf diese vor Gott und den Menschen gerechtfertigte Forderung enthält. Gerüchtweise wird erzählt, daß um diese Zeit ein Complott geplant worden, den Prinzen zu entführen und nach Paris zu bringen, welchem zwar von mehreren Seiten widersprochen wurde. Das Olmützer Journal „Die neue Zeit“ brachte 1864 in Nr. 7 und in neuester Zeit das „Neue Wiener Tagblatt“, wie es scheint, nach Aufzeichnungen des ehemaligen Schönbrunner Schloßhauptmanns von Tappenburg, diese Angelegenheit neuerdings zur Sprache. Während der politischen Stürme, welche bis zur Einschiffung Napoleon’s auf St. Helena aufs Neue Frankreich zerwühlten, als dann nach dessen zweiter Abdankung die völlige Restauration der Bourbonen auf den französischen Königsthron bewerkstelligt wurde lebte der junge König von Rom in Schönbrunn, wo mittlerweile einige Veränderungen in der seine Erziehung leitenden Umgebung statthatten. Gräfin Montesquiou reiste mit ihrem Gefolge nach Frankreich zurück und an ihre Stelle trat mit kais. Handschreiben vom 30. Juni 1815 Moriz Graf Dietrichstein [Bd. III, S. 303]. Indessen hatten die Königin von Etrurien und der spanische Hof ihr Erbrecht auf die drei Herzogthümer Parma, Piacenza und Guastalla geltend gemacht und wurde der ersteren nach dem Tode Maria Luisens die Erbfolge in den genannten Herzogthümern zugesichert. Dafür mußte Napoleon’s Sohn seinen Ansprüchen auf die drei Herzogthümer entsagen und wurde mit kais. Patent ddo. 22. Juli 1818 zum Herzog von Reichstadt ernannt. Kaiser Franz I. hatte schon mit kais. Handschreiben ddo. Zara 2. März 1818 an den Grafen Saurau die damals pfalzbayerische, nachherige erz- und großherzoglich-toscanische Herrschaft Reichstadt (čechisch Zakopy) zum Herzogthume erhoben. Durch oberwähntes Patent wurden bezüglich der Titulatur des Prinzen festgesetzt in der Anrede: Durchlauchtigster Herzog! im Contexte: Euere Durchlaucht! Die Verleihung eines Wappens und die Bestimmung seines herzoglichen Ranges unmittelbar nach den Erzherzogen des österreichischen Kaiserhauses. Die Exkaiserin, Erzherzogin Maria Luise, die bis dahin an der Seite ihres Sohnes in Schönbrunn gelebt, begab sich nun, nachdem alle Hindernisse wegen Besitznahme ihrer Länder endlich hinweggeräumt waren, in ihre Duodezstaaten, während der Herzog von Reichstadt in der unmittelbaren Nähe seines Großvaters, des Kaisers Franz I., in Schönbrunn blieb. Daselbst freute sich der junge Prinz seines Daseins; in den Gemächern seines Großvaters, dem er in kindlicher Liebe zugethan war, hatte er sein eigenes Plätzchen, um das für sein Alter passendes Spielzeug umherlag. Alles liebte das schöne Kind und namentlich Erzherzog Franz Karl, der ihm unter den kaiserlichen Prinzen in den Jahren zunächst stand, war sein Freund und Spielgenoß. Die bedeutenden Geistesgaben des Kindes begannen bald sich zu zeigen, er gab viele Beweise von rascher Fassungskraft und Einsicht, und im zartesten Alter von Festigkeit, Muth und seltener Klugheit. Dem Grafen Dietrichstein wurden als eigentliche [184] Erzieher des Prinzen der Dichter Matthäus von Collin [Bd. II, S. 415 ] und der Hauptmann Foresti beigegeben. Collin unterrichtete ihn in den alten Sprachen und leitete seine classischen Studien, welche jedoch den Prinzen weniger anzogen, als die Gegenstände der Kriegskunst, für die er eine besondere Vorliebe besaß und in denen er große Fortschritte machte. Dabei wurde ihm die Geschichte des meteorartigen Aufsteigens und der tragischen Schlußkatastrophe seines Vaters nicht verschwiegen und ihm am 22. Juli 1821 in Schönbrunn die Nachricht von dessen Tode mitgetheilt. Der Herzog von Reichstadt zählte damals etwas über zehn Jahre. Als er die Todesnachricht vernahm, brach er in heftiges Weinen aus und die folgenden Tage war er in tiefer Niedergeschlagenheit. Er sowohl wie seine Umgebung, seine Erzieher inbegriffen, trugen Trauer. Nach Collin’s im Jahre 1824 erfolgten Tode trat der n. ö. Regierungsrath Obenaus an dessen Stelle. Obenaus war der Erzieher des Erzherzogs Franz Karl gewesen. [Sein Sohn, der kais. Hauptmann Ferdinand Obenaus-Felsőház, überbrachte im Jahre 1868 dem Kaiser Louis Napoleon 120 Reliquien aus des Herzogs von Reichstadt Nachlaß zum Geschenke.] Obenaus hatte den Auftrag, den Prinzen insbesondere mit jenen Ereignissen, welche zur Geschichte