BLKÖ:Kolowrat-Krakowsky, Leopold Graf (1804–1863)

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 12 (1864), ab Seite: 388. (Quelle)
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Kolowrat-Krakowsky, Leopold Graf (Ritter des Maria Theresien-Ordens, geb. zu Wien 11. December 1804, gest. ebenda 21. März 1863). Aus der Linie Kolowrat-Krakowsky zu Radienin; der älteste Sohn des Grafen Franz Xaver aus dessen Ehe mit Julie Gräfin Wildenstein. Leopold’s Vater war Oberstlieutenant und bestimmte ihn wie seinen Bruder Theodor zum Militär. Leopold trat am 1. August 1823 als Cadet in das vierte Kürassier-Regiment, in welchem er im [389] März 1824 zum Unterlieutenant befördert ward und mit 1. April 1829 zum Oberlieutenant vorrückte. Am 1. Jänner 1830 zum zweiten Rittmeister bei Hardegg-Kürassiere Nr. 7 ernannt, wurde er am 16. August 1834 Escadronscommandant im Regimente. Im August 1838 als Major zu Friedrich von Sachsen-Kürassieren eingetheilt, wurde er im Juli 1841 Oberstlieutenant im Regimente und mit 11. Februar 1844 Oberst und Regimentscommandant im Huszaren-Regimente Erzherzog Ferdinand d’Este Nr. 3. Mit 19. October 1848 rückte er zum General-Major vor und erhielt eine Brigade in der Division des Erzherzogs Albrecht, welche beim 2. Armeecorps in Italien eingetheilt war. In dieser Eigenschaft erkämpfte er sich bei Mortara und Novara 1849 das Ritterkreuz des Maria Theresien-Ordens. Am 20. März 1849, um 11 Uhr Vormittags, rückte die Avantgarde-Brigade Kolowrat des zweiten Armeecorps über die stehende Brücke bei Pavia auf das jenseitige noch österreichische Gebiet, zwischen dem Ticino und dem Gravellonebache, welcher die Grenze bildet. Die übrigen Brigaden des Armeecorps sollten auf dieser Brücke wie auf den beiden am Morgen des genannten Tages geschlagenen Schiffbrücken folgen. Um 12 Uhr begann die Forcirung des Gravellonebaches. Die rechte Colonne, welche eben aus der Brigade Kolowrat bestand, zog durch eine Furth über den Gravellonebach und verfolgte mit dem 9. Jäger-Bataillon und den 2 Bataillons Kaiser-Infanterie den weichenden Feind. Am 21. März stieß die Brigade Kolowrat bei Mortara gegen 41/2 Uhr auf den Feind und unterhielt, bis die Brigade Stadion nachrückte, das Gefecht allein. Der Graf selbst übernahm das Commando des linken Flügels seiner getrennten Brigade, welcher aus den obenerwähnten Fußtruppen bestand. Mittlerweile brach die Dunkelheit herein, diese, der aufwirbelnde Staub und Pulverdampf machten es unmöglich, von dem Fortgange des Kampfes auf dem rechten Flügel und im Centrum Kenntniß zu nehmen. Graf K. drang an der Spitze seiner Truppen immer weiter vor, bis er bei der großen, mit einer Kirche versehenen Casina St. Albano vom feindlichen Gewehrfeuer empfangen wurde. In der Meinung, es sei dieß eine Vorstadt von Mortara, befahl Kolowrat St. Albano mit Sturm zu nehmen, was auch geschah. Nun drang er an der Spitze seiner Truppen unaufhaltsam vor und gelangte bis an das beleuchtete Stadtthor, wo ihn und seine Truppen eine Kartätschenladung aus zwei feindlichen Geschützen empfing. Dieser Todesgruß erschütterte die Truppen und brachte einige Unordnung hervor; aber der Graf ermunterte sie, stellte die Ordnung her, ließ die Lücken ausfüllen und drang in Sturmschritten vor. Der Gegner wich und Graf K. verfolgte ihn in die Gassen der Stadt, in welcher er in demselben Augenblicke ankam, als Benedek, der die Piemontesen aus der Porta Casale herausgetrieben, von derselben feindlichen Abtheilung, die vor den Truppen des General-Majors Grafen K. floh, im Rücken angegriffen ward. So wurde nicht nur Benedek frei, sondern der von zwei Seiten angegriffene Feind genöthigt, sich sammt seinen Geschützen zu ergeben. 