BLKÖ:Hardtmuth, Joseph

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Hardtmuth, Max
Band: 7 (1861), ab Seite: 362. (Quelle)
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Hardtmuth, Joseph (Architekt und Techniker, geb. zu Asparn an der Zaya in Oesterreich unter der Enns 20. Februar 1752, gest. zu Wien 23. Mai 1816). Sohn mittelloser Eltern, erhielt er einen nothdürftigen Unterricht. Die erste Anregung zu künstlerischem Schaffen mochte doch wohl zunächst von seinem Vater ausgegangen sein, welcher das Tischlerhandwerk betrieb, in Anfertigung architektonischer Gegenstände aber viel Geschicklichkeit und Geschmack beurkundete, die ihm nicht selten den Beifall der Kenner erwarben. 16 Jahre alt, kam H. zu seinem Oheim mütterlicher Seits, dem Stadtbaumeister Meißl in die Lehre und erlernte unter dessen Leitung das Maurerhandwerk; die nächtlichen Stunden in seinem ärmlichen Dachstübchen verwendete er aber zur Ausbildung im Zeichnen. In Jahresfrist erweckten seine Arbeiten Aufmerksamkeit, insbesondere suchten Töpfer seine geschmackvollen und originellen Muster für Stubenöfen. Mit dem Erlös seiner Arbeiten ward er in die Lage gesetzt, seine dringendsten Bedürfnisse auf eine minder karge Weise, wie bisher, zu befriedigen; zugleich förderte sein Onkel das Talent H.’s, ließ durch ihn Zeichnungen und Pläne anfertigen und stellte ihn als Zeichner an seine Seite. In dieser Stellung gelangte auch sein ungewöhnliches Talent alsbald zur Geltung. Als Meißl von dem Fürsten Alois Liechtenstein beauftragt wurde, das fürstliche Palais in der Herrengasse herzustellen, entwarf H. den Plan zur neuen Façade und leitete, nachdem Meißl während des Baues starb, die [363] Fortsetzung desselben. Die architektonische Einrichtung der Bibliothek, der Styl des auf Marmorsäulen ruhenden Marstalles, die Reitschule, Möbel, Tapeten, Bronzeverzierungen, Malereien, kurz die ganze Ausschmückung der Gemächer ist nach Hardtmuth’s Angaben und Zeichnungen ausgeführt. Auch bewies H. bei diesem Bau eine Uneigennützigkeit und Rechtlichkeit, welche für alle, die heut’ zu Tage in die Geheimnisse des Bauwesens einen Blick zu machen und deren Folgen zu erproben Gelegenheit haben, wie ein kaum glaubliches Märchen einer längst vergangenen Zeit erscheinen mag. Die Anerkennung seines Fürsten und die durch Meißl’s Tod erledigte Stelle eines fürstlichen Architekten waren H.’s Lohn. Das nächste Werk H.’s war der orientalische Thurm in Eisgrub, mit dessen Plan und Zeichnung H. seinen Fürsten den nächsten Morgen überraschte, nachdem dieser den Abend zuvor seinen Wunsch ausgesprochen hatte. H. wurde auch mit der Ausführung betraut und besiegte in genialer Weise die nicht geringen localen Hindernisse, die sich dem Baue entgegenstellten. Als Fürst Alois starb, ernannte Fürst Johann Hardtmuth zu seinem Baudirector und nun beginnt ein neuer Abschnitt der künstlerischen Wirksamkeit H.’s. Die großartigen Bauten und Anlagen auf den fürstlich Liechtenstein’schen Herrschaften in Adamsthal, Aussee, Eisgrub, Feldsberg, Lundenburg u. s. w. sind sein Werk. Während er aber mit der Ausführung dieser Arbeiten beschäftigt war, betrieb H. nächtlicher Weile das Studium der Oekonomie und auch in dieser zeigte sich alsbald sein schöpferischer Geist; so erfand er eine neue, die bisherige in jeder Hinsicht überbietende Art von Malzdörre, welche auch alsbald auf den fürstlichen Gütern und bei anderen Privaten eingeführt wurde. Durch eigene von ihm erfundene Ziegel, die durch eine ebenfalls von ihm erfundene Maschine gepreßt wurden, stellte er die Mauer für den fürstlichen Thiergarten im Umfange von mehreren Tausend Klaftern und um einen Preis her, der sonst nur für die Herbeischaffung des Materiales hätte bezahlt werden müssen. Diese Ziegel verhärteten in einem Zeitraume von zwei Decennien zu einer Steinmasse, welche die Härte der getrockneten Ziegel übertrifft. Seine Studien im Gebiete der Mineralogie und Geognosie erweckten in ihm lange schon den Wunsch, die bis dahin übliche und schädliche Metallglasur des Tafelgeschirres zu beseitigen. Endlich gelang es ihm, ein Geschirr zu erzeugen, welches zwischen Porzellan und Majolika die Mitte haltend, den Steinfluß, die Reinheit und Stärke des ersteren mit der Wohlfeilheit des letzteren verband. Im Jahre 1798 erhielt H. das Privilegium auf diese seine unter dem Namen des „Wiener Steingutes“ bald allgemein gewordene Erfindung und verband sich, da ihm die Mittel fehlten, seine Erfindung durch Anwendung im Großen gemeinnützig zu machen, mit dem industriellen Winkler. Bis 1804 bezog Oesterreich seinen Bleistiftbedarf aus England, H. gelang es, künstliche, die englischen vollkommen ersetzende Bleistifte zu erfinden, durch welche Erfindung Oesterreich in Bezug eines sehr gesuchten Artikels vom Auslande unabhängig gemacht und mehrere bisher unbenutzte, durchaus inländische Stoffe verwerthet werden konnten. Im Jahre 1804 erhielt H. das Privilegium für seine Erfindung und brachte es dahin, daß ein Dutzend seiner feinsten Stifte einem einzigen Stücke der englischen [364] im Preise gleichkam, und im Jahre 1829 erzeugte seine Fabrik 200.000 Dutzende, welche nach Deutschland, Holland, Rußland, Italien, ja selbst nach England versendet wurden. In gleicher Weise, wie die Bleistifte, erzeugte H. alsbald Rothstifte und schwarze Kreide. Eine andere seiner Erfindungen ist das sogenannte „Steingeschirr“, ein aus gröberen Stoffen zusammengesetzter, mit bleifreier glänzend brauner Glasur überzogener Körper, der zu Retorten, Abrauchschalen, Mörsern, Trichtern, überhaupt zu chemischen und Apotheker-Apparaten verwendet wurde. Im Jahre 1810 erfand er den künstlichen Bimsstein, ein Product, welches den echten auch in seiner Verwendbarkeit auf das vollkommenste ersetzte. 1811 erhielt er das Privilegium auf diese Erfindung. Noch erfand er die elastischen unzerbrechlichen Schreibtafeln, bei welcher Gelegenheit ihm mit Verleihung des Privilegiums 1811 zugleich die Zusicherung gegeben wurde, daß er auf eine besondere amtliche Unterstützung seiner weiteren Bemühungen rechnen könne; ferner das „Neapelgelb“, welches das aus Neapel bezogene Originalproduct an Schönheit und Dauer übertrifft, und schließlich die schwarzen Tusche, welche aus gewöhnlichen Stoffen bereitet, durch ihre Wohlfeilheit und Güte gleich vorzüglich sind. Hardtmuth, vollkommen Autodidact, bietet das Beispiel eines außerordentlichen Naturtalentes, das nicht nur durch eigenen Fleiß und eigenes Studium allmälig sehr schätzbare und umfangreiche Kenntnisse aus der Oekonomie und Mineralogie sich eigen gemacht, sondern durch eine Anzahl sinnreicher, trefflicher und allgemein nützlicher Erfindungen sich große Verdienste um das Gemeinwohl und in national-ökonomischer Richtung sich einen bleibenden Namen erworben hat. H. starb im Alter von 64 Jahren, seine Söhne Karl und Ludwig wirkten aber im Geiste des Vaters fort [siehe unten die Quellen].