seines Vaters in nächster Beziehung standen, bekannt zu machen. Für die militärischen Gegenstände waren der schon genannte Hauptmann Foresti und für den Unterricht in der permanenten und Feldbefestigung der Major Weiß bestellt. Den Religionsunterricht leitete der damalige Hofprälat Wagner. Der Prinz machte vortreffliche Fortschritte: eines Tages überraschte er seinen Großvater mit einer topographischen Karte der Gegend von Neudorf, Gumpoldskirchen und Wien, welche er selbst vermessen, mit großer Genauigkeit aufgenommen und gezeichnet hatte. Mit gutem Erfolge betrieb er auch die deutsche Literatur, und die Werke von Goethe und Schiller fesselten ihn so, daß er viele der schönsten Stellen, namentlich aus den Trauerspielen derselben, Wort für Wort auswendig wußte. Fleißig las er geschichtliche Werke und unter diesen jene von M. I. Schmidt und Johannes v. Müller. Mit großem Fleiße betrieb er das Studium der italienischen[WS 1] Sprache und machte häufig Uebersetzungen aus der deutschen und französischen in die italienische. Dabei aber blieb seine Vorliebe für alles Militärische vorherrschend. Ein Zug aus dieser Zeit mag zeigen, wie sehr der soldatische Geist in ihm ausgeprägt war. Eines Tages befand[WS 2] er sich mit seinem Großvater zu Schloßhof, einer kaiserlichen Familienherrschaft. Es waren mehrere Personen zu Tische geladen. Als er seinen gewöhnlichen Platz an der Seite des Erzherzogs Franz Karl einnehmen sollte, weigerte er sich dessen und rückte weiter herunter. Befragt, warum er dieß thue, erwiederte er: „Es sind ja Generale zu Gaste und diese haben den Vorsitz“. Im Alter von sieben Jahren trug er das Kleid eines gemeinen Soldaten. Als er im Exerciren und den anderen militärischen Uebungen große Fortschritte machte, wurde er zum Unterofficier befördert und hatte, als er die mit dieser Charge verbundenen Abzeichen erhielt, unaussprechliche Freude. Im Jahre 1828, damals 18 Jahre alt, wurde er Hauptmann im Jäger-Regimente Kaiser und wohnte als solcher den Uebungen im Lager zu Traiskirchen bei. Im Sommer des nächsten Jahres commandirte [185] er eine Compagnie, dann eine Division Grenadiere in der nächst Wien unweit Schönbrunn gelegenen Ortschaft Mauer. In diese Periode soll auch eine Liebesepisode mit einem lieblichen, dort wohnenden Mädchen fallen, welches von dem hohen Range des jungen schönen Officiers, dem sie heimliche Zusammenkünfte im Garten gestattete, keine Ahnung hatte. Im Juli des Jahres 1830 kam der Herzog als Major in das Infanterie-Regiment Salins, im November desselben Jahres als Oberstlieutenant zum Infanterie-Regimente Nassau, in welcher Eigenschaft er im Sommer 1831 zu Gyulay-, später zu Prinz Wasa-Infanterie in Garnison zu Wien übersetzt wurde, in welch letzterem Regimente im Frühjahre 1832 seine Ernennung zum Oberst erfolgte. Indessen betrieb er mit Eifer seine militärische Ausbildung, auch wurde er bereits von 1824 an in die philosophischen, politischen und Rechtswissenschaften eingeführt; mit Aufmerksamkeit folgte sein Blick den politischen Ereignissen seiner Zeit. Mit besonderem Eifer betrieb er den activen Militärdienst, daneben studirte er Tactik, Geschichte und Cäsar’s Commentare, das Lieblingsbuch seines Vaters. Die Nichtigkeit der Angabe, daß Fürst Metternich selbst ihm die Geschichte seines Vaters vorgetragen habe, muß vorderhand dahingestellt bleiben. Er liebte seinen Vater und sein Vaterland, doch äußerte er sich öfter dahin, daß seine Bestrebungen nie dahin gehen würden, es in Aufregung zu bringen, jedoch regte die französische Revolution des Jahres 1830 sein jugendliches Gemüth gewaltig auf und brachte in ihm eine schwer zu bezwingende Gährung hervor. Gegen das Ende des Jahres 1830 sollte sein stetig activer Militärdienst beginnen und der Kaiser gab ihm den General Grafen Hartmann, den Rittmeister Freiherrn von Moll und den Hauptmann Standeisky bei. Aber schon nach wenigen Tagen stellten sich die Spuren jenes Leidens, das ihm später so gefährlich werden sollte, ein. Noch aber suchte er in der Besorgniß, in seiner Lieblingsbeschäftigung, den praktischen Exercitien, unterbrochen zu werden, mit eiserner Willenskraft dasselbe zu unterdrücken und zu verbergen, als aber die Anfälle von Husten sich wiederholten, anhaltende Heiserkeit und Ermattung nach den geringsten