1500 Gefangene, 6 Kanonen und viele andere Trophäen fielen in die Hände der Unsrigen. Ebenso kaltblütig, zugleich aber den Sieg des Tages entscheidend, war sein Verhalten am Schlachttage von Novara, am 23. März. In demselben befehligte K. wieder die Avantgarde des 2. Armeecorps [390] und zwar, da seine Brigade getheilt wurde, den rechten Flügel, welchen die schon erwähnten 2 Bataillone Kaiser-Infanterie, 3 Compagnien des 9. Jäger-Bataillons und eine halbe sechspfündige Cavallerie-Batterie bildeten. Vier Stunden bereits hatte General-Major Graf K. mit abwechselndem Glücke gekämpft, und da bereits zwei Kanonen demontirt waren, begann der Erfolg zweifelhaft zu werden. Auch wurden die stark erschöpften Truppen von der großen Uebermacht des Feindes hart gedrängt. Die Lage war kritisch. Da sammelte der Graf unter dem Schuhe der tiraillirenden Jäger die Mannschaft, stieg vom Pferde, stellte sich zu Fuß an die Spitze der Truppen und führte sie, verstärkt durch ein Bataillon Kinsky-Infanterie, neuerdings gegen den Feind. So nahm er drei Höhen mit Sturm, erbeutete sechs Kanonen, machte viele Gefangene und drängte den Feind aus seinen Positionen. Dieser aber suchte von Novara aus eine Diversion in den Rücken unserer Truppen zu machen. Schon defilirten zwei seiner Brigaden auf der Mailänder Straße heraus, als sich der Graf, des Feindes Absicht errathend, mit seinen zwei Bataillons Kaiser-Infanterie und den Resten von 3 Compagnien des 9. Jäger-Bataillons mit solcher Gewalt mit dem Bajonnet auf den Gegner warf, daß dieser, unvermögend den Angriff auszuhalten, die Flucht ergriff. So bekam das Centrum wieder Luft und konnte von Neuem vorrücken; des Grafen Geistesgegenwart und Entschlossenheit hatten somit den glänzenden Sieg dieses Tages erringen helfen. Den folgenden Tag stellte ihm die Brigade aus eigenem Antriebe ein schriftliches Zeugniß seiner Tapferkeit aus, eine Anerkennung, deren nur Wenige sich rühmen können. Ueber Antrag des Ordenscapitels wurde K. in der 153. Promotion (vom 29. Juli 1849) mit dem Ritterkreuze des Maria Theresien-Ordens ausgezeichnet. Noch erhielt er dann das Commandeurkreuz des kais. österreichischen Leopold-Ordens und den kais. russischen St. Georgs-Orden 2. Classe. Der Graf rückte nun mit dem 2. Armeecorps, in der Division des Feldmarschall-Lieutenants Grafen Schaafgotsche eingetheilt, in das toscanische Gebiet, wo er sich abermals bei der Einnahme von Livorno, am 7. Mai, durch seinen persönlichen Muth, seine Unerschrockenheit und seinen militärischen Scharfblick hervorthat. Nach beendigtem Feldzuge befehligte K. eine Brigade im 6. Armeecorps in Florenz. Nur kurze Zeit noch blieb der Graf im Verbande mit der kaiserlichen Armee, zu deren Zierden und Lieblingen er zählte. Eine Herzensneigung hatte seinen Austritt veranlaßt. In Mailand hatte er Natalie von Blaszezynski, die Tochter eines russischen Departements Chefs, kennen gelernt. Natalie, eine jener seltenen Frauengestalten, die durch Schönheit, Geist und Anmuth in gleichem Grade entzücken, war Schauspielerin an einem Mailänder Theater. Alle Vorzüge des Geistes und Herzens waren jedoch nicht im Stande, die Vorurtheile der altadeligen Familie des Grafen gegen ihren Stand zu verwischen. Der Graf, feurig wie in der Schlacht, so auch im Gefühle, ließ sich durch Ansichten, die sich nicht lange mehr mit dem Geiste der Zeit vertragen, nicht anfechten und führte, einzig und allein dem Gefühle seines Herzens folgend, das Mädchen seiner Wahl zum Altar. So war der Würfel gefallen. Als sich aber nach der Heirath die Verhältnisse in der Familie nicht günstiger stellten, so waren für den feinfühlenden Helden dieß Beweggründe [391] genug, seine Gattin einer Umgebung zu entreißen, in welcher er nicht mehr jenes Entgegenkommen fand, das seiner glänzenden Stellung entsprach, und in welcher seine Gattin nicht mit jener Auszeichnung behandelt wurde, die seine Liebe für sie beanspruchte. Er quittirte also im Jahre 1854 den Dienst und zog in eine neue Sphäre nach Paris, um dort die Kränkungen aus der Heimat zu vergessen. Aber nicht lange währte das eheliche Glück des Gatten. Als ihm zu Meaux im Jahre 1861 der Tod die Gattin entriß, kehrte der Graf nach Wien zurück. Dort war er durch seine unbegrenzte Herzensgüte und sein echt edelmännisches Vertrauen, welche beide von Frevlern auf eine gewissenlose Weise mißbraucht wurden, in schwere finanzielle Bedrängnisse gerathen, die auch den Cavalier und erprobten Helden, nachdem der Wucher nur so lange