BLKÖ:Puchmayer, Anton Jaroslaw

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Pucherna, Anton
Band: 24 (1872), ab Seite: 46. (Quelle)
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Puchmayer, Anton Jaroslaw (gelehrter Theolog, geb. nach čechischen Quellen am 11., nach deutschen am 22. Jänner 1769 zu Moldautein in Böhmen, gest. zu Prag 29. September 1820). Der Sohn eines Bürgers aus Moldautein. Besuchte zuerst die Trivialschule seines Geburtsortes; da er besondere Anlagen besaß, ließ ihn der Vater durch den Ortscaplan auch in der lateinischen Sprache und in der Musik unterrichten. Die Fortschritte, welche der Knabe im Lateinischen machte, veranlaßten den Vater, ihn studiren zu lassen, und so bezog er das Gymnasium zu [47] Budweis. Er fand sich damals bereits besser mit der lateinischen Sprache zurecht als mit der deutschen, die er nur wenig oder gar nicht verstand. Zu gleicher Zeit verlegte er sich auf das Erlernen der französischen Sprache. Nach beendeten Gymnasialschulen begab er sich nach Prag, um dort die philosophischen Studien zu machen. Er hörte dieselben unter den tüchtigen Männern, welche an der Prager philosophischen Facultät lehrten, wie Cornowa, Meißner, Seibt und Wydra. Da er überdieß sich mit dem Gedanken trug, sich dem Lehramte oder Bibliotheksdienste zu widmen, so betrieb er mit besonderem Eifer das Studium fremder Sprachen und Literaturen, und erwarb sich ganz tüchtige Kenntnisse in der französischen, englischen, italienischen und spanischen Sprache und in ihren Werken. Er übersetzte in jener Zeit den spanischen Roman: „Lazariłlo de Tormes“ in’s Deutsche, vernichtete aber oder verbarg das Manuscript, da er keinen Verleger dafür gefunden. So geschah es denn, daß P. genauer in fremden Literaturen als in jener seines eigenen Vaterlandes Bescheid wußte. Da führte ihn ein Zufall mit seinem Altersgenossen Hněvkovsky [Bd. IX, S. 67] zusammen, der aber bereits damals eifrig čechische Bücher las und nun in P. das gleiche Verlangen weckte und nährte. Durch Hněvkovsky kam er mit noch anderen gleichgesinnten Jünglingen zusammen, und mit demselben Eifer, mit dem er früher fremde Sprachen getrieben, lag er nun der čechischen ob und machte sich mit ihrer Literatur bekannt. Nachdem er einige čechische Gedichte gelesen, versuchte er es selbst, in seiner Muttersprache zu dichten, machte sich aus den Werken von Wenzel Rosa mit der čechischen Prosodie bekannt und stellte alsbald eine kleine Sammlung čechischer Poesien zusammen, die er vor dem Drucke dem damaligen Censor Franz Faustin Prochazka [s. d. Bd. XXIII, S. 329] zeigte, der ihm aber nach genommener Einsicht den Rath gab, sich vorher genauer mit den Regeln der čechischen Grammatik vertraut zu machen und dann – erst Gedichte zu schreiben. P. ließ sich das nicht umsonst gesagt sein und machte sofort tüchtige grammatikalische Studien in seiner Muttersprache und bearbeitete, nachdem er noch früher mit Dobrowsky bekannt geworden und auch dessen Prosodie studirt hatte, seine Gedichte nach diesen Principien und gab sie im J. 1797 unter dem Titel: „Sebrání básni a zpěvů“ [die bibliographischen Titel von Puchmayer’s Schriften folgen auf der nächsten Seite unten] heraus. Diese erste Sammlung, da sie später ein Raub der Flammen wurde, ist jetzt eine bibliographische Seltenheit. Diese Sammlung, herausgegeben zu einer Zeit, da die čechische Sprache und Poesie sozusagen noch in den Windeln lagen, erlangte später eine literarische Bedeutung, da sie gleichsam der erste Keim der nationalen Dichtung der Neuzeit in Böhmen wurde. P. selbst blieb, so sehr er mit anderen Literaturen vertraut war, der Pflege seiner Muttersprache treu und machte nunmehr eindringliche Studien in den ihr verwandten Idiomen, in Folge welcher seine russische Rechtschreibung und sein Lehrgebäude der russischen Sprache erschienen, letzteres Werk mit einer Vorrede von Dobrowsky eingeleitet und von solcher Tüchtigkeit in der Ausführung zeigend, daß die kais. russische Akademie der Wissenschaften das Werk einer besonderen Würdigung unterzog. Was ferner die äußere Lebensstellung P.’s betrifft, so wendete sich P. mit einem Male, sein früheres Vorhaben, [48] eine gelehrte Laufbahn einzuschlagen, aufgebend, dem Studium der Theologie zu, trat nach dessen Vollendung in die Seelsorge, wurde zuerst, nachdem er 1795 die Priesterweihe erlangt, Caplan in der deutschen Pfarre zu Tische im Prachiner Kreise, kam im Jahre 1797 auf das fürstlich Schwarzenberg’sche Patronat nach Prachatiz, von da nach Aujezd, in kurzer Zeit als Pfarrer nach Gimewitz und Citolib, bis er im Jahre 1806 durch den Grafen Joachim von Sternberg die Patronatspfarre zu Radnitz erhielt, welche er durch vierzehn Jahre bis an seinen Tod versah und daselbst neben seinem geistlichen Berufe für die Förderung der vaterländischen Sprache und Literatur mit allem Eifer und nicht ohne Erfolg thätig war. Die Zahl der von P. herausgegebenen Werke ist nicht eben groß, es sind aber darunter in der Literatur der Linguistik heute noch geschätzte Werke. Die Titel derselben sind in chronologischer Folge: „Zpěwy – čarodějně fletny wybrané w češtinu uwedené od R. B. A.