körperlichen Anstrengungen eintraten, war beständige Schonung geboten. Nur er selbst bestand darauf, daß seine Schwächlichkeit von dem Mangel körperlicher Uebungen herrühre, daß sein Leiden, durch die ununterbrochen sitzende Beschäftigung bei seinen Studien hervorgerufen, nur durch thätige Bewegung allein geheilt werden könne. Und wie sehr er sich auch bezwang, jedes Geständniß seines schweren Leidens aus Sorge, in ein unthätiges Leben zurückgeworfen zu werden, zu unterdrücken, mehrten sich doch die Symptome desselben zusehends und waren nimmer zu verbergen. Sein Dasein in dieser Zeit glich förmlich einem Verbrennungsprocesse, er schlief nur vier Stunden, oft auch diese nicht, er hatte keine Ruhe, nur wenn er zu Pferde saß, schien er sich wohl zu fühlen, nur bei den militärischen Uebungen fand er Behagen. Dabei nahm sein Wuchs noch immer zu, während er immer magerer und seine Gesichtsfarbe immer blässer, wässeriger wurde. Trotz aller Vorstellungen, sich zu schonen, wollte er davon nichts wissen, bis endlich sein Zustand so bedenklich wurde, daß sein Leibarzt, Dr. Malfatti, dem Kaiser nachdrückliche Vorstellungen machte, worauf dieser den Prinzen am 26. September 1831, unmittelbar vor einem auf [186] der Schmelz abgehaltenen Manövre, bei welchem der Herzog sein Bataillon commandirte, mit ernstem Gebote nach Schönbrunn schickte. Die nun folgende Ruhe schien ihm auch wohl zu thun, er begann scheinbar sich zu erholen, aber Ende October 1831, nach einer Jagd, von der er sich nicht zurückhalten lassen wollte, trat ein neuer und sehr bedenklicher Rückfall ein. Doch auch dieser wurde überwunden und der Prinz begann wieder Dienst zu thun. Am 16. Jänner 1832 commandirte er bei Gelegenheit einer nach dem verstorbenen General der Cavallerie Freiherrn von Siegenthal abgehaltenen Leichenfeier sein Bataillon auf dem Josephsplatze. In der starken Kälte verlor er beim Commandiren plötzlich seine Stimme. Er begab sich nach Hause; es war seine letzte militärische Function gewesen. Von nun an nahm sein Leiden einen ausgesprochenen Charakter an, auf menschliche Hilfe war nach dem Ausspruche der Aerzte nicht mehr zu hoffen. Wohl beabsichtigte Dr. Malfatti, ihn anfänglich nach Ischl zu schicken und und schlug dann eine Reise nach Italien vor, an welche Hoffnungen der Prinz sich mit Leidenschaft klammerte, aber die Ausführung scheiterte an der täglich zunehmenden Schwäche des Kranken. Man trug ihn manchmal noch an schönen warmen Tagen an eine besondere, ihm vorbehaltene Stelle im Schönbrunner Garten oder brachte ihn auf den Balcon seiner Wohnung, um frische Luft zu schöpfen, die seine brechende Brust kaum mehr einzuathmen im Stande war. Seine Mutter war bereits aus Parma herbeigeeilt und wich nicht mehr von seiner Seite. Ueber seine letzten Lebenstage gibt Hauptmann Foresti interessante Mittheilungen. Der Prinz sah mit Ruhe, Gelassenheit und wahrlich christlichem Sinne die Rosenblätter seines Lebens fallen und das Ende seiner kurz zugemessenen Tage herannahen. Nicht die unsäglichen körperlichen Leiden, nicht die schlaflosen, durch anhaltendes Husten peinvoll gemachten Nächte konnten seine liebenswürdige Geduld ermüden. Mit stets gleicher Herzensgüte behandelte er seine Umgebungen, der Anblick der üppig prangenden Natur von außen und der zerstörenden in seinem Innern vermochte nicht seine Sanftmuth zu ändern. Aus Albach’s Gebetbuche, womit ihn einst sein Großvater Kaiser Franz beschenkt, ließ er sich jetzt, da sein junges edles Leben zu Ende ging, täglich vorlesen. Wenige Tage, die seinem Tode unmittelbar vorangingen, benützte er zu seinen letztwilligen Anordnungen; er nahm auch liebevoll Bedacht auf seine Dienerschaft und brachte alle ihn betreffenden Angelegenheiten in beste Ordnung. Als seine überhand nehmende Körperschwäche ihm nicht mehr gestattete, selbst zu schreiben, dictirte er noch zwei Tage vor seinem Tode einige Briefe seinem Privatsecretär. Die Tröstungen der Religion hatte er auch bereits mit der gläubigsten Hingebung empfangen. Aus den Händen der tief erschütterten Mutter erhielt er die Arzneien und Alles, was die Leiden des jungen Dulders nur einigermaßen zu lindern vermochte. Als der letzte Tag seines Daseins anbrach, als die Aerzte der trostlosen kaiserlichen Mutter angekündet, daß der Prinz