Neues Archiv für Geschichte, Staatenkunde, Literatur und Kunst, herausg. von Megerle von Mühlfeld und E. Th. Hohler[WS 1] (Wien, 4°.) I. der ganzen Folge XX. Jahrgang (1829), Nr. 101: „Gallerie denkwürdiger Männer des Vaterlandes“. – Dasselbe, Nr. 17, 19, 20, 21, 23: „Die schönen Bauten und Gartenanlagen des regierenden Fürsten Johann von Liechtenstein“ [enthält unter anderen auch eine ausführliche Beschreibung der von H. für den Fürsten vollendeten Bauten]. – Oesterreichische National-Encyklopädie herausg. von Gräffer und Czikann (Wien, 1835, 8°.) Bd. II, S. 505. – Nagler (G. K. Dr.), Neues allgemeines Künstler-Lexikon (München 1837, E. A. Fleischmann, 8°.) Bd. V, S. 560. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliogr. Institut, gr. 8°.) Bd. XIV, S. 1176 [nach diesem geb. zu Aspern im Jahre 1732; beides irrig, denn Asparn an der Zaya, Hardtmuth’s Geburtsort, ist nicht zu verwechseln mit dem auch in Oesterreich unter der Enns gelegenen, durch die denkwürdige Schlacht bekannten Ort Aspern; und dann ist H. 1752 geboren). – Bericht über die allgemeine Agricultur- und Industrie-Ausstellung zu Paris im Jahre 1855. Herausgegeben unter der Redaction von Dr. Eberhard A. Jonák (Wien 1857/58, Staatsdruckerei), I. Bd. 10. Classe, S. 74. – Presse (Wiener polit. Journal) 1855, Nr. vom 6. Juli: „Aus den österreichischen Abtheilungen des Pariser Industrie-Palastes I.“ – (Leipziger) Illustrirte Zeitung von J. J. Weber, Bd. V, Nr. 113, S. 136, im Artikel: „Die österreichische allgem. Industrie-Ausstellung in Wien“. – Keeß (Stephan Ritter von), Systematische Darstellung der neuesten Fortschritte in den Gewerben und Manufacturen. Mit besonderer Rücksicht auf den österreichischen Kaiserstaat (Wien 1830, Gerold, 8°.) Bd. II, S. 639, 704. – Hardtmuth’s Söhne haben die Bleistiftfabrik ihres Vaters 1847 nach Budweis in Böhmen verlegt. Sie haben ihrem Etablissement eine große Ausdehnung gegeben, zwei Dampfmaschinen und 300 Arbeiter sind in ununterbrochener Thätigkeit und bewerkstelligen eine Jahreserzeugung von einer Million [365] Dutzend von Bleistiften. Ihr Fabrikat, ausgezeichnet durch Güte und Billigkeit, hat auf den gewerblichen Ausstellungen von Wien, Berlin, Frankfurt, London, Newyork und München die höchsten Auszeichnungen des einschlägigen Industriezweiges erhalten; und als ihnen auf der Pariser Ausstellung im Jahre 1855 nur die Medaille zweiter Classe zuerkannt wurde, äußerte der amtliche Berichterstatter sein Befremden darüber, da Hardtmuth’s Fabrikate mit jenen der Faber’schen Fabrik in Nürnberg, welche den ersten Preis erhielt, den Vergleich aushalten. –

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: M. Th. Hohler.