“, d. i. Gesänge aus der Zauberflöte, gesammelt und in’s Čechische übertragen von R. B. A. (Prag 1794, 8°.); Dlabacz hat nachgewiesen, daß die Uebersetzer Puchmayr, Nejedly und Hnewkowsky sind und hat auch die von jedem derselben übersetzten Stücke bezeichnet; – „Sebráni básni a zpěwů“, d. i. Gesammelte Fabeln und Gedichte, 5 Theile (1. Theil Prag 1795; 2. Theil 1797; 3. Theil unter dem Titel: „Nowé básně“ 1798; 4. Theil 1802; 5. Theil 1814, 8°.); im Jahre 1833 veranstaltete Adalbert Nejedly eine neue Ausgabe derselben, deren erster Theil den Titel: „Fialky“, d. i. Veilchen, hat; der zweite aber das „Chřám Gnidský“, ferner Gedichte von Rautenkranz, Nejedly und die Biographie Puchmayer’s enthält; – „Chrám Gnídský, básen ... z franc. přeložená“, d. i. der Tempel von Gnidos, aus dem Französischen übersetzt (Prag 1804, 8°.), eine Uebersetzung des Werkes von Montesquieu, später in die von Nejedly herausgegebenen „Sebráné básni“ aufgenommen; – „Prawopis ruskočeský“, d. i. Russische Rechtschreibung (Prag 1805, 8°.), für Böhmen, welche russisch rechtschreiben erlernen wollen; eine neue verbesserte Ausgabe mit 5 lith. Tafeln ist im Jahre 1801 erschienen; – „Krátké poučení o hospodářstwí polním pro obecný lid“, d. i. Kurzer Unterricht in der Landwirthschaft für das gemeine Volk (Prag 1817, 8°.); – „Pojednáni o bylinářštwi w Čechách od P. Kašp. hrab. ze Šternberku“, d. i. Abhandlung über die Pflanzenkunde in Böhmen von Kaspar Grafen Sternberg, ins Böhmische von Puchmayr übersetzt (Prag 1819, 8°.) – „Hantyrka oder čechische Diebssprache. Jest wlastně částka knihy: Románi Čib, Grammatik und Wörterbuch der Zigeunersprache (Prag 1821, 8°.); – „Puchmajerůw Rýmovnik aneb rýmowni slownik jejž wydal á žiwotopis připojil Jos. Wojtech Sedlaček“, d. i. Reimbuch oder Reimlexikon Puchmayer’s, herausgegeben mit Beigabe seiner Lebensbeschreibung von Jos. Adalbert Sedlaček (Pilsen 1824, 8°.); dieses Werk und die folgenden sind nach Puchmayer’s Tode herausgegeben worden; – „Nedělní kázaní“, d. i. Sonntagspredigten (Prag 1825, 8°.); – „Swáteční kázání“, d. i. Feiertagspredigten (ebd. 1826, 8°.); – „Lehrgebäude der russischen Sprache. Nach dem Lehrgebäude der böhmischen Sprache des H. Abbé Dobrowsky“ (ebd. 1826, 8°.). Auch hat er den zweiten Theil von Dobrowsky’s deutsch-böhmischem Wörterbuche nach dessen Materialien [49] bearbeitet und wurde derselbe von Wenzel Hanka nach Puchmayer’s Tode im Jahre 1821 herausgegeben. In Handschrift hat er außer poetischen Arbeiten eine Vergleichung der böhmischen Sprache mit der polnischen hinterlassen. P. erscheint in den verschiedenen deutschen und čechischen Quellen verschieden, und zwar Puchmajer, Puchmayr, Puchmayer, sogar Puchmyr geschrieben.

(Hormayr’s) Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst (Wien, 4°.) Jahrg. 1824, Nr. 19, S. 101: „Nekrolog“. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1335, 8°.) Bd. IV, S. 320. – Wenzig (Joseph), Blicke über das böhmische Volk, seine Geschichte und Literatur (Leipzig 1855, Brandstätter, 8°.) S. 140. – Oesterreich im Jahre 1840. Von einem österreichischen Staatsmanne (Leipzig 1840, Otto Wigand, gr. 8°.) Bd. II, S. 324 [daselbst wird Puchmayer als „der eigentliche Wiedererwecker der böhmischen Dichtkunst“ bezeichnet.] – Jungmann (Jos.), Historie literatury české, d. i. Geschichte der böhmischen Literatur (Prag 1849, F. Říwnáč, 4°.) Zweite, von W. W. Tomek besorgte Ausgabe, S. 616. – Světozor (čechisches illustr. Blatt, Prag. kl. Fol.) 1869, Nr. 23, S. 191 u. f.: „Ant. Jaroslav Puchmajer“. – Boleslavan (čechisches, in Jungbunzlau erscheinendes Blatt, 4°.) 1802, Nr. 25 u. f.: „Antonín Puchmayer a působem jeho v Radnici“, d. i. „Anton Puchmeyer und sein Wirken zu Radnitz, von Fr. Kádner. – Slovník naučný. Red. Dr. Frant. Lad. Rieger, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Ladisl. Rieger (Prag 1859, Kober, Lex. 8°.) Bd. VI, S. 1093. – Porträte. 1) Nach einem gleichzeitigen Bildniß gez. von Jos. Scheiwl im Holzschnitt im „Světozor“ 180, S. 186; – 2) im Holzschnitt auf einem Tableau mit anderen berühmten Böhmen, unterschrieben Ant. Puchmýr.