den Abend nicht mehr erleben werde, sagte er ihr selbst mit tiefer, aber vollends gebrochener Stimme, daß er von ihr für diese Welt Abschied nehmen müsse. Als die Kaiserin darüber in Thränen ausbrach, drückte er ihr schwach die Hand und sprach: „Weinen Sie nicht, ich hoffe meinen Vater [187] dort zu sehen und Einst Sie. Beten Sie für mich, sowie ich bei Gott für Sie beten werde“. Dann deutete er seiner Mutter, sich zu ihm zu setzen und aus Albach’s Gebetbuch die Betrachtungen über „Tod und Unsterblichkeit“ vorzulesen, doch ihre von Schluchzen unterbrochene Stimme versagte ihr diesen Liebesdienst. Rittmeister von Moll verließ nun nicht mehr des Prinzen Gemach und hielt sich darin verborgen, da der Prinz nicht duldete, daß Jemand bei ihm wachte. Er schien zu entschlummern. Gegen halb vier Uhr erhob er sich plötzlich und rief: „ich gehe unter“. Freiherr von Moll und ein Kammerdiener sprangen herbei und faßten ihn in ihre Arme. „Meine Mutter! meine Mutter!“ waren seine letzten Worte, dabei kam Erstarrung in seine Züge und seine Augen begannen sich zu verglasen. Freiherr von Moll ließ ihn in den Armen des Kammerdieners, während er selbst zu Marie Luise eilte und zum Erzherzog Franz Karl, den der Prinz ersuchte, bei seinem Hinscheiden gegenwärtig zu sein. Alles eilte erschreckt herbei. Marie Luisen fehlten die Kräfte, sich über ihrem sterbenden Sohne aufrecht zu erhalten, ihr brachen die Knie und sie sank an das Bett. Der Herzog, unfähig zu reden, schien nur noch in den Augen einiges Leben zu haben, er heftete den Blick auf seine Mutter, dann nach oben, wendete den Kopf zweimal – und verschied. Sein Tod war am 22. Juli, um 5 Uhr 8 Minuten Morgens eingetreten, in demselben Zimmer, welches 1809 Napoleon’s Schlafgemach gewesen, in demselben Bette, in welchem dieser Schlachtengott einst geruht. Am 24. Juli Abends 5 Uhr wurde der Leichnam des Prinzen mit den üblichen Feierlichkeiten in die kaiserliche Gruft bei den Kapuzinern beigesetzt. Auf seinem Sarge wurde eine lateinische Inschrift folgenden Inhalts gesetzt: „Dem ewigen Gedächtnisse Josephs Karl Franz Herzogs von Reichstadt, Sohnes Napoleon’s, des Kaisers der Franzosen, und der Erzherzogin Maria Louise von Oesterreich, geboren zu Paris am 20. März 1811, in der Wiege mit dem Titel König von Rom begrüßt, in der Blüthe des Alters, begabt mit allen Vorzügen des Geistes und des Körpers, mit herrlicher Gestalt, mit edler Jugend im Antlitz, mit seltener Anmuth der Sprache, ausgezeichnet durch kriegerisches Wissen und Streben, von der Lungensucht ergriffen, erlag er schmerzlichem Tode im Kaiserschlosse zu Schönbrunn bei Wien am 22. Juli 1832“. Der Herzog von Reichstadt gehört, obgleich es ihm nicht gegönnt war, thätig in’s Leben einzugreifen, mittelbar durch seine Stellung der Geschichte an. Seine Persönlichkeit besaß etwas ungemein Einnehmendes, was durch seine Leutseligkeit, Freundlichkeit und Feinheit und eine von melancholischer Beimischung gefärbte Anmuth des Verkehrs, wie noch durch den Glanz, der von seinem Vater auf ihn überstrahlte, erhöht ward. Mit seinem Vater hatte er den weiten überschauenden Blick gemein, der ihm vorkommende Charaktere gleich erkennen und beurtheilen ließ, aber durch ungünstige Vormeinungen und Mißtrauen, ein Ergebniß seiner Lage, öfters getrübt wurde. Man findet hie und da die Angabe, daß er unwahr und falsch gewesen, das ist unrichtig, aber eine außerordentliche Zurückhaltung, eine weit über seine jungen Jahre hinausgehende Klugheit hinderten ihn, sich frei und nach eigenstem Willen gehen zu lassen. Der Prinz besaß Phantasie und fand in seinen späteren Tagen besonders Geschmack an den Dichtungen [188] Byron’s. Mit seinem zunehmenden Leiden wuchs, wie es leicht begreiflich, seine Schwermuth, und in seinen letzten Tagen that er den Ausspruch: „Meine Wiege und mein Sarg werden neben einander stehen“. Der Herzog ist oft und von verschiedenen Künstlern gemalt worden. Von Zeitgenossen, die ihn persönlich gekannt und ihm sehr nahe gestanden, wie Moriz Graf Dietrichstein, wurde das von Daffinger gemalte Bildniß als das ähnlichste bezeichnet. Die reiche Literatur über sein Leben, eine Uebersicht seiner Bildnisse, die Nachricht eines Augenzeugen, wie seine Todtenfeier in Paris begangen worden u. s. w. folgen auf den nächsten Seiten.

