BLKÖ:Hanuš, Ignaz Johann
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 7 (1861), ab Seite: 339. (Quelle) | |||
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Hanusch, Ignaz Johann (Bibliothekar und philosophischer Schriftsteller, geb. zu Prag 28. November 1812). Besuchte 1818 bis 1820 die Pfarrschule zu St. Gallus; 1821 bis 1823 die Hauptschule am Tein; 1824 bis 1829 das Altstädter akademische Gymnasium, an welchem Fr. Swoboda und Jos. Jungmann lehrten; vollendete 1830 und 1831 das philosophische Studium an der Prager Universität unter Jac. Beer, J. von Lichtenfels und Cass. Hallaschka, und trat Ende 1831 in das Prämonstratenserstift Strachow in Prag ein. Der Novizenmeister Dr. Stoppani, ein Sachse, übte merklichen Einfluß auf H., welcher das Studium der hebräischen und griechischen Sprache trieb und letzteres auch fortsetzte, nachdem er 1832 aus dem Orden getreten war. Nun begab sich H. nach Wien, wo er 1832 bis 1835 an der dortigen Universität Pädagogik unter Jac. Beer, Aesthetik unter Müller, Geschichte der Philosophie unter Exner, classische Philologie und Literaturgeschichte unter Müller und österreichische Staatsgeschichte unter Knoll hörte, und dann das juridische Studium begann, dessen vierten Jahrgang er aber erst später als Professor in Lemberg beendete. 1835 bis 1838 war er Adjunct der philosophischen Lehrkanzel unter Professor von Lichtenfels, und am 10. April 1837 erhielt er die philosophische Doctorwürde zu Prag. Nach drei für die philosophischen Lehrkanzeln nach Tarnow, Innsbruck und Lemberg geschriebenen Concursen, wurde er 1838 Professor der Philosophie und deren Geschichte an der Universität in Lemberg, welche Stelle er bis 1847 bekleidete und mittlerweile (1843) als supplirender Professor der Weltgeschichte und Diplomatik fungirte. 1847 kam er als Professor der Philosophie und deren Geschichte nach Olmütz; 1849 im October in gleicher Eigenschaft nach Prag, von welcher Stelle er am 29. Februar 1852, jedoch mit dem Fortbezuge des vollen Gehaltes, enthoben wurde. Das Ministerium äußerte sich gegen den akademischen Senat darüber unter Anderem so: „Die Beibehaltung seines Gehaltes, ohne ihm vor der Hand eine andere Bestimmung zu geben, soll als Beweis dienen, daß die Nothwendigkeit seiner Enthebung ihm nicht zum Vorwurfe gemacht wird.“ Bereits im Jahre 1850 zum außerordentlichen Mitgliede der kön. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften in Prag erwählt, wurde er im April 1852 ordentliches Mitglied und 1853 Bibliothekar derselben, als welcher er in die seit 1848 mit der Uebersiedelung in das neue Locale ganz verwahrloste Büchersammlung Ordnung brachte und wissenschaftliche Cataloge dieser, so wie der Werke und Abhandlungen der Gesellschaft verfaßte. Im Jahre 1860 wurde H. an Šafařik’s (gest. im Juni 1861) Stelle, welcher seines Amtes enthoben wurde, um sich ganz seinen wissenschaftlichen Forschungen widmen zu können, Bibliothekar an der Universität in Prag. Hanuš hat bereits eine reiche literarische Thätigkeit entfaltet und aus den Gebieten der Philosophie, Archäologie, Cultur- und Literaturgeschichte theils selbstständige Werke, theils in wissenschaftlichen Sammelwerken abgedruckte Abhandlungen veröffentlicht und zwar aus dem Gebiete der Philosophie: „Handbuch der wissenschaftlichen Erfahrungslehre in philosophisches Wissen einleitend“ (Lemberg 1842, Stockmann, 2. Auflage 1846, 3. Aufl. Brünn 1849, Winniker); [340] – „Handbuch der wissenschaftlichen Denklehre in philosophisches Wissen einleitend“ (Lemberg 1843, Selbstverlag; seit 1847 im Verlage bei Neugebauer in Olmütz; 2. Aufl. 1851, Prag bei Tempsky (Calve); – „Grundzüge eines Handbuches der Metaphysik“ (Lemberg 1845, Stockmann); – „Handbuch der philosophischen Ethik“ (Lemberg 1846, Stockmann);– „Nástin duševědy s pokusem u vysvitlení výrazů duševědných“, d. i. Grundriß der Seelenlehre mit einem Versuch der Erklärung psychologischer Ausdrücke (Brünn 1849, Winniker), es ist dieß sein erster Versuch in čechischer Sprache zu schreiben; – „Geschichte der Philosophie von ihren Uranfängen an bis zur Schliessung der Philosophen-Schulen durch Kaiser Justinian. Mit Beigabe der Literatur vom allgemeinen kulturhistorischen Standpunkte“ (Olmütz 1852, Neugebauer), erschien eigentlich schon 1849 in Brünn bei Wimmer, kam jedoch in die Concursmasse des Verlegers und wurde erst nach deren käuflichen Vertheilung 1852 ausgegeben; – „Nástin logiky na základě metaphysikím“, d. i. Grundriß der Logik auf metaphysischer Grundlage (Prag 1850, Calve); – „Rozbor filosofie Tomáše ze Štítného dle rukupisu řeči besedních“, d. i. Analyse der Philosophie des Thomas von Štítné (Prag 1852), herausgegeben von der böhmischen Matice in Prag; – Ansichten desselben Th. von Štítné brachte nach einem andern Manuscripte die Brünner „Koleda“ in den Jahren 1853 und 1854; – „Stává-li nutního a obzvláštního spojidla vědeckého mezi filosofií a mathematikou či nic“, d. i. Besteht ein besonderes wissenschaftliches Band zwischen der Philosophie und Mathematik oder nicht, in der „Zeitschrift des böhmischen Museums“ (1851, I. Heft), und „René des Carte s du Perron“. Ebenda (1851, IV. Heft). – Aus der Archäologie: „Die Wissenschaft des slavischen Mythus im weitesten, den altpreussisch-lithauischen Mythus mitumfassenden Sinne. Ein Beitrag zur Entwicklung des menschlichen Geistes“ (Lemberg, Tarnow und Stanislawow 1842, Millikowski); – „Urgeschichte der Slaven“, eine Anzeige von P. J. Šafařik’s[WS 1] Alterthümern der Slaven in A. Schmidl’s „österr. Blättern für Literatur und Kunst“ (1845, Nr. 26 u. f.); – „Entwicklungsprocess des Mythus an sich und in seinem Uebergange in die Philosophie“ (ebenda 1845, Nr. 87 u. f.); – „Zustand der slavischen Götterlehre in der Gegenwart“ (ebd. 1844, Nr. 10), ist zum Theile eine Selbstkritik seines Werkes: „Wissenschaft des slavischen Mythus“, die namentlich die übermäßige Hervorhebung der indischen und parsischen Elemente darin tadelt; – „O bájech čili mythech“, d. i. Ueber die Mythen, im Brünner Blatte „Týdennik“ (1848, Nr. 25 u. f.); – „O svěcení výročných svátků starých Slovanů a o jich pozůstat cích mezi námi“, d. i. Ueber die Feierlichkeiten bei den Jahresfesten der alten Slaven und über deren Reste unter uns, in dem in Brünn herausgegebenen Kalender „Koleda“ (Jahrg. 