Fristen geschenkt, bis er sein Opfer systematisch ausgesogen hatte, jene äußersten Consequenzen empfinden ließen, welche tief des Mannes Herz treffen, dessen Losung die Ehre, und vor Allem die Ehre ist. Diese Umstände mit ihrem peinlichen Gefolge, und ein Leiden, welches der Graf zuerst unbeachtet gelassen, und erst als es unheilbar geworden, bemerkt hatte, brachen die letzte Spannkraft des Helden, dem nichts übrig blieb, als in das allgemeine Krankenhaus sterben zu gehen. Daß er dort sei, kam zur Kenntniß Sr. Majestät und in letzter Stunde wurde dem Sterbenden die Nachricht, daß der Kaiser, sein gnädigster Kriegsherr, Kenntniß von seiner Lage erhalten habe und ihm zunächst baldige Genesung wünsche; sollte aber Gott den Grafen zu sich rufen, so ihn wissen lasse, daß er nicht nur als ein freier Mann sterbe, sondern daß ihm Se. Majestät für seine Dienste den Dank ausspreche und er die Augen mit der Beruhigung schließen möge, daß der Kaiser die ihm zugewandte Gnade auf seinen Sohn übertrage. Der Graf befand sich in der Agonie des Todes, als der Abgesandte des Monarchen diese Botschaft brachte, und nur Thränen brachen aus seinen Augen, als dieser vollendet. In der diesem Acte folgenden Nacht starb der Graf, durch die Gnade seines Kaisers als ein freier, mit seinem Mißgeschicke versöhnter Mann. Geschwisterliebe und Dienertreue hatten sich wie gewöhnlich im Unglücke auch hier bewährt. Zwei seiner Geschwister, die Schwester Maria, vermälte Ludwig Graf Zay, und sein Bruder Ferdinand, im Leben die Lieblinge des Verewigten, hatten ihm beide in den Tagen seines Unglückes die herzlichste Theilnahme bewiesen; obenan stand aber der Commandant des Schuldenarrestes, ein Feldwebel K., der mit einer rührenden Treue und noch inniger in den Tagen des Unglückes an seinem einstigen General hing. Se. kais. Hoheit Erzherzog Albrecht ehrte auch diese Treue, indem er dem Feldwebel einen goldenen Chronometer, auf dessen Rückseite der Name Albrecht eingegraben war, sammt goldener Kette zustellen ließ. Das tiefe Seelenleiden des Grafen in seinen letzten Tagen, veranlaßt durch Manches, dessen Ausführung ihm seine Verhältnisse nicht gestatteten, vornehmlich dadurch, daß es ihm nicht möglich war, den Metallsarg, in welchem seine Gattin in der Kirche zu Meaux beigesetzt war, nach Wien bringen zu lassen u. dgl. m., sprach sich in seinen letzten Augenblicken aus, in denen er öfter den Namen seiner geliebten Gattin Natalie und den Ort ihres häuslichen Glückes Meaux rief. Sein – ohne militärisches Gepränge – zu Grabe getragener Sarg wurde auf dem Währinger Friedhofe beigesetzt. Aus seiner Ehe hatte er drei [392] Kinder, zwei Knaben und ein Mädchen. Von ersteren starb der eine, Hugo, vor den Eltern, der zweite, Leopold (geb. 14. März 1852), ist Zögling des Theresianums, und das Mädchen Franziska Xaveria (geb. 2. Mai 1853) ward bei einer Schwägerin des Grafen in Paris erzogen. Ein lesenswerthes ergreifendes Bild der letzten Lebenstage dieses unter so traurigen Umständen gestorbenen Helden und Edelmannes gibt die in den Quellen angeführte Zeitschrift „Die Glocke“.

Die Glocke. Politisches Volksblatt, herausgegeben von Karl Terzky (Wien, kl. Fol.) Jahrg. 1863, Nr. 44, 45, 46, 47: „Das Ende des tapferen Grafen Leopold Kolowrat-Krakowsky“. – Hirtenfeld (J.), Der Militär-Maria Theresien-Orden und seine Mitglieder (Wien 1856, Staatsdruckerei, 4°.) S. 1639 u. 1753. – Oesterreichisches Militär-Konversations-Lexikon (Wien 1850 u. f., gr. 8°.) Bd. III, S. 584. – Fremden-Blatt (Wien, 4°.) 1863, Nr. 82. – Rittersberg, Kapesní slovníček novinářský i konversační, d. i. Kleines Taschen-Conversations-Lexikon (Prag 1850, Pospišil, 12°.) Theil II, S. 183. – Strack (Joseph), Die Generale der österreichischen Armee. Nach k. k. Feldacten und anderen gedruckten Quellen (Wien 1850, Jos. Beck, 8°.) S. 580. – Oesterreichischer Soldatenfreund, herausg. von J. Hirtenfeld (Wien, gr. 8°.) 1849, Nr. 54: „Aus dem jüngsten italienischen Feldzuge“. – Der Bote aus dem Böhmer Walde (Klattau, 4°.) Jahrg. 1861. – Porträt. Lithographie, erschienen in Wien bei Neumann, Fol.