I. Biographische Quellen. A. Selbstständige Werke, a) Deutsche. Franz Carl Joseph Napoleon, Herzog von Reichstadt, seine Geburt, seine Erziehung und jetzige Stellung, nebst vielen seltenen Zügen aus seinem Leben (Leipzig 1831, 12°.) [Uebersetzung aus dem Französischen]. – Marie Louise und der Herzog von Reichstadt, der Sohn Napoleon’s, die Opfer der Politik Metternich’s (Bern 1830, 8°., zwei Aufl.). – b) Französische. Chaumont (Louis de), Histoire populaire du Roi de Rome etc. (Paris 1832, 4°.). – Franc-Lecomte de la Marne (Pierre), Histoire de Napoléon. II, né roi de Rome, mort duc de Reichstadt (Paris 1842, mit Portr.). – Guy de l’Hérault (N... N...), Histoire de Napoléon II, roi de Rome, suivie du testament politique de Napoléon Ier (manuscrit venu de Sainte-Hélène) (Paris 1853, 8°.). – Histoire de trois empereurs des Français: Napoléon Ier, Napoléon II et Napoléon III (Lyon 1852, 12°.). – Montbel (Guillaume Isidore Baron de), Le duc de Reichstadt. Notice sur la vie et la mort de ce prince, rédigée a Vienne (Paris 1832, 8°; ibid. 1833, 8°.) (deutsch übersetzt von einem Anonymus (Leipzig 1833, 8°.); – von Karl von Kronfels (Freiburg 1833, 8°.); – in’s Spanische übersetzt von F... de S.. L... (Valencia 1836, 8°., mit Portr.); – in’s Italienische übersetzt von Gaetano Barbieri (Mailand 1833, 8°, mit Portr.). – Petit (Jean Baptiste), Vie de Napoléon II, ou détails sur son séjour, en Autriche et ses derniers moments (Paris 1832, 18°.). – Saint-Félix (Jules de), Histoire de Napoléon II, roi de Rome, d’après les documents officiels et le meilleurs renseignements (Paris 1853, 12°., mit Portr.). – Suzor (P... de), Napoléon II, duc de Reichstadt (Bruxelles 1841, 18°., drei Aufl.). – Vie du roi de Rome, Napoléon II (Lyon 1853, 8°.). – Vies des trois empereurs des Français, Napoléon Ier, Napoléon II et Napoléon III (Paris 1854, 8°.). – c) Italienische. Vita di Napoleone II. (s. l. [Firenze] 1832, 12°.). – d) Spanische. Et duque de Reichstadt, hijo de Napoleon. Vida y muerte de este joven principe (Barcellona 1832, 8°.).
I. B. In Zeitschriften und historischen Werken Zerstreutes. Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1853, Beilage zu Nr. 98 [nach 21 Jahren eine Erinnerung an den frühverblichenen liebenswürdigen Prinzen]. – Berliner Figaro. Redigirt von L. W. Krause. 1840, Nr. 221; „Der König von Rom“, von Jules Dumont [nachgedr. im Pesther Tagblatt 1840, Nr. 183]. – Buch für Alle (Stuttgart, Hermann Schönlein, 4°. ) I. Jahrg. (1866), S. 51: „Der Herzog von Reichstadt. Ein Bild aus dem Leben der Großen dieser Welt“, von Froben-Maria [mit einem trefflichen und sehr ähnlichen Holzschnitt-Bildnisse des Prinzen auf S. 53]. – Bukowina (Czernowitzer polit. Blatt) 1863, Nr. 61, im Feuilleton: „Aus dem Leben Napoleon’s II.“[des Herzogs von Reichstadt Begegnung mit Kaiser Alexander I. von Rußland]. – Didaskalia. Blätter für Geist, Gemüth u. s. w. (Frankfurt, 4°.) 1836, Nr. 2–6: „Des jungen Napoleon’s Jugendjahre und seine Erziehung zu Schönbrunn“ [aus H. Malten’s neuester Weltkunde]. – Der Freischütz (Hamburg, 4°.) 1831, Nr. 12, S. 91: „Aus dem 5. Bande von Benjamin Constant’s Memoiren“ [enthält manches Neue über den jungen Napoleon]; 1832, Nr. 34: „Der Herzog von Reichstadt“ [Mittheilung aus einem Schreiben von Wien nach seinem Tode]; 1833, Nr. 42–46: „Notiz über den Herzog von Reichstadt“ [dem Courier français entlehnte Mittheilungen von Frederic Fayot über den Sohn Napoleon’s); 1856, Nr. 39: „Eine bei Gelegenheit der Geburt des Herzogs von Reichstadt gemachte Prophezeiung“. – Frankfurter Konversationsblatt (4°.) 1838, Nr. 103–108: [189] „Die Erziehung des Herzogs von Reichstadt. Von dem Capitain des Geniecorps Foresti“ [sehr interessant und vieles Getratsch über des Herzogs Leben am kaiserlichen Hofe in Wien durch treue Darstellung der Wirklichkeit niederschlagend]; – 1852, Nr. 53–55: „In der Kaisergruft zu Wien. Der Herzog von Reichstadt. Nach einem französischen Verfasser von G. v. B.; – 1856, Nr. 194: „Aus Berlins Rückerinnerungen bei der Geburt des jungen Napoleon]. – Fremden-Blatt. Von Gust. Heine (Wien, 4°.) 1867, Nr. 9: „Der Herzog von Reichstadt als Schriftsteller“ [ein ergötzliches Curiosum, welches man der mündlichen Mittheilung des Grafen Moriz von Dietrichstein verdankt]. – Die Gartenlaube (Leipzig, Ernst Keil, 4°.) Jahrg. 