Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Kunoß, Andreas
Band: 13 (1865), ab Seite: 379. (Quelle)
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Kunizer, Moses (israelitischer Gelehrter, geb. zu Alt-Ofen im Jahre 1774, gest. zu Pesth 1837). Sohn armer Eltern, sollte er zum Rabbi gebildet werden und besuchte, 10 Jahre alt, die Schule des Rabbi Wolf Boskowitz. Nach vier Jahren. 1788, begab sich der vierzehnjährige Junge mit einer Barschaft von 2 fl. nach Prag, um dort das Collegium des Rabbi Isechiel Landau, der über den Talmud las, zu besuchen. Aber diesen Vorträgen war der noch zu junge Moses nicht gewachsen und so kam ihm der berühmte Jeitteles zu Hilfe, der sich des Knaben annahm, ihn unterrichtete und ihm auch sonst alle Hilfsmittel für den Unterricht schaffte. Durch einen Freund eines Tages auf das Buch von Penini[WS 1]: „Bechinot-Olam“, ein in der jüdischen Literatur epochemachendes philosophisch-moralisches Werk, aufmerksam gemacht, ruhte er nicht eher, als bis er in den Besitz desselben gelangte, was bei seiner Armuth mit großen Opfern verbunden war. Seit dieser Zeit bildete dieses berühmte Werk den Gegenstand seiner ununterbrochenen tiefeingehenden Studien. Vier Jahre – bis 1792 – [380] blieb K. in Prag, und schon in jener Zeit versuchte er es mit hebräischen Dichtungen; darauf ging er nach Breslau, um dort als ordentlicher Studiosus die Vorträge an der Hochschule zu besuchen. In Breslau studirte er fleißig den Talmud und arbeitete zuerst an einer Erläuterung der dunklen Stellen desselben; später aber ging er an die Ausarbeitung eines Commentars des ob genannten Buches von Penini, zu welchem Zwecke er Bibel, Talmud, Midrasch (d. i. das Studium des mosaischen Gesetzes) und des Maimonides „More“, eines der Hauptwerke dieses berühmten Talmudisten, auf das sorgfältigste studiren und vergleichen mußte. Als er diese Erläuterung im Jahre 1796 veröffentlichte, wuchs sein Ansehen in nicht geringer Weise unter den gelehrten Juden und ein reicher Mann seiner Vaterstadt, Sal. Kohn, berief ihn als Eidam nach Haus und nahm ihn sofort in sein Geschäft auf. Indessen arbeitete K. unablässig fort und zeigte eben wenig Eignung für das sogenannte „Geschäft“, wie dessen Stammgenossen diesen Ausdruck verstehen. Während also seine Vermögensverhältnisse zu verfallen begannen, arbeitete er an seinen gelehrten Werken und an zeitgemäßen Reformen unter den Juden, von denen, um sein Wirken zu erfassen, nur einige hier beispielsweise angeführt werden mögen: mehrere Reformen im Gottesdienst, darunter Einführung der Orgel; ferner daß der Act der Beschneidung nur geprüften Aerzten anvertraut werde; daß seine Glaubensbrüder deutsche Familiennamen einführen möchten; daß die jüdischen Gelehrten ein sorgfältigeres Studium der Bibel sich angelegen sein ließen u. dgl. m. Daß unter solchen Umständen es mit seinem Ansehen bei den orthodoxen Juden schlimm bestellt war, ist leicht erklärlich; er theilte in diesem Puncte das Loos seines Freundes und Mitreformators Aaron Chorin [Bd. II, S. 356], zu dessen treuesten Anhängern er auch zählte. Als er im J. 1828 in seinen Vermögensverhältnissen ganz herabgekommen war, nahm er eine in Pesth erledigte Dajanstelle an, welche er zugleich mit dem Rabbinate der Schwestergemeinde Ofen beinahe durch ein Jahrzehend, bis an seinen Tod, ehren- und gewissenhaft bekleidete. Kunizer’s durch den Druck veröffentlichte Schriften sind: „Hamoszoth hagdoloth“ (Breslau 1794), eine Erläuterung dunkler Talmudstellen; – „Ha-Ojen“ (Wien 1796, 4°.), ein Doppelcommentar – nämlich eine Wort- und Sacherklärung – über Penini’s Buch „Bechinoth-Olam“, nebst