1852); – „Procházky po oboře mluvozpytu a starožitností Slovanských. S úvodem o příbuznosti a živobytí řeči indoeuropských“, d. i. Spaziergänge im Gebiete der slavischen Sprachwissenschaft und Alterthumskunde. Mit einer Einleitung über die Verwandtschaft und Entwickelung der indoeuropäischen Sprachen (Prag 1856, A. Storch, auch in der „Koleda“ vom Jahre 1855); – „Ueber die alterthümliche Sitte der Angebinde bei Deutschen, Slaven und Lithauern. Ein Beitrag zur comparativen deutsch-slavischen Archäologie“ (Prag 1855, Calve), der [341] Grundriß davon erschien 1834 in J. E. Schmaler’s „slavischen Jahrbüchern“ in Bautzen); – „Procházky po oboru starožitného hvězdárství a kalendárství“, d. i. Spaziergänge im Gebiete der archäologischen Astronomie und Chronologie im Brünner Kalender „Koleda“ (f. 1857);– „Zur slavischen Runenfrage mit besonderer Rücksicht auf die obotritischen Runenalterthümer, so wie auf die Glagolica und Kyrilica. Ein Beitrag zur comparativen germanisch-slavischen Archäologie“ (Wien 1857, herausgegeben von der kais. Akademie im XVIII. Bande des „Archives“); – „Báješlovný kalendář slovanský, čili: Pozůstatky pohansko-svátečných obřadův slovanských“, d. i. Mythologischer slavischer Kalender, oder Ueberreste heidnischer Feste bei den Slaven (Prag 1860, Kober und Marggr., 8°.). – Aus dem Gebiete der Culturgeschichte: „Blicke in die Urgeschichte der menschlichen Cultur“ (Lemberg 1847, Stockmann), früher in Tomaschek’s „Kalender zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse“ (Wien 1844, Sollinger); – „Vorlesungen über die allgemeine Culturgeschichte der Menschheit. Gehalten an der Universität zu Olmütz im Jahre 1849“ (Brünn 1849, Winniker), nach nachgeschriebenen Heften abgedruckt; – „O vzdělanosti dávnověké Slovanů“, d. i. Ueber die alterthümliche Cultur der Slaven, in der Brünner „Koleda“ für 1851; – „Fysiognomie či pohledověda v příslovích“, d. i. Sprichwörtliche Ansichten der Slaven über die Physiognomie; ebenda im Jahrg. 1854; – „Jak patři Slované v příslovích a pořekadlách na ženské pohlaví vůbec a zvlášt“, d. i. Sprichwörtliche Ansichten der Slaven über das weibliche Geschlecht im allgemeinen und besonderen; ebenda im Jahrg. 1855. – Aus dem Gebiete der Bibliographie und Literaturgeschichte: „Literatura příslovnictví slovanského a německého“, d. i. Literatur des slavischen und deutschen Sprichwörterwesens. (Prag 1853, Selbstverlag); – „Ueber die zwei Ausgaben der Incunabeln-Sprichwörtersammlung in der Prager kais. Universität“, in R. Naumann’s[WS 2] „Serapeum“ Jahrg. 1857; – „Historie přislovních sbírek slovanských a zvláště českých“, d. i. Geschichte der slavischen und namentlich der böhmischen Sprichwörtersammlungen, in der „Zeitschrift des böhmischen Museums“, (IV. Heft, 1851); – „Život a působení Fr. L. Čelakovského“, d. i. Leben und Wirken Fr. L. Čelakovský’s, in den „Abhandlungen der kön. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften“ (V. Folge, IX. Band); – „Systematisch und chronologisch geordnetes Verzeichniss sämmtlicher Werke und Abhandlungen der kön. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften“ (Prag 1854, herausgegeben von der kön. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften); – „Zur Literatur und Geschichte der slavischen Sprachen in Deutschland, namentlich der Sprache der damaligen Elbeslaven oder Polaben“, in Miklosich’s und Fiedler’s „Slavische Bibliothek“ (Wien 1858, II. Bd.); – „Zur Glagolica-Frage. Ein Referat über P. J. Šafařik’s[WS 1] Schriften“ (ebd.); – „Sv. Kyril nepsal kyrilsky než hlaholiky“, d. i. Der heil. Kyrill schrieb nicht kyrillisch, sondern glagolisch, in den „Abhandlungen der kön. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften“ (V. Folge, X. Band); – „Mönch Chrabru, ein altbulgarischer Zeuge für die Wirksamkeit der Slavenapostel und der Verbreitung glagolischen Schriftwesens durch den h. Kyrill“ (Wien 1858, Staatsdruckerei), auch in den „Sitzungsberichten der kais. Akademie der Wissenschaften“. Auch redigirte H. im Jahre 1848 in [342] Olmütz einige Zeit das Journal „Die neue Zeit“; übernahm aber später mit Professor Helzelet die Redaction der officiellen „prostonárodný noviny Holomoucke“, d. i. Populäre Olmützer Zeitung. Im April 1858 übernahm er die Redaction der von I. L. Kober in Prag begründeten und anfänglich von Schmidt-Weissenfels redigirten „Kritischen Blätter“, welche aber noch im nämlichen Jahre mit dem vierten Bande zu erscheinen aufhörten. Die Angriffe einer Partei nöthigten H. zur Herausgabe einer polemischen Schrift unter dem Titel: „Stellung der „kritischen Blätter“ zu einer Fraction der neuböhmischen Literatur. Ein Culturbild mit einem Schattenriße“ (Prag 1858, A. Storch).
Hanuš, hie und da auch- Rittersberg, Kapesní slovníček (Prag 1850, 16°.) Bd. I, S. 572. – Brockhaus’ Conversations-Lexikon. 10. Auflage, Bd. VII, S. 464. – Nouvelle Biographie générale ... publiée par Firmin Didot frères sous la direction de M. le Dr. Hoefer (Paris 1852 u. f., gr. 8°.) Bd. XXIII, Sp. 313. – Wiener (amtliche) Zeitung, 1860, Nr. 246, S. 4193: „Aus Prag ...“ – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, bibliographisches Institut, gr. 8°.) Suppl. Bd. III, S. 1299. – Der verderbliche Einfluß der Hegel’schen Philosophie. Zur Beurtheilung und Würdigung des neuesten Verfahrens der k. k. österr. Regierung, mit besonderer Beziehung auf die Entsetzung des Prof. Hanuš in Prag von seinem akademischen Lehramte und der officiellen Motivirung des Schrittes. Von dem Verfasser des „Antibarbarus logicus“ (Leipzig 1852, Geibel, gr. 8°.). [Der Verfasser dieser Schrift, ein erklärter Gegner der Hegel’schen Philosophie und aller ihrer Anhänger, führt nachstehende, ungemein einfache Argumentation auf 71 Seilen durch: „Die Hegel’sche Philosophie ist verderblich, Professor Hanuš ist Hegelianer; also war die österreichische Regierung ihn abzusetzen berechtigt und verpflichtet“. Der Schwerpunkt dieser logischen Argumentation ruht auf dem Obersatze; den Beweis für dessen Richtigkeit aber ist der Verfasser des „Antibarbarus logicus“ schuldig geblieben.] – Aristarchus redivivus. Ein offenes Brieflein an Dr. I. J. Hanuš. Ein kleiner Jux in 1000 Exemplaren zu Einem Groschen. Zugleich eine nothwendige Beilage zu den „Kritischen Blättern“ (Prag, im Jahre I der Hanuš’schen Kritik (1858). Pospisil, 8°.) [eine Schmähschrift auf H., welche die Spuren des ganzen Grimmes an sich trägt, der durch eine von Hanuš geschriebene Kritik bei dem Anonymus, für den Herr Zap bezeichnet wird, wachgerufen worden]. – Blätter für literarische Unterhaltung 1854, S. 716. – Literaturblatt. Redigirt von Dr. Wolfg. Menzel (Stuttgart, 4°.) 1842, Nr. 103. – Moravské národní Noviny, d. i. Mährische volksthümliche Neuigkeiten (Brünn, 4°.) 1852, Nr. 10, S. 73.