1859, S. 761: „Letzte Augenblicke des Herzogs von Reichstadt. Das vergessene Kind Frankreichs“, von M. R. [mit einer in Holz geschnittenen Illustration L. Löffler’s]. – Der Gesellschafter, oder Blätter für Geist und Herz, von Gubitz (Berlin, 4°.) 1843, Nr. 132 u. 133: „Der König von Rom“ [nach dem „Moniteur de Paris“ von L. Wolke]. – (Gräffer, Franz) Francisceische Curiosa (Wien 1849, 8°.) S. 169: „Zur Geschichte der Todeskrankheit des Herzogs von Reichstadt“. – Derselbe, Kleine Wiener Memoiren (Wien 1845, 8°.) Bd. I, S. 120: „Autograph des Herzogs von Reichstadt“; – Bd. II, S. 253: „Des Herzogs von Reichstadt Anlage im Schönbrunner Parke“; – Bd. III, S. 140: „Ein Commando“ [Prinz De Ligne und der Herzog von Reichstadt]. – Jahreszeiten (Hamburg, gr. 8°.) 1851, S. 1384: „Don Miguel und der Herzog von Reichstadt“. – Illustrirtes Familien-Journal (Leipzig, Payne, 4°.) Bd. VI, S. 698: „Der kleine Gärtner“. – Der Komet. Unterhaltungsblatt, herausg. von C. Herloßsohn (Leipzig, 4°.) 1833, Nr. 14–16: „Der Herzog von Reichstadt“, von Herrn von Montbel. – Constitutionelle Volks-Zeitung. Herausg. von Fanta (Wien, 4°.) III. Jahrgang (1867), Nr. 44: „Der König von Rom“ [mit Bildniß im Holzschnitt]. – Militär-Zeitung. Herausg. von J. Hirtenfeld (Wien, 4°.) 1857, Nr. 32–35: „Marschall Marmont und der Herzog von Reichstadt“ [aus dem 8. Bande der „Mémoires de duc de Ragusa“]. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1867, Nr. 1082, im Feuilleton: „Der Herzog von Reichstadt und der Mann von Ham“, von Lucian Herbert. – Neues Fremden-Blatt (Wien, 4°.) 1867, Nr. 243: „Der Herzog von Reichstadt“ [ein Zug aus dem Leben des Prinzen]. – Neues Wiener Tagblatt (gr. 4°.) 1870, im Feuilleton: „Die Entführung des Königs von Rom“. Nach Aufzeichnungen eines Augenzeugen [vielleicht des ehemaligen Schönbrunner Schloßhauptmanns Tapp von Tappenburg]. – Neue Zeit (Olmützer polit. Blatt) 1864, Nr. 7, im Feuilleton: „Eine verhinderte Entführung des Herzogs von Reichstadt“ [auch in den (Brünner) Neuigkeiten 1864, Nr. 3). – Pappe, Lesefrüchte (Hamburg, 8°.) 1825, Bd. IV, S. 19: „Ermordungsplan gegen Napoleon und seinen Sohn“ [mit einem solchen Plane wäre von der provisorischen Regierung im Jahre 1814 ein gewisser Maria Armand Guerry de Maubreuil Marquis d’Orvault beauftragt gewesen]; – 1829, Bd. III, S. 25: „Besuch bei dem jungen Napoleon, Herzog von Parma“ [aus dem Tagebuche eines englischen Lords auf dem Wiener Congreß], und S. 122: „Der junge Napoleon in Wien“; Bd. IV, S. 75: „Le fils de l’homme ou souvenirs de Vienne“; – 1831, Bd. I, S. 348 u. f. [einige Züge aus dem Leben des jungen Napoleon aus Constant’s, des Kammerdieners Napoleon’s, Memoiren]. – Rheinische Blätter für Unterhaltung u. s. w. Beiblatt zum Mainzer Journal (4°.) 1856, Nr. 76, S. 302: „Die Geburt des Königs von Rom. Eine geschichtliche Erinnerung“; Nr. 127 u. 128: „Geburt und Taufe des Königs von Rom“ [nach dem 13. Bande der Geschichte des Consulates und des Kaiserreichs von Thiers]; – 1858, Nr. 40 u. 41: „Der Herzog von Reichstadt“ [aus den Erinnerungsblättern eines Diplomaten von Franz Freiherrn von Andlaw]. – Stahl (Arthur), Historische Bilder aus der alten Welt (Wien 1870, C. A. Hartleben, 8°.) Bd. II, S. 253. – Teleskop. Beilage zum Kometen. Herausgegeben von Dr. C. Herloßsohn (Leipzig, 4°.) 1843, Nr. 47: „Der Herzog von Reichstadt als Dichter“. – Temesvárer Zeitung 1863, Nr. 119, im Feuilleton: „Aus dem Leben Napoleon’s II.“ – Le Voleur. Cabinet de lecture Journal littéraire et artistique (Paris, 4°.) 25me année (1852), Nr. 11: „Le duc de Reichstadt“, par Alphons Balleydier. – Waldheim’s Illustrirte Zeitung (Wien, kl. Fol.) 186., S. 271: „Stätten und Erinnerungen. [190] 1. Der kleine Herzog von Reichstadt in Schönbrunn“. [Dieser Aufsatz, aus Gräffer’s Collectaneen und Gott weiß welch anderem Material zusammengestellt, war schon mehrere Jahre früher, nämlich 1856, in Nr. 263 u. 264 des „Wiener Couriers“ abgedruckt.] – Wiener Sonn- und Montags-Zeitung 1869, Nr. 52, im Feuilleton: „Der Herzog von Reichstadt als Soldat“. – Wiener Vorstadt-Zeitung 1857, Beilage zu Nr. 99: „Marschall Mormont über den Herzog von Reichstadt“.