vielen Forschungen über die Mischnah- und Talmudsprache; – „Beth-Rabbi“ (Wien 1805, 8°.), ein biographisch-dramatisches Gedicht über Jehudah-Naßi[WS 2] in 6 Acten, mit einer vorausgeschickten Biographie; – „Ben Jochai“ (Wien 1815, Fol.), Kunizer’s Hauptwerk; Gutachten und Abhandlungen über die Echtheit des Sohar[WS 3], ein Werk, welches seinem Inhalte nach als ein Commentar des Pentateuch erscheint, und von den Juden als das wichtigste Buch für die Kenntniß der kabbalistischen Philosophie angesehen wird. Kunizer widerlegt in seinem Werke die sämmtlichen Einwendungen. welche Jacob Emden in seinem Buche „Mitpachat Sefarim“ vorgebracht hat, ferner bringt er darin eine ausführliche Schilderung des Simon Ben Johai[WS 4] und eine Erläuterung aller ihm zugeschriebenen Lehren und Aussprüche; – „Sepher Hamzaref“, 1. Theil (Wien 1820, Anton Strauß), enthält Rechtsgutachten über wissenschaftliche, meist halachische (d. i. [381] auf das bürgerliche und Ceremonial-Gesetz der Juden sich beziehende) Themata; der zweite Theil dieses Werkes wurde nach Kunizer’s Tode von seinem Sohne Salomon (Prag 1857, Landau) herausgegeben. In Handschrift hat er Mehreres hinterlassen, darunter drei starke Bände Homilien, welche K. gelegenheitlich in seinem Hause vorgetragen hat, und mehrere Papiere soll der Szegediner Rabbi Löw zur Sichtung und Drucklegung übernommen haben. Welch großen Ansehens sich K. unter den Gelehrten seines Volkes und bei den aufgeklärten Glaubensgenossen erfreute, dafür diene ein Ausspruch des berühmten, in der Gelehrtenwelt wohlbekannten Dr. I. M. Jost und ein Beschluß der Prager Synagogen. Jost schreibt anläßlich Kunizer’s: „Talmud und talmudische Discussionen werden fortwährend verlegt, jedoch ohne auf die Zeit irgend einzuwirken. Aber auch auf diesem Gebiete trat ein überaus vielseitig gebildeter[WS 5] Denker auf, dem es nicht genügte, die talmudische Masse in sich aufzunehmen und der Casuistik seinen Scharfsinn zu widmen, sondern welcher sich’s zur Aufgabe machte, den Geist einzelner hervorragender Erscheinungen der talmudischen Welt näher zu untersuchen und mit ungemeiner Gelehrsamkeit zu entfalten. Dieß war Moses Kunizer aus Ofen, einer der fruchtbarsten Schriftsteller seiner Zeit. Das wichtigste Werk, welches er damals (1815) herausgab, war sein Ben Jochai, welches – wenn auch oftmals von der historischen Kritik zurechtgewiesen– ein wahrhaft classisches Denkmal der hebräischen Literatur bleibt und als solches auch sofort anerkannt wurde. Wir glauben, daß dasselbe auf die bald entstandene talmudisch-kritische Schule einen wesentlichen Einfluß geübt hat“. So Jost. Die Prager Synagogen aber hatten, sobald sich die Kunde seines Ablebens in Prag verbreitete, beschlossen, von nun an beim „Maskir neschamoth“ dreier Mosesse feierliche Erwähnung zu thun: des Moses Maimonides, Moses Mendelssohn und Moses Kunizer, und soll dieß – wie glaubwürdige Zeugen versichern – noch heute in der „Alt-Neu-Schul“ in der That so geschehen.

Reich (Ignaz), Beth-El. Ehrentempel verdienter ungarischer Israeliten (Pesth, Alois Bucsansky, 4°.) Heft III, S. 1. – Sartori (Franz), Historisch-ethnographische Uebersicht der wissenschaftlichen Cultur, Geistesthätigkeit und Literatur des österreichischen Kaiserstaates (Wien 1830, Gerold, 8°.) S. 355, 363 u, 364. – Porträt. Unterschrift: Rabbi Moses Kunizer. Lithographie, ohne Angabe des Zeichners und Lithographen (Pesth, 4°.).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Jedaja Bedersi (Wikipedia).
  2. Jehuda ha-Nasi (Wikipedia).
  3. Zohar (Wikipedia).
  4. Schimon ben Jochai (Wikipedia).
  5. Vorlage: gebilder.