II. Der Herzog von Reichstadt in der Dichtung. Barthélemy (Auguste Marseille) et Méry (Joseph), Le fils de l’homme, ou souvenirs de Vienne (Paris 1829, 8°.; Stuttgart 1829, 8°.). [Dieses in Alexandrinern geschriebene Poem ist, obgleich auch Méry als Verfasser angegeben ist, nur von Barthélemy verfaßt. Es erschienen davon drei deutsche Uebersetzungen, eine von einem Anonymus (Augsburg 1829, 8°., mit Portr.); eine zweite von A. Sch. (August Schaefer) zu Gmünd 1829, 8°., mit Portr., und eine dritte von Friedrich Lenz (Tübingen 1829, 16°., mit Porträt und gegenüberstehendem französischen Texte); eine italienische Uebersetzung ist zu Brüssel im Jahre 1829 herausgekommen.] – Argus (Hamburger Blatt, 4°.) 1837, Nr. 77: „Der König von Rom“. Gedicht von N. Müller. – „Geburt des Königs von Rom“. Gedicht von August Graf Platen. – „Der König von Rom“. Gedicht von Victor Hugo; auch in’s Deutsche übersetzt. – „Im Garten zu Schönbronnen“, so beginnt das berühmte Gedicht Saphir’s auf den König von Rom. – Il Duca di Reichstadt. Dramma in sei atti di Riccardo Castelvecchio (Milano 1861, Franc. Sauvito, kl. 8°.) [außer dem Herzoge von Reichstadt treten darin auf Kaiser Franz I., Fürst Metternich und Doctor Malfatti. Ein ruchloses Machwerk einer italienischen Banditenseele]. – Neues Familien-Journal (belletristische Beilage der Wiener polit. Zeitung „Morgenpost“ 1867, Nr. 84): „Ein Traum in der Kaisergruft“ [behandelt eine Liebesepisode des jungen Prinzen mit einem Mädchen, das in Mauer bei Wien wohnte]. – Vergleiche auch noch: VI. Die Todtenfeier des Herzogs von Reichstadt in Paris.
III. Sein Grab – Reliquien. Oesterreichische illustrirte Familien-Blätter (Wien, 4°.) 1858, Nr. 44: „Die Kaisergruft bei den P. P. Kapuzinern in Wien“ [auf S. 526 Abbildung des Sarges des Herzogs von Reichstadt in der Kapuzinergruft]. – Neues Wiener Tagblatt 1868, Nr. 81: „Die Leiche des Herzogs von Reichstadt“ [dieselbe sollte nach Frankreich überführt werden, der Krieg, 1870, mag störend in diese Angelegenheit getreten sein. Auch berichtet dieses Blatt, daß der österreichische Hauptmann Baron Ferdinand Obenaus-Felsőház, ein Sohn des Erziehers des Herzogs von Reichstadt, dem Kaiser Napoleon III. 120 Gegenstände, welche dem Herzoge von Reichstadt angehört hatten, zum Geschenke überbracht habe].
IV. Porträte. 1) Denon del., Andrieu sc. (4°.). – 2) lith. Der Prinz zu Pferde (Fol.). – 3) Ender p., L. Beyer sc. (Fol.). – 4) Blaisot exc. (8°.), in österreichischer Uniform. – 5) Gest. von Bollinger (Berlin, Brüder Rocca, 4°.). – 6) F. Gerard p., A. Desnoyers sc. Der Prinz als Kind Kniestück (Fol.). – 7) Nach Ender lith. von Elias (Stuttgart, Ebner, Fol.). – 8) J. Jaresch sc. (4°.). – 9) Daffinger p. 1831, Leborne sc., im Mantel (Fol.) [das beste Bild des Prinzen]. – 10) J. Ender p., V. Poll sc. (Fol.). – 11) J. Ender del., F. Stöber sc. Der Prinz im Tode (Qu. Fol.). – 12) Ender p., Steinmüller sc. Der Prinz im Civilrock (Fol.). – 13) J. u. F. Stöber sc. 1830 (8°.). – 14) Ohne Angabe des Zeichners und Stechers (Carlsruhe, Kunstverlag. 8°. u. 4°.). – 15) Unterschrift: S„ A„ 8„ le Prince | François Joseph Charles, | Duc de Reichstadt | Dessiné A Vienne d'après nature (4°.), Kupferstich, sehr selten. Ohne Angabe des Zeichners u. Stechers. – 16) Unterschrift: Napoléon | François Joseph Charles | Duc de Reichstadt | Né à Paris, le 20 Mars 1811 (Kupferstich, 4°., ohne Angabe des Ortes [Wien], des Zeichners und Stechers). Selten. – 17) Ohne Unterschrift. Benner pxt., F. John sc. (1815, 4°.), schön und selten. – 18) Ohne Unterschrift. Daffinger pinx., Pourvoyeur sculpt. (4°.). – 19) Ohne Unterschrift. Daffinger pins., D. Gandini inc., Copie des Vorigen; in Officiers-Uniform (4°.). – 20) Unterschrift: Franz, Herzog von Reichstadt. Freymann (lith.) (8°.). – 21) Unterschrift: Napoleone Francesco Duca di Reichstadt. P. Bedini dis., lit. Kirchmayr (8°. et 4°.). – Man vergleiche auch: (Hormayrs) Archiv für Geschichte, Statistik,. Literatur und Kunst. Fortgesetzt von Ridler (Wien, 4°.) Jahrg. 1832, [191] S. 568: „Ueber das Bildniß des Herzogs von Reichstadt“, von Agricola.
V. ein angeblicher Sohn des Herzogs von Reichstadt. Ein katholischer Lehrer in Wermsdorf bei Wurzen in Sachsen behauptet ein Sohn des Herzogs von Reichstadt zu sein, und zwar aus legaler Ehe mit einer ungarischen Gräfin, mit welcher der Prinz auf einer unweit Debreczin gelegenen Besitzung getraut worden sein soll. In einem bei der sächsischen Gesandtschaft in Wien eingereichten Gesuche hat er sich an die betreffende geistliche Behörde um die Ausfolgung seines Tauf- und des Trauungsscheines seiner Eltern gewendet und sein Gesuch mit Prinz Eugen Joseph Napoleon Bonaparte unterzeichnet. So meldete das Wiener Fremden-Blatt 1868, Nr. 171.
VI. Todtenfeier des Herzogs von Reichstadt in Paris. Dieselbe wurde durch Darstellung eines Drama’s im Theater Ambigu comique begangen, das den Titel führte: „à 21 ans, die letzten Stunden des Herzogs von Reichstadt“. Zuvor ward die Ouverture von „Wilhelm Tell, dann eine klagende Symphonie aufgeführt. Noch ehe das Stück begann, zerflossen die Frauenzimmer in Thränen, und auch bei den Männern herrschte eine Rührung, die trotz der Fadheit und Unbeholfenheit, womit die Dichter Merville und Francis ihren Gegenstand bearbeitet haben, nicht nachließ. Man sah hier einen Jesuiten Evrard und einen preußischen, in Wien angestellten Adeligen, die beide von Napoleon Gnadengelder erhalten hatten, und jetzt mit Ungeduld den Tod seines Sohnes abwarteten. Andererseits pflegen sorgsam den Sterbenden der Arzt Staudeinhem, wie ihn die Dichter nennen, ferner ein Unbekannter, nämlich der Mann von Reichstadt’s Amme, der ihm nach Wien folgte, aber 17 Jahre vergeblich um des Herzogs Bedienung warb, außerdem die Tochter des Dieners und ein Officier Paolo Tudeli, der sich nach dem Fallen des Vorhanges mit Reichstadt’s Milchschwester verheirathet. Den Herzog selbst betreffend, wußten die Autoren offenbar nicht recht, wie sie ihn darstellen sollten, denn man wußte überhaupt in Paris nicht viel über den jungen Mann; die Flugschriften über ihn sind aus dem Stegreife geschrieben, die Bildnisse aus dem Stegreife gezeichnet. Uebrigens stirbt der Herzog als Franzose; er läßt im Augenblicke des Todes die dreifarbige Fahne bringen und sein letztes Wort ist: diese Fahne sei mein Leichentuch! das Schwert seines Vaters zerbricht er, kein Anderer soll sich dessen bedienen. Ohne diese Bemerkung hätte Herr v. Argout die Aufführung des Stückes nicht erlaubt; man unterhandelte vier Tage lang über die Redaction dieses Satzes, zwei Tage nur hatte das ganze Stück die Autoren gekostet. Merkwürdiger als das Drama war das Publicum. Im Ambigu comique sieht man Pariser von echtem Schrot und Korn, die, wenn sie ein Schauspiel anhören, gern ein Wort mitreden. So oft der Jesuit Evrard den Tod des Herzogs wünscht, riefen zwanzig Stimmen: das ist abscheulich, nieder mit den Jesuiten! Wenn dann der Herzog beklagt, nicht wie sein Vater für Frankreich gewirkt zu haben, brach im ganzen Hause der lauteste Enthusiasmus aus. Am begeistertsten war das Publicum, so oft der Herzog im Sinne der Propaganda sprach, und es entspannen sich unter den Zuhörern höchst belehrende Unterredungen, wie man über den Rhein gehen und „den Nationen ein wenig aufhelfen“ müsse. Von Deutschland war sehr viel die Rede. So lautet der Bericht eines Augenzeugen über die Aufführung dieses Drama’s.
VII. Wappen des Herzogs von Reichstadt. In einem mit dem Herzogsmantel und Hute gezierten Ovalschilde zwei gegen die rechte Seite über einander schreitende Löwen in einem durch eine schmale goldene Querlinie getheilten rothen Felde. Als Schildhalter erscheinen zwei schwarz-goldene Greife mit Feldpanieren, in welchen das herzogliche Wappen zu sehen ist.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: italieschen.
  2. Vorlage: bebefand.